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Veröffentlicht am 02.01.2022

Charmantes rotes Wien

Mord auf dem Eis
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Neben Umbauarbeiten im ehemaligen Kutscherhäuschen verbringen Ernestine Kirsch und Anton Böck viel Zeit beim Eislaufen. Antons Enkelin Rosa erhält Unterricht im Eislaufverein und im Buffet gibt es legendäre ...

Neben Umbauarbeiten im ehemaligen Kutscherhäuschen verbringen Ernestine Kirsch und Anton Böck viel Zeit beim Eislaufen. Antons Enkelin Rosa erhält Unterricht im Eislaufverein und im Buffet gibt es legendäre Frankfurter und köstliche Cremeschnitten. Und schon gibt es eine tote Eiskunstläuferin, womit Ernestines Neugier und detektivischer Spürsinn, gepaart mit Logik und ein wenig Phantasie auf Hochtouren zu laufen beginnen. Der Winter 1924 im roten Wien bietet eine ebenso vorweihnachtliche wie spannende Kulisse für einen weiteren Mordfall, in dem die gewitzte pensionierte Lateinlehrerin und ihr Freund und früherer Apotheker vielversprechenden Spuren folgen.

Einen gut durchdachten Kriminalfall verknüpft Beate Maly geschickt mit der privaten Geschichte von Ernestine und Anton, die man bereits durch einige andere Fälle begleiten durfte. Diesmal fällt die Handlung ins winterliche Wien der Zwischenkriegszeit. Der geneigte Leser wird mit hervorragend recherchierten Details konfrontiert, erlebt das flotte Treiben am Heumarkt ebenso wie eine Fahrt mit der offenen Tram von der Esslinggasse im ersten Bezirk über Augartenbrücke (oder Maria-Theresienbrücke) durch die Leopoldstadt und Brigittenau in den großen Arbeiterbezirk Floridsdorf. Gemeindebauten und Gaswerk, das mittlerweile - knapp hundert Jahre später - schon wieder einer modernen Wohnsiedlung gewichen ist, prägen das historische Bild, welches die Autorin in anschaulichen Beschreibungen vor unserem geistigen Auge entstehen lässt. Das rote Wien wird hervorragend dargestellt und ebenso detailreich beschrieben wie die charmanten Personen, welche hier Haupt- und Nebenfiguren abgeben. Die spiegelglatte Eisfläche nimmt man beim Lesen ebenso wahr wie den verführerischen Duft von Kakao, Zimt und gefülltem Nusslebkuchen, Holzofen gegen Einbauküche ist ein genauso wichtiges Thema wie der modische Kurzhaarschnitt der Frau. So verwoben in den damaligen Alltag präsentiert sich mit ruhigen, aber dennoch mitnehmenden Worten die Aufklärung des kalten „Mordes auf dem Eis“.

Flüssig und leicht, da und dort mit ein wenig Dialekt, liest sich dieser wunderbare sechste Fall, in dem die neugierige Ernestine und ihr Süßspeisen liebender Freund Anton den tatsächlichen Ermittlern auf die Sprünge helfen. Auch wenn der Band in sich abgeschlossen ist, so finde ich es doch sehr interessant, die Vorgängerbände (zumindest teilweise) zu kennen, um die privaten Entwicklungen noch besser zu verstehen.

In diesem Sinne: Bitte gerne weitere Morde oder Tode in und rund um Wien mit Ernestine Kirsch und Anton Böck. Ich empfehle jedenfalls die gesamte Reihe, von der jeder Teil für sich ein ganz besonderes Lesevergnügen darstellt.



Titel Mord auf dem Eis

Autor Beate Maly

ISBN 978-3-7408-1202-7

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 272 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 15. Oktober 2021

Verlag emons

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Veröffentlicht am 26.12.2021

Gänsehaut garantiert - es ist klirrend kalt und gefährlich noch dazu

Eisflut 1784
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Hartung und Hornung 1784 (Jänner und Februar 1784): im tiefverschneiten Mühlheim am Rhein und im benachbarten Cöln ist Henrik Freiherr van Venray, Amtmann für policeyliche Wohlfahrterei im Dienste des ...

