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Veröffentlicht am 19.01.2022

Eine mörderische "Auszeit"

Das Chalet
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Dieser fulminante Winter-Thriller, "Das Chalet" (UT: Mit dem Schnee kommt der Tod) von Ruth Ware ist nicht der erste Thriller, den ich von dieser englischen Autorin gelesen habe - und wird auch nicht der ...

Dieser fulminante Winter-Thriller, "Das Chalet" (UT: Mit dem Schnee kommt der Tod) von Ruth Ware ist nicht der erste Thriller, den ich von dieser englischen Autorin gelesen habe - und wird auch nicht der Letzte sein: Spannende Unterhaltung auf hohem Thriller-Niveau scheint Ruth Ware zu eigen zu sein, was sie zurecht zu einer international anerkannten und erfolgreichen Bestseller-Autorin dieses Genres machte.


Französische Alpen, ein Luxus-Chalet:


Erin und Danny, Angestellte im Chalet, die sich ausser um das Haus selbst auch um die Gäste kümmern, erwarten eine neue Gruppe, die aus England anreist: Snoop, ein hippes Start-up-IT-Unternehmen, deren Gründer und Angestellte hier eine Auszeit verbringen wollen und das Chalet buchten. Nach der Ankunft der Gäste wird relativ schnell deutlich, dass es Spannungen zwischen den Gruppenmitgliedern gibt, was Erin und Danny nicht verborgen bleibt: Es scheint zwei Lager zu geben, wenn es um die Zukunftsfrage und Entscheidung der gemeinsamen Firma gehen wird: Manche sind für eine Übernahme und manche für den status quo. Im Gegensatz der versnobten, attraktiven und äußerst selbstbewussten, erfolgsgewohnten beiden "Chefs" und deren Mitgründer namens Topher, Eva, Rik und Elliot scheint sich als einziger Gast die unscheinbare Liz, die zwar bei Snoop kündigte, jedoch Anteilseignerin ist, hier sehr fehl am Platze zu finden und unwohl zu fühlen, was anfangs bei Erin und auch beim Leser ein gewisses Mitleid erzeugt.


Der Thriller beginnt mit einem Ski-Ausflug und ist anfangs sehr ruhig, jedoch spätestens als klar wird, dass eine Person der Gruppe unauffindbar und verschollen ist, macht sich Unbehagen in der Gruppe - wie auch bei den Angestellten - breit. Die unterschwelligen Spannungen kommen bei weiteren Todesfällen mit Außeneinwirkung - also Mord - immer mehr zum Vorschein und es ist die Frage, wer hier noch wem vertrauen kann. Als wäre dies noch nicht genug, verschlechtert sich zusehends die Wetterlage und eine Lawine geht ab, die das ohnehin schwer erreichbare Chalet komplett von der Außenwelt abtrennt: Nun beginnen die Verdächtigungen und bevor ein weiterer Mord geschieht, versuchen einzelne Gruppen, Hilfe von außen herbeizuholen; trotz widriger und gefährlicher Schneesituation (das Chalet befindet sich auf 2000 Höhenmetern; alles Notwenige wurde vor dem Lawinenabgang mit einer Standseilbahn "hochgeschafft".


Wird es jemandem rechtzeitig gelingen, den Mörder zu entlarven - oder wird es weitere Opfer geben?


Der Stil von Ruth Ware ist sehr durchdacht und psychologisch raffiniert: Die Spannung entwickelt sich konstant und die Story wird in kurzen Kapiteln immer abwechselnd aus der Perspektive von Erin (Hausangestellte) und Liz (Snoop-Gruppenmitglied) in der Ich-Form erzählt. Motive und Gedanken der ProtagonistInnen sind sehr nachvollziehbar und nach und nach erfährt man mehr von den Hintergründen, die zu den immensen Spannungen führten. Besonders gut gefällt mir am Stil der Autorin, dass sie sehr stark die Umgebung - hier also die französischen Alpen, das fiktive St. Antoine au Lac, in die Handlung einbindet und so eine große atmosphärische Dichte schafft.


"Das Chalet" dürfte nicht nur mich, sondern auch alle skifahrenden Thriller-LeserInnen in ihren Bann schlagen: Ich hatte zu diesem sehr fulminanten und gut geplotteten Thriller einen persönlichen Bezug, da ich mehrmals im 'Massif Central', dem Département Haute-Savoie, selbst Ski gefahren bin und diese Region als märchenhaftes Naturerlebnis und wahres Schneeparadies in Erinnerung habe. In meinem Falle war es zwar kein Luxus-Chalet mit Angestellten und Pool, jedoch die Außenwelt und die Schneehöhe stimmten!

