In seinem neuen Buch „Vertrauenssache“ beleuchtet der Theologe Wilfried Härle den Glauben von verschiedenen Seiten.
Auch wenn der Untertitel „Vom Sinn des Glaubens an Gott“ nahelegt, dass es sich um ein ...
In seinem neuen Buch „Vertrauenssache“ beleuchtet der Theologe Wilfried Härle den Glauben von verschiedenen Seiten.
Auch wenn der Untertitel „Vom Sinn des Glaubens an Gott“ nahelegt, dass es sich um ein Buch für Glaubens-Zweifler handelt: das ist es nicht. „Vertrauenssache“ ist kein Buch, das sich an Glaubens-Sucher wendet, zumindest nicht in erster Linie – und auch nicht in zweiter Linie. Dafür ist das Buch vom Ansatz her viel zu wissenschaftlich angelegt. Definition reiht sich an Definition, einzelne Bibelverse werden in extenso ausgelegt.
Uninteressant ist das alles nicht. Und jeder Leser dürfte auch ein, zwei Kapitel finden, die ihn interessieren. Allerdings fragt man sich beim Lesen fast durchgängig, wer eigentlich die Zielgruppe dieses Buches sein soll. Ein Glaubenszweifler hat kaum das Interesse, sich darüber ausführlich auszutauschen, was Glaube eigentlich ist, was Zweifel überhaupt ist oder was für verschiedene Formen von Vertrauen es gibt. Wer Theologie studiert hat, braucht nicht die allgemeinen Darstellungen zur Rolle der Kirche, zur Entwicklung des Glaubens und ähnliches.
Eine leichte Lektüre ist das Buch allenthalten nicht – auch wenn auf dem Klappentext Härle eine „verständliche Theologie“ attestiert wird. Nein, Härles Buch ist keine Bettlektüre, sondern harter Tobak. Wer Spaß am Definieren hat, wird in dem Buch aufgehen, anderen dürfte die Definitionswut des Autors beim Lesen doch eher im Weg stehen. Am leichtesten zu lesen ist sicherlich das Kapitel über Personen des Glaubens, hier gelingt Härle ein eher erzählender Schreibstil, den man im Rest des Buches bitter vermisst.
Gerhard Maier beleuchtet in seinem neuen Buch die Jahreslosung 2022: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Maier verortet sie an einer „Bruchstelle des (Johannes-)Evangeliums“, als Jünger ...
Gerhard Maier beleuchtet in seinem neuen Buch die Jahreslosung 2022: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Maier verortet sie an einer „Bruchstelle des (Johannes-)Evangeliums“, als Jünger sich von Jesus lossagten, die Jesus-Bewegung also in einer ersten ernsten Krise steckte.
Nach einer kurzen Ausführung zur Bedeutung von Losungen fragt Maier, wer Jesus war. Anschließend greift er auf, was es heißt, zu Jesus zu kommen. Ausführlich geht Maier dabei auch auf Hindernisse auf dem Weg zu Jesus ein. Im letzten Teil steht die Frage nach der Antwort auf Jesu Einladung bzw. Versprechen im Zentrum.
Dass Maier konservativ-pietistisch geprägt ist, wird spätestens dann deutlich, wenn er auf das wörtliche Bibelverständnis beharrt. Zudem legt Maier wert darauf, dass in der Jahreslosung auch das göttliche Gericht anklingt: für alle die, die den Weg zu Jesus nicht finden. Daher betont Maier auch, dass es nicht allein genügt, zu Jesus zu kommen, sondern dass man auch bei ihm bleiben müsse.
Ich muss zugeben: ich bin enttäuscht von dem Büchlein. Sehr viel, was so gar nichts mit der Jahreslosung zu tun hat, ist hier zu finden. Die außerbiblischen Quellen, die Jesu Existenz beweisen, sind – ohne Grund – sehr ausführlich wiedergegeben. Ebenso Gedanken zur Einheit der Christen, zur historisch-kritischen Methode und zur Evangelisation sowie zu der Rolle von Jesus im Islam, um nur ein paar Stichworte zu nennen.
Die vielen Anekdoten, die Maier eingebaut hat, verstärken sehr oft den Eindruck, dass das eigentliche Thema, die Jahreslosung, aus dem Blick geraten ist. Maier beschließt sein Buch sogar mit einer Art Anekdotensammlung. Hilfreich ist das nicht.
In vielen Teilen seines Büchleins schreibt Maier stark abgrenzend und abwertend, vor allem was die Antwort der Gesellschaft auf Jesu Einladung angeht. Das empfand ich als sehr störend. Ich will ja nicht wissen, was für eine Position Maier gegenüber liberalen Christen hat, gegenüber der modernen Gesellschaft, gegenüber dem Suizid, dem Islam usw.
