Anspruchsvoll, mit herrlich provokanten Illustrationen
Mademoiselle BaudelaireSeit vielen Jahren verschlinge ich Bücher, und ich kann in Hinblick auf die Plots sagen, dass ich schon fast alles gelesen habe. Jedoch war kaum eine Geschichte so anspruchsvoll wie diese hier. Das mag ...
Seit vielen Jahren verschlinge ich Bücher, und ich kann in Hinblick auf die Plots sagen, dass ich schon fast alles gelesen habe. Jedoch war kaum eine Geschichte so anspruchsvoll wie diese hier. Das mag unter anderem daran liegen, dass hier viele Elemente miteinander verknüpft wurden, die für sich allein schon recht komplex ausgearbeitet wurden. Soll heißen: Hier treffen Poesie, Lyrik, Sexismus, Rassismus, Historik und Romantik aufeinander. Was das Werk zugegebenermaßen zu einer Lektüre macht, die nicht leicht zu lesen ist. Andererseits: Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, sich ausgiebig mit seinem Lesestoff auseinanderzusetzen? Tatsächlich nämlich habe ich hierfür einige Stündchen gebraucht. Exklusive der Rezension. Also sitze ich nun hier und überlege, mit welchen Worten ich dem Buch gerecht werden kann...
Vielleicht versuche ich es mal rückwärts (den Rezensionsaufbau betreffend) und verrate euch schon mal, dass mir die Story richtig gut gefallen hat. So schnell wird mein Gedächtnis sie nicht ad acta legen.
Per Retroperspektive und aus Sicht von Jeanne Duval wird erzählt, wie die Muse einst auf den Dichter Charles Baudelaire traf und welche weitreichenden Konsequenzen dieses Aufeinandertreffen für beide hatte. Dabei wird man als Leser durch die verschiedensten Stadien einer toxischen Beziehung manövriert und blickt auf eigene, vielleicht sogar ähnliche, Erfahrungen zurück.
Nun haben wir mit den beiden Hauptprotagonisten zwei grundsätzlich differenzierte Charaktere, die im ersten Moment nicht viel gemein haben. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wo da eigentlich sprichwörtlich die Liebe hingefallen ist. Während Baudelaire der zurückhaltende, introvertierte Typ ist, der sich mit seiner freischaffenden Kunst abquält, wirkt Jeanne offensiv, taff und insgesamt (gedanklich) sortierter. Zwar hat es mich gewundert, dass sie sich rassistische und sexistische Bemerkungen von anderen gefallen ließ, weil das meiner Meinung nach entgegen ihrer Natur ist, aber ich schiebe es der damaligen Zeit in die Schuhe, in der es Frauen (vor allem niederen Ranges) schlichtweg untersagt war, die Stimme zu erheben, wenn sie nicht darum gebeten wurden. Das Geplänkel der beiden Figuren mündete letztendlich in einem tragisch-romantischen und oft zermürbenden Theaterspiel, an dessen Ende man sich fragt, ob die eine oder andere Situation, die gravierende Ausmaße annahm, nicht hätte verhindert werden können. Und was gewesen wäre, hätte eben jenes schicksalhafte Aufeinandertreffen nicht stattgefunden. Hätte Baudelaire eine andere Muse geküsst? Wäre er nicht seinem eigenen Wahnsinn und verqueren Denken ausgeliefert gewesen? Stünde Jeanne Duval unterm Strich besser oder schlechter da? Und was macht so eine Hassliebe eigentlich mit der Seele eines Menschen? Ihr merkt schon: Man kann sich hier über alles Mögliche seine Gedanken machen.
Das an das 19. Jahrhundert angelehnte Artwork passt hervorragend zur Geschichte und vermittelt ein Gefühl der damaligen Zeit. Einige Illustrationen haben mich ob ihrer Tiefe sehr (positiv) überrascht, wiederum andere hatte ich so nicht erwartet, weswegen mir hier und da die Kinnlade heruntergeklappt ist. Müsst ihr euch ansehen!
Fazit: Eine recht anspruchsvolle Lektüre mit großartigen, teilweise herrlich provokanten Illustrationen, die jeden Blick wert ist. Kann man sich immer wieder zu Gemüte führen und genießen.