Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
offline

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.01.2022

Die Hitze eines Sommers

Der letzte Sommer in der Stadt
0

1973 erschien „Der letzte Sommer in der Stadt“ zum ersten Mal und nun, fast ein halbes Jahrhundert später, wird er in zwanzig Sprachen übersetzt, Karin Krieger hat ihn für den Paul Zsolnay Verlag ins Deutsche ...

1973 erschien „Der letzte Sommer in der Stadt“ zum ersten Mal und nun, fast ein halbes Jahrhundert später, wird er in zwanzig Sprachen übersetzt, Karin Krieger hat ihn für den Paul Zsolnay Verlag ins Deutsche übertragen.

Als Korrespondent einer medizinisch-literarischen Zeitschrift geht er nach Rom und einige Jobs später landet er beim Corriere dello Sport. Er, Leo Gazzarra, nimmt das Leben so, wie es sich ihm gerade anbietet mit allem, was dazu gehört. In Arianna begegnet er einer jungen Schönheit, Langzeitstudentin der Architektur ist sie. Sie pfeift auf Konventionen, ihr so exaltierter Stil kommt ihm sehr gelegen, die beiden verstehen sich – meistens zumindest.

Unaufgeregt, ja im Plauderton, erzählt der Autor von Leo und Arianna und mehr. Es ist Sommer, es ist unerträglich heiß in der Ewigen Stadt. Sie glüht geradezu, verlassen von all denen, die es sich leisten können. La Dolce Vita mit all seinen Facetten – wer möchte da nicht dem süßen Leben nachspüren. Keiner hat es eilig, die absolute Leichtigkeit des Daseins wird geradezu dekadent zelebriert, nichts wird ausgelassen, das italienische Lebensgefühl ist direkt spürbar.

Gianfranco Calligarich hat mich ganz schnell abgeholt, mich an das sommerliche Rom erinnert. Ein altmodisches Wort drängt sich auf beim Lesen: Leo, der Lebenskünstler. Der auch aus vermeintlich ausweglosen Situationen für sich das Beste herauspickt, auch wenn sich später dann so manches als Seifenblase erweist – auch dann ist es nicht schlimm. Auf ein Neues eben!

„Im Nu überrollte mich eine Lawine vergessener Gefühle und Erinnerungen an mein Leben mit ihr im letzen Sommer…“ Ein Sommer mit Leo, der all diese Empfindungen freisetzt. Das Leben eben, so wie es ist, so wie es war. Mit allen Sinnen genießen.

Mir hat dieser letzte Sommer als bekennender Italienfan vergnügliche Lesestunden bereitet und eine tiefe Sehnsucht nach dem Land, nach Rom entstehen lassen. Das gelungene Cover spiegelt das damalige Lebensgefühl wider, der rauchende Protagonist, dahinter seine Stadt. Wohin treibt es ihn?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.01.2022

Tempo- und wendungsreich

COLD CASE - Das gebrannte Kind
5

Zehn Fälle mit Tess - als Dauergast sollte sie live über die Fälle berichten, die sie am meisten bewegt hatten. Das Zimmer – es steht in Flammen und eine junge Frau mittendrin. Dieser bis dato ungelöste ...

Zehn Fälle mit Tess - als Dauergast sollte sie live über die Fälle berichten, die sie am meisten bewegt hatten. Das Zimmer – es steht in Flammen und eine junge Frau mittendrin. Dieser bis dato ungelöste Brand mit Todesfolge lässt Ähnlichkeiten mit der Brandserie erkennen, die Tess nun in Atem hält: Drei Brände, vier Tote – das ist die Bilanz in weniger als einem Monat. Überall wurden Brandbeschleuniger sichergestellt, alle Rauchmelder waren deaktiviert. Bald stellt sich heraus, dass es Parallelen zu diesem lange zurückliegenden, ungeklärten Fall gibt. Das Cold Case Team um Kommissarin Tess Hjalmarsson ist alarmiert. Erste Hinweise deuten auf Doktor Feuerteufel, der seit einem halben Jahr wieder in Freiheit ist.

Der mittlerweile Dritte Fall um Tess ist angesiedelt in Südschweden in der Region Österlen mit Abstecher nach Malmö. Meine erste Begegnung mit ihr und doch hatte ich nie das Gefühl, dass mir Infos zu den beiden Vorgängerbänden fehlen.

