Handlung: "Sprichst du Schokolade" ist eine Geschichte über eine besondere Freundschaft, die Grenzen wie Sprache, Kultur und Herkunft überwindet. Die Autorin vereint dabei auf warmherzige Art und Weise ...
Handlung: "Sprichst du Schokolade" ist eine Geschichte über eine besondere Freundschaft, die Grenzen wie Sprache, Kultur und Herkunft überwindet. Die Autorin vereint dabei auf warmherzige Art und Weise schwierige Themen wie Verlust, Legasthenie, Flucht, Integration oder Identität und baut diese kindgerecht in eine zuckersüße Story ein, die beim Lesen auf der Zunge zergeht wie Schokoladen-Lokum. Dadurch, dass die Zielgruppe auf Mädchen ab 10 Jahren angelegt ist, lässt die Tiefe der Auseinandersetzung mit den Themen natürlich zu wünschen übrig. Aufgrund der tollen Message, die dazu anregt, einfach aufeinander zuzugehen und Barrieren zu überwinden, würde ich die Geschichte aber dennoch als ansprechend für jüngere und ältere LeserInnen einstufen.
Schreibstil: Cas Lester hat 51 sehr kurze Kapitel gewählt, um die Geschichte von Josie und Nadima zu erzählen. Dabei trifft sie sehr genau den Ton ihrer jungen Protagonisten, und beschreibt deren Gedanken, Gefühle und Befürchtungen sehr einfühlsam. Zwar kann man an der Art, wie die Autorin die Mädchen all ihre Probleme pädagogisch wertvoll lösen lässt, eine starke Pädagogisierung ankreiden, ich halte die Handlung aber dennoch für sehr realistisch, aktuell und nicht weit hergeholt. Sehr ansprechend ist auch der spritzige Humor, mit dem die Autorin ihre Heldinnen in das ein oder andere Fettnäpfchen treten lässt.
Figuren: Erzählt wird die Geschichte von der 12jährigen Josephine, die mit ihrer temperamentvollen, ungestümen Art manchmal über das Ziel hinausschießt und des Öfteren in der Schule in Schwierigkeiten gerät. Durch ihre ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ihre Offenherzigkeit wächst sie einem aber sofort ans Herz und bietet eine gute Identifikationsfigur für junge Leserinnen. Gut gefallen hat mir auch die Darstellung ihrer Legasthenie, die sie mit verschiedenen Strategien zu verbergen versucht, die aber schlichtweg einfach zu ihr gehört. Auch Nadima hat eine sehr einnehmende Art und auch wenn sie selbst nicht besonders viel von sich erzählt, hat mich ihre Geschichte sehr bewegt. Das heimliche Highlight der Geschichte waren für mich aber Josies Brüder Matt, Nick und Dan, die den Laden bei ihr Zuhause ordentlich aufmischen und für den ein oder anderen Lacher sorgen.
Gestaltung: Zum Schluss meiner kurzen Rezension will ich noch einige Worte zur Gestaltung sagen. Das Cover wird von einer wunderschönen Coverillustration von Kate Forrester geschmückt und auch im Buch selbst finden sich einige kleine Zeichnungen. Zusammen mit der sehr großen Schrift wird das Schriftbild dadurch aufgelockert, sodass auch junge LeserInnen die Geschichte zügig durchlesen können. Positiv hervorheben möchte ich auch die drei Koch- und Backrezepte, die im Buch vorkommen und am Ende mit Zutaten und Tipps für die Zubereitung angefügt sind. Hier hat der Verlag wirklich einen guten Job geleistet!
Die Zitate:
"Da standen wir und futterten die Süßigkeiten, die wir uns gegenseitig geschenkt hatten, und in diesem Moment wusste ich, dass wir Freundinnen werden würden, auch wenn keine von uns ein Wort von dem verstand, was die andere sagte."
"Und sie fing an zu erzählen, wie es gewesen war, in Syrien mitten im Krieg zu leben. Der Krieg, den wir nur aus den Nachrichten kennen, während wir sicher in unseren Wohnzimmern sitzen. Der Krieg, der Hunderte von Meilen entfernt ist und uns nichts ausmacht. Der Krieg, der viele Menschen getötet hat - Mütter und Väter, Brüder und Schwestern, Tanten und Onkels, Cousins und Kleinkinder und Babys. Der Krieg, der uns nicht mehr schockiert. Genau der."
"Wenn man ihre Familie beobachtete, wie sie feierten und lachten und dabei so glücklich aussahen, hätte man nie erraten, was sie durchgemacht haben. Nicht nur zu Hause in Syrien, sondern auch auf der erschreckenden Reise, zu der sie aufgebrochen waren, um hierher zu kommen. Ganz zu schweigen davon, dass sie ein neues Leben beginnen mussten in einem Land, in dem sie niemanden kannten und dessen Sprache sie nicht sprachen. Mir wurde bewusst, wie stark sie alle waren. Ich war stolz auf Nadima und stolz darauf, ihre Freundin zu sein."
"In meiner Klasse haben sich in der siebten Klasse sämtliche Mädchen untereinander zerstritten", sagte Matt. "Niemand hat mehr mit irgendjemandem gesprochen, und man brauchte einen Bachelor in Diplomatie, um die Pause zu überstehen. Ich glaube, sie haben erst in der Zehnten wieder miteinander geredet."
"Das muss eine herrliche Ruhe gewesen sein", sagte Dan.
"Himmlisch", meinte Matt grinsend.
"Mädchen!" Nick verdrehte die Augen. "Die giftigste Lebensform auf dem Planeten Erde."
Das Urteil:
"Sprichst du Schokolade" ist eine zuckersüße, herzerwärmende Geschichte über Freundschaft, Identität und Integration, die sich dafür stark macht, Grenzen zu überwinden und aufeinander zuzugehen. Von mir gibt´s eine klare Leseempfehlungen für LeserInnen allen Alters!
Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band ...
Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch das Finale der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 habe ich aber deutlich länger gebraucht, bis ich die 448 Seiten durchgelesen hatte und komme deshalb zum Schluss, dass der Finalband zwar alles in allem überzeugend, aber dennoch der schwächste Teil der Reihe ist.
