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Veröffentlicht am 12.02.2022

Drei Jahrhunderte, drei Geschichten

Zum Paradies
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Amerika in drei Jahrhunderten: David Bingham, der junge Spross einer angesehenen Familie, verschmäht im Jahr 1893 einen standesgemäßen Verehrer, weil er sich in einen mittellosen Musiklehrer verliebt hat. ...

Amerika in drei Jahrhunderten: David Bingham, der junge Spross einer angesehenen Familie, verschmäht im Jahr 1893 einen standesgemäßen Verehrer, weil er sich in einen mittellosen Musiklehrer verliebt hat. 100 Jahre später wohnt ein junger Hawaiianer mit einem deutlich älteren, reichen Mann zusammen und verheimlicht ihm seine Familiengeschichte. Im Jahr 2093 möchte Charlie, die Enkelin eines mächtigen Wissenschaftlers, herausfinden, wohin ihr Mann wöchentlich verschwindet.

„Zum Paradies“ ist ein Roman von Hanya Yanagihara.

Meine Meinung:
Der Roman umfasst drei Bücher, die aus unterschiedlich vielen nummerierten Teilen bestehen. Dabei gibt es drei verschiedene Erzählstränge. Der erste spielt in einer alternativen Vergangenheit im späten 19. Jahrhundert, der zweite in den 1990er-Jahren und der dritte in der Zukunft im späteren 21. Jahrhundert. Auch die Schauplätze wechseln, wobei ein Schwerpunkt auf New York liegt. In den Innenklappen sind drei Karten abgedruckt, die die Örtlichkeiten während der drei Jahrhunderte abbilden. Ein hübsches und hilfreiches Extra.

Erzählt wird nicht immer chronologisch. Es gibt vor allem innerhalb des dritten Buches einige Zeitsprünge. Erzählt wird im Roman zudem aus wechselnden Perspektiven, zum Beispiel aus der Ich-Perspektive. Dieser Aufbau macht ein aufmerksames Lesen erforderlich.

Besonders in sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman überzeugt. Der Schreibstil ist atmosphärisch stark. Die Erzählstimmen wirken äußerst authentisch und sind an die verschiedenen Personen und Epochen angepasst. Strukturelle Unterbrechungen wie eingefügte Briefe sorgen ebenfalls für Variation.

In inhaltlicher Sicht bietet der Roman auf rund 900 Seiten eine Menge Stoff. Ein großer Pluspunkt sind die kreativen Visionen einer möglichen Zukunft und die Vorstellungskraft in Bezug auf eine alternative Vergangenheit. Beides macht den Reiz der Geschichte für mich aus. Thematisch weist der Roman darüber hinaus mehrere aktuelle Bezüge auf. Namen und Motive wiederholen sich zwar. Allerdings macht das Buch insgesamt leider einen inkohärenten Eindruck.

Der Roman beginnt recht stark im ersten Teil. Danach wird das Buch zwischenzeitlich langatmig und verwirrend, um in der zweiten Hälfte wieder seine Stärken auszuspielen.

Gut gefallen hat mir, wie die Autorin mit den Erwartungen und Annahmen ihrer Leserschaft spielt. Am Ende bleiben durchaus einige Fragen offen, was mich hier in diesem Fall jedoch nicht gestört hat. Vielmehr mochte ich es, dass der Roman Raum für eigene Überlegungen lässt.

Das Cover hat einen hohen Wiedererkennungswert und gefällt mir gut. Der Titel der amerikanischen Originalausgabe („To Paradise“) wurde erfreulicherweise wortgetreu übersetzt.

Mein Fazit:
„Zum Paradies“ von Hanya Yanagihara ist ein herausfordernder, aber auch besonderer Roman. Eine eigenwillige und doch lesenswerte Lektüre, die ich trotz ihrer kleineren Schwächen nicht bereut habe.

Veröffentlicht am 04.02.2022

In der Abwärtsspirale

Der fürsorgliche Mr. Cave
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Terence Cave, Besitzer des gleichnamigen Antiquitätenladens, hat bereits den Suizid seiner Mutter und den Mord an seiner Frau erlebt, als sein Sohn Reuben im Teenageralter bei einem Unfall stirbt. Zu viele ...

