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Veröffentlicht am 16.01.2022

Das Schicksal nimmt nichts, was es nicht gegeben hat. (Seneca)

Die Frauen von Saffron Hall
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1538. Die 17-jährige Eleanor wird nach dem Tod ihres Vaters von ihrem Cousin mit dem 10 Jahre älteren Greville Lutton verheiratet, der sie und ihre Dienerin Joan mit auf sein Gut Milfleet nach Norfolk ...

1538. Die 17-jährige Eleanor wird nach dem Tod ihres Vaters von ihrem Cousin mit dem 10 Jahre älteren Greville Lutton verheiratet, der sie und ihre Dienerin Joan mit auf sein Gut Milfleet nach Norfolk nimmt. Dort muss Eleanor schnell in die Rolle der Hausherrin hineinwachsen, denn ihr Gatte kehrt schnell an den Hof Heinrich VIII. zurück, wo er sich einen Namen machen möchte. Während Grevilles Abwesenheit beginnt Eleanor, das Gut auf Vordermann zu bringen und widmet sich zudem der Züchtung von Krokussen, aus denen der wertvolle Safran gewonnen wird. Schon bald verleiht ihre immer größer werdende Ernte Greville Wohlstand und Einfluss bei Hofe. Aber auch zwischen Eleanor und Greville entwickelt sich eine innige Beziehung. Doch dann kommt es zu einem Schicksalsschlag, der Eleanor fast alles kostet, was ihr lieb und teuer ist…
2019. Amber hat sich für ein Sabbatjahr auf das Gut Saffron Hall ihres Großvaters zurückgezogen, um dessen Bibliothek zu archivieren und dabei genügend Abstand zu gewinnen. Nach einer Fehlgeburt hadert sie mit dem Leben, worunter auch ihre Ehe zu leiden hat. Als ein Gewitter den Turm des Gutes zerstört, wird bei Aufräumarbeiten ein altes Stundenbuch gefunden, das Amber schon bald fasziniert, denn sie fühlt eine enge Verbindung zu der Frau, die es geschrieben hat und möchte deren in Rätseln verfasstes Geheimnis unbedingt lösen…
Clare Marchant hat mit „Die Frauen von Saffron Hall“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur zwischen zwei Zeitschienen wandeln lässt, sondern ihn auch zwei starke Frauen vorstellt, die vieles gemeinsam haben. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser ein, sowohl Amber in der Gegenwart zu folgen als auch in der Vergangenheit 500 Jahre früher Eleanor zu begegnen, die während der Regentschaft Heinrich VIII lebte. Amber hat sich von der Außenwelt abgeschottet, denn sie leidet sehr unter ihrer Fehlgeburt und auch die Beziehung zu ihrem Ehemann liegt auf Eis. Der Fund des alten Stundenbuchs bringt sie dazu, ihre eigenen Probleme zu vergessen, während sie die Tagebuchzeilen Eleanors übersetzt und dabei nicht nur von den damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten erfährt, sondern auch von Eleanors Geschick, Safran zu gewinnen. Zudem hat Eleanor ein gut gehütetes Geheimnis, dass Amber unbedingt entschlüsseln möchte. Über sich abwechselnde Zeitebenen springt der Leser zwischen den beiden Jahrhunderten hin und her, dabei legt er gemeinsam mit Amber nach und nach das verborgene Geheimnis offen. Die Autorin hat den historischen Hintergrund schön mit ihrer Geschichte verwebt und lässt die Tudor-Zeit sowie Heinrichs Regentschaft mit einfließen. Sowohl seine wechselnden Ehefrauen als auch der Zwist mit dem Papst werden thematisiert und spielen eine Rolle gerad ein Eleanors Geschichte. Die Landschaftsbeschreibungen sind so bildhaft, dass dem Leser während der Lektüre das Kopfkino anspringt.
Die Charaktere sind gut ausgestaltet und liebevoll in Szene gesetzt. Sie besitzen realistische menschliche Eigenheiten, die sie dem Leser schnell ans Herz wachsen und sie auf Schritt und Tritt verfolgen lassen. Amber ist eine zurückhaltende Frau, die einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften hat. Sie ist gebildet, neugierig und hilfsbereit, aber auch ratlos und unsicher was ihre eigene Situation betrifft. Eleanor ist ebenfalls zuerst eine unsichere und scheue Frau, doch sie wächst an ihren Aufgaben. Greville ist ein warmherziger und geduldiger Mann, der seine Familie über alles liebt, doch er besitzt auch einen großen Ehrgeiz. Butler Hugo ist ein Faktotum, der sich ganz seiner Herrschaft verschrieben hat. Aber auch Tom, Joan und Betty haben wichtige Rollen in diesem Stück.
„Die Frauen von Saffron Hall“ ist eine Geschichte über Schicksalsschläge, Liebe, Geheimnisse und der Gewinnung von Safran, der zu fesseln weiß, vor allem auch wegen seinem historischen Bezug. Kurzweilige, gefühlvolle Lektüre mit verdienter Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.01.2022