June: "Verzweifelt sehe ich mich um, mein Blick tränenverschleiert, die Welt ein Gewirr aus Blut und Qualm, Licht und Asche. Alles, was ich höre, sind Schreie und Schüsse und blanker Hass, und ich bin so erschöpft nach dem Kampf, so frustriert, wütend und hilflos. Sag mir, ob es das Gute auf der Welt noch gibt. Sag mir, ob es noch Hoffnung für uns gibt."
Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 3 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein violetter Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal eine goldene, stilisierte Flamme zu sehen. Auch beim Cover des dritten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meinen Rezensionen zum ersten und zweiten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.
Erster Satz: "Von all meinen bisherigen Verkleidungen ist mir diese möglicherweise die liebste."
Anders als zu Beginn von Band 2 beginnt die Handlung von "Legend - Berstende Sterne" erst einige Monate nach Ende des vorangegangenen Teils, was schon der erste Indikator dafür ist, dass die Autorin nicht ganz nahtlos an die spannende Handlung der beiden ersten Bände anknüpfen kann. Während zuvor Day und June in einem ständig wechselnden, kampfumtosten Setting von einer Bedrohung zur nächsten rannten und sich laufend damit auseinandersetzen mussten, welche Seite nun die richtige ist und wie sie zueinander stehen, bricht zu Beginn des dritten Teils der für die Reihe so typische und mitreißende Erzählfluss erstmal ab. Anstatt wie gewohnt gemeinsam die Probleme anzugehen, sind die beiden zu Beginn von "Legend - Berstende Sterne" seit acht Monaten getrennt und versuchen, ihren eigenen Weg in der immer noch auf der Kippe stehenden Republik zu finden. Genau wie in Band 1 und 2 hat sich Marie Lu deshalb wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Während Day seinen Bruder Eden wieder hat, in einem schicken Apartment wohnt und gegen seine Kopfschmerzen betäubende Zigaretten raucht, muss sich June durch die Intrigen des Senats kämpfen, um als Princeps-Anwärterin an der Seite von Anden die Reformen durchzusetzen, die die Republik dringend braucht. Erst als die Kolonien nach einem unerwarteten Seuchenausbruch der Republik erneut den Krieg erklären, treffen Day und June wieder aufeinander und das Ringen um Einheit, Freiheit und einer besseren Zukunft beginnt erneut.
June: "Alles, was er tut ist aufrichtig, und aus diesem Grund lieben ihn die Menschen. Er kann es sich leisten, auf sein Herz zu hören."
Neben der Tatsache, dass der Erzählfluss durch den anfänglichen Zeitsprung unterbrochen wurde und die Figuren eine Weile getrennt bleiben, spielt auch die Tatsache, dass gegen Ende von Band 2 ja schon eine Menge der Handlung (definitiv mehr als bei anderen Dystopien üblich, wo das große Drama erst in Band 3 startet) in trockenen Tüchern war, eine negative Rolle beim Spannungsaufbau. Wir erinnern uns: Gegen Ende von "Legend - Schwelender Sturm" hat Day seine Unterstützung für den jungen Elektor Anden erklärt, sodass der sich anbahnende Volksauftand gerade noch verhindert und die intriganten Patriotenführer Razor und Commander Jameson festgenommen werden konnten. Der Weg ist nun also frei für Reformationen und ein langsamer Prozess des Umkrempelns. Für Band 3 blieb nun also nur noch zu klären, wie sich der schwelende Konflikt mit den Kolonien weiterentwickelt, welche Rolle June in der zukünftigen Republik einnimmt und was es mit der Erkrankung auf sich hat, die gegen Ende von Band 2 bei Day festgestellt wurde.
Day: "Glauben Sie denn im Ernst, dass ein Volk seine Entscheidungen allein treffen kann? Was für eine beängstigende Vorstellung. Menschen können oft gar nicht selbst beurteilen, was sie wirklich brauchen. Das sollten Sie besser als jeder andere wissen, Day."
Etwas dürftig für das große Finale einer Reihe, die sich zuvor vor lauter Problemen und Bedrohungen fast überschlagen hat - und das schlägt sich leider auch im Spannungsbogen nieder. Zwar bietet Marie Lu auch hier wieder politische Intrigen vom Feinsten und mischt ihre Handlung ordentlich mit Verfolgungsjagden, Explosionen und gefährlichen Missionen auf, trotzdem gab es lange zähere Passagen im Mittelteil, in denen die Charaktere begannen, sich im Kreis zu drehen. Kritisieren möchte ich zum Beispiel die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese in diesem letzten Band ja durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt wird. So erscheint die zuvor aufgrund der fehlenden Zeit und der ständigen Rennerei von A nach B immer nur sehr nebenbei mit eingebrachten Liebesgeschichte hier viel Raum einzunehmen, ohne aber sichtbar einen Schritt nach vorne zu machen, oder wirkliche Tiefe zu erreichen.
June: "Vor mir liegt der Junge, der in den Straßen von Lake meine Wunden versorgt hat, der mit jeder Faser seines Körpers seine Familie verteidigt hat, der trotz allem, was passiert ist, an meiner Seite geblieben ist, so voller Licht und Lachen und Leben, voller Trauer und Wut und Leidenschaft, der Junge, dessen Schicksal auf ewig mit meinem verbunden ist. "Ich liebe dich", flüstert er. "Kannst du noch ein bisschen bei mir bleiben?"
Trotz dieser kleinen Schwächen, die Band 3 für mich zum schlechtesten der Reihe machen, hat mir vieles an "Berstende Sterne" aber wieder gut gefallen. Als erstes kann ich Marie Lu positiv zusprechen, dass sie ihr dystopisches Worldbuilding hier nochmals weiterentwickelt. Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, wir in Band 2 mit den beiden Figuren auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und in die Kolonien reisen durften, wagen wir in diesem dritten Teil nun auch mal einen Blick über die Grenzen des ehemaligen Amerikas hinaus und landen im aufstrebenden Industriestaat Antarktis. Mehr als einen kurzen Einblick in die dortige Lebensweise, die Technik und die Weltpolitik außerhalb des amerikanischen Territoriums passt zwar nicht in diese immer noch sehr handlungszentrierte Geschichte, dennoch hat diese Erweiterung des Blickwinkels die Handlung aus meiner Sicht sehr bereichert. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt.