Hartung und Hornung 1784 (Jänner und Februar 1784): im tiefverschneiten Mühlheim am Rhein und im benachbarten Cöln ist Henrik Freiherr van Venray, Amtmann für policeyliche Wohlfahrterei im Dienste des bergischen Herzogs unterwegs, um einen Mörder zu stellen. Ein treuer Trupp an Männern trotzt der Eiseskälte, die nicht weichen will, die sich durch Felle und Decken, durch Redingote und Wollunterwäsche bis in Mark und Knochen durchfrisst. So heißt es also, nicht nur gegen Unrecht, sondern auch gegen Kälte und Hunger anzukämpfen. Zu allem Übel droht noch eine Schmelzwasserflut ungeahnten Ausmaßes über Cöln und Mühlheim hereinzubrechen, denn insbesondere die Katholiken in Cöln sind zu Gebet und Buße aufgerufen, anstatt einen schützenden Deich aufzuschütten.

Nach einem etwas gewöhnungsbedürftigen Brief als Einstieg schwenkt die Handlung kurz nach Island im Jahre 1783, um das schreckliche Wetterphänomen zu erklären, das nur wenige Monate später über das Land am Rhein hereinbrechen soll. Und schon ist man in einer düsteren und beklemmenden Zeit angekommen, die Kälte hat alles und jeden fest im Griff, Hunger herrscht in fast allen Bevölkerungsschichten, nur die Reichsten und Vornehmsten haben noch zähes Pferdefleisch am Teller. Das einfache Volk findet nur noch schrumpelige und faulige Äpfel in den klammen Vorratskammern. Mit jedem Wintertag verschiebt sich zudem der Beginn des Frühlings und die Zeit der Aussaat, womit auch wieder die Hoffnung auf eine reiche Ernte von Tag zu Tag geringer wird. Ein Teufelskreis, den die Natur vorgibt.

Vor der hervorragend beschriebenen Kulisse dieses historischen Ereignisses ist also Venray auf Mörderjagd. Der Zufall will es, dass ihm die willensstarke und durchsetzungsfähige Apothekerwitwe Anna-Maria Scheidt dabei zu Hilfe kommt. Durch die realen Vorbilder (siehe Nachwort) bekommen die Figuren größtmögliche Authentizität und Glaubwürdigkeit, die detaillierte Recherche von Autor Marco Hasenkopf ergibt eine optimale Verquickung von Historie und Romangeschehen. Aufgrund der bildhaften Beschreibungen vieler Kleinigkeiten - Kleidung, Behausung, Speisen und Handwerksberufe - setzen sich ganz viele Einzelheiten zu einem phantastischen Zeitbericht zusammen. Man spürt in jedem Satz die Kälte, den Hunger, die Not nicht nur der Bettler in ihren Lumpen und gleichzeitig die Entschlossenheit Venrays und Scheidts, wie sie gegen Unrecht und dessen Vertuschung mutig und unbeirrbar vorgehen. Der vorherrschende Zeitgeist, die religiösen und politischen Konflikte vereinfachen dies aber nicht gerade.

Interessante geschichtliche Begebenheiten und eine frei erfundene Handlung ergeben eine überaus lesenswerte Fact-Fiction, wie Hasenkopf sehr treffend formuliert, umrahmt von einem sehr ansprechenden Titelbild als Blickfang zu Beginn und einem informativen Nachwort am Schluss. Wer akribische Recherche, historische Feinheiten und dazu eine spannende Geschichte schätzt, der ist hier genau richtig. Fünf Sterne und eine Leseempfehlung gebe ich für eine zutiefst beeindruckende Eisflut 1784.



Titel Eisflut 1784

Autor Marco Hasenkopf

ISBN 978-3-7408-1169-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 368 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 18. November 2021

Verlag emons

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.12.2021

Naturgewalten

Rue de Paradis
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Die Häuser am Cap Ferret liegen in einer malerischen Umgebung zwischen dem Bassin d’Arcachon und dem Atlantischen Ozean. Sturm und Wetter gewohnt, überrascht die Bewohner der Rue de Paradis dennoch eine ...