Der fulminante Showdown findet am Ende wiederum im Schnee statt und ist atemberaubend spannend, da man Jäger und Gejagten über die Schulter sehen - und seine Gedanken lesen kann.

Auch die Auflösung und das Ende des Thrillers empfand ich als sehr stimmig. Erin und Danny waren mir ganz besonders sympathisch; die Snoop-Firmenmitglieder hingegen weniger: Hier würde ich auch eine gewisse Kritik herauslesen, wie sehr es gerade in der IT-Branche um's Geld verdienen geht (um den Datenschutz der UserInnen geht es weniger) - wie heißbegehrt Firmen sind, die sich im Marktwert weit "oben" befinden - und wie schnell diese auch in den Keller abstürzen können. Und auch darüber, wie weit manche Menschen gehen, um auf jeden Fall beruflichen Erfolg zu haben.


Fazit:


Ein sehr empfehlenswerter, spannungsgeladener Winter-Psychothriller par excellence. Psychologisch raffiniert aufgebaut mit zahlreichen unvorhersehbaren Wendungen um die Auszeit eines Start-up-IT-Unternehmens, das vermutlich nicht alle Mitarbeiter richtig einschätzen konnte; ein Blick auch in menschliche Abgründe, in denen sich zuvor so einiges "zusammenbraute". Rasante Spannung, die sich stetig steigert. Chalet- und Skiurlaubfeeling incl. "Gänsehautfaktor". Von mir gibt es eine überzeugte Empfehlung und 4,5 * und 95° auf der Krimi-Couch.

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Veröffentlicht am 05.11.2021

Gelungener Irland-Krimi

Greed Castle
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Ohne den ersten Band um Fin(bar) O'Malley zu kennen, kann der Leser schnell in die flüssig geschriebene und mit Humor versetzte Handlung einsteigen:
Der Expolizist O'Malley lässt sich in Foley nieder, ...

Ohne den ersten Band um Fin(bar) O'Malley zu kennen, kann der Leser schnell in die flüssig geschriebene und mit Humor versetzte Handlung einsteigen:
Der Expolizist O'Malley lässt sich in Foley nieder, einem kauzigen Dorf in Donegal mit ebenso kauzigen Bewohnern, mit denen er sich nach und nach anfreundet (ausser mit einem, mit dem er seine persönlichen Schwierigkeiten hat und Antipathie von Anfang an besteht).
Es geht um die weitere "Verwendung" eines alten Herrenhauses in der Nähe des Dorfes Foley - um Cruit Castle oder Greed Castle, um das sich ein vermeintlicher Erbe aus Amerika sowie reiche Investoren streiten. Nicht zu kurz kommt ein gewisses Lokalkolorit von Irland, auch wird die leidvolle Geschichte des Kampfes zwischen Protestanten und Katholiken angesprochen, die sich auch in der Familie des Ex-Polizisten O'Malleys und dessen Kindheitserinnerungen spiegeln.
Fazit:
Der Spannungsaufbau ist gelungen, einige Wendungen sind recht interessant, der Plot jetzt nicht unbedingt sensationell, aber stimmig. Was mir besonders gefallen hat, war die Beschreibung der kauzigen Dorfbewohner und der Humor (schön trocken, wie irischer Whiskey der Autorin. Ich hoffe, dass noch weitere Fälle in Donegal oder sonstwo auf der grünen Insel für Fin O'Malley zu lösen sein werden und das Augenzwinkern auf vielen Seiten dann wiederum zu finden sein werden; ich fühlte mich gut unterhalten und vergebe daher 92 Punkte auf der Werteskala.

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Veröffentlicht am 25.10.2021

"Immer mit der Ruhe"!

Herren der Lage
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"Herren der Lage" von Castle Freeman erschien im Hanser-Verlag (HC; gebunden, 2021) und der relativ schmale Roman hat es wirklich in sich: Ich kannte den Autor noch nicht, werde jedoch nach dem Genuss ...