June: "Du treibst mich noch in den Wahnsinn, June", murmelt er in mein Haar. "Du bist der Furcht einflößendste, cleverste, mutigste Menschen, den ich kenne, und manchmal bin ich einfach fix und fertig, weil ich mir solche Mühe gebe, mit dir mitzuhalten. Jemanden wie dich werde ich nie wieder finden. Das ist dir doch klar, oder?" Ich hebe das Gesicht und blicke ihn an. In seinen Augen spiegelt sich das ferne Leuchten der JumboTrons, ein Regenbogen aus Abendlichtern. "Es werden noch Milliarden von Menschen nach uns diese Welt bevölkern", sagt er leise, "aber keiner davon wird so sein wie du."
Auch die Figuren haben der Geschichte mal wieder einige Pluspunkte eingebracht. June und Day sind starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten, die die Geschichte tragen und sich durch die zurückliegenden Strapazen spürbar weiterentwickelt haben. Sehr für mich eingenommen hat mich in diesem Band auch der junge Elektor Anden, welcher zwar in Band 2 kurz nach seinem ersten Auftritt in ein wenig schmeichelhaftes Liebesdreieck eingebaut wurde, hier aber endlich ein bisschen von seinem Potential zu spannender Ambivalenz ausschöpfen kann. Zerrissen zwischen seinem Stolz, seiner Wut, der Liebe zu seinem verstorbenen Vater und seinem Wunsch, ein besserer Herrscher zu sein als er, gibt er sein Bestes, tänzelt aber lange Zeit an der Grenze zur Dunkelheit entlang, ohne dass uns Lesern klar ist, in welche Richtung er sich entwickeln wird. Neben seiner Charakterisierung gibt es auch weitere grandios vorbereitete Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt.
June: "Gut möglich, dass sein Vater als junger Mann ganz ähnlich war: ein Idealist, voller Hoffnungen und Wünsche, mit den besten Abschichten, mutig und ehrgeizig. Wie konnte er zu einem Elektor werden, der ein solch düsteres Land geschaffen hat? An welcher Stelle hat er diese Richtung eingeschlagen? Und mit einem Mal, wenn auch nur für eine Sekunde, habe ich das Gefühl, die frühere Republik zu begreifen. Und gleichzeitig weiß ich ganz sicher, dass Anden nicht denselben Weg gehen wird. Anden erwidert meinen Blick, so als hätte er meine unausgesprochenen Worte gehört. Und zum ersten Mal seit Monaten sehe ich, wie sich die dunkle Wolke von seinen Augen hebt, jene Schwärze, die den Momenten blinder Wut den Weg bereitet. Ohne den Schatten seines Vaters, der über ihm hängt, ist er einfach umwerfend.
"Ich werde mein Bestes versuchen", flüstert er."
Gegen Ende fährt die Autorin dann nochmal alle Geschütze auf und lässt den Krieg mit den Kolonien, Days Krankheit, Junes Loyalitätskonflikt und andere Erzählstränge in einem Höhepunkt zusammenlaufen, der es ganz schön in sich hat und auch nochmal altbekannte Gegenspieler auf den Plan bringt. Auch wenn der Showdown definitiv zum Buch passt und am Ende alle wichtigen Fragen geklärt sind, finde ich es schade, dass auf den letzten Seiten alle Probleme gleichzeitig gelöst werden und gerade die zuvor lange vorbereiteten politischen Schachzüge nur in Nebensätzen vorbeiziehen. Was das direkte Schicksal der beiden Figuren angeht hat Marie Lu in meinen Augen aber das perfekte Ende gefunden: realistisch, hoffnungsvoll und mit genau der richtigen Priese Offenheit.
Fazit:
Mit "Legend - Berstende Sterne" geht eine hochspannende, wendungsreiche und intelligent erzählte Dystopie in einem lesenswerten, aber etwas schwächeren Finale zu Ende. Marie Lu gelingt es hier, ihr Setting nochmals weiterzuentwickeln, die Nebenfiguren auszubauen und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass im Mittelteil einige Längen auftauchen und das Ende etwas überstürzt alle Probleme gleichzeitig löst.
Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band ...
Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch das Finale der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 habe ich aber deutlich länger gebraucht, bis ich die 448 Seiten durchgelesen hatte und komme deshalb zum Schluss, dass der Finalband zwar alles in allem überzeugend, aber dennoch der schwächste Teil der Reihe ist.
June: "Verzweifelt sehe ich mich um, mein Blick tränenverschleiert, die Welt ein Gewirr aus Blut und Qualm, Licht und Asche. Alles, was ich höre, sind Schreie und Schüsse und blanker Hass, und ich bin so erschöpft nach dem Kampf, so frustriert, wütend und hilflos. Sag mir, ob es das Gute auf der Welt noch gibt. Sag mir, ob es noch Hoffnung für uns gibt."
Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 3 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein violetter Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal eine goldene, stilisierte Flamme zu sehen. Auch beim Cover des dritten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meinen Rezensionen zum ersten und zweiten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.
Erster Satz: "Von all meinen bisherigen Verkleidungen ist mir diese möglicherweise die liebste."
Anders als zu Beginn von Band 2 beginnt die Handlung von "Legend - Berstende Sterne" erst einige Monate nach Ende des vorangegangenen Teils, was schon der erste Indikator dafür ist, dass die Autorin nicht ganz nahtlos an die spannende Handlung der beiden ersten Bände anknüpfen kann. Während zuvor Day und June in einem ständig wechselnden, kampfumtosten Setting von einer Bedrohung zur nächsten rannten und sich laufend damit auseinandersetzen mussten, welche Seite nun die richtige ist und wie sie zueinander stehen, bricht zu Beginn des dritten Teils der für die Reihe so typische und mitreißende Erzählfluss erstmal ab. Anstatt wie gewohnt gemeinsam die Probleme anzugehen, sind die beiden zu Beginn von "Legend - Berstende Sterne" seit acht Monaten getrennt und versuchen, ihren eigenen Weg in der immer noch auf der Kippe stehenden Republik zu finden. Genau wie in Band 1 und 2 hat sich Marie Lu deshalb wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Während Day seinen Bruder Eden wieder hat, in einem schicken Apartment wohnt und gegen seine Kopfschmerzen betäubende Zigaretten raucht, muss sich June durch die Intrigen des Senats kämpfen, um als Princeps-Anwärterin an der Seite von Anden die Reformen durchzusetzen, die die Republik dringend braucht. Erst als die Kolonien nach einem unerwarteten Seuchenausbruch der Republik erneut den Krieg erklären, treffen Day und June wieder aufeinander und das Ringen um Einheit, Freiheit und einer besseren Zukunft beginnt erneut.
