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Veröffentlicht am 12.02.2022

Anfänge der Klinik Waldfriede

Sternstunde
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Nachdem ich die letzte Reihe von Corina Bomann noch nicht gelesen habe, freute ich mich sehr auf ihre neue Tetralogie rund um die Waldfriede Klinik in Berlin. Inspiriert von ihrem eigenem Aufenthalt und ...

Nachdem ich die letzte Reihe von Corina Bomann noch nicht gelesen habe, freute ich mich sehr auf ihre neue Tetralogie rund um die Waldfriede Klinik in Berlin. Inspiriert von ihrem eigenem Aufenthalt und den teilweise sehr gut erhaltenen und großzügigen Niederschriften über die Anfänge der Klinik, hat Carina Bomann sich das Waldfriede als Setting für ihre Reihe vorgenommen.

Die junge Adventistin Hanna arbeitet als Krankenschwester im Sanatorium Friedensau. Erst vor kurzem hat sie ihren Verlobten Martin an den Krieg verloren und leidet seitdem an einem Trauma. Bei jedem schwerverletzten Mann bekommt sie Panikattacken und sieht wieder Martin vor sich, was für eine Krankenschwester nicht wirklich hilfreich ist. Doch dann bekommt Hanna ein Angebot von Doktor Conradi, der in Zehlendorf eine neue Klinik aufbauen möchte. Er bietet ihr einen Platz im Klinikum Waldfriede und einen Kurs zur Röntgenassistentin an. Sie käme nicht mit schwerverletzten Männern zusammen und Doktor Conradi hätte eine fähige Schwester in seiner neuen Klinik. Doch als Hanna nach Waldfriede kommt, ist das ehemalige Kriegslazarett in einem schlimmen Zustand. Schimmel und Dreck, sowie verfallene Gemäuer sind nicht gerade einladend. Es gibt noch jede Menge zu tun bis das Haus überhaupt eröffnen kann. Hanna muss Böden und Schränke schrubben und Betten reparieren. Zusätzlich muss Dr. Conradi gegen so einige Intrigen ankämpfen und der Gemeinde innerhalb von zwei Jahren einen gut laufenden Betrieb prasentieren. Trotz der harten Arbeit und den kärglichen Mahlzeiten, strengen moralischen Regeln und kaum Freizeit fühlt sich Hanna in Waldfriede wie zuhause. Sie wird Sprechstundenhilfe von Doktor Conradi und Röntgenschwester auf den neuen Röntgengeräten, die damals erst in wenigen Kliniken vorhanden sind. Beiden liegt das Wohl der Patienten sehr am Herzen, beide leben für ihre Arbeit und für das Krankenhaus. Hanna genießt das gute Verhältnis und Vertrauen zu ihrem Chef, das ihr allerdings nicht nur Sympathie bei den Kolleginnen einbringt.
Mit der Zeit verblasst das Bild ihres Verlobten immer mehr. Als der sympathische neue Arzt Alexander im Haus Waldfriede anfängt, steht Hanna bald vor der Wahl: Beruf oder Liebe. Als Adventistin gibt es nur die Möglichkeit Oberschwester und unverheiratet zu sein oder durch die Heirat den Beruf aufzugeben. Aber Hannas Herz hängt auch noch am attraktiven, aber verheirateten Dr. Conradi.....

Der erste Band spielt von 1916 bis 1929. Corina Bomann erzählt ihre Geschichte aus zwei Perspektiven und zwar aus der von Hanna und der von Dr. Louis Conradi, den tatsächlichen Gründer der Waldfriede Klinik. Die beiden Erzählperspektiven geben einen guten Einblick auf die Sicht des Arztes und seinen Bestrebungen eine Klinik zu betreiben, die ihresgleichen sucht. Zusätzlich erfahren wir mehr aus der Perspektive von Hanna Richter, die zwar eine fiktive Figur ist, aber an die Krankenschwester Hanna Rinder angelehnt ist. Diese hat in ihren Aufzeichnungen viele Informationen hinterlassen, die den Alltag und den Ablauf in der Klinik beschreiben.