Ein fragender Mensch ist auf halbem Weg, weise zu sein. (Irisches Sprichwort)

Als der Sommer verschwand
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Aufgrund von Schulden lebt die arbeitslose Journalistin Clara bei dem betagten Oscar Fitzgerald in dessen Londoner Wohnung, wo sie ihm den Haushalt führt und dafür kostenfrei ein Zimmer hat. Die beiden ...

Aufgrund von Schulden lebt die arbeitslose Journalistin Clara bei dem betagten Oscar Fitzgerald in dessen Londoner Wohnung, wo sie ihm den Haushalt führt und dafür kostenfrei ein Zimmer hat. Die beiden pflegen eine vertrauensvolle Freundschaft, die Oscar zum Anlass nimmt, Clara sein Elternhaus in Irland zu schenken. Er selbst möchte sich darum nicht kümmern müssen und hat auch zu seinen Angehörigen keinerlei Kontakt mehr, seine einzige Bedingung ist, dass Clara die Vergangenheit ruhen lässt. Clara ist völlig perplex und macht sich erst einmal auf den Weg nach Irland, um sich das alte Herrenhaus anzusehen und mit dessen Verkauf eventuell all ihre Schulden tilgen zu können. Schon bei ihrer Ankunft ist Clara von Irland ganz fasziniert und kann es kaum erwarten, einige Zeit dort zu verbringen. Schon in der ersten Nacht lernt sie ihren nächsten Nachbarn Jon kennen, bei dem ihr Herz schon bald höher schlägt. Die beiden kommen sich schnell näher, als Clara einen alten Brief findet, machen sich Joe und Clara daran, der Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Dabei stoßen sie auf Oscars gut gehütetes Geheimnis…
Josephine Cantrell hat mit „Als der Sommer verschwand“ einen sehr unterhaltsamen Roman voller Geheimnisse und Liebe vorgelegt, für den sie das mystisch-angehauchte wunderschöne Irland als Hintergrundkulisse gewählt hat. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell an Claras Seite treten, um ihr bei ihrem Abenteuer über die Schulter zu sehen. Die Wohngemeinschaft von Clara und Oscar ist nicht nur wunderbar zweckmäßig, sondern das Verhältnis der beiden ist regelrecht familiär. Obwohl die beiden aus unterschiedlichen Generationen stammen, ergänzen sie sich und unterstützen einander, was gerade in Metropolen eine tolle Lösung für alleinlebende Menschen darstellt und viel Nachahmung finden sollte. Das großzügige Geschenk Oscars an Clara ist nicht nur selbstlos, sondern er möchte sich auch von Ballast befreien. Clara dagegen würde bei dem Verkauf ihre Schulden loswerden, doch schon bald ist sie nicht nur von Irland fasziniert, sondern verliebt sich. Mit Hilfe von Jon entlockt sie dem alten Gemäuer ein gut gehütetes Geheimnis, das Oscar wie einen Schatz hütet und nicht darüber redet. Die Autorin versteht es wunderbar, ihre farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen von Irland mit ihrer Handlung zu verweben und ihrer Geschichte mit dem alten Familiengeheimnis einen mystischen Touch zu geben, der den Leser bis zum Ende zu fesseln weiß. Auch die eingefügten Briefe tragen zur Emotionalität dieser Geschichte bei. So heftet dieser sich an Claras und Jons Fersen, um dem alten Herrenhaus Stück für Stück das Geheimnis zu entreißen. Die Spannung baut sich gemächlich auf und zieht sich wie ein Faden durch die gesamte Geschichte.
Die Charaktere sind mit realistischen Eigenschaften versehen und liebevoll in Szene gesetzt, die es dem Leser leicht machen, ihnen zu folgen und mit ihnen zu fiebern. Clara ist eine warmherzige, pragmatische und hilfsbereite Frau, die sich auch zu einem Pitbull verwandelt, wenn sie etwas auf der Spur ist. Oscar ist ein lieber älterer Herr, der sich um andere sorgt. Er ist melancholisch und zurückhaltend, aber auch ein Geheimniskrämer. Damit schützt er seine Seele vor weiteren Verletzungen. Jon ist ein charismatischer, freundlicher Mann, den die Neugier ebenso umtreibt wie Clara.
„Als der Sommer verschwand“ ist eine berührende Geschichte um ein altes Familiengeheimnis, aber auch die Liebe kommt in diesem Roman nicht zu kurz. Sehr gefühlvoll mit einem Touch Mystik fesselt die Handlung bis zur letzten Seite. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.01.2022