Terence Cave, Besitzer des gleichnamigen Antiquitätenladens, hat bereits den Suizid seiner Mutter und den Mord an seiner Frau erlebt, als sein Sohn Reuben im Teenageralter bei einem Unfall stirbt. Zu viele Tragödien für einen Mann. Für Terence steht fest: Er muss sein verbleibendes Kind, die 15-jährige Bryony, vor allem Bösen beschützen - was auch immer dazu nötig ist…

„Der fürsorgliche Mr Cave“ ist ein Roman von Matt Haig.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus einer Vielzahl an umnummerierten und titellosen Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Terence, aber als direkte Ansprache seiner Tochter. Ein ungewöhnlicher Ansatz, der jedoch gut funktioniert.

Sprachlich ist der Roman unauffällig, aber nicht anspruchslos. Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich, lebhaft und eindringlich.

Terence ist ein durchaus schwieriger Charakter, der psychische Probleme hat, was angesichts seiner Erlebnisse allerdings nicht verwundert. Sein Verhalten ist in Teilen extrem, lässt sich jedoch nachvollziehen. Bryony ist eine sympathische und authentische Protagonistin.

Inhaltlich ist der Roman schwere Kost und recht düster. Es geht um Trauer und Verlust, Sorgen und Ängste und weitere beklemmende Themen, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte. Das hat für mich die Lektüre äußerst emotional gemacht. Sie ist stellenweise nicht leicht zu ertragen.

Auf rund 250 Seiten plätschert die Handlung bisweilen etwas dahin, ohne dass jedoch Langeweile bei mir aufkam. Zum Ende hin konnte mich der Roman noch einmal richtig überraschen.

Das deutsche Cover gefällt mir optisch gut und ist hinsichtlich des Motivs durchaus passend. Der amerikanische Titel („The Possession of Mr Cave“) ist dagegen sehr viel besser gewählt als die verharmlosendere deutsche Variante.

Mein Fazit:
„Der fürsorgliche Mr Cave“ ist nicht zu meinem Lieblingsroman von Matt Haig geworden. Trotzdem habe ich die sehr bewegende und intensive Geschichte wirklich gerne gelesen.

Veröffentlicht am 13.01.2022

Die Morde mit den roten Schleifen

Perfect Day
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Nach 14 Jahren klicken die Handschellen. Jahrelang sind Mädchen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren verschwunden. Der Mörder hat mit roten Schleifen der Polizei den Weg zu den Leichen gezeigt. Hinter ...

Nach 14 Jahren klicken die Handschellen. Jahrelang sind Mädchen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren verschwunden. Der Mörder hat mit roten Schleifen der Polizei den Weg zu den Leichen gezeigt. Hinter den Taten soll der renommierte Philosophieprofessor und Anthropologe Walter Lesniak stecken. Er wird in Anwesenheit seiner Tochter Ann verhaftet. Zehn Morde wirft man ihm vor. Aber Ann ist überzeugt von seiner Unschuld und will diese nun beweisen….

„Perfect Day“ ist ein Thriller von Romy Hausmann.

Meine Meinung:
Der Aufbau ist recht komplex. Es gibt eine Vielzahl an kurzen Kapiteln und verschiedene Erzählperspektiven. Erzählt wird unter anderem im Präsens aus der Ich-Perspektive aus der Sicht von Ann. Eingefügt sind zudem Gesprächsprotokolle, Zeitungsartikel und Tagebucheinträge. Zeitlich springt der Thriller hin und her. Orts- und Zeitangaben helfen jedoch bei der Orientierung.

Der Schreibstil ist auf den ersten Blick unauffällig, auf den zweiten allerdings gut durchdacht. Die Sprache ist authentisch und durchaus variantenreich. Sie wechselt zwischen den einzelnen Erzählperspektiven.

Ann steht im Vordergrund der Geschichte. Sie und die anderen Protagonisten bleiben distanziert und sind keine Sympathieträger. Das passt jedoch zum Genre und lässt Raum für Verdächtigungen und Spekulationen.

Der Thriller ist vor allem zu Beginn sehr undurchsichtig und verwirrend, aber auch atmosphärisch. Die psychologische Spannung baut sich nur langsam auf. Der Anfang war für mich ein wenig zäh. Dann aber hat mich die rund 400 Seiten umfassende Geschichte gefesselt und dank mehrerer Wendungen zum Miträtseln gebracht. Die Auflösung wirkt schlüssig und war für mich überraschend.