Corina Bomann hat diese schwere Zeit des Aufbaus sehr gut dargestellt. Durch die Inflation verschwand der Wert des Geldes in Rekordtempo und die Adventisten waren oftmals auf die Hilfe ihres "Mutterhauses" angwiesen. Die Schwestern bekamen als Bezahlung Kost und Logis und konnten sich nicht einmal neue Schuhe oder Kleider kaufen. Gegessen und geschlafen wurde ebenfalls in der Klinik. Der medizinische Fortschritt dieser Zeit zeigt sich besonders durch einen Aufenthalt von Dr. Conradi in Amerika.

Der Schreibstil lässt sich wie immer flüssig und angenehm lesen. Man fliegt nur so durch die 600 Seiten. Die Charaktere sind sehr lebendig dargestellt und ich hatte von allen ein richtiges Bild im Kopf. An manchen Stellen hätte ich mir allerdings noch ein bisschen mehr Spannung gewünscht. Der Klappentext erwähnt viele Hindernisse, die Dr. Conradi beim Aufbau der Klinik bewältigen muss. Die gibt es auch, doch lösten sich diese für meine Begriffe zu schnell auf oder verliefen im Sand. Erst direkt durch die Nachfrage bei der Autorin bei der Leserunde habe ich dann erfahren, dass es dazu noch einige weiterführende Handlungen in den kommenden Teilen geben wird. Wenn man das nicht weiß, fehlen einem einige Informationen....

Noch heute ist der Träger der Klinik die evangelische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Mir war diese Glaubensgemeinschaft bis heute unbekannt, die in Amerika von einer Frau gegründet wurde. Die Mitglieder sind sehr gläubig und halten wie die Juden am Samstag Sabbat ab.

Fazit:
Vier Sterne für diesen interessanten Auftaktband. Das Datum der Veröffentlichung des zweiten Bandes habe ich mir bereits notiert, denn ich möchte natürlich auch über die Kinderschwester Lilly, sowie über die weiteren Jahre im Haus Waldfriede erfahren.

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Veröffentlicht am 04.02.2022

Heimatsuche

Ein Hauch von Amerika
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Auch zu diesem Roman gibt es eine Serienvorlage, allerdings weicht diese vom Film ab. Ich habe die Verfilmung leider nicht gesehen, aber bei der Lovelybooks Leserunde stellte es sich schnell heraus, dass ...

Auch zu diesem Roman gibt es eine Serienvorlage, allerdings weicht diese vom Film ab. Ich habe die Verfilmung leider nicht gesehen, aber bei der Lovelybooks Leserunde stellte es sich schnell heraus, dass im Roman andere Figuren im Vordergrund stehen.

Die Studentin Amelie Werner muss 1933 ihren Traum weiter Kunst zu studieren aufgeben. Ihr Vater, ein überzeugter Sozialist, erkennt die politische Lage und flieht mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten. Ihr Ziel ist Paris, wo Amelie eine zweite Heimat findet und wo sie sich wieder ihrer Liebe zur Kunst widmen kann. Doch wir wissen aus der Geschichte, dass ihr dieses Glück nicht lange vergönnt ist und die Familie Werner neuerlich flüchten muss. Es geht über den Atlantik in die Vereingten Staaten, wo sich Amelies Eltern nur sehr schwer eingewöhnen können. Amelie hingegen kann etwas Englisch und findet schnell Arbeit. Aus Amelie wird bald Amy, die noch immer davon träumt ihr Leben der Kunst zu widmen.
Als Amy McCoy reist sie achtzehn Jahre später in ihre verhasste Heimat als Gattin des kommendieren amerikanischen Colonels Jim McCoy zurück. Die US-Militärbasis befindet sich im pfälzischen Dorf Kaltenstein, wo Amy noch immer auf Vorurteile und Rassismus trifft. Das nationalsozialistische Gedankengut ist noch nicht wirklich verschwunden und der Argwohn gegen die amerikanische Besatzung ist groß....