June: "Alles, was er tut ist aufrichtig, und aus diesem Grund lieben ihn die Menschen. Er kann es sich leisten, auf sein Herz zu hören."
Neben der Tatsache, dass der Erzählfluss durch den anfänglichen Zeitsprung unterbrochen wurde und die Figuren eine Weile getrennt bleiben, spielt auch die Tatsache, dass gegen Ende von Band 2 ja schon eine Menge der Handlung (definitiv mehr als bei anderen Dystopien üblich, wo das große Drama erst in Band 3 startet) in trockenen Tüchern war, eine negative Rolle beim Spannungsaufbau. Wir erinnern uns: Gegen Ende von "Legend - Schwelender Sturm" hat Day seine Unterstützung für den jungen Elektor Anden erklärt, sodass der sich anbahnende Volksauftand gerade noch verhindert und die intriganten Patriotenführer Razor und Commander Jameson festgenommen werden konnten. Der Weg ist nun also frei für Reformationen und ein langsamer Prozess des Umkrempelns. Für Band 3 blieb nun also nur noch zu klären, wie sich der schwelende Konflikt mit den Kolonien weiterentwickelt, welche Rolle June in der zukünftigen Republik einnimmt und was es mit der Erkrankung auf sich hat, die gegen Ende von Band 2 bei Day festgestellt wurde.
Day: "Glauben Sie denn im Ernst, dass ein Volk seine Entscheidungen allein treffen kann? Was für eine beängstigende Vorstellung. Menschen können oft gar nicht selbst beurteilen, was sie wirklich brauchen. Das sollten Sie besser als jeder andere wissen, Day."
Etwas dürftig für das große Finale einer Reihe, die sich zuvor vor lauter Problemen und Bedrohungen fast überschlagen hat - und das schlägt sich leider auch im Spannungsbogen nieder. Zwar bietet Marie Lu auch hier wieder politische Intrigen vom Feinsten und mischt ihre Handlung ordentlich mit Verfolgungsjagden, Explosionen und gefährlichen Missionen auf, trotzdem gab es lange zähere Passagen im Mittelteil, in denen die Charaktere begannen, sich im Kreis zu drehen. Kritisieren möchte ich zum Beispiel die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese in diesem letzten Band ja durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt wird. So erscheint die zuvor aufgrund der fehlenden Zeit und der ständigen Rennerei von A nach B immer nur sehr nebenbei mit eingebrachten Liebesgeschichte hier viel Raum einzunehmen, ohne aber sichtbar einen Schritt nach vorne zu machen, oder wirkliche Tiefe zu erreichen.
June: "Vor mir liegt der Junge, der in den Straßen von Lake meine Wunden versorgt hat, der mit jeder Faser seines Körpers seine Familie verteidigt hat, der trotz allem, was passiert ist, an meiner Seite geblieben ist, so voller Licht und Lachen und Leben, voller Trauer und Wut und Leidenschaft, der Junge, dessen Schicksal auf ewig mit meinem verbunden ist. "Ich liebe dich", flüstert er. "Kannst du noch ein bisschen bei mir bleiben?"
Trotz dieser kleinen Schwächen, die Band 3 für mich zum schlechtesten der Reihe machen, hat mir vieles an "Berstende Sterne" aber wieder gut gefallen. Als erstes kann ich Marie Lu positiv zusprechen, dass sie ihr dystopisches Worldbuilding hier nochmals weiterentwickelt. Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, wir in Band 2 mit den beiden Figuren auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und in die Kolonien reisen durften, wagen wir in diesem dritten Teil nun auch mal einen Blick über die Grenzen des ehemaligen Amerikas hinaus und landen im aufstrebenden Industriestaat Antarktis. Mehr als einen kurzen Einblick in die dortige Lebensweise, die Technik und die Weltpolitik außerhalb des amerikanischen Territoriums passt zwar nicht in diese immer noch sehr handlungszentrierte Geschichte, dennoch hat diese Erweiterung des Blickwinkels die Handlung aus meiner Sicht sehr bereichert. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt.
June: "Du treibst mich noch in den Wahnsinn, June", murmelt er in mein Haar. "Du bist der Furcht einflößendste, cleverste, mutigste Menschen, den ich kenne, und manchmal bin ich einfach fix und fertig, weil ich mir solche Mühe gebe, mit dir mitzuhalten. Jemanden wie dich werde ich nie wieder finden. Das ist dir doch klar, oder?" Ich hebe das Gesicht und blicke ihn an. In seinen Augen spiegelt sich das ferne Leuchten der JumboTrons, ein Regenbogen aus Abendlichtern. "Es werden noch Milliarden von Menschen nach uns diese Welt bevölkern", sagt er leise, "aber keiner davon wird so sein wie du."
Auch die Figuren haben der Geschichte mal wieder einige Pluspunkte eingebracht. June und Day sind starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten, die die Geschichte tragen und sich durch die zurückliegenden Strapazen spürbar weiterentwickelt haben. Sehr für mich eingenommen hat mich in diesem Band auch der junge Elektor Anden, welcher zwar in Band 2 kurz nach seinem ersten Auftritt in ein wenig schmeichelhaftes Liebesdreieck eingebaut wurde, hier aber endlich ein bisschen von seinem Potential zu spannender Ambivalenz ausschöpfen kann. Zerrissen zwischen seinem Stolz, seiner Wut, der Liebe zu seinem verstorbenen Vater und seinem Wunsch, ein besserer Herrscher zu sein als er, gibt er sein Bestes, tänzelt aber lange Zeit an der Grenze zur Dunkelheit entlang, ohne dass uns Lesern klar ist, in welche Richtung er sich entwickeln wird. Neben seiner Charakterisierung gibt es auch weitere grandios vorbereitete Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt.
June: "Gut möglich, dass sein Vater als junger Mann ganz ähnlich war: ein Idealist, voller Hoffnungen und Wünsche, mit den besten Abschichten, mutig und ehrgeizig. Wie konnte er zu einem Elektor werden, der ein solch düsteres Land geschaffen hat? An welcher Stelle hat er diese Richtung eingeschlagen? Und mit einem Mal, wenn auch nur für eine Sekunde, habe ich das Gefühl, die frühere Republik zu begreifen. Und gleichzeitig weiß ich ganz sicher, dass Anden nicht denselben Weg gehen wird. Anden erwidert meinen Blick, so als hätte er meine unausgesprochenen Worte gehört. Und zum ersten Mal seit Monaten sehe ich, wie sich die dunkle Wolke von seinen Augen hebt, jene Schwärze, die den Momenten blinder Wut den Weg bereitet. Ohne den Schatten seines Vaters, der über ihm hängt, ist er einfach umwerfend.
