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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2022

Charmanter Krimi mit einer liebenswerten Hauptfigur

The Maid
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Lust auf einen Cozy-Krimi, der zwar Ähnlichkeiten mit den englischen Klassikern aufweist, aber durch eine liebenswerte und sympathische Protagonistin seinen individuellen Touch erhält?

Molly „The Maid“ ...

Lust auf einen Cozy-Krimi, der zwar Ähnlichkeiten mit den englischen Klassikern aufweist, aber durch eine liebenswerte und sympathische Protagonistin seinen individuellen Touch erhält?

Molly „The Maid“ arbeitet als Zimmermädchen in einem Nobelhotel. Sie ist überkorrekt, liebt ihre Arbeit und erledigt alle ihr aufgetragenen Aufgaben mit wahrer Hingabe. Und sie ist ein guter Mensch, arglos wie Forrest Gump, hat immer den moralischen Kompass im Kopf, den ihr die kürzlich verstorbene Großmutter vermittelt hat. Richtig und falsch kann sie zwar unterscheiden, aber Mimik, Körpersprache und auch das Verhalten ihrer Mitmenschen zu interpretieren ist nicht wirklich ihre Kernkompetenz.

Das bringt sie in große Schwierigkeiten, als sie die Leiche eines Hotelgasts bei ihrer täglichen Putzroutine entdeckt. Die Untersuchungen der Polizei ergeben, dass dieser offenbar einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist und alle Indizien deuten auf Molly als Täterin hin.

Dafür, dass dieser Krimi ein Debüt ist, ist er ausgesprochen routiniert geschrieben und schlüssig aufgebaut. Kein Wunder, ist Nita Porse doch Cheflektorin bei Simon & Schuster. Die Atmosphäre wirkt „very british“, aber die Autorin lebt und arbeitet in Toronto, der kanadischen Metropole mit britischer Vergangenheit, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Die Lösung des Mordfalls samt der Zusammenhänge ist allerdings ziemlich offensichtlich, beeinträchtigt aber das Lesevergnügen zu keinem Zeitpunkt, was ohne Zweifel der Hauptfigur geschuldet ist.

„The Maid“ ist eine unterhaltsame Lektüre voller Charme, die man am besten mit einer Tasse Tee und Shortbread genießt. Enjoy!

Veröffentlicht am 14.01.2022

Von tapferen Frauen und einem abwesenden Kaiser

Der Schattenkönig
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Was wissen wir über Äthiopien? Nicht viel. Binnenstaat am Horn von Afrika, gebeutelt von Bürgerkriegen, Vielvölkerstaat, dessen Geschicke über viele Jahrzehnte von dem im westlichen Ausland hochangesehenen ...

Was wissen wir über Äthiopien? Nicht viel. Binnenstaat am Horn von Afrika, gebeutelt von Bürgerkriegen, Vielvölkerstaat, dessen Geschicke über viele Jahrzehnte von dem im westlichen Ausland hochangesehenen absolutistischen Herrscher Haile Selassie (1892 -1975), dem Negus Negest, gelenkt wurden. Unterbrochen wurde seine Regierungszeit lediglich während des Abessinienkriegs, in dem er 1936 das Land verließ und ins Exil nach England floh und erst 1941 mit Hilfe der Briten zurückkehrte.

Und über den von 1935 bis 1941 dauernden Abessinienkrieg wissen wahrscheinlich die meisten von uns noch weniger. Im Oktober 1935 marschierten Mussolinis Truppen zur „Gewinnung neuen Lebensraums“ in Äthiopien ein und nahmen das Land völkerrechtswidrig in die Zange. Trotz des Einsatzes von chemischen Massenvernichtungswaffen gelang es ihnen jedoch nicht, weite Teile im Norden, die von abessinischen Patrioten gehalten wurden, unter ihre Kontrolle zu bringen.

Was noch weniger bekannt ist, in den Reihen der Widerständler kämpften auch Frauen an vorderster Front. Und davon erzählt die in Äthiopien geborene amerikanische Autorin Maaza Mengiste in ihrem Roman „Der Schattenkönig“ (2020 auf der Shortlist des Booker Prize) und möchte damit diesen Frauen ein Denkmal setzen.