Das Cover trifft nicht ganz meinen Geschmack, hat jedoch einen hohen Wiedererkennungswert. Der für das Genre recht ungewöhnliche Titel gefällt mir.

Mein Fazit:
Mit „Perfect Day“ hat Romy Hausmann einen Psychothriller geschrieben, der mich fast komplett überzeugt hat. Es wird mit Sicherheit nicht das letzte Buch der Autorin bleiben, das ich lesen werde.

Veröffentlicht am 07.01.2022

Auf gefährlichen Wegen im Heiligen Land

Die Mission des Kreuzritters
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Das Königreich Jerusalem im 12. Jahrhundert: Die junge Melisende ist außer sich vor Wut. Ihr Vater, König Baudouin, hat entschieden, dass seine Älteste den Adeligen Foulques d‘Anjou heiraten soll - ohne ...

Das Königreich Jerusalem im 12. Jahrhundert: Die junge Melisende ist außer sich vor Wut. Ihr Vater, König Baudouin, hat entschieden, dass seine Älteste den Adeligen Foulques d‘Anjou heiraten soll - ohne Melisende um ihre Meinung zu fragen. Die Thronerbin verabscheut den designierten Bräutigam und will sich der Hochzeit entziehen. Mit ihrer Schwester fasst Melisende den Plan, mit einer Eskorte heimlich aus Jerusalem zu fliehen. Doch die Königstochter ahnt nicht, in welche Gefahr sie sich damit begibt. Kann der Tempelritter Raol de Montalban sie retten?

„Die Mission des Kreuzritters“ ist ein historischer Abenteuerroman von Ulf Schiewe.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog, an den sich 19 Kapitel anschließen. Die Handlung spielt im Jahr 1129 in Jerusalem und an weiteren Schauplätzen im Heiligen Land. Landkarten in den Innenklappen sind hilfreich bei der Orientierung. Erzählt wird im Präsens und in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht verschiedener Personen, vorwiegend aus der von Melisende und Raol.

In sprachlicher Hinsicht ist der Spagat zwischen anschaulichem Schreiben und historischer Korrektheit gut gelungen. Zum besseren Verständnis ist ein Glossar beigefügt. Auf dieses musste ich aber erfreulicherweise nicht zurückgreifen, weil es dem Autor gelungen ist, auch unbekannte Begriffe und Formulierungen so einzubetten oder zu erklären, dass sie sich gut erschließen.

Erwartungsgemäß stehen die Thronerbin und der Tempelritter im Fokus der Geschichte. Melisende und Raol sind zugleich sympathische und authentisch wirkende Protagonisten, die mit psychologischer Tiefe ausgestattet sind. Zwar taucht Raol de Montalban nicht zum ersten Mal in einem Schiewe-Roman auf. Allerdings erhält er hier erstmals eine tragende Rolle. Das Buch lässt sich überdies ohne Vorwissen aus anderen Bänden lesen.

Darüber hinaus gibt es etliche Nebenfiguren. Trotz der Vielzahl an Charakteren und den teils recht exotischen Namen fällt es nicht schwer, den Überblick zu behalten. Im Zweifel hilft die Auflistung der handelnden Personen, die historische und fiktive Figuren als solche ausweist.

Besonders gut gefallen hat mir, dass es der Autor schafft, auf unterhaltsame und keineswegs trockene Weise interessante Hintergründe aus der Zeit der Kreuzzüge und der ersten christlichen Besiedlung im Königreich Jerusalem unterzubringen. Obwohl mich diese Epoche ursprünglich wenig gereizt hat, habe ich gerne über die gesellschaftliche und politische Situation jener Tage gelesen und konnte viel Zeitgeschichtliches aufsaugen. Auch ohne jegliche Vorkenntnisse lässt sich die Geschichte sehr gut nachvollziehen.

Dass Ulf Schiewe dabei weiß, wovon er schreibt, ist immer wieder festzustellen. Seine fundierte Recherche wird auch in den angefügten „Anmerkungen des Autors“ deutlich. Ein schönes Extra, das darüber aufklärt, welche Teile der Geschichte erfunden sind und welche auf wahren Tatsachen beruhen.