Wer loslässt hat die Hände frei für Neues!

Liebe in bester Lage
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Ella fällt aus allen Wolken, als sie zufällig von der Affäre ihres Mannes David mit ihrer Assistentin erfährt. Bisher waren sie ein gut eingespieltes Team, sowohl knapp 25 Jahre als Ehepaar als auch beruflich ...

Ella fällt aus allen Wolken, als sie zufällig von der Affäre ihres Mannes David mit ihrer Assistentin erfährt. Bisher waren sie ein gut eingespieltes Team, sowohl knapp 25 Jahre als Ehepaar als auch beruflich in ihrer eigenen Werbeagentur Spreegold und bewegten sich in den besten Berliner Kreisen. Doch das alles ist nun nichts mehr wert, denn die Affäre bekommt auch noch ein Kind. Um den Kopf frei zu bekommen, reist Ella Hals über Kopf nach Bozen, um sich mit einem Seminar auf einem kleinen Weingut in Südtirol abzulenken. Dort lernt Ella nicht nur viele nette Menschen kennen, unter anderem auch zwei Mannsbilder, die ihr gefährlich werden könnten, wenn da nicht vorher noch die Dinge mit David ins Reine zu bringen wären…
Kerstin Wiedemann hat mit „Liebe in bester Lage“ einen unterhaltsamen und wie aus dem wirklichen Leben gezeichneten Roman vorgelegt, der den Leser von der ersten Seite an einfängt und mitreißt. Der flüssige und warmherzige Erzählstil lädt den Leser ein, Ellas Schicksal hautnah mitzuverfolgen. Diese muss kurz vor ihrer Silberhochzeit so einige böse Überraschungen vertragen, die ihr sonst so wohlgeordnetes Leben kräftig durcheinander wirbeln. Ihr altes Leben bricht völlig auseinander, so dass sie gezwungen ist, einen zukünftigen Weg für sich zu finden. Ihr Ehemann und Geschäftspartner für viele Jahrzehnte hat sie böse und nicht ohne Folgen hintergangen, während sich Ella in Sicherheit gewiegt und jene Möglichkeit nicht mal in Betracht gezogen hat. Während sie räumlichen Abstand sucht, setzt sie sich rational und recht unprätentiös mit den Dingen auseinander, um für sich einen Ausweg zu finden. Die Autorin bringt die Selbstreflexion ihrer Hauptprotagonistin realistisch und sehr selbstkritisch zu Papier, so dass der Leser gut mit Ella mitfiebern kann. Ella ist weder theatralisch oder eine Dramaqueen, sie beurteilt ihr Leben rational und gesteht sich selbst auch Fehler ein. Neben farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen von Südtirol und dem Weingut, die dem Leser schöne Bilder in den Kopf zaubern, ist es vor allem die aus dem alltäglichen Leben gegriffene Handlung, die den Leser für sich einnimmt und ihm aufzeigt, dass es immer Lösungen und Hoffnung gibt, auch wenn das Alte zusammengebrochen ist. Man darf nur nicht aufgeben, vor allem nicht sich selbst.
Die Charaktere sind mit glaubhaften menschlichen Eigenschaften versehen und mit Leben gefüllt. Der Leser fühlt sich als Teil von ihnen und kann sowohl ihre Überlegungen als auch Handlungen gut nachvollziehen. Ella ist eine Frau, die nicht nur andere verurteilt, sondern auch sich selbst hinterfragt. Sie wird nicht zur Heulboje, sondern geht die Dinge rational an, auch wenn sie tief verletzt ist, aber sie gibt sich nicht auf, sondern sucht Lösungen. Maria leitet das Weingut und ist eine warmherzige Frau, die ihre Gäste verwöhnt und ihnen eine heimelige Umgebung bietet. Joe ist ein ehrgeiziger und fordernder Mann, der sich auf Ellas Expertise immer verlassen hat. Michael ist ein freundlicher Mann, bei dem es schnell knistert. Ellas Ehemann David ist ein Egoist erste Güte, der nur sich selbst im Fokus hat und sich keine Gedanken darüber macht, wie sehr er andere mit seinem Verhalten verletzt.
„Liebe in bester Lage“ beschert dem Leser einen schönen Ausflug nach Südtirol, wo er mit Ella eine starke Frau kennenlernt, die mitten im Leben steht und ihr Leben neu sortiert. Verdiente Leseempfehlung für eine sehr kurzweilige Unterhaltung!

Veröffentlicht am 01.01.2022

Frauenpower in den Nachkriegsjahren

Der Friesenhof
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1948 Ostfriesland. Der Tod des Ehemanns und Vaters erwischt Mutter Henrike de Fries nebst denen noch im Haushalt lebenden Töchter Hanna und Gesa eiskalt, denn nun müssen sie den großen Friesenhof in Rysum ...