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen und zwar in der Vorkriegszeit um 1933 und in der Nachkriegszeit Anfang der Fünfziger Jahre. Die beiden Handlungsstränge wechseln sich ab und so erfahren wir erst nach und nach mehr über die Vergangenheit von Amelie und ihren Mann Jim, der während des Weltkrieges in Korea eingesetzt war. Ich muss zugeben, dass mir eine Geschichte ohne wechselnde Zeiten diesmal besser gefallen hätte.
Die Figuren sind sehr facettenreich und haben Stärken und Schwächen. Petra Grill beschreibt das dörfliche Leben exzellent. Die Rolle der Frau ist, wie in den Fünfziger Jahren in Westdeutschland üblich, die der konservativen Hausfrau. Die mondäne Amy passt so gar nicht ins Bild der Dörfler. Einzig mit Marie, die sie als Haushaltshilfe zu sich holt, freundet sich die gefrustete und gelangweilte Amy an. In dem wissbegierigen und intelligenten Mädchen sieht sie sich selbst wieder und möchte sie aus dem dörflichen Leben herausholen. Doch Marie hat ihre eigenen Pläne....

Durch die beiden Zeitebenen wird schnell deutlich warum aus der talentierten und ambitionierten Amelie die lethargische, resignierte Amy geworden ist, die all ihre Träume aufgeben musste. Die Gefühle von Amy, die nie wieder nach Deutschland zurückkommen wollte und sich nun der engstirnigen Dorfgemeinschaft gegenübersieht, konnte ich teilweise sehr gut verstehen. Sie ist eine moderne und gebildete Frau, die sich nicht nur als Anhängsel ihres Mannes sieht. Trotzdem handelt sie oftmals genauso, denn sie hat in den Jahren ihre Träume begraben und möchte diese nun an Marie, ihrem Hausmädchen, weitergeben. Doch wir wissen, dass wir unsere Träume selbst leben müssen und diese nicht von anderen Menschen, die uns meistens nahe stehen, verlangen dürfen. Amy war mir nicht wirklich sympathisch. Sie ist egozentrisch und arrogant und trotzdem konnte ich sie manchmal verstehen und mit ihr mitfühlen.

Die Autorin hat mit dieser Geschichte einen etwas anderen Blickwinkel auf die Nachkriegszeit geschaffen, der mir sehr gut gefallen hat. Sie legt viel Wert auf kleine Details und zeigt schonungslos den Rassismus auf, der sich durch die amerikanischen Soldaten, wie auch durch die Dorfbewohner zieht. Dabei werden die schwarzen Soldaten von den eigenen Leuten schikaniert und unterdrückt. Man spürt ebenso die Angst vor dem Kalten Krieg, der in der Nachkriegszeit zwischen der USA und Russland herrschte. Das sozialistische Gedankengut wird sofort unterbunden, Personen bespitzelt und verhaftet. In Deutschland hingegen versuchen sich alle reinzuwaschen. Diese erschreckenden politischen Hintergründe hat Petra Grill perfekt in die Handlung verwoben. Da ich die Serie nicht gesehen habe, kann ich an dieser Stelle nur das Buch bewerten, das mir sehr gut gefallen hat.

Fazit:
Ein Roman, der eine etwas andere Seite der Vor- und Nachkriegszeit aufzeigt und Themen wie Rassismus, Schuld, Kriegstraumata, aber auch Kunst und deren Schönheit einfängt. Eine Geschichte, die nachdenklich macht und ich gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Eingeholt von der Vergangenheit

Salzburgsünde
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Den neunten Fall der Reihe rund um Kommissar Martin Merana von Manfred Baumann habe ich bereits vor einigen Monaten gelesen. Bevor der nächste Fall veröffentlicht wird, möchte ich noch meine Rezension ...

Den neunten Fall der Reihe rund um Kommissar Martin Merana von Manfred Baumann habe ich bereits vor einigen Monaten gelesen. Bevor der nächste Fall veröffentlicht wird, möchte ich noch meine Rezension zu "Salzburgsünde" posten.
Nachdem mich der achte Fall rund um die Morde bei der Jedermann Aufführung in Salzburg nicht so recht überzeugen konnte, hoffte ich auf einen spannenden neunten Fall. "Salzburgsünde" konnte mich wieder richtig packen und mitnehmen, auch wenn der Krimi doch wieder einige Längen hatte.