"Ich werde mein Bestes versuchen", flüstert er."
Gegen Ende fährt die Autorin dann nochmal alle Geschütze auf und lässt den Krieg mit den Kolonien, Days Krankheit, Junes Loyalitätskonflikt und andere Erzählstränge in einem Höhepunkt zusammenlaufen, der es ganz schön in sich hat und auch nochmal altbekannte Gegenspieler auf den Plan bringt. Auch wenn der Showdown definitiv zum Buch passt und am Ende alle wichtigen Fragen geklärt sind, finde ich es schade, dass auf den letzten Seiten alle Probleme gleichzeitig gelöst werden und gerade die zuvor lange vorbereiteten politischen Schachzüge nur in Nebensätzen vorbeiziehen. Was das direkte Schicksal der beiden Figuren angeht hat Marie Lu in meinen Augen aber das perfekte Ende gefunden: realistisch, hoffnungsvoll und mit genau der richtigen Priese Offenheit.
Fazit:
Mit "Legend - Berstende Sterne" geht eine hochspannende, wendungsreiche und intelligent erzählte Dystopie in einem lesenswerten, aber etwas schwächeren Finale zu Ende. Marie Lu gelingt es hier, ihr Setting nochmals weiterzuentwickeln, die Nebenfiguren auszubauen und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass im Mittelteil einige Längen auftauchen und das Ende etwas überstürzt alle Probleme gleichzeitig löst.
Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band ...
Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch das Finale der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 habe ich aber deutlich länger gebraucht, bis ich die 448 Seiten durchgelesen hatte und komme deshalb zum Schluss, dass der Finalband zwar alles in allem überzeugend, aber dennoch der schwächste Teil der Reihe ist.
June: "Verzweifelt sehe ich mich um, mein Blick tränenverschleiert, die Welt ein Gewirr aus Blut und Qualm, Licht und Asche. Alles, was ich höre, sind Schreie und Schüsse und blanker Hass, und ich bin so erschöpft nach dem Kampf, so frustriert, wütend und hilflos. Sag mir, ob es das Gute auf der Welt noch gibt. Sag mir, ob es noch Hoffnung für uns gibt."
Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 3 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein violetter Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal eine goldene, stilisierte Flamme zu sehen. Auch beim Cover des dritten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meinen Rezensionen zum ersten und zweiten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.
Erster Satz: "Von all meinen bisherigen Verkleidungen ist mir diese möglicherweise die liebste."
Anders als zu Beginn von Band 2 beginnt die Handlung von "Legend - Berstende Sterne" erst einige Monate nach Ende des vorangegangenen Teils, was schon der erste Indikator dafür ist, dass die Autorin nicht ganz nahtlos an die spannende Handlung der beiden ersten Bände anknüpfen kann. Während zuvor Day und June in einem ständig wechselnden, kampfumtosten Setting von einer Bedrohung zur nächsten rannten und sich laufend damit auseinandersetzen mussten, welche Seite nun die richtige ist und wie sie zueinander stehen, bricht zu Beginn des dritten Teils der für die Reihe so typische und mitreißende Erzählfluss erstmal ab. Anstatt wie gewohnt gemeinsam die Probleme anzugehen, sind die beiden zu Beginn von "Legend - Berstende Sterne" seit acht Monaten getrennt und versuchen, ihren eigenen Weg in der immer noch auf der Kippe stehenden Republik zu finden. Genau wie in Band 1 und 2 hat sich Marie Lu deshalb wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Während Day seinen Bruder Eden wieder hat, in einem schicken Apartment wohnt und gegen seine Kopfschmerzen betäubende Zigaretten raucht, muss sich June durch die Intrigen des Senats kämpfen, um als Princeps-Anwärterin an der Seite von Anden die Reformen durchzusetzen, die die Republik dringend braucht. Erst als die Kolonien nach einem unerwarteten Seuchenausbruch der Republik erneut den Krieg erklären, treffen Day und June wieder aufeinander und das Ringen um Einheit, Freiheit und einer besseren Zukunft beginnt erneut.
June: "Alles, was er tut ist aufrichtig, und aus diesem Grund lieben ihn die Menschen. Er kann es sich leisten, auf sein Herz zu hören."
Neben der Tatsache, dass der Erzählfluss durch den anfänglichen Zeitsprung unterbrochen wurde und die Figuren eine Weile getrennt bleiben, spielt auch die Tatsache, dass gegen Ende von Band 2 ja schon eine Menge der Handlung (definitiv mehr als bei anderen Dystopien üblich, wo das große Drama erst in Band 3 startet) in trockenen Tüchern war, eine negative Rolle beim Spannungsaufbau. Wir erinnern uns: Gegen Ende von "Legend - Schwelender Sturm" hat Day seine Unterstützung für den jungen Elektor Anden erklärt, sodass der sich anbahnende Volksauftand gerade noch verhindert und die intriganten Patriotenführer Razor und Commander Jameson festgenommen werden konnten. Der Weg ist nun also frei für Reformationen und ein langsamer Prozess des Umkrempelns. Für Band 3 blieb nun also nur noch zu klären, wie sich der schwelende Konflikt mit den Kolonien weiterentwickelt, welche Rolle June in der zukünftigen Republik einnimmt und was es mit der Erkrankung auf sich hat, die gegen Ende von Band 2 bei Day festgestellt wurde.
Day: "Glauben Sie denn im Ernst, dass ein Volk seine Entscheidungen allein treffen kann? Was für eine beängstigende Vorstellung. Menschen können oft gar nicht selbst beurteilen, was sie wirklich brauchen. Das sollten Sie besser als jeder andere wissen, Day."