Hundertprozentig gelungen ist dies allerdings nicht, auch wenn sie Hirut, eine junge Frau in Diensten eines kaiserlichen Offiziers, ins Zentrum rückt. Vielmehr macht es den Eindruck, dass Mengiste den historischen Gegebenheiten nicht die Aufmerksamkeit schenkt, die sie verdient hätten. Der Roman ist eher ein Heldengesang, in dem der abwesende Kaiser glorifiziert wird, obwohl er sein Volk in dieser schwierigen Zeit im Stich im gelassen hat. Denn es ist ein Doppelgänger Selassies, der dessen Rolle übernimmt, hoch zu Ross auf den Schlachtfeldern erscheint, als „Schattenkönig“ den Kämpfenden Mut macht und sie antreibt.

Etwas weniger Heldenverehrung, dafür konzentrierteres Schauen auf die Rolle der Frauen in diesem Krieg, hätte dem Roman sicher nicht geschadet.

Veröffentlicht am 06.01.2022

Kein konventionell gestrickter Spannungsroman

Milch oder Blut
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Wer einen 08/15 konventionell gestrickten Spannungsroman erwartet, ist bei Liza Cody an der falschen Adresse. Ob nun die Protagonistin aus dem in diesem Genre üblichen Rahmen fällt, oder die Story sich ...

Wer einen 08/15 konventionell gestrickten Spannungsroman erwartet, ist bei Liza Cody an der falschen Adresse. Ob nun die Protagonistin aus dem in diesem Genre üblichen Rahmen fällt, oder die Story sich in eine unvorhersehbare Richtung entwickelt…bei dieser Autorin muss man mit allem rechnen, denn sie überrascht immer wieder mit ihrem Ideenreichtum.

Eine Woche im Leben von Seema Dahami, die bei einem Pub-Besuch mit ihren Freundinnen die Bekanntschaft eines älteren Herrn macht. Ein Charmeur der alten Schule, kultiviert, vermögend, ohne Dreck unter den Fingernägeln. Ganz anders als Seema, die ihren Lebensunterhalt als Stadtgärtnerin verdient. Sie kann sich Lazaros Charisma nicht entziehen, genießt das Interesse, das er zeigt, nimmt sein Angebot an, sie in seiner komfortablen Limousine nach Hause fahren zu lassen und lehnt auch das Opiumpfeifchen nicht ab, das er ihr anbietet. Auf sein Drängen hin verabreden sie sich wieder, sie soll einen Dachgarten für ihn gestalten, aber alle diese Treffen finden nachts in seiner Villa statt. Die Warnung einer Freundin schlägt Seema in den Wind, obwohl ihr manches seltsam vorkommt. Die seltsamen Flecken an ihrem Hals, das unerklärliche Nasenbluten und die Fressorgie, bei der sie entgegen ihrer jüdischen Erziehung einen blutigen Cheeseburger verschlingt. Und dann wird auch noch ihre Mutter mit durchschnittener Kehle aufgefunden…

„Milch oder Blut“ ist ein wilder, stellenweise verwirrender Mix aus Krimihandlung, jüdischen Traditionen und Blutsauger-Story, der sich zwischen Realität und Fantasie bewegt und die Grenzen zwischen Lüge und Wahrheit verwischt. Das muss man mögen, und wenn man sich darauf einlassen kann, wird man mit einer ungewöhnlichen, spannenden und unterhaltsamen Geschichte belohnt.

Veröffentlicht am 05.01.2022

Clever geplotteter Justzthriller

Thirteen
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Im englischsprachigen Ausland ist der nordirische Autor und ehemalige Bürgerrechtsanwalt Steve Cavanagh längst kein Unbekannter mehr. Und nachdem er sich bei der Vergabe des Theakston‘s Old Peculier Crime ...

Im englischsprachigen Ausland ist der nordirische Autor und ehemalige Bürgerrechtsanwalt Steve Cavanagh längst kein Unbekannter mehr. Und nachdem er sich bei der Vergabe des Theakston‘s Old Peculier Crime Novel of the Year Award 2019 gegen u.a. Val McDermid, Mick Herron und Liam McIlvanney durchsetzen konnte, bekommt er nun endlich auch hierzulande die Aufmerksamkeit, die er verdient.