Die Häuser am Cap Ferret liegen in einer malerischen Umgebung zwischen dem Bassin d’Arcachon und dem Atlantischen Ozean. Sturm und Wetter gewohnt, überrascht die Bewohner der Rue de Paradis dennoch eine gewaltige Flut und fordert sogar ein Todesopfer. Um eine Wiederholung zu vermeiden, sollen die schmucken alten Häuschen abgerissen werden. Luc Verlain soll vermitteln, da nicht alle bereit sind, in einen langweiligen Vorort von Bordeaux zu übersiedeln und schon steckt er in einem kniffligen Fall an diesem idyllischen „Ende der Welt“.

Die Natur samt ihren gewaltigen Kräften begleitet diesen Krimi und bietet eine hervorragende Kulisse für Luc Verlains Ermittlungen. Auch wer ihn noch nicht kennt, findet sofort in die Handlung und verfolgt das Geschehen mit Spannung, sind doch die Figuren interessant und lebendig geschildert. Ungeahnte Geheimnisse und Intrigen treten ans Tageslicht, gar so friedlich dürfte es auf der Halbinsel gar nicht zugehen, wie es den Anschein hat. So spiegeln einander Natur und halsstarrige Franzosen gekonnt wider, lebt der ganze Krimi von einer besonderen Atmosphäre. Alexander Oetker versteht es, einen mitreißenden Sog aufzubauen, dem man sich nicht entziehen kann. Dazu kommt noch, dass das ganze Naturschauspiel inspiriert ist von einer wahren Sturmflut im Jahre 2010.

Zusammenfassend kann ich diesen gut durchdachten und sehr atmosphärischen Krimi nur weiter empfehlen.



Titel Rue de Paradis

Autor Alexander Oetker

ISBN 978-3-455-01212-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 288 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Reihe Luc Verlain

Erscheinungsdatum 1. November 2021

Verlag Hoffmann und Campe

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Veröffentlicht am 25.11.2021

Frauen in den 1920ern

Die Ullsteinfrauen und das Haus der Bücher
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Elegant und weltgewandt tritt Rosalie Gräfenberg auf. Als erfolgreiche Journalistin bereist sie ferne Länder, schreibt Reiseberichte und politische Abhandlungen. Ihr schillerndes Leben zwischen bekannten ...

Elegant und weltgewandt tritt Rosalie Gräfenberg auf. Als erfolgreiche Journalistin bereist sie ferne Länder, schreibt Reiseberichte und politische Abhandlungen. Ihr schillerndes Leben zwischen bekannten Persönlichkeiten führt sie abwechselnd in Berlin und Paris. Nun trifft sie auf den wesentlich älteren Dr. Franz Ullstein, Generaldirektor des gleichnamigen Verlages. Ein Antrag und eine Hochzeit folgen, die Familie des Dr. Franz bleibt jedoch distanziert zu seiner neuen Frau. Unrechtmäßige Erbanteile und Einmischung in wichtige Entscheidungen im Verlag werden befürchtet.

Wortgewand und bildreich zeichnet Beate Rygiert ein Berlin der 1920er. Bei ihrem lockeren Schreibstil taucht der Leser rasch ein in die Welt des Verlages und der ehrgeizigen Ullsteinbrüder. Deren Frauen sind oftmals schmuckes Beiwerk, aber zu dem lässt sich Rosalie nicht reduzieren. Gemeinsam mit Autorenfreundin Vicky Baum und deren Tippfräulein Lilli Blume tritt sie der Männerherrschaft entgegen und trifft ebenso Vorkehrungen wegen der immer judenfeindlicheren Stimmung in Berlin.

Spannend und abwechslungsreich gestaltet sich die Geschichte rund um Rosalie Ullstein, geb. Goldschmidt, geschiedene Gräfenberg. Viele historische Persönlichkeiten kreuzen hier unseren Weg, wodurch der Roman sehr realistisch und glaubwürdig ankommt beim Leser. Besonders gut sind auch die einzelnen Charaktere gelungen, welche Rygiert gekonnt und eindrucksvoll entwirft.

Alles in allem ein interessanter und unterhaltsamer Roman aus dem Hause Ullstein, den ich nur wärmstens empfehlen kann.