Etwas dürftig für das große Finale einer Reihe, die sich zuvor vor lauter Problemen und Bedrohungen fast überschlagen hat - und das schlägt sich leider auch im Spannungsbogen nieder. Zwar bietet Marie Lu auch hier wieder politische Intrigen vom Feinsten und mischt ihre Handlung ordentlich mit Verfolgungsjagden, Explosionen und gefährlichen Missionen auf, trotzdem gab es lange zähere Passagen im Mittelteil, in denen die Charaktere begannen, sich im Kreis zu drehen. Kritisieren möchte ich zum Beispiel die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese in diesem letzten Band ja durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt wird. So erscheint die zuvor aufgrund der fehlenden Zeit und der ständigen Rennerei von A nach B immer nur sehr nebenbei mit eingebrachten Liebesgeschichte hier viel Raum einzunehmen, ohne aber sichtbar einen Schritt nach vorne zu machen, oder wirkliche Tiefe zu erreichen.
June: "Vor mir liegt der Junge, der in den Straßen von Lake meine Wunden versorgt hat, der mit jeder Faser seines Körpers seine Familie verteidigt hat, der trotz allem, was passiert ist, an meiner Seite geblieben ist, so voller Licht und Lachen und Leben, voller Trauer und Wut und Leidenschaft, der Junge, dessen Schicksal auf ewig mit meinem verbunden ist. "Ich liebe dich", flüstert er. "Kannst du noch ein bisschen bei mir bleiben?"
Trotz dieser kleinen Schwächen, die Band 3 für mich zum schlechtesten der Reihe machen, hat mir vieles an "Berstende Sterne" aber wieder gut gefallen. Als erstes kann ich Marie Lu positiv zusprechen, dass sie ihr dystopisches Worldbuilding hier nochmals weiterentwickelt. Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, wir in Band 2 mit den beiden Figuren auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und in die Kolonien reisen durften, wagen wir in diesem dritten Teil nun auch mal einen Blick über die Grenzen des ehemaligen Amerikas hinaus und landen im aufstrebenden Industriestaat Antarktis. Mehr als einen kurzen Einblick in die dortige Lebensweise, die Technik und die Weltpolitik außerhalb des amerikanischen Territoriums passt zwar nicht in diese immer noch sehr handlungszentrierte Geschichte, dennoch hat diese Erweiterung des Blickwinkels die Handlung aus meiner Sicht sehr bereichert. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt.
June: "Du treibst mich noch in den Wahnsinn, June", murmelt er in mein Haar. "Du bist der Furcht einflößendste, cleverste, mutigste Menschen, den ich kenne, und manchmal bin ich einfach fix und fertig, weil ich mir solche Mühe gebe, mit dir mitzuhalten. Jemanden wie dich werde ich nie wieder finden. Das ist dir doch klar, oder?" Ich hebe das Gesicht und blicke ihn an. In seinen Augen spiegelt sich das ferne Leuchten der JumboTrons, ein Regenbogen aus Abendlichtern. "Es werden noch Milliarden von Menschen nach uns diese Welt bevölkern", sagt er leise, "aber keiner davon wird so sein wie du."
Auch die Figuren haben der Geschichte mal wieder einige Pluspunkte eingebracht. June und Day sind starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten, die die Geschichte tragen und sich durch die zurückliegenden Strapazen spürbar weiterentwickelt haben. Sehr für mich eingenommen hat mich in diesem Band auch der junge Elektor Anden, welcher zwar in Band 2 kurz nach seinem ersten Auftritt in ein wenig schmeichelhaftes Liebesdreieck eingebaut wurde, hier aber endlich ein bisschen von seinem Potential zu spannender Ambivalenz ausschöpfen kann. Zerrissen zwischen seinem Stolz, seiner Wut, der Liebe zu seinem verstorbenen Vater und seinem Wunsch, ein besserer Herrscher zu sein als er, gibt er sein Bestes, tänzelt aber lange Zeit an der Grenze zur Dunkelheit entlang, ohne dass uns Lesern klar ist, in welche Richtung er sich entwickeln wird. Neben seiner Charakterisierung gibt es auch weitere grandios vorbereitete Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt.
June: "Gut möglich, dass sein Vater als junger Mann ganz ähnlich war: ein Idealist, voller Hoffnungen und Wünsche, mit den besten Abschichten, mutig und ehrgeizig. Wie konnte er zu einem Elektor werden, der ein solch düsteres Land geschaffen hat? An welcher Stelle hat er diese Richtung eingeschlagen? Und mit einem Mal, wenn auch nur für eine Sekunde, habe ich das Gefühl, die frühere Republik zu begreifen. Und gleichzeitig weiß ich ganz sicher, dass Anden nicht denselben Weg gehen wird. Anden erwidert meinen Blick, so als hätte er meine unausgesprochenen Worte gehört. Und zum ersten Mal seit Monaten sehe ich, wie sich die dunkle Wolke von seinen Augen hebt, jene Schwärze, die den Momenten blinder Wut den Weg bereitet. Ohne den Schatten seines Vaters, der über ihm hängt, ist er einfach umwerfend.
"Ich werde mein Bestes versuchen", flüstert er."
Gegen Ende fährt die Autorin dann nochmal alle Geschütze auf und lässt den Krieg mit den Kolonien, Days Krankheit, Junes Loyalitätskonflikt und andere Erzählstränge in einem Höhepunkt zusammenlaufen, der es ganz schön in sich hat und auch nochmal altbekannte Gegenspieler auf den Plan bringt. Auch wenn der Showdown definitiv zum Buch passt und am Ende alle wichtigen Fragen geklärt sind, finde ich es schade, dass auf den letzten Seiten alle Probleme gleichzeitig gelöst werden und gerade die zuvor lange vorbereiteten politischen Schachzüge nur in Nebensätzen vorbeiziehen. Was das direkte Schicksal der beiden Figuren angeht hat Marie Lu in meinen Augen aber das perfekte Ende gefunden: realistisch, hoffnungsvoll und mit genau der richtigen Priese Offenheit.
Fazit:
Mit "Legend - Berstende Sterne" geht eine hochspannende, wendungsreiche und intelligent erzählte Dystopie in einem lesenswerten, aber etwas schwächeren Finale zu Ende. Marie Lu gelingt es hier, ihr Setting nochmals weiterzuentwickeln, die Nebenfiguren auszubauen und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass im Mittelteil einige Längen auftauchen und das Ende etwas überstürzt alle Probleme gleichzeitig löst.
Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band ...
