Nachdem ihr Mann Henri verstorben ist, lebt die 78-jährige Marguerite Delorme zum ersten Mal seit über 50 Jahren allein und muss auch alle Entscheidungen endlich einmal allein für sich treffen. Henri war Notar und sie die Frau an seiner Seite, die sich zwar um alles kümmerte, aber wenig zurückbekam, vor allem keine Liebe. Marguerite hatte kein eigenes Leben, und nun tritt ihr eigener Sohn in die Fußstapfen des Vaters und will ebenso über sie bestimmen. Marguerite steht auf unsicheren Beinen, weiß nicht so richtig, welche Richtung ihr Leben nehmen soll, als sie bei einer Kur in den Bergen auf den 73-jährigen Witwer Marcel Guedj trifft, der mit seiner großen Liebe Nora viele Jahrzehnte glücklich war und noch immer trauert. Recht schnell verlieben sich die beiden ineinander – sehr zum Missfallen ihrer eigenen Familien, die keinerlei Verständnis aufbringen für die Gefühle der beiden Betagten, die sich jedoch nicht davon abbringen lassen, das Leben endlich zu genießen, gemeinsam etwas Neues zu erleben und sich wieder jung zu fühlen. Wird ihre Liebe den Widrigkeiten des Alltags trotzen?
Karine Lambert hat mit ihrem Buch „Und jetzt lasst uns tanzen“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman über die Liebe im Alter vorgelegt, der von der ersten Seite an bezaubert. Der Schreibstil ist einfühlsam, zart und leise, fast poetisch zu nennen, dabei auch sehr bildhaft. Sehr rücksichtsvoll beleuchtet die Autorin Verlust und Trauer sowie die Zaghaftigkeit, die älteren Menschen innewohnt, wenn sie auf einmal ganz allein dastehen und mit Dingen konfrontiert werden, um die man sich vorher zu zweit gekümmert hat bzw. bei denen man Unterstützung hatte. Ebenso zeigt Lambert auf, mit welchem Unverständnis die nachfolgenden Generationen reagieren, selbstsüchtig und gewohnheitsmäßig über das Leben anderer ihr Urteil fällen bzw. ihren eigenen Willen ohne Rücksicht auf die Gefühle durchsetzen wollen und dabei in Kauf nehmen, die Betroffenen zu bevormunden oder um ihr Glück zu bringen. Warum sollte man sich nicht mehr verlieben, wenn man älter ist? Welches Recht haben jüngere Generationen, dies in Frage zu stellen? Die Autorin zeigt die Respektlosigkeit auf, aber auch die wachsende Selbständigkeit trauernder Menschen, die ein neues Glück gefunden haben und sich selbst genügend Fragen stellen bzw. Zweifel hegen, als dass sie auch noch von anderen verunsichert werden sollten.
Die Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet und platziert worden. Sie wirken so lebensnah und authentisch, man kann sich gut in sie hineinversetzen. Die 78-jährige Marguerite ist eine Frau, die jahrzehntelang erst unter der Fuchtel ihrer Eltern und dann unter ihrem kalten Ehemann ihr Leben regelrecht fristete. Sie musste auf Wärme und Liebe verzichten, ein Wunder, dass sie das überlebt hat. Sie ist eine Frau, die sich Leidenschaft und Schmetterlinge wünscht, die Hoffnung darauf aber eigentlich schon aufgegeben hat. Marguerite wirkt lange Zeit unsicher, gewinnt aber im Laufe der Geschichte immer mehr an Stärke. Marcel ist ein warmherziger Mann, der die Liebe jahrelang erleben durfte und den der Verlust gebrochen hat. Er fühlt sich einsam, das Zusammentreffen ist regelrecht sein Rettungsanker, um weiterhin am Leben festzuhalten und es von einer ganz neuen Sicht- und Lebensweise kennenzulernen. Auch die anderen Protagonisten sind sehr gut ausgewählt und unterstützen mit ihrem Erscheinen und ihren Handlungen die Handlung.
„Und jetzt lass uns tanzen“ ist ein großartiger Roman über eine Liebe im Alter, über das unvorhergesehene Glück, über das Herausbrechen aus alten Sichtweisen, über die Chancen, die das Leben einem anbietet und über das Entdecken der Freude am Leben überhaupt. Ein wundervolles Buch, das unter die Haut geht und viele Gedankengänge in Bewegung setzt. Absolute Leseempfehlung für ein wirklich gelungenes Highlight!