Für mich nehme ich aus dem Buch mit, dass die Jahreslosung an einem krisenhaften Punkt zwischen Jesus und den Jüngern, wo sich einige von Jesus abkehrten, anzusiedeln ist. Ebenso, dass es wichtig ist, sich selbst auf den Weg zu machen – ggf. auch als dauerhafte Einladung, die man immer wieder annehmen kann bzw. der man treu bleiben muss, indem man bei Jesus bleibt.
Der Vorhang fällt und alle Fragen offen: Mit ihrem Buch "Die Rache ist mein" gelingt es Marie NDiaye, ihre Leser ganz gewaltig vor den Kopf zu stoßen. Denn am Schluss des Buches ist nichts aufgeklärt, ...
Der Vorhang fällt und alle Fragen offen: Mit ihrem Buch "Die Rache ist mein" gelingt es Marie NDiaye, ihre Leser ganz gewaltig vor den Kopf zu stoßen. Denn am Schluss des Buches ist nichts aufgeklärt, nichts mehr eindeutig. Marie NDiaye beherrscht das Spiel mit dem unzuverlässigen Erzähler meisterhaft.
Als Leser klammert man sich zunächst an Maître Susane, eine Rechtsanwältin in Bordeaux. Sie wird beauftragt, eine Frau zu verteidigen, die ihre drei Kinder umgebracht hat. Das allein schon verwundert, da Susane alles andere als eine erfolgreiche Rechtsanwältin ist. Ihre Anwaltskanzlei läuft schlecht. Wenn sie mit ihrem klapprigen Auto ihre Eltern besucht, parkt sie es in einer Nebenstraße. Überhaupt macht sich Susane wahnsinnig viele Gedanken, was andere in ihre Worte hineinlesen könnten. Sie ist alles andere als selbstsicher, verstellt sich - auch im Umgang mit ihrer Haushälterin, für die sie eine Aufenthaltsgenehmigung erreichen will.
Den Vornamen von Maître Susane erfahren wir nicht. H... heißt es an einer Stelle im Roman - wohl wissend, dass das H im Französischen nicht ausgesprochen wird. Und so bleibt Susane rätselhaft. Mal gibt sie sich besorgt, mal versteigt sie sich in wirre Gedankenspiele darüber, ob das Kind ihres Ex-Mannes nicht doch von ihr sein könnte - weil ihre Eltern das Mädchen so sehr mögen. Der Sprachstil wirkte auf mich eher "stolprig", ich kam nicht leicht ins Buch hinein.
Und dann ist da noch ihr Fall: der Kindsmord. Trotz aller Gespräche mit der Frau und ihrem Ehemann bleibt das Motiv bis zuletzt offen. Dafür macht sich Susane permanent darüber Gedanken, ob sie den Ehemann kennt - ob er ihr vor 32 Jahren einmal begegnet ist, als sie noch ein junges Mädchen war. Ist womöglich etwas Anstößiges passiert, so wie Susanes Vater es andeutet? Oder gehört das in das Reich der Fantasie? Und was hat es mit dem Überfall auf Susane auf sich, als sie die Heiratsurkunde für ihre Haushälterin besorgen wollte? Gab es ihn überhaupt? Und wenn ja: wer hat ein Interesse daran außer ihr?
Für mich bleibt offen, was das Buch sein will - so es überhaupt etwas sein will. Ein Buch vielleicht über die Konstruktion von Wahrheit? Über die Zerbrechlichkeit unserer Welt? Ein Buch darüber, dass wir es wagen müssen, in unserem Leben manches offen zu lassen? Ein Buch über die Justiz, deren Ziel gar nicht die Wahrheitsfindung ist, sondern der Kampf um die beste Verteidigungsstrategie? Ein Buch darüber, dass wir nicht plausiblen Antworten vertrauen sollen? Und was hat es überhaupt mit dem Titel des Buches auf sich? Wessen Rache? Der Mutter? Der Anwältin? Oder wie?
Ach, man weiß es nicht. Für mich bleibt im Roman viel zu viel offen, viel zu viel im Ungefähren, als dass ich vom Lesen einen Gewinn gehabt hätte. Alles verschwimmt einfach mehr und mehr.
„Wir sollten erwachsen werden und alle Götter aufgeben„, schreibt Richard Dawkins am Ende seines Buches „Atheismus für Anfänger„. Was er in seinem Buch präsentiert, ist freilich nichts Neues. Ja, ich wage ...