Nachdem mir Band 1, "Legend - Fallender Himmel" und Band 2 "Legend - Schwelender Sturm" so gut gefallen haben, musste ich zum Abschluss des Lesejahr 2021 natürlich auch noch zum dritten und letzten Band greifen, um die Geschichte um Day und June weiterzuverfolgen. Die gesamte "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Auch das Finale der Trilogie hat mir noch besser gefallen, als ich es erwartet hatte und mir gezeigt, dass sich mein Buchgeschmack in den letzten 5 Jahren wohl doch nicht so sehr verändert hat, wie ich das gedacht hatte. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 habe ich aber deutlich länger gebraucht, bis ich die 448 Seiten durchgelesen hatte und komme deshalb zum Schluss, dass der Finalband zwar alles in allem überzeugend, aber dennoch der schwächste Teil der Reihe ist.
June: "Verzweifelt sehe ich mich um, mein Blick tränenverschleiert, die Welt ein Gewirr aus Blut und Qualm, Licht und Asche. Alles, was ich höre, sind Schreie und Schüsse und blanker Hass, und ich bin so erschöpft nach dem Kampf, so frustriert, wütend und hilflos. Sag mir, ob es das Gute auf der Welt noch gibt. Sag mir, ob es noch Hoffnung für uns gibt."
Die gesamten Cover der Reihe bestechen durch minimalistische Eleganz. Vor dem Hintergrund, der bei Band 3 im Taschenbuchformat weiß ist, während einem vom gebundenen und dem Ebookformat ein violetter Hintergrund entgegenblickt, ist dieses Mal eine goldene, stilisierte Flamme zu sehen. Auch beim Cover des dritten Bandes ist das Motiv demnach dem englischen Original stark nachempfunden. Schade ist hier jedoch, dass der Titel recht nichtssagend ist. Ich habe ja schon bei meinen Rezensionen zum ersten und zweiten Teil geschrieben, dass mich die deutsche Gegebenheit, englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden, mittlerweile ziemlich nervt. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen, anstatt die ganze Reihe "Legend" zu taufen.
Erster Satz: "Von all meinen bisherigen Verkleidungen ist mir diese möglicherweise die liebste."
Anders als zu Beginn von Band 2 beginnt die Handlung von "Legend - Berstende Sterne" erst einige Monate nach Ende des vorangegangenen Teils, was schon der erste Indikator dafür ist, dass die Autorin nicht ganz nahtlos an die spannende Handlung der beiden ersten Bände anknüpfen kann. Während zuvor Day und June in einem ständig wechselnden, kampfumtosten Setting von einer Bedrohung zur nächsten rannten und sich laufend damit auseinandersetzen mussten, welche Seite nun die richtige ist und wie sie zueinander stehen, bricht zu Beginn des dritten Teils der für die Reihe so typische und mitreißende Erzählfluss erstmal ab. Anstatt wie gewohnt gemeinsam die Probleme anzugehen, sind die beiden zu Beginn von "Legend - Berstende Sterne" seit acht Monaten getrennt und versuchen, ihren eigenen Weg in der immer noch auf der Kippe stehenden Republik zu finden. Genau wie in Band 1 und 2 hat sich Marie Lu deshalb wieder dazu entschieden, abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June zu erzählen. Während Day seinen Bruder Eden wieder hat, in einem schicken Apartment wohnt und gegen seine Kopfschmerzen betäubende Zigaretten raucht, muss sich June durch die Intrigen des Senats kämpfen, um als Princeps-Anwärterin an der Seite von Anden die Reformen durchzusetzen, die die Republik dringend braucht. Erst als die Kolonien nach einem unerwarteten Seuchenausbruch der Republik erneut den Krieg erklären, treffen Day und June wieder aufeinander und das Ringen um Einheit, Freiheit und einer besseren Zukunft beginnt erneut.
June: "Alles, was er tut ist aufrichtig, und aus diesem Grund lieben ihn die Menschen. Er kann es sich leisten, auf sein Herz zu hören."
Neben der Tatsache, dass der Erzählfluss durch den anfänglichen Zeitsprung unterbrochen wurde und die Figuren eine Weile getrennt bleiben, spielt auch die Tatsache, dass gegen Ende von Band 2 ja schon eine Menge der Handlung (definitiv mehr als bei anderen Dystopien üblich, wo das große Drama erst in Band 3 startet) in trockenen Tüchern war, eine negative Rolle beim Spannungsaufbau. Wir erinnern uns: Gegen Ende von "Legend - Schwelender Sturm" hat Day seine Unterstützung für den jungen Elektor Anden erklärt, sodass der sich anbahnende Volksauftand gerade noch verhindert und die intriganten Patriotenführer Razor und Commander Jameson festgenommen werden konnten. Der Weg ist nun also frei für Reformationen und ein langsamer Prozess des Umkrempelns. Für Band 3 blieb nun also nur noch zu klären, wie sich der schwelende Konflikt mit den Kolonien weiterentwickelt, welche Rolle June in der zukünftigen Republik einnimmt und was es mit der Erkrankung auf sich hat, die gegen Ende von Band 2 bei Day festgestellt wurde.
Day: "Glauben Sie denn im Ernst, dass ein Volk seine Entscheidungen allein treffen kann? Was für eine beängstigende Vorstellung. Menschen können oft gar nicht selbst beurteilen, was sie wirklich brauchen. Das sollten Sie besser als jeder andere wissen, Day."
Etwas dürftig für das große Finale einer Reihe, die sich zuvor vor lauter Problemen und Bedrohungen fast überschlagen hat - und das schlägt sich leider auch im Spannungsbogen nieder. Zwar bietet Marie Lu auch hier wieder politische Intrigen vom Feinsten und mischt ihre Handlung ordentlich mit Verfolgungsjagden, Explosionen und gefährlichen Missionen auf, trotzdem gab es lange zähere Passagen im Mittelteil, in denen die Charaktere begannen, sich im Kreis zu drehen. Kritisieren möchte ich zum Beispiel die angeteaserten Dreiecksgeschichte, die ich persönlich wirklich nicht gebraucht hätte und die angesichts der noch sehr frischen und wackligen Liebesgeschichte alles zu sehr verkomplizieren und vom Plot ablenken. Mir hätte es besser gefallen, wenn die Autorin sich erstmal mehr darauf konzentriert hätte, die Beziehung von June und Day weiterzuentwickeln, da diese in diesem letzten Band ja durch genügend Hürden und Hindernisse auf die Probe gestellt wird. So erscheint die zuvor aufgrund der fehlenden Zeit und der ständigen Rennerei von A nach B immer nur sehr nebenbei mit eingebrachten Liebesgeschichte hier viel Raum einzunehmen, ohne aber sichtbar einen Schritt nach vorne zu machen, oder wirkliche Tiefe zu erreichen.
