Ein gefühlskalter Egoist wer er, der alte Teufel, ein Tyrann, wie er im Buche steht, jemand, der zeitlebens rücksichtslos seine eigenen Ziele verfolgt hat, nach dessen Pfeife alle, die das Pech hatten, mit ihm zu tun zu haben, tanzen mussten, ein Mensch, der das Wort Anstand vielleicht kannte, nicht aber seine Bedeutung. Ein Teufel in Menschengestalt, ganz dem nacheifernd, dessen Namen er trug? Man mutmaßt es bereits zu Beginn des Romans und findet sich, je weiter die Handlung voranschreitet, immer mehr bestätigt!
Nun ist er tot, der durch Heirat zu Wohlstand gekommene Friedrich Teufel, während eines Spaziergangs in der Massener Heide von unbekannter Hand erschlagen – und niemand weint ihm eine Träne nach. Im Gegenteil ist jeder, der den bösen Mann kannte, insgeheim oder gar offen erleichtert, dass ihm endlich ins Jenseits verholfen wurde, in dem er sich jetzt mit seinem Namensvetter ein Stelldichein geben kann.
Doch nun, da ist aber das fünfte Gebot, das da sagt „Du sollst nicht töten“! Und es stimmt schon – wo käme man denn hin, wenn man jeden unliebsamen Zeitgenossen einfach ungestraft abmurksen dürfte, so bald man dieses niedere Bedürfnis verspürt? Also rückt die Polizei an, in Gestalt der beiden Kommissare Maike Graf und Max Teubner, zwei Ermittler, derer sich die Autorin Astrid Plötner bereits in einigen Vorgängerbänden bedient hat, denen ich selbst aber in dem hier zu besprechenden Kriminalroman zum ersten Mal begegne.
Sie beginnen mit der Spurensuche, der Befragung von Zeugen und möglichen Verdächtigen, wiewohl sie recht rasch ins Leere laufen. Jeder, der in irgendeiner Weise mit dem alten Teufel in Verbindung stand, hätte ein Motiv gehabt, ihm das Lebenslicht auszublasen, doch für die Tatzeit scheinen alle ein Alibi zu haben! Der Leser lernt sie kennen, die Familie Teufel und die Nachbarsleute, genau so wie all die dienstbaren Geister in und um das Anwesen des Getöteten – langsam, ganz allmählich, und bekommt einen Einblick in das, was sie umtreibt, erfährt dabei immer mehr Unliebsames über den Verblichenen, an dem so gar nichts war, was für ihn gesprochen hätte.
Gleichzeitig bekommt man einen, wie ich meine sehr realistischen, Einblick in die Polizeiarbeit, die mühselig ist, in der die Puzzleteile nicht vom Himmel fliegen und sich wie von selbst zusammenfügen sondern sich störrisch widersetzen gefunden zu werden und dann einfach nicht passen wollen! Polizisten sind nur in Filmen und leider oft genug auch in Kriminalromanen Superhelden, deren ständige Geistesblitze und nimmermüde Umtriebigkeit die Lösung eines jeden ihnen anvertrauten Falles als Kinderspiel erscheinen lassen. Und selbstverständlich müssen sie strahlender – oder immer häufiger auch gebrochener, denn letzterer Typ scheint in Mode gekommen zu sein – Mittelpunkt der Detektivgeschichte sein, die gesamte Handlung ist um sie herum aufgebaut, der Kriminalfall selbst und dessen Aufklärung nur Mittel zum Zweck, um bloß keine Zweifel an der Genialität des Detektivs oder Kommissars oder Hobbyermittlers, die schon an Zauberkräfte grenzt, aufkommen zu lassen!
Umso erfreulicher ist für mich denn die Begegnung mit Astrid Plötners angenehm zurückhaltendem Ermittlerpaar. Die beiden stehen, wie es sich für einen guten Kriminalroman gehört, weitgehend im Hintergrund; man lernt sie aber auch in ihren Nebenrollen durchaus kennen, kann ebenso ihr Privatleben erahnen, ohne dass es unnötig ausgewalzt wird. Besagtes Privatleben, an dessen Bloßlegung allzu viele Schreiberlinge ihre Leser gewöhnt haben, spielt aber nur dann eine Rolle bei der Klärung eines Verbrechens, wenn es direkt mit jenem in Verbindung steht – was es bei den Bemühungen um das Auffinden des Mörders von Friedrich Teufel entschieden nicht tut.