"Herren der Lage" von Castle Freeman erschien im Hanser-Verlag (HC; gebunden, 2021) und der relativ schmale Roman hat es wirklich in sich: Ich kannte den Autor noch nicht, werde jedoch nach dem Genuss von "Herren der Lage" (im Original 'Children of the Valley') und übersetzt von Dirk van Gunsteren) nach weiteren Werken des Autors Ausschau halten...


Lucian Wing, der "Abreger" und Meister der Deeskalation, ist der Sheriff von Cardiff im amerikanischen Vermont und hat es in seinem Job eher mit "Dämlichkeiten" namens Mr. Bud Weiser oder Mr. Jim Beam zu tun als mit groben kriminellen Machenschaften. Sein Credo ist "Immer mit der Ruhe!", bis eines Tages ein halbseidener Anwalt namens Armentrout auftaucht, der im Motel, in dem Clemmie, Lucian's Ehefrau, als stellvertretende Geschäftsführerin arbeitet, unter ganz anderem Namen abgestiegen ist: Er "beauftragt" Wing, die Stieftochter Pamela seines Arbeitgebers Mr. Lord im Tal zu finden, die ausgerissen ist. Die Belohnung durch den reichen Mr. Lord soll stattlich ausfallen: Wing mag allerdings keine Aufträge von Menschen, die verschiedene Namen haben und auch von Leuten, die ihn finden wollen....


So macht sich Lucian selbst ein Bild und fährt nach dem Alarm von Mrs. Truax in deren Waldgebiet, wo er zwei Teenager vorfindet, die dort campieren: Pamela und Duncan verstecken sich vor den Schergen des Mr. Lord, und dies aus gutem Grund. Der weitere Verlauf dieses köstlich zu lesenden Romans mit Krimielementen wird nun von weiteren Verstecken für Pammy und Duncan bestimmt, wobei Wing dem halbseidenen Anwalt und dessen Kumpanen, die auch gerne mal zerstörerisch zu Werke gehen, immer einen Schritt voraus sein muss. Diese Situation soll so lange anhalten, bis die Mutter von Pamela auftaucht, die sich gerne in der Welt herumtreibt und im Jet Set lebt, sich mit reichen Gönnern (und Ehemännern wie Lord) umgibt, die Provinz und das Hinterwäldlerische jedoch verabscheut (weshalb sie die Verlobung mit Addison, dem Schwiegerpapa von Lucian Wing, damals löste)...


Der Schreibstil von Freeman ist einfach nur köstlich: In wenigen Worten und fast slapstickhaft sowie mit bissigem, schrägem und schwarzem Humor lässt er Wing im Stile eines Western noir zu Höchstform auflaufen: Erteilt Seitenhiebe in die amerikanische Gesellschaft, die in den 60ern gerne mit der Familienkutsche am Wochenende von einem (schäbigen) Motel zum nächsten fuhr, um dann späer lieber zu Hause zu bleiben und fernzusehen...

Die Dialoge sind allesamt zum Schmunzeln und besonders köstlich fand ich jene zwischen Lucian und seiner Ehefrau Clemmie, die gewisse "Dinge" und Zusammenhänge voraussehen kann.


Man lernt Wingate kennen, den früheren Chef und Sheriff, der nun im Altenheim sitzt, sich redlich fithält und nicht davon lassen kann, überall dort aufzutauchen, wo er Arbeit wittert; Big John, einen wilden Keiler, der später Lucian aus einer brenzligen Situation retten sollte und Tierschützer, die trotz gegensätzlicher Ansichten (in Person von Cola, dem Schrottplatzhändler) und Millie, der Aktivistin, sich doch menschlich annähern sollten. Auch Addison, der Schwiegervater von Wing, fand ich absolut köstlich. Ob es die "hinterwäldlerische" Kleinstadtgemeinschaft schaffte, Pamela vor ihren Widersachern zu verstecken und was tatsächlich hinter dieser Geschichte steckt, muss jeder selbst herausfinden:


Ich hatte jedenfalls ebenso wie Addison viel Spaß an der Geschichte, deren letzten Seiten ich nur noch schmunzelnd las.


Fazit:


Ein sympathischer Sheriff mit dem Herz am rechten Fleck löst einen "haarigen" Fall im "Hinterland" der USA: Schräg, bissig, witzig, komisch und auch kritisch, in die (gesellschaftliche) Tiefe gehend! Von mir eine ganz klare Leseempfehlung und 4,5 Sterne!

