Tolle Grundidee, Umsetzung ausbaufähig
Book of NightIch wollte schon immer ein Buch der Autorin lesen, bin aber irgendwie noch nie dazu gekommen. (Ja, Schande über mich, dass Elfenkrone und die dazugehörigen Bände noch nicht mein Regal schmücken.) Umso ...
Ich wollte schon immer ein Buch der Autorin lesen, bin aber irgendwie noch nie dazu gekommen. (Ja, Schande über mich, dass Elfenkrone und die dazugehörigen Bände noch nicht mein Regal schmücken.) Umso neugieriger war ich, als ich gesehen habe, dass dieses Buch anscheinend für eine ältere Zielgruppe geschrieben wurde. Meine Erwartungen: recht hoch, etwa eine 8-9 von 10.
Und ich muss zugeben... die Erwartungen waren deutlich zu hoch. Vom Prolog abgesehen (dieser hat mich umgehauen) kommt das Buch über "mittlerer Durchschnitt" und "ganz okay" für mich persönlich nicht hinaus. Die Grundidee an sich ist unfassbar interessant. Schattenmagie wickelt mich ziemlich immer um den kleinen Finger. Gerade deshalb habe ich auf ein ausgearbeitetes, durchdachtes Magiesystem gehofft, das sich nachvollziehen lässt. Stattdessen kam es mir vor, dass das "System" (falls man es denn so nennen kann) willkürlich aus einem Scherbenhaufen zusammengebastelt wurde. Man hat deutlich gesehen, dass die Autorin viele Ideen hatte. Doch meines Erachtens nach hätte es der Geschichte viel mehr gegeben, einige dieser Ideen zu streichen, um die anderen im Gegenzug besser auszuarbeiten. Ich habe das Buch angefangen, gelesen und beendet. Vom Magiesystem ist nichts hängengeblieben — abgesehen von zwei Bezeichnungen, bei denen ich trotzdem keinen Durchblick habe, was, wie und wann diese Personen etwas machen. Um ein Beispiel zu nennen: Würde mich jemand fragen, was ein Gloamist ist, könnte ich es nicht beantworten.
Ähnlich verhält es sich mit der Frage nach dem eigentlichen Konfliktpunkt. Ich konnte Charlies Rachemotive gar nicht nachvollziehen. Um nicht zu viel zu spoilern: sie möchte Rache für eine Person, die ihr eigentlich nicht allzu viel bis gar nichts bedeutet hat (es kam mir jedenfalls so vor). Mit hat wirklich dieses... "höhere Ziel" gefehlt, bei dem man mit der Hauptfigur mitfiebern und sie auf der Reise begleiten kann. Stattdessen plätscherte der Konflikt in einer nicht nachvollziehbaren Racheaktion, was die Protagonistin nicht unbedingt sympathischer machte.
Und da ich es gerade aufgreife: Charlie als Protagonistin erschien mir passend für die Geschichte. Meine Sympathieskala ging bei ihr allerdings oftmals auf und ab. An einigen Stellen mochte ich sie — gegen Ende war sie mir etwas sympathischer als am Anfang —, an anderen Stellen habe ich gehofft, dass sich die Perspektive ändert und der Junge aus dem Prolog beleuchtet wird. Die Rückblenden aus Charlies Vergangenheit haben zwar dazu beigetragen, dass man erfahren hat, wie sie zur Diebin wurde, doch für die eigentliche Handlung hätte man sie getrost weglassen können und die "schlimmen Dinge ihrer Vergangenheit" in wenigen Sätzen anreißen könnte.
Die anderen Figuren... ich denke, außer Vince mochte ich niemanden. Nicht eine Person, mit der ich mitfiebern könnte. Würde es ein zweites Buch aus Vinces Sicht geben... ich glaube, ich wäre die erste Person in der Schlange, um es zu kaufen. Ich fand ihn weitaus interessanter als Charlie.
So sehr sich das Buch stellenweise auch zieht, bekommt es gegen Ende doch noch etwas Aufregendes — jedenfalls so gut es in dem nicht sonderlich ausgebauten Magiesystem eben möglich ist. Die Wendungen haben mich nicht überraschen können, wirkten aber passend und fügten sich in das "Gesamtbild" ein. Wäre das ganze Buch so wie der Showdown, hätte es mich wirklich gut unterhalten können. Aber so bleibt es eines der Bücher, bei denen ich nicht das Bedürfnis verspüre, unbedingt wissen zu wollen, wie es weitergeht.
Fazit des Ganzen: Grundidee grandios, Prolog umwerfend, alles andere... zu oberflächlich umgesetzt. Es gab gute Ansätze, bei denen ich mir dachte, jetzt geht es los, aber nein, es ging nicht los. Ich kann mir aber vorstellen, dass es viele Leser da draußen gibt, die das Buch mitreißen wird. Für mich bleibt es ein durchschnittliches "ganz okay".
P. S.: Ich kann mir ehrlich gesagt nicht erklären, an welchen Aspekten festgelegt wurde, dass das Buch für Erwachsene ist. Dafür fehlt es deutlich an... allem eigentlich.