Das einzige Manko stellt für mich die eigentliche Handlung dar. Während die erste Hälfte abwechslungsreich und überraschend geworden ist, mich also sehr gut unterhalten hat, fällt der Roman in der zweiten Hälfte etwas ab. Das Geschehen tritt dort ein wenig auf der Stelle und es kommt zu inhaltlichen Wiederholungen. Positiv anzumerken ist jedoch, dass die Handlung trotz ihrer Dramatik nicht unglaubwürdig oder überzogen wirkt.

Das hochwertig anmutende Cover passt hervorragend zur Geschichte. Auch der Titel ist eine gute Wahl.

Mein Fazit:
Dass Ulf Schiewe sein Handwerk beherrscht, hat der Autor ein weiteres Mal bewiesen. Fans historischer Romane kommen auch bei „Die Mission des Kreuzritters“ auf ihre Kosten. Eine empfehlenswerte Lektüre!

Veröffentlicht am 28.12.2021

Birgits Geheimnis

Die Enkelin
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Für Kaspar Wettner ist es ein Schock. Als der 71-Jährige eines Abends nach der Arbeit in der Buchhandlung nach Hause kommt, findet er seine Frau Birgit tot in der Badewanne. Nun muss der Witwer nicht nur ...

Für Kaspar Wettner ist es ein Schock. Als der 71-Jährige eines Abends nach der Arbeit in der Buchhandlung nach Hause kommt, findet er seine Frau Birgit tot in der Badewanne. Nun muss der Witwer nicht nur mit seiner Trauer zurechtkommen, sondern auch erfahren, dass die Tote ein großes Geheimnis vor ihm verborgen hat. Er trifft eine folgenschwere Entscheidung…

„Die Enkelin“ ist ein Roman von Bernhard Schlink.

Meine Meinung:
Der Roman beinhaltet drei Teile, die wiederum etliche, zumeist kurze Kapitel beinhalten. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge vorwiegend aus der Sicht von Kaspar. Es gibt allerdings eine längeren Text im Roman, der in der Ich-Perspektive formuliert ist. Die Handlung spielt sowohl in Berlin als auch in Sachsen. Sie ist in der jüngeren Vergangenheit angesiedelt, umfasst aber auch längere Rückblicke.

In sprachlicher Hinsicht habe ich den Roman als durchwachsen und verschiedenartig empfunden. Auffällig ist ein Nebeneinander von atmosphärisch starken Passagen wie in den ersten Kapiteln, von wunderbar ausgedrückten Gedanken, von schwerfälligen Beschreibungen und von hölzernen Dialogen. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Bandwurmsätze. Phasenweise hat mich der Schreibstil begeistert, bisweilen aber auch etwas befremdet.

Die Charaktere blieben mir leider bis zum Schluss etwas fremd. Im Vordergrund steht besonders Kaspar, eine Figur, die über weite Strecken als schwach und feige dargestellt wird. Seine glaubwürdige Entwicklung habe ich daher gerne verfolgt. Alle Personen, darunter die titelgebende Enkelin, haben zudem die Gemeinsamkeit, dass sie mit psychologischer Tiefe und Grautönen gezeichnet werden.

Inhaltlich habe ich dagegen oft die Realitätsnähe vermisst. So manche Vorgänge, Zusammenhänge und Erlebnisse erscheinen überzogen, stark vereinfacht oder zu unrealistisch. Dabei haben mich die gewichtigen Themen des Romans durchaus angesprochen. Die Parallelwelt der Völkischen bringt Schlink seinen Leserinnen und Lesern näher. Der Geschichte ist die fundierte Recherche immer wieder anzumerken. Auch andere politische Aspekte sowie zwischenmenschliche Konflikte bieten interessanten Stoff zum Diskutieren und Nachdenken.

Am besten gelungen sind der erste und der dritte Teil. Im Mittelteil des rund 350 Seiten umfassenden Romans sind mehrere Längen vorhanden. Alles in allem habe ich die Geschichte trotzdem gerne gelesen.

Das verlagstypische Cover gefällt mir gut. Es passt im Großen und Ganzen zur Geschichte. Der prägnante Titel ist treffend.

Mein Fazit:
Mit „Die Enkelin“ hat Bernhard Schlink einen komplexen, unterhaltsamen und interessanten Roman geschrieben. Dennoch bleibt der Autor mit seinem neuen Buch leider hinter seinen Möglichkeiten zurück.