1948 Ostfriesland. Der Tod des Ehemanns und Vaters erwischt Mutter Henrike de Fries nebst denen noch im Haushalt lebenden Töchter Hanna und Gesa eiskalt, denn nun müssen sie den großen Friesenhof in Rysum allein ohne Mann bewirtschaften. Helga, die älteste Tochter, steht mit ihrem Ehemann Günther schon kurz nach dem Tod des Vaters auf der Matte und verlangt ihren Erbteil, während Günther sich bereits als Herr auf dem Hof sieht und sich allen gegenüber auch dementsprechend verhält. Hanna liebt die Arbeit auf dem Hof mit den Tieren und übernimmt dort die Verantwortung. Gesa zieht es in die Stadt Emden, wo sie Arbeit bei der Teehandelsgesellschaft Kruse findet und so ihre Familie unterstützt, damit der Hof in der Familie bleibt und Helga ausgezahlt werden kann, denn Günther soll auf keinen Fall das Sagen auf dem Hof bekommen. Während Hanna dem polnischen Knecht Tomek immer näher kommt, verlieben sich Gesa und ihr verheirateter Juniorchef Keno Kruse, was dessen Frau ein Dorn im Auge ist…
Fenja Lüders hat mit „Auf neuen Wegen“ ihre neue historische Friesenhof-Saga eingeläutet, der mit einer Familiengeschichte und dem Schicksal von zwei starken Schwestern wunderbar zu unterhalten weiß. Der flüssige, bildhafte und eingängige Erzählstil lässt den Leser in die früheste Nachkriegszeit nach Ostfriesland reisen, wo er sich im Friesenhof der Familie de Fries einmietet und von dort die Geschicke der einzelnen Familienmitglieder beobachtet. Über wechselnde Perspektiven steht der Leser mal an der Seite von Hanna, mal an der von Gesa. Die Schwestern sind vom Wesen her zwar grundverschieden, doch der Zusammenhalt zwischen den beiden ist so groß, dass zwischen sie kein Blatt Papier passt. Gesa als Ältere kümmert sich fürsorglich um Hanna, während diese die größte Verantwortung schultert mit der Bewirtschaftung des Hofes. Mutter Henrike gibt sich zwar oft wortkarg, doch am Ende zieht sie mit ihren Töchtern immer an einem Strang. Die älteste Schwester Helga passt in dieses Kleeblatt, das durch Großtante Tanti noch ergänzt wird, gar nicht hinein und wirkt eher wie eine Außenseiterin, was durch ihren großspurigen Ehemann Günther noch verstärkt wird. Frauen galten damals als ungeeignet, einen großen Hof zu leiten, was deren damalig zugedachte Rolle gut wiederspiegelt. Auch die ausländischen Fremdarbeiter waren unbeliebt, sie sollten zwar ihre Arbeit verrichten, jedoch die Hände von den einheimischen Frauen lassen. Die Engstirnigkeit einer Dorfgemeinschaft wird von Lüders hervorragend eingefangen, ebenso die gesellschaftlichen und politischen Ansichten, die damals vertreten wurden. Die farbenfrohen Beschreibungen lassen sowohl den Hof als auch das Teekontor wunderbar vor den Augen des Lesers entstehen, der von der Geschichte gebannt regelrecht an den Seiten klebt.
Die Charaktere sind lebendig und facettenreich in Szene gesetzt, sie bestechen mit menschlichen Eigenschaften und nehmen den Leser sofort in ihre Mitte, so dass er sich als Teil von ihnen fühlt. Henrike ist eine zurückhaltende, wortkarge Frau, die ihre Lieben zusammenhält und erst nachdenkt, bevor sie ein Machtwort spricht. Gesa ist offen, stark und fürsorglich, während Hanna eher zupackend und draufgängerischer ist. Helga ist eine graue Maus, die keine eigene Meinung hat, so sehr steht sie unter der Knute ihres Ehemannes Günther, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, großmäulig und unverschämt ist. Tanti ist das Faktotum im Haushalt, die mit viel Lebensweisheit und Weitsicht überzeugt. Tomek ist ein herzensguter und fleißiger Mann, der für die einsteht, die er liebt. Keno hadert mit seinem Leben und hat für sich selbst noch immer keinen Weg zurück ins Leben gefunden.
„Auf neuen Wegen“ ist ein gelungener Auftakt, um den Friesenhof und seine Bewohner gut kennenzulernen, in die Familiengeschichte einzutauchen, Liebe, Schicksale und Intrigen mitzuerleben während der damaligen gesellschaftlichen Konventionen. Unterhaltsame Lektüre mit schönem Kopfkino und einer verdienten Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 01.01.2022

Ein Stück Schlaraffenland

Die Schokoladenfabrik - Die Tochter des Apothekers
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1838 Köln. Als älteste Tochter übernimmt Anna Sophia seit dem Tod der Mutter nicht nur die Aufsicht über ihre Geschwister, sondern arbeitet auch in der Apotheke ihre Vaters Gottfried mit, denn sie interessiert ...