„Wir sollten erwachsen werden und alle Götter aufgeben„, schreibt Richard Dawkins am Ende seines Buches „Atheismus für Anfänger„. Was er in seinem Buch präsentiert, ist freilich nichts Neues. Ja, ich wage sogar zu behaupten, dass Dawkins in seinem Bestseller „Gotteswahn“ sich deutlich mehr Mühe gemacht hat, zu argumentieren. Der Autor bleibt zumeist polemisch und populistisch, argumentativ ist er eher schwach auf den Rippen.
So behauptet Dawkins etwa in Blick auf den Monotheismus recht platt, dass der Teufel letztlich auch eine Art Gott sei, führt die Trinität und die Heiligenverehrung als Beleg für den christlichen Polytheismus an.
Ganz schräg wird es, wenn Dawkins behauptet, dass die Zahl der Evangelien etwa durch die vier Himmelsrichtungen festgelegt sei, was Dawkins als „biblische Logik“ abkanzelt. Dass die Vierzahl später erst zementiert und erhöht wurde, darauf kommt Dawkins nicht. Er argumentiert anachronistisch, wo er doch sonst die Mythenbildung ausführlich als Beweismittel nutzt. Des Weiteren behauptet Dawkins, die Auswahl der Evangelien sei willkürlich erfolgt – als ob man von ebenbürtigen Evangelien wüsste, die in gleicher Ausführlichkeit und Zuverlässigkeit wie Matthäus, Markus, Lukas und Johannes von Jesu Leben berichteten.
Auch an anderer Stelle lässt sich Dawikins Logik kaum nochvollziehen. So behauptet er etwa, da das Neue Testament „von späteren Zeiten handelt als das Alte, ist es in der Bibel noch am ehesten eine historische Darstellung“. Was für eine Binsenweisheit!
Dawkins Credo ist: „Der einzige Grund, an die Existenz von irgendetwas zu glauben, sind Belege“. Der Relevanz von Mythen kann Dawkins deshalb keinen Raum einräumen. Die Brille des Glaubens bei den Verfassern der Evangelien – davon will Dawkins nichts wissen. Für ihn gilt als alleiniger Maßstab zur Beurteilung der Bibel die Historizität. Wunder sind geschehen oder eben nicht – anderen Deutungen lässt Dawkins keinen Raum. So misst man nach Dawikins mit „zweierlei Maß“, wenn man die Wunder der Kindheitsevangelien ablehne, die der Evangelien aber nicht. An einer Stelle immerhin spricht Dawkins vom „symbolischen Weg der Übermittlung“, allerdings nur, um ihn als umständlich abzuwerten.
An vielen Stellen des Buches scheint es, als ob Dawinks ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass Gläubige ihr Hirn beim Lesen der Bibel ausschalten Auf die historisch-kritische Methode geht er nicht ein. Differenzierungen lässt er beiseite, wo es seiner Argumentation schaden könnte.
So fragt er sich, warum Paulus so wenige Informationen über Jesus biete und deutet damit an, dass Jesus vielleicht gar nicht gelebt habe. Da kann man dann auch einfach mal behaupten, dass es „eine Minderheit der Fachleuchte“ gebe, die nicht an die Existenz Jesu glauben. Ebenso kann er undifferenziert Zuschreibungen von Kirchenvätern und Informationen aus den Evangelien vermischen. Für ihn scheint gleich unwahrscheinlich zu sein, dass es einen Evangelisten namens Matthäus gab wie einen Arzt namens Lukas.
„Atheismus für Anfänger“ richtet sich vor allem in seinem zweiten Teil, in dem Dawkins ausführlichst auf die Evolutionstheorie eingeht, an ein amerikanisches Publikum. Das „intelligent design“ wird ausführlich dargestellt und mit Geparden und Gazellen widerlegt. Auch andere Aussagen, wie etwa dass ein Großteil des Geldes, das Kirchen einsammeln, in die Finanzierung von Missionaren fließe, lässt sich nur mit den amerikanischen Adressaten erklären.
Dawkins Buch krankt daran, dass er ausführlich darlegt, weshalb man Gott nicht braucht, aber eigentlich sagen will, dass der Glaube an Gott nicht nur unnütz, sondern auch schädlich ist – nur fehlt hier jegliche Begründung. Stattdessen liefert Dawkins Polemik. Er sieht letztlich keinen Unterschied in der Frage nach der Historizität zwischen Abraham und Rotkäppchen, kann biblische Mythen gleichstellen mit denen über Elvis Presley und Kennedys Tod.
