kann Spoiler enthalten
Ich habe das Buch von einer Freundin empfohlen bekommen - und dafür tausend Dank! Ohne dich hätte ich es wahrscheinlich nie gelesen, und dabei wäre mir wohl einer der besten historischen Romane abhandengekommen.
Die große Seitenanzahl (500+ im Standard-Taschenbuchformat) hat mich anfangs ziemlich abgeschreckt und die Befürchtung hinterlassen, dass sich die Geschichte deutlich in die Länge ziehen wird. Doch ich wurde vom Gegenteil überzeugt!
Auch wenn viele vielleicht behaupten würden, dass es sich um einen Liebesroman handelt, würde ich das in jeder Hinsicht verneinen, denn vielmehr geht es um eine Frau, die in England Ende des 19. Jahrhunderts die Stellung und Unterdrückung des weiblichen Geschlechts hinterfragt und mit jeder Handlung aus den gesellschaftlichen Zwängen ausbricht. Zur Missgunst ihrer Mutter will sie nämlich keinen Mann heiraten, sondern stattdessen in ihren Büchern versinken.
Dass sie nicht nur stumpfsinnige Liebesromane, sondern vielmehr Sachbücher und hochranginge Fachlektüre liest, hat mich überaus begeistert - und auch die Tatsache, dass Lin Rina sich ganz eindeutig mit der bis zu der Zeit bestehenden Lektüre auseinandergesetzt hat. Hier wurden nämlich nicht nur Buchtitel leblos aneinandergereiht, sondern wirklich in die Geschichte eingebracht und erklärt; und dies zeugt eindeutig von einer guten Recherche der Autorin.
Generell habe ich die gesellschaftliche Strukturen beim Lesen deutlich nachempfinden können - die Bälle, die ausladenen Kleider, die Höflichkeitsetikette, die Unterschiede der verschiedenen Schichten uvm. Ich liebe Geschichte und historische Romane, nur konnten mich bisher nicht viele aufgrund verfälschter Faktenbasis überzeugen. "Animant Crumbs Staubchronik" konnte es jedoch ohne Umschweife, da das Leben der Figuren im Buch mehr als lebendig dargestellt worden ist.
Die Geschichte war weitaus mehr als nur eine einzige - vielmehr gab es viele kleinere Erzählungen und Storylines, die sich nicht verlaufen, sondern alle einen Sinn hatten. Aus diesem Grund ist dieses Buch für mich auch kein reiner Liebesroman, sondern eher eine Darstellung einer unabhängigen und fortschrittlich denkenden Frau des 19. Jahrhunderts, die versucht, dem Rätsel der Liebe auf die Schliche zu kommen und sich für die Rechte anderer Frauen einsetzt!
Ein Kritikpunkt, der mir vor allem zu Beginn des Buches aufgefallen ist, ist, dass vermehrt Kommata- und Grammatik-Fehler (wie Zeitformen) aufgetreten sind. In dieser Hinsicht vermag das vielleicht pingelig klingen, aber zu Teilen musste ich einige Sätze öfter lesen, um den Sinn zu verstehen.
Das Ende verlief mir teilweise etwas zu schnell bzw. zu "unromantisch", zumindest wenn man vergleichsweise Szenen hinzuzieht, in denen Animant und Thomas Reed sich bereits nähergekommen waren. Am Ende hat mir etwas das spannungsgeladene Knistern gefehlt - und die Einsicht, warum Thomas, wenn er doch so unsterblich verliebt ist, drei ganze Monate gebraucht hatte, um Animant aufzusuchen. Sturkopf hin oder her, aber das hätte ja etwas schneller gehen können!
Trotz meiner Kritikpunkte gebe ich dem Buch 5 Sterne! "Animant Crumbs Staubchronik" ist ein Muss für jeden Fan von historischen Romanen!