1838 Köln. Als älteste Tochter übernimmt Anna Sophia seit dem Tod der Mutter nicht nur die Aufsicht über ihre Geschwister, sondern arbeitet auch in der Apotheke ihre Vaters Gottfried mit, denn sie interessiert sich nicht nur für natürliche Heilkräfte und Kräuter, sondern hat inzwischen auch eigene Hustenbonbons entwickelt, in dessen Genuss nicht nur die eigene Familie kommt, sondern auch bei den Kunden Absatz finden. August, der Geselle, wäre für ihren Vater der geeignete Heiratskandidat für Anna Sophia, könnte dieser doch später die Apotheke übernehmen. Allerdings hat Anna Sophia in dem Zuckerbäcker Franz Stollwerck bereits die Liebe ihres Lebens gefunden. Als die beiden heiraten, bedeutet dies gleichzeitig den Bruch mit Vater Gottfried, der die Entscheidung seiner Tochter nicht akzeptieren kann. Schon bald versuchen Anna und Franz, die Hustenbonbons in ihrer eigenen Bäckerei zu verkaufen…
Rebekka Eder hat mit „Die Tochter des Apothekers“ einen unterhaltsamen Auftakt für ihre historische Schokoladenfabrik-Saga vorgelegt, der die Anfänge der späteren Schokoladendynastie Stollwerck beschreibt und sich aus einer Mischung von Fiktion und Realität zusammensetzt. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser eine Reise ins vergangene 19. Jahrhundert antreten, wo er über einen Zeitraum von 1938 bis 1849 Anna Sophia und Franz Stollwerck bei ihren ersten Schritten zur Gründung des späteren Schokoladenimperiums begleitet, aber auch die Geschicke von Annas Schwester Wilhelmine miterleben darf. Die Autorin hat ihre Handlung sehr schön aufbereitet, liefert einen gut recherchierten Hintergrund, vor dem sie ihre Geschichte ablaufen lässt, und pflegt dabei sowohl gesellschaftskritische als auch politische Themen mit ein. Die Rolle der Frau war zu der Zeit eine dem Manne untergeordnete, sie war hauptsächlich für Haushalt und Kinder zuständig und durfte kein eigenes Geschäft führen. Anna Sophia widersetzt sich schon früh den Wünschen des Vaters, der sie in eine arrangierte Ehe drängen will, um einen Nachfolger für seine Apotheke zu bekommen. Aber auch Tochter Wilhelmine verweigert dem Vater den Gehorsam und stellt sich auf eigene Füße. Auch eine Exkursion in Sachen Heilkräuter und – kunst darf der Leser während der Lektüre genießen, die Herstellung von Medikamenten ist ebenso interessant wie der zur damaligen Zeit gepflegte Aberglaube. Die bildhaften Beschreibungen lassen beim Leser ein Kopfkino anspringen, dem er sich kaum entziehen kann, so dass er regelrecht durch die Seiten fliegt und hautnah an den wechselnden Handlungssträngen regen Anteil nimmt.
Die Charaktere sind abwechslungsreich und liebevoll ausstaffiert und mit Leben versehen, ihre authentischen Eigenschaften lassen die Nähe zum Leser zu, der mit ihnen bangt, hofft und fiebert. Anna Sophia ist eine Frau, die ihr Ziel klar vor Augen hat und keine Abstriche machen will. Mutig trifft sie schwerwiegende Entscheidungen, um ihr Glück zu finden. Wilhelmine ist ebenfalls eine starke Persönlichkeit, die ihren eigenen Weg sucht und dafür einiges in Kauf nimmt. Vater Gottfried ist ein Mann seiner Zeit, der sich den gesellschaftlichen Konventionen verpflichtet fühlt und dadurch seine Töchter verliert. Franz ist ein fleißiger und warmherziger Mann, der mit Sophia eine Einheit bildet. August ist ein rachsüchtiger Ehrgeizling, der sich die Apotheke unter den Nagel reißen will, koste es, was es wolle. Aber auch Kasper und andere Protagonisten verleihen dieser Geschichte einiges an Farbintensität und Spannung.
„Die Tochter des Apothekers“ ist ein unterhaltsamer historischer Schmöker voller Familiengeschichte, Geheimnissen, Intrigen, mutiger Frauen und geschichtlichem Hintergrund, der den Leser in eine vergangene Zeit entführt und alles hautnah miterleben lässt. Verdiente Leseempfehlung für ein schönes Kopfkino und kurzweilige Lesestunden!