Kurz vor dem Osterfest findet eine Spaziergängerin mit ihrem Hund eine tote Gämse am Kapuzinerberg. Als der hinzugerufene Förster den Kadaver entfernt, entdeckt er darunter ein menschliches Skelett. Anhand des Eherings, der zwischen den Knochen liegt, findet die Polizei sehr schnell heraus, dass es sich um die sterblichen Überreste von Maresa Stirner handelt. Die Tote war Lehrerin am Gymnasium und verschwand bereits im Jahr 1956 spurlos. Maresa's Tochter Emilia war Meranas Professorin an der Universität. Dies veranlasst ihn zu ermitteln, was seinem Chef nicht wirklich gefällt. Als jedoch kurze Zeit später die bekannte Politikerin Gwenda Truhl ermordet aufgefunden wird, die Merana erst wegen der Toten am Kapuzinerberg befragt hat, gibt es grünes Licht von seinem Chef.
Gwenda Truhl war zu Lebzeiten nicht unbedingt beliebt, denn sie war eine streitbare Politikerin. Merana hat allerhand zu tun, denn es gibt unzählige Verdächtige, die nicht wirklich unglücklich über ihren Tod sind. In erster Linie ihr Sohn Tanne, der schon sehnsüchtig auf das Erbe wartet. Doch ist er der Mörder? Und wie hängt der Tod der Politikerin mit den von Maresa Stirner zusammen?

Der Einstieg ist diesmal sehr gemächlich, zieht aber nach dem Mord an der Politikerin Gwenda Truhl an. Als sich immer mehr politische Persönlichkeiten einzuschalten versuchen, geraten Merana und sein Team unter enormen Druck. Doch der Kommissar beharrt auf seinen Entscheidungen und lässt sich von seinen Instinkten leiten. Als Merana selbst nur knapp einen Anschlag überlebt, weiß er, dass er auf der richtigen Spur ist.

Waren mir das letzte Mal, die sehr detaillierten Beschreibungen rund um die Aufführung des Jedermanns zu viel, verliert sich Baumann diesmal ein bisschen zu sehr in die Welt der Oper, was zulasten der Krimihandlung geht. Trotzdem hat der Autor noch die Kurve genommen und der Krimi hat besonders im letzten Drittel an Spannung gewonnen.

Zusätzlich gibt es einige "Rückblenden", die aus der Sicht eines cirka 16jährigen Burschen erzählt werden. Die gewählte Jugendsprache aus den Fünfziger Jahren war mir nicht wirklich vertraut und so hörte sich manches in meinen Ohren komisch an. Trotzallem hat man bei seinen (Selbst-)Gesprächen ein sehr unbehagliches Gefühl, das immer stärker wird und man zu rätseln beginnt, wer diese Person in der Gegenwart sein könnte.

Fazit:
Ein ruhiger Krimi des Autors, der erst später an Fahrt gewinnt und dann richtig spannend wird. Die Stadt Salzburg selbst ist wieder Hauptschauplatz und erfüllt wieder alle touristischen Aspekte. Ich mag die Reihe von Manfred Baumann einfach und freue mich schon auf den nächsten Fall in der wunderschönen Mozartstadt.

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Veröffentlicht am 22.01.2022

Trümmerkinder

Heul doch nicht, du lebst ja noch
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Letztes Jahr war "Dunkelnacht" von Kirsten Boie eines meiner Jahres Highlights. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass ich "Heul doch nicht, du lebst ja noch" von der Autorin via Lovelybooks lesen durfte.

Auch ...

Letztes Jahr war "Dunkelnacht" von Kirsten Boie eines meiner Jahres Highlights. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass ich "Heul doch nicht, du lebst ja noch" von der Autorin via Lovelybooks lesen durfte.

Auch der neue Jugendroman befasst sich mit dem Thema Zweiter Weltkrieg bzw. spielt kurz nach dessen Ende. Als Leser begleiten wir eine Woche lang die drei Jugendlichen Jakob, Traute und Hermann. Sie treffen im völlig ausgebombten Hamburg aufeinander und kommen aus sehr unterschiedlichen Familienverhältnissen.