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Veröffentlicht am 02.09.2021

3 Frauen verschiedener Generationen auf 1 Hof - Selbstverwirklichung vs. Erwartungshaltungen

Wildtriebe
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"Wildtriebe" von Ute Mank erschien (HC, geb.,2021) im dtv-Verlag und entführt den Leser auf den "Bethches-Hof" in Hessen, den die im Roman alt gewordene Großbäuerin Lisbeth Ende des 2. Weltkrieges erbte, ...

"Wildtriebe" von Ute Mank erschien (HC, geb.,2021) im dtv-Verlag und entführt den Leser auf den "Bethches-Hof" in Hessen, den die im Roman alt gewordene Großbäuerin Lisbeth Ende des 2. Weltkrieges erbte, da ihre Brüder gefallen waren. In die Rolle der Bauersfrau hineingewachsen, arbeitet sie an der Seite ihres Mannes Karl zeitlebens auf dem Milchbauernhof und übernimmt alle traditionellen Rollen klaglos, die auf einem Hof für sie anfallen.

Als Sohn Konrad Marlies heiratet, kommt damit eine neue Frau auf den Hof, die von nun an "Bethches-Marlies" ist. Beide Frauen spüren, dass es nicht leicht sein wird, miteinander auszukommen: Während Lisbeth so aufgewachsen ist, sich alles von den älteren Frauen (und der Mutter) abzugucken, macht Marlies trotz aller Bemühungen vieles anders, was zuweilen für Zündstoff sorgt. Marlies möchte mehr vom Leben als eine Bäuerin sein; diese Rolle liegt ihr nicht wirklich: Während Lisbeth ganz selbstverständlich in diese Rolle und ihre Aufgaben hineinwuchs, hat Marlies das Bedürfnis, einen Ausgleich zu haben: So macht sie den Jagdschein und später lernt sie, Traktor zu fahren. Sie hilft mit, wo sie kann, unterstützt ihren Mann Konrad, aber möchte auch ins Modehaus zurückkehren, wo sie vor ihrer Heirat gearbeitet hat.

Nach einigen Jahren (auch wann sich Nachwuchs einstellt, mochte Marlies nicht dem Zufall überlassen, sondern dann, wann sie es für richtig hielt) kommt Tochter Joanna auf die Welt: Einige Zeit ist das Verhältnis von Marlies und Lisbeth ein wenig entspannter, doch Freundinnen werden sie nie. Joanna wächst heran und macht nach dem Abitur erst einmal ein soziales Jahr; sie fliegt nach Afrika und sollte später innerlich und äußerlich verändert zurückkommen: Sie wollte mit ihren Freunden die Realschule besuchen, während ihre Mutter sie zum Besuch des Gymnasiums drängte, da sie "ja immer nur ihr Bestes" wollte...

In diesem Roman, der die HauptprotagonistInnen sehr sensibel ausleuchtet und für so manches Kopfschütteln beim Lesen sorgt, geht es um Traditionen, die von der älteren Lisbeth aufrecht erhalten werden wollen; um Selbstbestimmtheit und sich anpassen; um Erwartungshaltungen und tradierte Rollenvorstellungen, die sich nicht nur auf dem Land - aber eben auch dort - in den letzten 70 Jahren für Frauen sehr gewandelt haben:

Während Lisbeth niemals eine andere Wahl hatte, als Bäuerin zu werden, den Hof weiterzuführen "so wie es immer war" und nach Jahren der Kinderlosigkeit doch noch hofft, Mutter zu werden, bestimmt Marlies diesen Zeitpunkt selbst: Setzt sich über die unausgesprochene Erwartungshaltung der Großeltern hinweg, um ihnen dann doch noch Joanna als Enkelkind zu präsentieren: Diese geht jedoch ihren ganz eigenen Weg, auf den Marlies schon längst keinen Einfluss mehr hat. Hier tat mir die Mutter etwas leid, da sich zwischen Joanna und ihrer Großmutter Lisbeth eine engere Bindung offenbarte als dies zwischen Marlies und Joanna der Fall war: Ihre Beziehung empfand ich als eher unterkühlt mit wenig Nähe und Offenheit. Gegen Ende des Romans stimmen diese "emotionalen Proportionen" jedoch wieder und vielleicht hat Joanna ihrer Mutter unbewusst geholfen, "den Weg frei zu machen, um sich selbst zu entfalten"?