Titel Die Ullsteinfrauen und das Haus der Bücher

Autor Beate Rygiert

ISBN 978-3-548-06421-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 496 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 1. November 2021

Verlag Ullstein

Veröffentlicht am 19.10.2021

In der Schweiz - damals wie heute

Die Magnolienfrauen
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Felicia, meist Fee genannt, ist nach der Ermordung ihrer besten Freundin in eine Lebenskrise geschlittert. Nach dem Überfall auf den Juwelierladen ihres Vaters beendet sie ihre Tätigkeit als Schmuckdesignerin ...

Felicia, meist Fee genannt, ist nach der Ermordung ihrer besten Freundin in eine Lebenskrise geschlittert. Nach dem Überfall auf den Juwelierladen ihres Vaters beendet sie ihre Tätigkeit als Schmuckdesignerin und arbeitet nach einem Studium in der Finanzabteilung der Firma. Auch acht Jahre später geht es noch nicht wirklich gut, da prallen neue Probleme auf sie ein: sie wird zu einem Täter-Opfer-Gespräch eingeladen, ihre geliebte Oma stirbt und ihr Verlobter schaut nur noch auf seine Polit-Karriere.

Fee reist von Zürich nach Brissago, um das Erbe zu regeln und betritt zum ersten Mal die Magnolienvilla, aus der dereinst ihre Großmutter geflohen ist. Nach und nach kommen mit einzelnen Erinnerungsstücken ungeahnte Dinge ans Tageslicht, viel mehr als Oma Violetta angedeutet hat. Während Fee in der Villa eher auf Ablehnung stößt, bietet der freundliche Nachbar jedoch seine Unterstützung an.

Die Geschichte der Magnolienfrauen umspannt die Zeit von 1936 bis 2019 und führt den Leser vor allem in den wunderschönen Schweizer Kanton Tessin, der mit Palmen, Magnolien, wilden Tälern und alten Steinhäuschen liebevoll dargestellt wird. Geschickt verknüpft Christine Jaeggi das Leben von Alice im Zweiten Weltkrieg mit der aktuellen Situation deren Urenkelin Felicia. Viele reale Situationen liegen diesem Roman zugrunde, wenngleich die Handlung selbst erdacht ist. Nichtsdestotrotz spürt man beim Lesen immer wieder die genaue und akribische Recherche, die einzelne Szenen auf ein historisches Fundament stellen, so die Abschnitte rund um die Schmuggler, das Kinderheim, die Macht der Nationalsozialisten und vieles mehr. Nicht nur werden all diese Elemente in eine wunderbare und berührende Erzählung eingeflochten, nein, es sind die Gefühle und Emotionen, welche die Autorin so oft wachruft und einen mitfiebern lässt. Jaeggis Schreibweise ist zwar sehr klar und schnörkellos, dennoch trifft sie genau ins Schwarze und lässt den Leser eintauchen in zwei ganz unterschiedliche Welten, vermittelt Verständnis und Empathie ebenso wie Ablehnung oder gar Grauen den einzelnen Figuren gegenüber. Doch nicht immer ist alles so, wie zu sein scheint und es ist nie verkehrt, auch die andere Seite zu Wort kommen zu lassen. Zuhören, Vertrauen und gegebenenfalls auch Verzeihen stehen im Mittelpunkt und bilden einen roten Faden in diesem Roman. Aber keineswegs spricht Jaeggi mit erhobenem Zeigefinger, vielmehr schafft sie mit ihrer warmherzigen Art zu schreiben eine tolle Atmosphäre zwischen Gefühlen, Geheimnissen und Liebe.

Historie, Leidenschaft und Dramatik werden wunderbar vereint und verbinden Damals mit Heute zu einer phantastisch erzählten Familiengeschichte.

Wer Christine Jaeggi kennt, wird wieder einmal begeistert sein, wer noch kein Buch von ihr gelesen hat, sollte zugreifen!



Titel Die Magnolienfrauen

Autor Christine Jaeggi

ISBN 978-3-548-06318-8

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 432 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 18. Oktober 2021

Verlag Ullstein

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