›Auf Erden sind wir kurz grandios‹ erzählt vom Leben des Icherzählers Little Dogs, das mit anderen Leben verwoben ist. Auch ihre Geschichten sind es, die es erzählt. Die Geschichte der Mutter des Icherzählers und die Geschichte seiner echten Liebe.
Doch auch diese Geschichten sind mit weiteren Geschichten verwoben. Die Geschichte der Großmutter, die Geschichte eines Krieges, der noch immer in den Leuten steckte.
Seine Geschichte ist mit so vielen weiteren Geschichten verwoben, die sein Leben beeinflussen und die er wiederum beeinflusst. Es beleuchtet Facetten eines Lebens, die oft im Dunkeln bleiben. Die Beziehung von einem Sohn und seiner Mutter – schmerzhaft und persönlich. Diese Mutter ist es auch, wie bereits zu Beginn des Buches adressiert wird.
»Lass mich von vorn anfangen.
Ma,
ich schreibe, um dich zu erreichen – auch wenn jedes Wort auf dem Papier ein Wort weiter weg ist von dort, wo du bist.«
Sein Leben streift viele Leben, die tiefe Verletzungen haben und doch nach einem kleinen bisschen Glück streben. Und so stark diese auf ihn wiegen, wird er verwoben mit diesen Leben erwachsen. Bei aller Persönlichkeit zeugt ›Auf Erden sind wir kurz grandios‹ von der Einzigartigkeit einer jeden Identität, in ihrem Alltäglichen und ihrem Besonderen.
›Auf Erden sind wir kurz grandios‹ ist zugleich eine Geschichte, die von dem Wert von Sprache zeugt. Little Dog lernt eine Sprache, die seiner Mutter nie so richtig nah wird. Sprache wird zu etwas überlebenswichtigem. Umso bedeutender ist es, dass er in diesem Buch seine Mutter anspricht. Während der Beginn des Buches noch eine Art Briefform hat, wird er zum Ende hin fragmentarischer. Sprache wird wieder zum Fragment.
»Ich war ein amerikanischer Junge, der nachäffte, was er im Fernsehen sah. Ich wusste nicht, dass der Krieg immer noch in dir war, dass es überhaupt einen Krieg gegeben hatte, dass er, einmal hineingelangt, nie mehr weggeht – aber doch nur widerhallt, als Geräusch, das das Gesicht deines eigenen Sohnes formt. Bumm.«
›Auf Erden sind wir kurz grandios‹ gelingt es, die Geschichte von Menschen zu erzählen, die unheimlich persönlich und überindividuell zugleich sind. Vuongs Schreibstil ist intensiv, zärtlich und besonders. Er erzählt von Schmerz, Liebe, Fremde, Familie und dem Aufwachsen.
Obwohl Vuong von Momenten erzählt, die den Leser:innen fremd oder unbekannt sein könnten, werden sie beim Lesen unheimlich nah. Die Lesenden werden mitgerissen in diese Leben, von denen er erzählt, obwohl er nur Ausschnitte aus diesen zeigt.
In ›Auf Erden sind wir kurz grandios‹ ist stets ein Existieren zwischen zwei als scheinbar entgegengesetzt wirkenden Polen spürbar. Zwischen Schmerz und Familie, Sprachlosigkeit und Sprache, Fremde und Nähe, Ich und Du.
»Du hast mir einmal gesagt, dass das menschliche Auge Gottes einsamste Schöpfung ist. Wie so viel von der Welt durch die Pupille zieht und diese doch nichts davon bewahrt. Das Auge, allein in seiner Höhle, weiß nicht einmal, dass es ein anderes gibt, genau wie es selbst, nur Zentimeter entfernt, ebenso hungrig, ebenso leer.«
›Auf Erden sind wir kurz grandios‹ ist kein Roman, wie er zu Dutzenden in vielen Bücherregalen steht. Er erzählt nicht die Geschichte einer Handlung, die einen Anfang und ein Ende kennt. Vielmehr ist es ein ständiges ineinandergreifen von Geschichten, deren Enden sich in den Anfang und Mitten anderer Leben weben und umgekehrt. Es zeigt ein ständiges Ineinander und berührt dabei ungemein. Es ist schwer zu beschreiben, was den Lesenden in ›Auf Erden sind wir kurz grandios‹ erwartet. Das muss selbst entdeckt werden.