Die Dialoge fand ich sehr interessant wie auch den geradlinigen, schnörkellosen Schreibstil von Ute Mank, der mir gut gefallen hat: Ich bin sicher, dass sich hier viele Frauen in Lisbeth, in Marlies oder auch in Joanna wiederfinden, da auch ein Stück Zeitgeschichte transparent gemacht wird: Was für unsere Großmütter undenkbar schien, ist heute absolut möglich; z.B. ein Kind auch ohne einen Vater aufzuziehen.

Etwas bedauert habe ich, dass die männlichen Protagonisten Karl, Konrad und auch der Knecht Alfred, der zeitlebens auf dem Hof gearbeitet hat, im Dunkeln blieben: Hier ging es mehr um die Sicht der Frauen, auch die Beziehungen betreffend: So wird z.B. klar, wie sehr sich Marlies und Konrad bereits auseinanderlebten, als sie zusammen den leeren Kuhstall ausfegen; es ist eher ein sich-aus-dem-Weg-gehen als ein "aufeinander zugehen". Hier litt ich eher mit Konrad, dessen Lebensinhalt der Bethches-Hof eben auch war und der fortan in der Fabrik arbeitete als die - dennoch verständliche - Reaktion von Marlies teilen zu können: Das Fehlen der Kühe bedeutete für sie auch eine Erleichterung, eine positive Veränderung...

Das Leben auf einem Hof (damals ohnehin und heute sicher ebenso) unterliegt ganz eigenen Gesetzen, die naturbedingt von den Tieren und den Arbeiten "diktiert" werden. Nicht jeder ist für solch' ein Leben geschaffen, dem ich (als Enkelin eines Landwirts) sehr großen Respekt entgegenbringe und dessen "Aura" ich durch eine Freundin, deren Eltern einen 400 Jahre alten Hof in der Pfalz hatten, ich selbst kennenlernen durfte. Die Autorin hat auch Sozialkritik anklingen lassen: Viele Milchhöfe wurden durch die EU-Gesetze sanktioniert, wenn sie zu viel Milch produzierten und viele haben aufgrund der schlechten Bezahlung der Landwirte ihren Betrieb aufgeben müssen, da es sich einfach nicht mehr rentierte. Sehr traurig, wie ich finde.

Ich fand besonders Lisbeth sehr authentisch und mochte sie; ebenso wie Marlies, die meiner Generation angehört und deren analytische Gedanken ich oft sehr klug und richtig fand

"Aussuchen können musste man es sich, was man werden wollte. Frei darüber entscheiden" (S. 110)

Ein schönes Abschlussbild "krönt" diesen sehr lesenswerten Roman um drei Frauen, die ihre typischen Generationskonflikte hier auf dem Bethches-Hof austragen: Großmutter und Enkelin sitzen einträchtig auf der Bank und Lisbeth sieht den Bethches-Hof, auf dem es nun keine Kühe mehr gibt, mit ganz anderen Augen, "so, als hätte sie ihn noch nie zuvor gesehen".
Gerne empfehle ich "Wildtriebe" weiter; viele Frauen aller Generationen werden sich in ihm teilweise wiederfinden - und sich angesprochen fühlen. (Und ausser Generationskonflikten trägt der Roman eine Menge Potential in sich, aufzuzeigen, wo die verschiedenen Generationen auch durchaus voneinander lernen können - und es auch tun!).
4,5 * von mir und Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 25.08.2021

Flucht voller Hoffnung: Spannend, abenteuerlich, dramatisch!

Die Straße der Hoffnung
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Bei "Die Straße der Hoffnung" von Felicity Whitmore (erschienen tb 2021 bei dtv) handelt es sich um Band 2 der Trilogie um "Die Frauen von Hampton Hill" (Untertitel).

Nach dem Lesen von "Der Faden der ...

Bei "Die Straße der Hoffnung" von Felicity Whitmore (erschienen tb 2021 bei dtv) handelt es sich um Band 2 der Trilogie um "Die Frauen von Hampton Hill" (Untertitel).

