Eine persiflierende Erzählung, die aufzeigt, wie es hinter einer bürgerlichen Fassade brodelt
Inhalt: Heinrich Grewent führt ein beschauliches, ja fast spießbürgerliches Leben. Er ist gut situiert, eckt – privat und beruflich – wenig an und geht Konflikten durch wegduckendes Verhalten aus dem Weg. ...
Inhalt: Heinrich Grewent führt ein beschauliches, ja fast spießbürgerliches Leben. Er ist gut situiert, eckt – privat und beruflich – wenig an und geht Konflikten durch wegduckendes Verhalten aus dem Weg. Sein tägliches Brot verdient er bei der „Prosan Hygienepapier AG“. Mit der Arbeit, immerhin eine sichere Stelle, ist er eigentlich zufrieden – nicht mehr und nicht weniger. Doch zuletzt ist Grewent sorgenvoll: Seit längerer Zeit plant er einen Wandhalter für den Hygienetuch-Longseller „Prosan feucht classic“, doch plötzlich kommt ihm ein Kollege dazwischen, der ihm sein "Meisterstück" streitg machen möchte. Grewents bürgerliche Fassade bekommt Risse.
Persönliche Meinung: „Heinrich Grewents Arbeit und Liebe“, zuerst 1996 erschienen, ist eine Erzählung (ca. 130 Seiten) von Christoph Peters. Erzählt wird „Heinrich Grewents Arbeit und Liebe“ von einem allwissenden Erzähler. Inhaltlich ist der Name der Erzählung Programm: Während im ersten Teil – stellenweise minutiös – die betriebswirtschaftlich Arbeit Grewents beleuchtet wird, steht im zweiten Teil die Liebe im Fokus – zumindest so, wie Grewent sie definiert. Besonders der erste Teil ist persiflierend und nimmt das (klein-)bürgerliche Leben Grewents aufs Korn: Die bürokratischen Abläufe bei „Prosan“ werden ebenso überdeutlich-ironisierend geschildert wie die die Gedankenwelt Grewents, die sich nahezu ausschließlich um die Arbeit dreht, wodurch beides ins Lächerliche gezogen wird. Grewent beißt sich an seiner Wandhalter-Idee fest, sieht ihre (relative) Unwichtigkeit nicht und lädt die Idee maßlos auf. Dadurch mutiert sie zu einem Stein des Anstoßes, der Grewents fragiles psychisches Gleichgewicht aus der Balance bringt. Im Folgenden muss Grewent eine Bahnreise nach Hamburg antreten, passiert dabei das Mittelrheintal und Köln. Während der Fahrt kippt er völlig: Seine Wahrnehmung ist sexualisiert, sein Blick ist sexuell aufgeladen, Gewaltszenen aus seiner Kindheit/Jugend kommen hervor. Hinter der bürgerlichen Fassade brodelt es; was mühsam – vielleicht zwanghaft – durch die Fokussierung auf die Arbeit unterdrückt worden ist, bricht hervor. Das Ende der Erzählung ist offen. Die Leser*innen begleiten Grewent nur ein Stück weit, doch dieser kurze Weg zeigt eine Figur, die jederzeit implodieren kann: Die bürgerliche Fassade versteckt ein Monster. Der Erzählstil des Buches lässt sich flüssig lesen. Stakkatohafte Hauptsätze wechseln sich mit ineinander verflochtenen hypotaktischen Konstruktionen ab, die einerseits anschaulich sind, andererseits sezierend wirken, wodurch Grewents psychische Verfassung deutlich wird. Insgesamt ist „Heinrich Grewents Arbeit und Liebe“ eine schön geschriebene Erzählung, die anschaulich aufzeigt, wie es hinter einer (scheinbar) von Normalität geprägten Fassade brodeln kann.