Zuerst lernen wir Jakob kennen, der sich in einer ausgebombten Wohnruine im dritten Stock versteckt. Das Versteck hat ihm ein ehemaliger Nachbar, Herr Hoffmann, gezeigt, wo er ihn mit Lebensmittel versorgt. Doch eines Tages kommt Herr Hoffmann nicht mehr und Jakob muss versuchen irgendwie an Essen zu kommen. Jakob ist Halbjude und weiß nicht, dass der Krieg bereits zu Ende ist. Sein Schicksal steht stellvertretend für die Verfolgung jüdischer Familien.

Traute ist die Tochter einer Bäckerfamilie. Seit kurzem sind in ihrem Elternhaus Flüchtlinge aus dem Osten einquartiert, denn die Bäckerei ist eines der wenigen Häuser im Umkreis, das nicht zerstört wurde und wo wieder Brot gebacken wird. Traute geht es dadurch verhältnismäßig gut, doch sie vermisst die Schule und ihre Freundinnen.

Hermann ist der Ideologie der Nazis noch immer anhängig und kann mit der Niederlage schwer umgehen. Er trauert seiner Zeit als HJ-Führer nach. Noch schlimmer ist aber die Verwundung seines Vaters, der beide Beine im Krieg verloren hat. Während die Mutter für den Lebensunterhalt sorgt, muss sich Hermann um seinen Vater kümmern, der völlig bewegungsunfähig ist. Hermann fehlt es an Perspektive, denn die Engländer, die Hamburg besetzen sind seine Feinde. Zusätzlich erleidet er einen Schicksalsschlag, der weitreichende Folgen hat.

Während einige mit Kirsten Boies sehr knackigen Schreibstil mit kurzen Sätzen nicht gut zurechtkommen, habe ich damit überhaupt keine Probleme. Die Geschichte wird in Präsens und abwechselnd aus den Perspektiven von Traute, Jakob und Hermann erzählt, wobei jeder auf seine eigene Art und Weise unter den Folgen des Krieges leidet. Insbesondere Jakob und Hermann sorgen für ein intensives Bild dieser Zeit und stehen eigentlich auf verschiedenen Seiten. Nur Traute war mir etwas zu blass. Sie wirkt eher wie ein Bindeglied zwischen den beiden Jungen. Die wenigen Nebenfiguren sind kurz angerissen und tragen trotzdem zur Entwicklung bei. Besonders der kleine Max hat dabei mein Herz berührt. Er ist es auch, der den anderen die Augen öffnet und ihnen vieles näher bringt, was sich in den letzten Kriegsjahren abgespielt hat.

Kirsten Boie versteht es ihre drei Hauptfiguren bewertungsfrei darzustellen. Keiner von ihnen ist schwarz-weiß gemalt, sondern jeder hat seine guten und schlechten Seiten. Diese Geschichte, die nur eine Woche umfasst, ist intensiv und hat als zentrale Themen Schuld, Wahrheit, Angst und Wut. Das Ende kommt fast etwas zu schnell...

Fazit:
Ein bewegendes und gut recherchiertes Jugendbuch, das nicht an die Intensität von "Dunkelnacht" heranreicht. Trotzdem ist die Geschichte, die kurz nach dem Kriegsende spielt, auch diesmal wieder intensiv erzählt. Ein Einblick in drei sehr unterschiedliche jugendliche Seelen, die an Perspektivlosigkeit durch den Krieg leiden. Nicht nur für Jugendliche, sondern für alle Altersgruppen geeignet! #gegendasvergessen

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Veröffentlicht am 19.01.2022

Im Zonenrandgebiet

Die Dorfschullehrerin
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Von der Autorin habe ich bereits die Reihe um die Ruhrpott Saga gelesen und geliebt. Nun hat sie in ihrem neuen Roman ein weiteres Thema aufgegriffen: die deutsch-deutsche Grenze. Im angegebenen Klappentext ...