Einseitigkeit prägt das Bild, das Dawikins von der Religion aufzeigt. Die grausamen Züge im Gottesbild Jahwes erfährt man, nicht aber von der Sozialgesetzgebung der Thora und der Prophetie als Alleinstellungsmerkmal sozialen Handelns im Alten Orient. Als biblische Vorbilder fällt Dawkins nichts anderes ein als Gott (sic!) und Jesus. An solchen Stellen hat man den Eindruck, dass Dawkins vom Judentum und Christentum nicht viel verstanden hat – oder nicht viel verstehen will. Keine Frage, auch Martin Luther und sein Judenhass wird als Negativbeispiel aus der Versenkung geholt.
Auf theologische Diskussionen lässt sich Dawkins erst gar nicht ein. Die Auferstehung legt er überraschend schnell ad acta, gegen die Deutung von Jesu Tod führt er Gottes Allmacht an, die einen grausamen Gott zeige, der seinem Sohn nicht helfe, obwohl er es ja könnte.
Überzeugender wird Dawkins in seiner Argumentation, wenn er fragt, ob Gott bessere Menschen mache. Hier führt er verschiedene ethische Modelle an (konsequentialistisch und absolutistisch – hier eher als deontologisch bekannt), um zu zeigen, dass moralisches Handeln ohne den Glauben an Gott funktioniere. Erstaunlich viel Platz verwendet Dawkins schließlich darauf, das „Honesty Box“-Experiment darzustellen, nach dem auch eine rein symbolische Überwachung (z.B. mit gemalten Augen) zu einem ehrlicheren Verhalten führe. Eine Art „do ut des“ leitet er schließlich aus der Natur ab, moralische Werte wie Altruismus hätten sich auch in der Evolution entwickelt.
Ein wenig hilflos wirkt Dawkins, wenn er ausführt, dass kaum Biologen, aber umso mehr Physiker den Dialog mit der Religion suchen – es seien eben „neue Lücken“, nachdem die Evolutionstheorie die biblischen Schöpfungsgeschichten erledigt habe. Lücken, die die Physik irgendwann schließen werde – ohne Gott. Mir hat Richard Dawkins „Atheismus für Anfänger“ überraschend wenig zum Nachdenken gegeben.
Ein Vater-Sohn-Buch vor interessanter Kulisse: Das ist Tom Barbashs Buch „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens„. Vater und Sohn: das sind Buddy Winter und sein Sohn Anton. Die Kulisse: ...
Ein Vater-Sohn-Buch vor interessanter Kulisse: Das ist Tom Barbashs Buch „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens„. Vater und Sohn: das sind Buddy Winter und sein Sohn Anton. Die Kulisse: das Haus „Dakota“, einer der teuersten Flecken in New York, wo auch John Lennon gelebt hat. Buddy Winter ist der Moderator einer Late-Night-Show, bis er einen Nervenzusammenbruch hat. Sein Sohn Anton kommt – er muss die Nachwirkungen einer Malaria-Erkrankung auskurieren – aus Gabun zurück und entschließt sich, seinem Vater zu helfen, wieder ins Showbusiness einzusteigen.
Tom Barbash erzählt die Geschichte aus Antons Sicht, der sich klar darüber werden muss, was er aus seinem Leben machen will. So ist das Jahr 1979, in dem die Handlung spielt, für Anton auch das Jahr der Entscheidung, was er aus seinem Leben machen will.
Auch wenn Anton den Job eines Abräumers annimmt: Wir befinden uns im gehobenen Bildungsbürgertum, entsprechend viel Bücher und Musik wird erwähnt. Fast schon ein wenig zu viel – viele Bücher werden einfach als Reiseliteratur genannt, ohne dass es irgendeine Relevanz hätte.
Mir war „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ viel zu geschwätzig. Anton fand ich als Person nicht so spannend, dass ich immer wissen müsste, welchen Schritt er als nächstes tut. Und kleinschrittig geht die Handlung voran, zumeist versehen mit etwas zu viel an direkter Rede. Bobby trifft sich mit diesem und jenem, Anton hat diese und jene Idee – ach ja, und John Lennon kommt auch noch vor. Auch sonst gibt es viele Nebenhandlungen, wie etwa der Wahlkampf für Ted Kennedy. Freilich ändern diese Nebenhandlungen auch nichts daran, dass die Handlung des Buches einfach vor sich hin plätschert.
Die Beschreibung des bekannten Appartmenthauses „The Dakota“ und seiner Geschichte hingegen hat mir sehr gefallen. Hier gelingt es Barbash, eine Stimmung zu erzeugen, die mir im restlichen Teil des Buches gefehlt hat.