Nach dem Lesen von "Der Faden der Vergangenheit", Bd. 1 der Trilogie, war ich sehr gespannt, wie es mit Melody (Gegenwart) und Abigail (Mitte 19. Jhd; England und Oregon, Amerika) weitergeht. Übrigens würde ich empfehlen, mit Bd. 1 zu beginnen, auch wenn dies nicht unbedingt notwendig ist. Der zweite Teil hat mich wiederum sehr gut unterhalten und mir fast noch einen Tick besser gefallen als der erste Band:

Die Staatsanwältin Melody Stewart hat eine alte Villa geerbt: "Abigail's Place" und verschollen geglaubte Tagebücher einer Vorfahrin gefunden, deren Spuren sie nun verfolgt:

Abigail, Lady von Mahony, musste England mit ihrem Geliebten, Oliver Rashleigh, verlassen, um einem Todesurteil zu entfliehen. Mit neuer Identität eines Gönners, der von der Unschuld Olivers weiß, überqueren sie den Ozean und treffen (1842) in New York ein: Unterwegs begegneten sie dem Schriftsteller Charles Dickens, der wie Abigail gegen soziale Ungerechtigkeiten ist. In NY müssen sie jedoch feststellen, dass sich der Dichter täuschte, da auch hier soziale Probleme zu finden sind. Sogleich hat Abigail eine Idee, wie diesem Notstand abgeholfen werden könnte. Leider übersieht sie bei ihrem sozialen Engagement, dass sich jemand an ihre Fersen heftete, der von besessener Liebe zu ihr entflammt ist. Von nun an beginnt eine abenteuerliche Flucht ins Landesinnere, wobei sich Abigail und Oliver einem Treck anschließen, um den Verfolger endlich hinter sich zu lassen: Wird dieses Vorhaben gelingen?
Ebenezer, Abigails Sohn, nimmt nach einiger Zeit der Trauer die Geschäfte von Hampton Mill auf und auch er hat so manches Abenteuer durchzustehen, das für die damalige Zeit nicht ungefährlich ist. Auch Uman, ein Konkurrent, will Ebenezer als Schwiegersohn sehen und sich - berechnend wie er ist - langfristig Hampton Mill einverleiben, um sein eigenes Unternehmen noch zu vergrößern.

Melody erhält eines Tages einen Brief aus Oregon und es stellt sich heraus, dass es noch eine leibliche Verwandte gibt, die sie zu sich einlädt: Louise, 92 und Besitzerin eines Hauses, das sie Abigail vererben will, nachdem sie das Tagebuch ihrer gemeinsamen Urahnin Abigail gelesen hat: Wird Melody das Erbe antreten? Und wie wird sich die Beziehung zu Dan Rashleigh entwickeln, der ihren Enthusiasmus, das Schicksal Abigails enthüllen zu wollen, nicht absolut mit Melody teilt?

Felicity Whitmore schreibt sehr gute Unterhaltungsliteratur, oftmals wie auch hier mit historischen Bezügen, die mit Familiengeheimnissen, hier auch sozialer Ungerechtigkeit, Liebe, krankhafter Besessenheit, Flucht und Neubeginn zu tun hat: Diese Themen verarbeitet die Autorin so gekonnt und einfühlsam, dass der Leser praktisch an den Zeilen hängt und die Dramatik sowie auch eine hohe Authentizität immer gegeben ist. So wachsen einem Melody und besonders die mutige, starke und kämpferische Abigail sehr ans Herz. Die zwei Zeitebenen, in denen die Geschichte spielt, erhöhen hierbei ebenfalls noch die spannenden Handlungsstränge. In diesem Band gefiel mir die zweite Hälfte des Romans noch besser, so dass es mir nicht möglich war, ihn zur Seite zu legen: Hochspannend und dramatisch sowie sehr abenteuerlich, da Abigail vielen Gefahren ausgesetzt ist und eine Reise in einem Treck gen Westen in Amerika anno 1843 nicht eben ungefährlich war. Wohin wird die Reise sowohl Abigail als auch Melody weiter führen? Hier muss man sich wohl noch bis Februar 1922 (ET Band 3) gedulden....

Fazit:

Ein spannender, atmosphärischer, abenteuerlicher und dramatischer Teil der Trilogie, der mir sehr gut gefallen hat und den ich gerne weiterempfehle: Wer Familiengeheimnisse, authentische Figuren und Handlungen sowie eine Reise ins 19. Jahrhundert gerne mag, ist hier gut beraten, die Trilogie von Felicity Whitmore zu lesen: Der Unterhaltungswert ist großartig! Daher gibt es von mir 4,5 * Ich freue mich bereits auf den 3. und letzten Teil (Die Heimat des Herzens).

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