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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.07.2022

Interessant aber noch ausbaufähig

Die Hennakünstlerin
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Das Buch gibt einen zugleich spannenden als auch erschreckenden Einblick in die Indische Gesellschaft und die Rolle der Frau. Lakshmi und ihre Schwester Radha haben viele Hürden zu meistern, müssen sich ...

Das Buch gibt einen zugleich spannenden als auch erschreckenden Einblick in die Indische Gesellschaft und die Rolle der Frau. Lakshmi und ihre Schwester Radha haben viele Hürden zu meistern, müssen sich oft unterordnen und ein veraltetes Frauenbild verkörpern. Kleidung, Verhaltensweisen, Essen und der Alltag sind sehr anschaulich beschrieben, so dass man in eine exotische Welt abtauchen kann. Auch der noch tief verwurzelte Aberglaube ist durch verschiedenste Ereignisse gut in die Geschichte eingeflochten und war für mich oft erstaunlich.

Die Geschichte hat ein paar überraschende Wendungen, aber auch einige Geschehnisse die für mich etwas zu offensichtlich waren, weil man sie auf diese Weise einfach schon zu oft gelesen hat. Im letzten Abschnitt gibt es dann noch ein wenig Dramatik und ein Ende das sehr deutlich den Weg für eine Fortsetzung bereitet.

Dass sich Lakshmi ihre Selbstständigkeit mit Ausdauer und Mut hart erkämpft hat ist sehr beeindruckend. Ziemlich an ihr gestört haben mich aber ihre ständigen Selbstvorwürfe. Auch ihre jüngere Schwester Radha ist recht anstrengend, man merkt ihr deutlich an, dass sie im Teenageralter ist. Vermutlich ist sie mit ihren Launen gut getroffen, richtig warm geworden bin ich mir ihr aber nicht. Die Geschwister hatten es in ihrem Leben bisher nicht leicht und natürlich entsprechende Charakterzüge entwickelt, eine richtig tiefe Sympathie ihnen gegenüber mochte bei mir aber trotzdem nicht aufkommen.

Das mit acht eng bedruckten Seiten sehr umfangreiche Glossar hat mich ein wenig erschlagen. Natürlich geben in die Geschichte eingeflochtene Worte in der Landessprache einen zusätzlichen exotischen Flair, aber wenn ich auf einer Doppelseite fünfmal ans Ende des Buches blättern muss ist mir das dann irgendwann zu viel. Großartig hingegen fand ich die der Geschichte angefügten kurzen Erklärungen zur Tradition des Henna, dem indischen Kastensystem und zwei Rezepten.

Fazit
Das Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits habe ich es gerne und binnen weniger Tage gelesen, andererseits wäre vor allem bei den Charakteren noch mehr möglich gewesen. Der Einblick in die Arbeiten als Hennakünstlerin und die indische Gesellschaft waren wiederum interessant.

Veröffentlicht am 29.04.2022

Eine geniale Storyidee, mittelmäßig umgesetzt

Hex
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Der Ansatz für die Story ist genial. Black Spring ist nicht von der Außenwelt abgeschottet, so dass sich die Einwohner einiges einfallen lassen müssen, damit Wanderer und Durchreisende nichts von der Hexe ...

Der Ansatz für die Story ist genial. Black Spring ist nicht von der Außenwelt abgeschottet, so dass sich die Einwohner einiges einfallen lassen müssen, damit Wanderer und Durchreisende nichts von der Hexe mitbekommen. Denn die Sache mit der Hexe muss geheim bleiben! Da die Hexe durchs Dorf spaziert und auch mal für mehrere Stunden auf der Straße oder in den Wohnhäusern stehen bleibt ist da natürlich einiges an Kreativität gefragt. Also wird mal eine Baustelle um die Hexe herum errichtet, mal dient ein Spüllappen dazu, dass die Einwohner ihr Gesicht nicht sehen müssen, wenn sie regungslos im Wohnzimmer steht. Es gibt eine App um den Standort der Hexe zu melden und natürlich wird das Internet strikt kontrolliert, damit keine Bilder und Videos nach außen dringen. Das Ganze ist so wunderbar unterhaltsam und skurril geschrieben, dass ich mich zugleich herrlich amüsiert und etwas gegruselt habe. Etwa ab der Mitte des Romans wendet sich das dann, die Handlung nimmt Fahrt auf und die Stimmung wird bedrohlicher.

Der Erzählstil ist recht einfach gehalten, bei der Sprache will der Autor an mancher Stelle aber zu kreativ sein. Vielleicht ist die Übersetzung schuld, aber es wirkte oft etwas seltsam welche Worte verwendet wurden um die Atmosphäre zu beschreiben. Wie sich in einem Wald die Stimmung “mittelalterlich” anfühlen soll, kann ich mir einfach nicht vorstellen.