June: "Vor mir liegt der Junge, der in den Straßen von Lake meine Wunden versorgt hat, der mit jeder Faser seines Körpers seine Familie verteidigt hat, der trotz allem, was passiert ist, an meiner Seite geblieben ist, so voller Licht und Lachen und Leben, voller Trauer und Wut und Leidenschaft, der Junge, dessen Schicksal auf ewig mit meinem verbunden ist. "Ich liebe dich", flüstert er. "Kannst du noch ein bisschen bei mir bleiben?"
Trotz dieser kleinen Schwächen, die Band 3 für mich zum schlechtesten der Reihe machen, hat mir vieles an "Berstende Sterne" aber wieder gut gefallen. Als erstes kann ich Marie Lu positiv zusprechen, dass sie ihr dystopisches Worldbuilding hier nochmals weiterentwickelt. Nachdem sich Band 1 ausschließlich auf den Straßen des futuristischen San Francisco abgespielt hat, wir in Band 2 mit den beiden Figuren auch ins staubtrockene Vegas, in die verschneite Republikhauptstadt Denver und in die Kolonien reisen durften, wagen wir in diesem dritten Teil nun auch mal einen Blick über die Grenzen des ehemaligen Amerikas hinaus und landen im aufstrebenden Industriestaat Antarktis. Mehr als einen kurzen Einblick in die dortige Lebensweise, die Technik und die Weltpolitik außerhalb des amerikanischen Territoriums passt zwar nicht in diese immer noch sehr handlungszentrierte Geschichte, dennoch hat diese Erweiterung des Blickwinkels die Handlung aus meiner Sicht sehr bereichert. Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt.
June: "Du treibst mich noch in den Wahnsinn, June", murmelt er in mein Haar. "Du bist der Furcht einflößendste, cleverste, mutigste Menschen, den ich kenne, und manchmal bin ich einfach fix und fertig, weil ich mir solche Mühe gebe, mit dir mitzuhalten. Jemanden wie dich werde ich nie wieder finden. Das ist dir doch klar, oder?" Ich hebe das Gesicht und blicke ihn an. In seinen Augen spiegelt sich das ferne Leuchten der JumboTrons, ein Regenbogen aus Abendlichtern. "Es werden noch Milliarden von Menschen nach uns diese Welt bevölkern", sagt er leise, "aber keiner davon wird so sein wie du."
Auch die Figuren haben der Geschichte mal wieder einige Pluspunkte eingebracht. June und Day sind starken, mutigen und schlagfertigen Persönlichkeiten, die die Geschichte tragen und sich durch die zurückliegenden Strapazen spürbar weiterentwickelt haben. Sehr für mich eingenommen hat mich in diesem Band auch der junge Elektor Anden, welcher zwar in Band 2 kurz nach seinem ersten Auftritt in ein wenig schmeichelhaftes Liebesdreieck eingebaut wurde, hier aber endlich ein bisschen von seinem Potential zu spannender Ambivalenz ausschöpfen kann. Zerrissen zwischen seinem Stolz, seiner Wut, der Liebe zu seinem verstorbenen Vater und seinem Wunsch, ein besserer Herrscher zu sein als er, gibt er sein Bestes, tänzelt aber lange Zeit an der Grenze zur Dunkelheit entlang, ohne dass uns Lesern klar ist, in welche Richtung er sich entwickeln wird. Neben seiner Charakterisierung gibt es auch weitere grandios vorbereitete Wendungen, sodass "Gut und Böse" ständig wechseln. Die Autorin manövriert die Geschichte geschickt zwischen allen Fronten hindurch und hat mich ebenfalls das ein oder andere Mal aufs Glatteis geführt.
June: "Gut möglich, dass sein Vater als junger Mann ganz ähnlich war: ein Idealist, voller Hoffnungen und Wünsche, mit den besten Abschichten, mutig und ehrgeizig. Wie konnte er zu einem Elektor werden, der ein solch düsteres Land geschaffen hat? An welcher Stelle hat er diese Richtung eingeschlagen? Und mit einem Mal, wenn auch nur für eine Sekunde, habe ich das Gefühl, die frühere Republik zu begreifen. Und gleichzeitig weiß ich ganz sicher, dass Anden nicht denselben Weg gehen wird. Anden erwidert meinen Blick, so als hätte er meine unausgesprochenen Worte gehört. Und zum ersten Mal seit Monaten sehe ich, wie sich die dunkle Wolke von seinen Augen hebt, jene Schwärze, die den Momenten blinder Wut den Weg bereitet. Ohne den Schatten seines Vaters, der über ihm hängt, ist er einfach umwerfend.
"Ich werde mein Bestes versuchen", flüstert er."
Gegen Ende fährt die Autorin dann nochmal alle Geschütze auf und lässt den Krieg mit den Kolonien, Days Krankheit, Junes Loyalitätskonflikt und andere Erzählstränge in einem Höhepunkt zusammenlaufen, der es ganz schön in sich hat und auch nochmal altbekannte Gegenspieler auf den Plan bringt. Auch wenn der Showdown definitiv zum Buch passt und am Ende alle wichtigen Fragen geklärt sind, finde ich es schade, dass auf den letzten Seiten alle Probleme gleichzeitig gelöst werden und gerade die zuvor lange vorbereiteten politischen Schachzüge nur in Nebensätzen vorbeiziehen. Was das direkte Schicksal der beiden Figuren angeht hat Marie Lu in meinen Augen aber das perfekte Ende gefunden: realistisch, hoffnungsvoll und mit genau der richtigen Priese Offenheit.
Fazit:
Mit "Legend - Berstende Sterne" geht eine hochspannende, wendungsreiche und intelligent erzählte Dystopie in einem lesenswerten, aber etwas schwächeren Finale zu Ende. Marie Lu gelingt es hier, ihr Setting nochmals weiterzuentwickeln, die Nebenfiguren auszubauen und dabei ein wendungsreiches, originelles Handlungskonstrukt aufzustellen. Etwas schade ist nur, dass im Mittelteil einige Längen auftauchen und das Ende etwas überstürzt alle Probleme gleichzeitig löst.