Darüber hinaus gefällt es mir ungemein, wie Graf und Teubner agieren, wie sie mit den Verdächtigen umgehen, auf welch ruhige, freundliche, menschliche, gar ehrlich mitfühlende Art und Weise sie Zeugenbefragungen vornehmen. Sie müssen nicht schreien und die zu Befragenden mit aggressivem Gehabe einschüchtern, um Antworten zu bekommen, denn die bekommen sie sowieso, man vertraut den Beiden, weiß, dass man ihnen keinen Strick aus ihren Aussagen drehen wird. Und so nähern sie sich realistisch-bedächtig aber stetig der Auflösung des immer vertrackter und rätselhafter werdenden Falles oder womöglich auch der Fälle – denn da gibt es plötzlich noch einen Toten! Friedrichs Sohn Andreas, auf dem besten Wege, ein ebensolches cholerisches und selbstherrliches Ekelpaket wie sein Erzeuger zu werden, wird zuerst von der Straße abgedrängt, was die Kommissare zu Recht als Tötungsversuch deuten, und kommt obendrein noch kurz darauf bei einem Brand auf dem Familienanwesen „Gut Gänseheim“, der nicht zufällig entstand, ums Leben.
Parallel zu den Geschehnissen auf besagtem Gut lernt der Leser – und ist damit den Ermittlern lange Zeit einige Schritte voraus! - Edith, die sich als die Sympathieträgerin schlechthin erweisen wird, kennen, Edith in verschiedenen Stadien ihres Lebens, das eng mit dem des alten Tyrannen verknüpft war, Edith, die die alte Frau Teufel, die ihr herzloser Ehemann, nachdem ihre Demenz voranschritt, in ein Seniorenheim abgeschoben hat, erwähnt, nachdem sie während einer Spazierfahrt mit Enkelin Melissa abhanden gekommen war – und mit einem Säugling im Arm wiedergefunden wurde. Um Ediths Kind müsse sie sich kümmern, wiederholt Alma Luise Teufel ein ums andere Mal....
Es ist faszinierend zu lesen, wie die Autorin die unterschiedlichen Stränge ihrer wunderbar aufgebauten Handlung zusammenführt und Schritt für Schritt Licht bringt in eine so rätselhafte wie traurige, recht tragische Geschichte, die vor vielen Jahren im westfälischen Unna, dem Schauplatz der Handlung und gleichzeitig Heimat der Schriftstellerin selbst, ihren Anfang nahm und in der die Ursache für den Tod Friedrich Teufels zu finden ist. Alte Sünden werfen lange Schatten, jahrzehntelanges standhaftes Schweigen sollte nicht gebrochen werden, um nicht eine unkontrollierbare Lawine loszutreten. Fürwahr! Und manchmal, nicht so oft freilich, muss man der Gerechtigkeit eben ein wenig nachhelfen, nicht wahr?
Summa summarum: „Teufels Tod“ hat mich von Anfang bis Ende aufs Beste unterhalten! Der Krimi ist interessant, so spannend wie vielschichtig, läd zum Miträtseln ein, ist ausgewogen und logisch aufgebaut – mit einem geradezu furiosen Finale, das man so nicht erwartet hätte. Die handelnden Personen, ob sympathisch oder ärgerlich oder indifferent lassend, sind vorstellbar, ihre Handlungen sind, ihrem jeweiligen Charakter entsprechend, folgerichtig, egal ob man sie denn gutheißen mag oder nicht. In der Tat gibt es nichts zu kritisieren, aber viel zu loben an Astrid Plötners Roman, dessen Stil und Aufbau mich während des Lesens nicht nur einmal an die Klassiker des perfekt geschriebenen Whodunnits erinnert haben, explizit an die psychologisch aufs Feinste ausgearbeiteten Kriminalromane der unübertrefflichen Dame Agatha Christie, die stilistische Klarheit und Hochklassigkeit der Dorothy L. Sayers und die nachdenkliche Tiefgründigkeit der von ihren Landsleuten vielgeliebten P. D. James, ihres Zeichens Member of Parliament und privat Baroness James of Holland Park. Bleibt zu hoffen, dass schließlich auch nicht nur begeisterte Leser das Potential der Westfälin Astrid Plötner erkennen!