Tess ist nicht nur Ermittlern, auch ihre private Seite fließt wohldosiert mit ein. Sie ist die Polizistin, die auch mal wie blind durch die Gegend läuft, letztendlich aber nie ihr Ziel aus den Augen verliert. Und ja, ich hatte bald einen Verdächtigen. Aber kann dieser es wirklich gewesen sein? Was treibt den oder die Täter an, die Brandopfer hatten so gar keine sichtbaren Feinde, lebten ein ganz normales Leben.

Die Autorin lockt ihre Leser auf so manch falsche Fährte und es kristallisiert sich immer mehr heraus, wer dahinter stecken könnte. Um dann doch wieder zu zweifeln, andere sind mindestens genauso verdächtig. Ich mag dieses Für und Wider, hege viel Sympathie den einen gegenüber, mag andere so gar nicht, bin parteiisch. Die Charaktere sind allesamt glaubhaft dargestellt, die Handlung tempo- und wendungsreich, spannend von Anfang an. Zum Schluss wurde es nochmal dramatisch, da konnte ich nicht schnell genug lesen, musste unbedingt Gewissheit haben.

Es wurde vieles in die Story gepackt, vielleicht etwas zu viel, es gab so manchen Nebenschauplatz, den es so gar nicht gebraucht hätte. Abgesehen davon bin ich Tess gerne gefolgt, sie hat mir kurzweilige Lesestunden beschert.

Man merkt, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Als Kriminalreporterin ist sie Expertin für unaufgeklärte Mordfälle, die akribische Ermittlungsarbeit liegt ihr sozusagen im Blut und ihren Spürsinn überträgt sie auf ihre Protagonistin. Ein gelungener Dritter Fall für das Cold Case Team mit kleinen Schwächen.

  • Einzelne Kategorien
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 10.01.2022

Niemand ist perfekt

Thirteen
0

Bobby Solomon, der junge, attraktive und allseits vergötterte Hollywood-Schauspieler wird beschuldigt, seine Frau und deren angeblichen Liebhaber grausam ermordet zu haben. Eine renommierte New Yorker ...

Bobby Solomon, der junge, attraktive und allseits vergötterte Hollywood-Schauspieler wird beschuldigt, seine Frau und deren angeblichen Liebhaber grausam ermordet zu haben. Eine renommierte New Yorker Anwaltskanzlei will seine Unschuld beweisen, was jedoch aussichtslos scheint. Alle Indizien sprechen für ihn als Täter. Der Strafverteidiger Eddie Flynn wird hinzugezogen, er ist erfolgreich, hat seine seit Jahrzehnten erprobten, ganz eigenen Methoden.

Der spektakuläre Mordprozess hält den Fokus auf die Jury, zunächst auf den langwierigen Prozess des Auswählens der zwölf Geschworenen. Die Leser wissen, dass der wahre Killer hier sitzt und bald ist klar, wie er sich diesen Platz eiskalt gesichert hat. Es wird sichtbar, welch perfides Spiel er spielt, welch abartiges Wesen hier heimtückisch am Werke ist.

Es ist schon der vierte Band um Eddie Flynn, den geläuterten Trickbetrüger. So eine Hintergrundstory hat was, auch um sein Privatleben steht es nicht zum Besten, sein Beruf lässt einen geruhsamen Lebenswandel nicht zu. Ich habe Eddie erst jetzt getroffen und sehe ihn schon als alten Bekannten. Mir gefällt, wenn man auch später in eine Reihe einsteigt und doch das Gefühl hat, nichts von Belang versäumt zu haben.

So manches Klischee wird hier bedient. Es handelt von all den korrupten Cops oder dem eitlen Staatsanwalt, so manch halsstarrigem Zeugen bis hin zu dem abartigen, so andersartigen bösen Buben. Eddie hatte im Gegensatz zu vielen anderen von Anfang an meine uneingeschränkte Sympathie, genauso Bobby. An seine Unschuld mochte ich glauben, habe mitgezittert und mich unsäglich aufgeregt über fiese Verhörmethoden.