Das Ende ist was die Handlung angeht leider der schwächste Teil, hier vermischen sich Visionen und Realität oft so konfus miteinander, dass man sie nicht mehr auseinanderhalten kann, das war mir zu verwirrend. Im Nachwort berichtet der Autor, dass er sein Ende für den amerikanischen Markt umgeschrieben hat, diesen Bruch in der Erzählweise merkt man deutlich, denn ins Deutsche wurde die amerikanische Version und nicht das niederländische Original übersetzt. Die Moral der Geschichte und der Epilog sind dann aber wieder großartig.

Fazit
Auch wenn es beim großen Finale von allem zu viel und die Sprache an manchen Stellen gewöhnungsbedürftig ist, hat mir das Buch recht gut gefallen. Trotz der Schwächen kann ich das Buch für die grandios einfallsreiche Story empfehlen.

Veröffentlicht am 30.12.2021

Ein historischer Jugendroman mit vereinzelt fantastischen Elementen

Die Schule der Redner
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Ich habe schon viele historische Romane gelesen, eines über die Macht und Möglichkeiten der Sprache war bisher noch nicht darunter. Der Autor kombiniert dieses Thema geschickt mit einem Abenteuerroman, ...

Ich habe schon viele historische Romane gelesen, eines über die Macht und Möglichkeiten der Sprache war bisher noch nicht darunter. Der Autor kombiniert dieses Thema geschickt mit einem Abenteuerroman, bei dem sich die jugendlichen Protagonisten auf die Jagd nach einem gefährlichen Manuskript machen das schon durch eine Reihe berühmter Hände gegangen ist. Wer diese Schrift studiert, der erhält die Macht mit seinen Worten starken Einfluss auf andere Menschen zu nehmen. Hier sind dann auch etwas fantastische Elemente enthalten, etwa wenn einer der Antagonisten durch ein einziges Wort andere Menschen in eine körperliche Starre verfallen lässt.

Das erste Drittel des Romans erzählt die Flucht Leons nach St. Gallen zur Schule der Redner. Dieser Teil ist sehr spannend, man fiebert mit dem Jungen, wie er seinen Verfolgern durch Schnee und Eis zu entkommen versucht. In der Schule angekommen findet Leon schnell neue Freunde wie auch Feinde. Der Leser begleitet die Jugendlichen durch Unterrichtsstunden und erfährt viel über Rhetorik und die Möglichkeiten der sprachlichen Manipulation. Und natürlich ist nicht jeder der Lehrer und Schüler was er vorgibt zu sein, hier hat der Autor geschickt ein paar Überraschungen eingebaut.

Vom Setting her ist das Buch für mich ein historischer Jugendroman, bei dem sich ruhigere, aber trotzdem sehr interessante Passagen über Rhetorik gut mit actionreicher Spannung abwechseln. Ganz realistisch geht dabei aber nicht immer zu. Mehrmals schaffen es die Jugendlichen, dass sie erfahrene und zahlenmäßig überlegene Kämpfer besiegen. Und da mir historische Korrektheit sehr wichtig ist, muss ich zu diesem Punkt ein wenig „meckern“. Dass die Verlobte eines einflussreichen Fürsten mal eben fremdgeht und die Familie über diese Schmach einfach hinwegsieht mag nicht wirklich zu den damaligen Erwartungen und Rollen passen.

Die verwendete Sprache ist überwiegend modern, ergänzt um einige „alte“ Begriffe. Allerdings sind hier auch Fehler enthalten, so kannte man zur damaligen Zeit die Kartoffel und damit natürlich auch eine „Kartoffelnase“ noch gar nicht.

Fazit:
Es ist kein klassischer historischer Roman, doch wer über historische Abweichungen und ein paar Ungereimtheiten hinwegsehen kann, der erhält einen temporeichen Roman mit sehr interessanten Lektionen zu Rhetorik und Sprache. Die Lehrstunden über die Kunst der Rhetorik waren mein Highlight des Buches und schon beim Lesen habe ich überlegt wie ich diese neuen Kenntnisse am besten ausprobieren kann.

Veröffentlicht am 08.12.2021

Ein solider Krimi mit einer großartigen Atmosphäre

Der geheimnisvolle Mr. Hyde
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Craig Russell „leiht“ sich für seinen Krimi die Figur des Edward Hyde - dieser ist in der Buchwelt kein Unbekannter und stammt aus der Feder des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson. Russell ...