Von der Autorin habe ich bereits die Reihe um die Ruhrpott Saga gelesen und geliebt. Nun hat sie in ihrem neuen Roman ein weiteres Thema aufgegriffen: die deutsch-deutsche Grenze. Im angegebenen Klappentext wird dieses Thema leider nur kurz angeschnitten, denn eigentlich spielt das Zonenrandgebiet eine große Rolle, ebenso wie das kleine Geheimnis unserer Protagonistin, das ich hier nicht verraten möchte.

Helene hat sich als Dorfschullehrerin in einem kleinem Dorf an der innerdeutschen Grenze in Hessen beworben. Die Gemeinde am Zonenrandgebiet erfährt mehr oder weniger eine Dorfflucht. Lehrpersonal ist schwer zu finden, denn die meisten Lehrer sind nach kurzer Zeit wieder weg. Umso erfreuter ist der Direktor der Dorfschule über die junge und engagierte neue Lehrkraft. Doch die ziemlich verstaubten Kollegen begegnen Helene zuerst mit Misstrauen. Dies ändert sich schnell, als der Dorfarzt sie unterstützt und die Kinder wieder begeistert am Unterricht teilnehmen. Aber Helene ist nicht zufällig in diesem Ort. Sie schleppt ein großes Geheimnis mit sich herum, das immer mehr zur Belastung wird.....

Als Leser wagen wir auch einen Blick hinüber über die Zonengrenze. In abwechselnden Kapiteln sind wir bei Helene im Westen und dann wieder im Osten, wo langsam aber sicher immer härter durchgegriffen wird. Der Einblick in das Leben an der Zonengrenze, sowohl auf der westlichen, als auch der östlichen Seite war spannend und interessant dargestellt.

Für mich ist "Die Dorfschullehrerin" mein zweiter Roman, der sich rund um das Zonenrandgebiet zwischen der DDR und BRD dreht und doch sind diese beiden Geschichten sehr verschieden. Als Österreicherin und selbst noch Kind bzw. Jugendliche zwischen den Sechziger und Achziger Jahren des letzten Jahrhunderts habe ich davon nicht viel mitbekommen. Einzig geschwärzte Stellen in Briefen meiner Brieffreundin aus der DDR warfen Fragen auf, die mir meine Mutter beantwortete. Umso schlimmer muss es für die Bewohner dieser Grenzgebiete gewesen sein, wenn Familien oder Freunde durch Stacheldraht getrennt wurden. Die politische Seite hat die Autorin gut gelöst und ohne erhobenen Zeigefinger oder eigener Meinung dargestellt.

Die Charaktere hat Eva Völler sehr lebendig dargestellt. An Helenes Seite erlebt der Leser ein Wechselbad der Gefühle, denn die junge Frau hat schon einiges durchmachen müssen und hat noch immer mit dem Trauma des Erlebten zu kämpfen. Trotzdem empfand ich unsere Hauptprotagonistin zu perfekt. Sie hatte kaum Ecken und Kanten. Helene ist Lehrerin mit Leib und Seele und verfügt über Lehrmethoden, die ich für die früheren 60iger Jahre nicht ganz glaubwürdig fand. Andererseits gab es immer schon Lehrer, die sich von den anderen abhoben und sich wirklich den Kindern widmen und diesen auf Augenhöhe begegnen. Aber nicht nur als Lehrerin war Helene perfekt, denn die junger Frau ist nicht nur blitzgescheit, sondern auch bildhübsch und allseits beliebt. Das war mir etwas zu viel.
Auch Landarzt Tobias, ihr Love Interest, schlug in dieselbe Kerbe. Die anbahnende Liebesgeschichte war teilweise schon etwas kitschig. Umso erfrischender fand ich die Großmutter auf der anderen Seite des Zauns, die ihren Unmut laut und deutlich kund gab oder Isabell, die lebenslustige Hebamme des Ortes und Freundin von Helene.

Zum Ende hin wird es sehr spannend und obwohl es einen kleinen offenen Handlungsstrang gibt, wurden im ersten Teil der Diologie (?) alle anderen Stränge aufgelöst, was ich sehr begrüße! Auf die Fortsetzung freue ich mich schon...

Fazit:
Trotz einiger kleinen Kritikpunkte hat mir die Geschichte sehr gut gefallen, die einige überraschende Entwicklungen parat hatte, mit denen ich nicht rechnete.

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