Ungewissheit in verschiedenen Facetten
Wetter, Viren und WahrscheinlichkeitSeit Jahrtausenden ist die Menschheit mit Ungewissheiten darüber konfrontiert, was die Zukunft wohl bringen wird. Die Methoden um damit umzugehen, haben sich im Laufe der Zeit natürlich stark gewandelt ...
Seit Jahrtausenden ist die Menschheit mit Ungewissheiten darüber konfrontiert, was die Zukunft wohl bringen wird. Die Methoden um damit umzugehen, haben sich im Laufe der Zeit natürlich stark gewandelt – von Wahrsagerei mittels der Eingeweide einer toten Ziege im alten Babylonien hin zu immer wissenschaftlicheren Zugängen. Der Mathematik-Professor Ian Stewart identifiziert hier gar „Sechs Zeitalter der Ungewissheit“, wobei uns in der gegenwärtigen Phase zumindest ein umfangreicher mathematischer Werkzeugkasten zur Verfügung steht, um in einer immer noch schrecklich ungewissen Welt vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Er folgt lose dem Verlauf der Geschichte und beschreibt beispielsweise, wie die Wahrscheinlichkeitsrechnung aus der Beschäftigung mit dem Glücksspiel entstanden ist und welche kontraintuitiven Ergebnisse sie in vielen Fällen liefert. Gemeinsam mit ihrer Weiterentwicklung, der Statistik, hat sie vielfältige Einsatzgebiete in Astronomie, Medizin oder Politik. Ihre falsche Anwendung kann jedoch auch zu verheerenden Fehlurteilen führen.
Während die Ungewissheiten in manchen Bereichen eingedämmt wurden, traten sie in anderen nur um so offensichtlicher zutage. So konnte man vor 100 Jahren vielleicht noch darauf hoffen, mit ausreichend genauer Bestimmung der Anfangsbedingungen und entsprechenden Rechenkapazitäten das Wetter auf Monate hinaus vorhersagen zu können. Inzwischen zeigte sich jedoch, dass Wetterberichte bestenfalls für ein paar Tage zuverlässig sind. Was dies mit chaotischen Attraktoren und dem Schmetterlingseffekt zu tun hat und warum ein langfristiger Klimawandel dennoch sehrwohl feststellbar ist, wird hier ebenfalls erklärt.
Mit der Quantenmechanik (zumindest in ihrer Kopenhagener Interpretation) scheint nun der Zufall als ein fundamentales Merkmal der Wirklichkeit etabliert zu sein. Scheint, denn der Autor regt dazu an, diese gängige Auffassung zu hinterfragen und die Möglichkeit verborgener Variablen doch in Erwägung zu ziehen.
Das alles und vieles mehr wird in diesem Buch behandelt. Es kommt dabei mit relativ wenigen Formeln aus. Dennoch werden zahlreiche tiefgründige Konzepte vorgestellt und mittels anschaulicher Beschreibungen und einiger Illustrationen erläutert.
Die Originalausgabe ist leider schon vor der Corona-Pandemie erschienen, weshalb dieser Bereich nur in einem ca 15-seitigen Vorwort behandelt wird. Doch auch dieses bietet einige interessante Einsichten.
Der einzige wirkliche Kritikpunkt betrifft die Bearbeitung durch den Verlag. Manche Sätze wirken holprig übersetzt und es gibt einige Fehler, wenn etwa Quadratzahlen falsch dargestellt werden oder Fußnoten nicht richtig zugeordnet sind.
Insgesamt hat mir dieses Werk aber sehr gut gefallen. Vor allem begeistert mich, wie viel der Autor aus diesem Thema herausholt – weit mehr als nur Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, an die man zuerst denken würde. Diese Vielfalt an Inhalten macht deutlich, dass die Welt bei weitem nicht so berechenbar ist wie es heutzutage oft scheint, und zeigt, was die Mathematik dennoch zur Zähmung der Ungewissheit beigetragen hat und wo ihre Grenzen liegen.