Craig Russell „leiht“ sich für seinen Krimi die Figur des Edward Hyde - dieser ist in der Buchwelt kein Unbekannter und stammt aus der Feder des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson. Russell erzählt Hydes Geschichte aber nicht neu, sondern schreibt in seinem Buch eine andere Geschichte.

Das Buch spielt in einem sehr düsteren Edinburgh, Nebel wallt durch die Straßen und dämpft alle Geräusche, die Gaslaternen bringen kaum Licht - die Atmosphäre ist wirklich sehr gut beschrieben und konnte an einigen Stellen einen wohligen Grusel erzeugen. Die Hauptrolle in der Geschichte spielt natürlich der von Gedächtnisverlusten geplagte Edward Hyde, der zudem die große Sorge hat, dass er während seiner Aussetzer gewaltsame Taten oder gar Morde begangen haben könnte. Auch rätselhafte Träume plagen ihn, irrt er durch eine düstere, von der keltischen Mythologie geprägte Welt. Obwohl mich Mythologie sehr interessiert hat mir dieser Aspekt der Geschichte weniger gefallen, denn für meinen Geschmack wurde zu wenig erklärt, so dass ich bis zum Ende des Buches einfach keinen Zugang zu den beschriebenen Wesenheiten und Bräuchen fand.

Die Charaktere hingegen konnten mich durchweg überzeugen. Aus Edward Hyde wird man lange nicht schlau, im Hinterkopf hat man immer seine Rolle in Stevensons Roman und hat ihm gegenüber stets gewisse Zweifel. An seiner Seite ist mit Dr. Burr eine weibliche Ärztin, die sich in einer Männerdomäne behaupten muss und mir von Beginn an sehr sympathisch war.

Der Spannungsbogen ist solide, im Mittelteil wird die Geschichte zwar etwas träge, dafür entschädigt dann aber das rasante Ende, wo sich die Ereignisse überschlagen und ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Die Motive hinter den Morgen waren für mich dann aber nicht komplett nachvollziehbar.

Fazit
Ein solider Krimi mit einer großartigen Atmosphäre und gelungenen Charakteren. Der mythologische Aspekt hätte für meinen Geschmack aber entweder einer tiefgründigeren Ausarbeitung bedurft oder weniger im Mittelpunkt stehen sollen.

Veröffentlicht am 04.12.2021

Super recherchiert, gut erzählt, lediglich mit den Charakteren konnte ich mich nicht anfreunden

Der Traumpalast
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Das Buch ist sehr aufwendig recherchiert, viele historische Geschehnisse und auch Persönlichkeiten sind in die Geschichte eingeflochten. Die damalige Zeit, die Menschen und ihr Leben, sind toll dargestellt, ...

Das Buch ist sehr aufwendig recherchiert, viele historische Geschehnisse und auch Persönlichkeiten sind in die Geschichte eingeflochten. Die damalige Zeit, die Menschen und ihr Leben, sind toll dargestellt, ich fühlte mich mitten in die Vergangenheit versetzt. Auch den aufkeimenden Nationalsozialismus fängt der Autor sehr stark ein. Ich hätte mir allerdings einen größeren Fokus auf das Kino gewünscht. Vor allem in der ersten Hälfte des Buches geht es Großteils um die politischen Entwicklungen der damaligen Zeit, Film und Kino spielen nur eine kleine Rolle.

Die Kapitel sind sehr kurz, oft nur zwei oder drei Seiten lang. Eigentlich bevorzuge ich längere Abschnitte und tat mich mit den recht abrupten Szenenwechseln zu Beginn eher schwer. Der Autor schafft durch den häufigen Perspektivwechsel jedoch eine sehr gute Dynamik und immer wieder auch Spannung, so dass ich mich schnell daran gewöhnt hatte und mir die kurzen Abschnitte mit der Zeit immer besser gefielen.

Leider wurden mir bis zum Ende die beiden Protagonisten Rahel und Tino nicht wirklich sympathisch. Rahels Wunsch nach Selbstständigkeit und dass sie für ihre Träume kämpft gefiel mir gut. Allerdings ist sie einfach zu perfekt um mir richtig ans Herz zu wachsen. Gebildet, redegewandt, stets die Schönste im Raum und unglaublich talentiert auf verschiedensten Gebieten. In der Summe ist mir das zu viel des Guten. Tino ist ein eitler Geck der problemlos und reihenweise Frauenherzen bricht. Seine Eitelkeit ist zwar seinem Charakter geschuldet, er kommt vermutlich genauso rüber wie er durch die Feder des Autors erschaffen wurde, sympathisch wird er mir durch dieses Wissen dennoch nicht.

Fazit:
Ein toll erzähltes Buch, das den Zeitgeist der 1920er Jahre einfängt, ich bin nur leider mit den Protagonisten so gar nicht warm geworden.