Ein Gerichtsthriller, der einen in Atem hält. Schon der Einstieg verspricht nervenaufreibende Lesestunden, ich war bald drin und nichts konnte mich davon abhalten, das Buch zur Seite zu legen. Dann jedoch zog sich die Story, das Tempo war raus, es gab Todesfälle, die wenig Beachtung fanden. Auch wenn nicht alles realistisch sein muss, so wäre ein klitzeklein wenig Polizeiarbeit hier von Vorteil gewesen. Das ist Jammern auf hohem Niveau, der rasante Thriller zog bis zum Ende hin wieder an.

Das Cover versetzt einen direkt in den Gerichtssaal. Der rote Stuhl – für den Angeklagten? Dahinter alles düster, schwarz-grau. „TH1Rt3EN“ – schon der Schriftzug setzt Emotionen frei. Super gemacht.

Steve Cavanagh lässt seine Leser an Mordphantasien teilhaben, gewährt tiefe Einblicke in die menschlichen Abgründe. Spannend und aufregend, direkt am Abgrund und unfassbar böse zuweilen. Ein lesenswerter Thriller mit kleinen Abstrichen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.01.2022

Ein versöhnlicher Blick nach vorn

Von Grenzen und Stegen
0

Ja, unser Land ist gespalten. Und ja, Stege können helfen, Gräben zu überwinden. Steffen Hahn berichtet von der Teilung Deutschlands, hat seinen ersten Abschnitt mit „Herkunft“ übertitelt. Im Osten sind ...

Ja, unser Land ist gespalten. Und ja, Stege können helfen, Gräben zu überwinden. Steffen Hahn berichtet von der Teilung Deutschlands, hat seinen ersten Abschnitt mit „Herkunft“ übertitelt. Im Osten sind seine Wurzeln väterlicherseits und hier gewährt er einen Blick in den Alltag seines Vaters, beginnend noch vor dem Mauerbau. Sie hätten alle in den Westen gekonnt. Damals, als noch keiner absehen konnte, dass die Teilung für Jahrzehnte einengende Realität war.

Ich musste mich ein wenig akklimatisieren, um in die deutsch-deutsche Geschichte einzutauchen. Die DDR kenne ich nur vom Hörensagen, aus diversen Medien, aus der Sicht einer Westdeutschen. Der Schreibstil kam mir schon ein wenig nüchtern vor, allzu akkurat zuweilen, aber doch wollte ich nicht aufhören zu lesen. Spannend und sehr aufschlussreich, wie Steffen Hahn das persönliche Schicksal seiner Familie mit dem Geschichtlichen gut lesbar aufbereitet.

Ein kurzweiliges, interessantes und intensives Abtauchen in unsere jüngste Vergangenheit, die der Autor Revue passieren lässt, erzählt vom „Aufbruch“. Von Kohl über 9/11, der Lehman-Pleite bis hin zum Beginn der Flüchtlingswelle und noch so einiges mehr zeichnet er hier ein Bild unserer Gesellschaft, vermengt mit seiner Familiengeschichte, seinem Werdegang. Im Westen hatte er alle Chancen und er nutzte sie, der krasse Gegensatz zur damaligen DDR kommt gut durch.

Das Buch ist ein Blick zurück, eine Versöhnung mit dem Schicksal. „Blick nach vorn“ ist der letzte Abschnitt übertitelt. Es ist eher ein Blick in unsere Gesellschaft, die in großen Teilen sehr offen und tolerant ist. Aber nicht nur, da sind auch die Gewalttätigen, die laute Minderheit. Angestachelt von allzu bekannten Personen und Gruppierungen. Unsere sehr gefestigte Demokratie hält auch diese Verirrungen aus.

Wohin gehen wir? Wie Steffen Hahn so versöhnlich schreibt: „Unsere offene Gesellschaft ist großzügig... gewährt Vertrauensvorschuss...“ Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich keine Stege mehr finden lassen und wenn doch, sind diese sehr brüchig.

„Von Grenzen und Stegen“ zeichnet ein deutliches Bild vom Gestern und vom Heute, den Titel beziehe ich eher auf den Ist-Zustand. Viel habe ich über unsere Nachkriegsgeschichte gelesen, war im Hier und Jetzt immer nahe beim Autor, empfand es ähnlich. Ein Streifzug durch mehr als ein halbes Jahrhundert. Es wird sie immer geben, die sichtbaren und die unsichtbaren Grenzen und doch sollte man die Hoffnung nie aufgeben.