Die Ausgangssituation in diesem vierten Band der Thrillerreihe um den Strafverteidiger Eddie Flynn (bisher liegen in der deutschen Übersetzung Bd. 1 und 2 vor) ist genretypisch: Bobby Solomon, Hollywoods neuer Liebling, ist angeklagt, seine Ehefrau und deren Liebhaber ermordet zu haben. Er beteuert seine Unschuld, aber sämtliche Indizien sprechen gegen ihn. Als der mit dem Fall betraute Staranwalt sein Mandat niederlegt, übernimmt Flynn die Verteidigung. Unterstützt von der ehemaligen FBI-Agentin Harper "Leck mich“ überprüft er die vorliegenden Beweise und stößt auf Ähnlichkeiten mit Mordfällen, bei denen sämtliche Täter zweifelsfrei schuldig gesprochen und verurteilt wurden. Aber es gibt ein Indiz, das alle diese Fälle miteinander verbindet…

Da Cavanagh die Story in alternierenden Kapiteln aus der Sicht des Verteidigers sowie des mörderischen Jury-Mitglieds erzählt, bleibt die Spannung permanent auf hohem Niveau. Man ist jederzeit nah an dem aktuellen Geschehen und der Gedankenwelt der beiden Protagonisten, die sich in ihrer methodischen Vorgehensweise gar nicht so unähnlich sind. Aber obwohl „Thirteen“ über weite Strecken mit hohem Tempo aufwartet, gibt es doch auch einige Längen und Ungereimtheiten in diesem Katz-und-Maus Spiel, wie z.B. die Todesfälle innerhalb der Jury. Warum werden diese nicht unter die Lupe genommen und genauer untersucht? Täter und Motiv? Ziemlich schnell offensichtlich. Und dennoch kann man sich der Faszination dieses clever geplotteten Justizthrillers nicht entziehen.

Veröffentlicht am 19.12.2021

Unterhaltsame Geschichtsstunde

Die Brücke der Ewigkeit
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Ein historischer Roman, der im vierzehnten Jahrhundert angesiedelt ist, mit einem Steinmetz als Protagonisten, der die Vision hat, ein Bauwerk zu erschaffen, das die Ewigkeit überdauern wird…klingelt da ...

Ein historischer Roman, der im vierzehnten Jahrhundert angesiedelt ist, mit einem Steinmetz als Protagonisten, der die Vision hat, ein Bauwerk zu erschaffen, das die Ewigkeit überdauern wird…klingelt da etwas bei den Leser*innen historischer Romane? Auch wenn der Handlungsort ausnahmsweise nicht das mittelalterliche England ist, so ist mir beim Lesen des Klappentextes sofort Ken Follett in den Sinn gekommen, auch wenn Wolf Hector (ein Pseudonym des Autors Thomas Ziebula) als Hintergrund Prag und den Bau der Karlsbrücke gewählt hat.

Wenn man die Geschichte um die Entstehung eines real existierenden Bauwerks in den Mittelpunkt eines Romans stellt, bedarf das einer gründlichen Recherche. Und hier hat der Autor ohne Zweifel seine Hausaufgaben mehr als erledigt. Die Quellenlage ist, wie Hector im Nachwort vermerkt, mehr als dürftig, was dem Roman allerdings nicht zum Nachteil gereicht, ganz im Gegenteil, denn so bleibt wesentlich mehr Spielraum für die künstlerische Freiheit, speziell was die Persönlichkeiten der Handlungsträger und deren Umfeld angeht.

In historischen Romanen, die für die breite Masse angelegt sind, lassen sich Klischees leider in den meisten Fällen nicht vermeiden, was allerdings der Lesbarkeit zu Gute kommt. So kommt auch hier der Baumeister aus einfachen Verhältnissen, hat sowohl Gönner als auch Rivalen, muss Rückschläge überwinden und sich zahlreicher Intrigen erwehren. Glücklicherweise verzettelt sich der Autor nicht, driftet nicht in nichtssagende Banalitäten ab, sondern bemüht sich um eine realistische Darstellung der damaligen Lebensumstände.

Dem Vergleich mit Follett hält Hectors „Die Brücke der Ewigkeit“ ohne Zweifel stand, und wer sich für die Geschichte historischer Bauwerke und deren Entstehung interessiert, kann hier unbesorgt zugreifen.