Eine sehr persönliche Sicht auf die deutsch-deutsche Geschichte, eingebettet in den politischen Alltag. Ein Appell, Stege zu finden, Grenzen zu überwinden. Steffen Hahn gibt einen Anstoß, sich damit auseinanderzusetzen. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Ein aufschlussreicher Blick in unsere trotz allem offene Gesellschaft.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.12.2021

Ein erdverkrusteter Horrortrip

Der Gräber
0

In der Nacht auf den 6. November verschwindet Jahr für Jahr ein Mensch, allesamt gut situierte Singles aus den Göteborger Villenvierteln.

Die Polizei tappt im Dunkeln - Cecilia Wreede und Jonas Andren ...

In der Nacht auf den 6. November verschwindet Jahr für Jahr ein Mensch, allesamt gut situierte Singles aus den Göteborger Villenvierteln.

Die Polizei tappt im Dunkeln - Cecilia Wreede und Jonas Andren bilden die Soko „Gräber“. An den Tatorten findet sie ausnahmslos DNA der Opfer, nie wurde eine Leiche gefunden. Wäre da nicht eine große Menge Blut gewesen, die Polizei würde anstatt von Mord von Menschenraub ausgehen. Er, der Gräber genannt, verschleppt seine Auserwählten in die Unterwelt, wühlt sich regelrecht durch die Erde, um sich sein für dieses Jahr auserwählte Opfer zu holen. So die Annahme.

Annika, die Lektorin eines Verlages, der kurz vor dem Aus steht, bekommt auf mysteriöse Weise ein völlig verschmutztes Manuskript, in dem viel Potential für einen Bestseller steckt. Keiner weiß, wer der Verfasser ist, die Rechte sind ungeklärt, sie greifen dennoch zu. Wer treibt hier sein Unwesen, beschreibt detailliert die Taten des Gräbers?

Hier will Annika nicht wohnen, das Haus hat einen Keller. Soviel weiß ich schon mal, aber warum will sie das nicht? Fredrik P. Winter baut seine Story gut auf, gibt seinen Lesern genau so viel mit, dass man neugierig auf das Treiben des Gräbers wird. Den Kapiteln vorangestellt sind irre und wirre Gedanken, die auf den Täter schließen lassen. Aber ist das wirklich er, der Gräber?

Eine überforderte Polizei trifft auf ein Buch, das von einem Insider stammen könnte, beschreibt es doch detailliert den Schrecken des 6. November Jahr um Jahr. Die Verzweiflung scheint allerorten, der Horror nimmt zuweilen groteske Züge an. Man bekommt Gänsehaut, spürt regelrecht, wie das Kratzen an der Wand (und nicht nur da)überhand nimmt. Der Autor führt seine Leser am Gängelband, verunsichert sie, alles wäre denkbar, aber eigentlich doch nicht. Unlogisch, total irre und dennoch rasant und spannend. Um dann im Stillstand zu verharren – jeder scheint verdächtig, hier kommt die Story nicht recht vorwärts. Sehr langatmig, hier wäre weniger mehr gewesen.

Ein guter Einstieg, eine interessant aufgebaute Handlung, die im mittleren Teil abflacht und später wieder Fahrt aufnimmt. Der Gräber scheint schon immer wieder durch, aber ist er es wirklich? Und das Cover passt sich dem Untergrund an, die mystische Stimmung ist hier gut eingefangen.

Die Charaktere waren bis auf Annika unnahbar, direkt leblos und wenn es nicht so makaber wäre, könnte ich sie als blutleer beschreiben. Allen voran die Wreede. Geschickt hingegen hat der Autor seinen verschwundenen Schriftsteller in der Story herumgeistern lassen, die Lektorin facettenreich von normal und ungerecht, ja selbstherrlich bis verworren und hilflos beschrieben. Das Ende hätte ich so nie und nimmer erwartet, es gefällt mir richtig gut. Schmutzig, überraschend, unterirdisch - open end.

Bis auf den Mittelteil war und ist „Der Gräber“ von Fredrik P. Winter ein kurzweiliger Trip ins Grauen, geprägt von Abscheu und Widerwillen, der so manchen Schauder verursacht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere