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Veröffentlicht am 30.07.2020

Fantastisch geschriebenes Werk voller feinfühlig formulierter Beobachtungen über die Suche nach sich selbst.

Und jetzt bin ich hier
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Selbstfindung ist ein populärer Zentralgedanke der zeitgenössischen Belletristik. Viele Autor*innen haben sich daran versucht, das Wort "ich" in seine Bestandteile auseinanderzunehmen, die eigene Identität ...

Selbstfindung ist ein populärer Zentralgedanke der zeitgenössischen Belletristik. Viele Autor*innen haben sich daran versucht, das Wort "ich" in seine Bestandteile auseinanderzunehmen, die eigene Identität zu entdecken und an ihr festzuhalten. Ist Persönlichkeit an Bedürfnisse, Verlangen und Ängste geknüpft? Wie stark prägen uns Mitmenschen im Handeln, Denken und Fühlen? Wer bin ich und was möchte ich erreichen? Dieser leicht umgewandelten Frage nach dem Sinn des Lebens widmet sich auch Jessica Andrews in ihrem Debütroman "Und jetzt bin ich hier".



Die englische Schriftstellerin hat einen charakterstarken, unvergleichlichen Schreibstil, durch den sie ihre große Beobachtungsgabe und ihr Fingerspitzengefühl für Nuancen und Details unter Beweis stellt. Die Stimme der Protagonistin klingt ehrlich, authentisch und ungefiltert. Sie nutzt geschickt grammatikalische Strukturen als Ausdruck für Zuneigung und dem Grad der persönlichen Nähe zu Figuren.



Der Text ist in zahlreiche, bruchstückhafte Mosaikteilchen gegliedert; die Kapitel beschäftigen sich mit je einer Assoziation, einem sinnlichen Eindruck oder einem bestimmten Verlangen. So gleicht das Buch teilweise mehr einer losen Aneinanderreihung epischer Anekdoten als einer konsequent fortlaufenden Handlung; es lädt zunächst eher zum Schmökern ein, als einen angenehmen Lesefluss zu ermöglichen. Es packte mich recht lange nicht und ich brauchte eine Weile, um mit dieser Struktur zurecht zu kommen.



Die Autorin zieht einen geschickten Kontrast zwischen der stets pulsierenden und hektischen Stadt London und der trägen Natur Irlands. Zudem laufen mehrere verschiedene Handlungsstränge parallel nebeneinander, sodass hier räumliche und zeitliche Ebenen aufeinanderprallen. Das ist sehr klug gemacht.



Lucys Suche nach sich selbst ist ein authentischer Ausgangspunkt für den Roman, und durch den ruhigen, bedachten Erzählstil fühlte ich mich als Leser, der gerade in einer ähnlichen Lebenssituation steckt, ernstgenommen. Die liebevolle Beziehung zwischen Mutter und Tochter ist ein rührender Dreh- und Angelpunkt des Werks, der eine der wenigen Konstanten sowohl in der Handlung als auch im Handeln der Protagonistin ist.



Ich finde, dass das Buch teilweise ein wenig stringenter auf ein Ziel hätte hinarbeiten können. Teilweise treibt die Protagonistin zu lange nur im Strudel des Lebens, und durchgeht keinen persönlichen Fortschritt. Dadurch bleibt sie dem Lesepublikum lange befremdlich fern. Hier hätte ich mir mehr Mut zum Ausbrechen aus gewohnten Parametern gewünscht, um uns mehr mit auf den Weg zu geben. "Und jetzt bin ich hier" ist oftmals weniger tiefgründig, als es hätte sein können.



Insgesamt ist es aber ein schönes, angenehm zu lesendes Buch, das in mir ein bestimmtes Gefühl in der Brust ausgelöst hat. Der Schreibstil ist sehr inspirierend, die Landschaften lösen in mir Kopfkino-Effekt aus. Ja, es wird nicht das gesamte Potenzial ausgeschöpft, aber für mich reicht es hier dennoch für eine kleine Leseempfehlung.



«Und jetzt bin ich hier»
ist ein fantastisch geschriebenes Werk voller feinfühlig formulierter Beobachtungen über die Suche nach sich selbst.

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Veröffentlicht am 13.07.2020

Atmosphärisch dichter Roman, der mich bis zum Ende packen konnte - oder, besser gesagt, bis auf das Ende.

Verity
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Die US-amerikanische Autorin Colleen Hoover löst mit ihren New Adult-Romanen regelmäßig ein Ticket für die weltweiten Bestsellerlisten. Ihre Wohlfühlromane mit ihrem gewohnt lockeren Schreibstil, authentischen ...

Die US-amerikanische Autorin Colleen Hoover löst mit ihren New Adult-Romanen regelmäßig ein Ticket für die weltweiten Bestsellerlisten. Ihre Wohlfühlromane mit ihrem gewohnt lockeren Schreibstil, authentischen Protagonisten und wichtigen zentralen Thematiken erfreuen sich auch hierzulande großer Beliebtheit. Mit dem neu erschienenen "Verity" schlägt sie für sich selbst einen ganz neuen Weg ein, denn obwohl man es hinter dem Cover nicht vermuten würde, verbirgt sich zwischen den Buchdeckeln ein Psychothriller. Wie gut ihr dieser genretechnische Exkurs meiner Meinung nach gelingt, das erfährst du in der folgenden Rezension.


Mit ihrem gewohnt gut zu lesenden, flotten Schreibstil ermöglicht Hoover ihren Leser*innen einen rasanten Einstieg in die Geschichte. Sie kreiert bereits ab der ersten Seite ein mitreißendes Erzähltempo, sodass für mich dieser Roman seit Langem mal wieder einen richtigen Suchtfaktor auslösen konnte. Das klassische "Ok, nur noch ein Kapitel"-Phänomen trat hier häufig auf; nicht selten beschäftigte ich mich auch in meiner Freizeit geistig mit der Handlung und rätselriet über mögliche Zusammenhänge.


Durch die reduzierte Figurenanzahl, die Begrenzung auf einen Standort und wenige Ausbrüche in Nebenhandlungen tritt ein kammerspielartiger Charme auf, der mich ein wenig an Theaterstücke von Agatha Christie erinnerte. Durch einige düstere, erschreckende Szenen und die dichte, teils leicht gruselige Atmosphäre schlug mein Herz oftmals erwartungsvoll höher. Dieser starke Kopfkino- und Miträtsel-Effekt gewährleistet ein tiefgründiges Eintauchen in die Handlung, aus deren Fängen man sich nicht so schnell befreien kann.


Die Geschichte wird aus der Sicht der Protagonistin Lowen wiedergegeben, die ihre glaubwürdige Sicht schildert und oftmals authentisch auf die bizarrsten Situationen reagiert. Mit ihrer wenig hysterischen, zunächst etwas sozial distanzierten Art war sie eine durchweg angenehme Figur, mit der ich mich gut identifizieren konnte. Ihre persönlichen Ängste und Traumata werden nur kurz angerissen – hier hätten gerne noch mehr Hintergrundinformationen über ihre Vergangenheit sein können und dürfen, um eine noch engere emotionale Verknüpfung mit ihr zu ermöglichen.


Die Geschehnisse verdichten sich langsam, aber stetig zu einem Finale, von dem die gesamte Glaubwürdigkeit der Handlung abhängt. Leider ließ das Ende mich als Leser völlig unbefriedigt zurück und begründet den faden Beigeschmack, der sich auf meiner Zunge ausbreitet, wenn ich an "Verity" zurückdenke. Die letztendliche Wendung fühlt sich unnatürlich, zu gewollt und zu konstruiert an. Sie möchte einschlagen wie eine Bombe, aber hinterlässt bei diesem Versuch nur ein Trümmerfeld voller Logiklöcher und ungeklärten offenen Fragen. Die Autorin möchte ihre Leserschaft spürbar spalten und zu verschiedenen Theorien über den Ausgang der Geschichte anheizen; ich hingegen empfand dabei plötzlich nur noch Belanglosigkeit und Desinteresse gegenüber dem Roman, und das obwohl er mich zuvor so in seinen Bann geschlagen konnte.


Ich möchte aufgrund der dichten Atmosphäre, des großen Suchtfaktors und der glaubwürdigen Charaktere an dieser Stelle dennoch eine Leseempfehlung aussprechen. Das Ende spaltet, und das konnte ich im direkten Austausch mit einigen Bloggern am eigenen Leib erfahren, die Gemüter und wird sicherlich nicht jedem gefallen. Daher würde ich die Erwartungshaltung etwas senken.



"Verity"
ist ein atmosphärisch dichter Roman, der mich bis zum Ende packen konnte – oder, besser gesagt, bis auf das Ende.

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Veröffentlicht am 01.09.2018

Atmosphärischer und spannender Psychothriller, der spannende Unterhaltung liefert, die über ein unausgegorenes Ende hinwegtäuschen kann.

Das Böse in deinen Augen
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Ein kleines Mädchen in einst weißem, zerschlissenem Kleid, dessen dreckige schwarze Haare ihr wild im Gesicht hängen – ein oft genutztes Bild in Horrorfilmen, welches in vielen Menschen sofort ein mulmiges ...

Ein kleines Mädchen in einst weißem, zerschlissenem Kleid, dessen dreckige schwarze Haare ihr wild im Gesicht hängen – ein oft genutztes Bild in Horrorfilmen, welches in vielen Menschen sofort ein mulmiges Gefühl auslöst. Auch Jenny Blackhurst macht von dieser Erscheinung in ihrem Psychothriller „Das Böse in deinen Augen“ Gebrauch. Wie mir das Buch gefallen hat und welche weiteren Leseeindrücke ich bei der Lektüre gewinnen konnte, erfährst du in der folgenden Rezension.


Ein einfach zu lesender und spannungsgeladener Schreibstil macht für den Leser einen flüssigen Einstieg in vorliegenden Roman möglich. Über eine Lauflänge von etwas mehr als vierhundert Seiten gestaltet die Lektüre erstaunlich kurzweilig, sodass ich „Das Böse in deinen Augen“ nach nur zwei Tagen ausgelesen hatte. Die kurze Kapitellänge tut dabei ihr Übriges.

Die Figuren werden gut ausgearbeitet. Der Großteil der Kapitel wird aus der Sicht der Kinderpsychologin Imogen Reid erzählt, in die ich mich gut hineinversetzen konnte, da ihre Handlungen glaubwürdig dargestellt wurden. Einige Erzählpassagen werden auch aus Ellies Perspektive wiedergegeben, jedoch wurde hier dennoch die Dritte Person verwendet, um den „Rest“ Geheimniskrämerei und Distanz, welche zu diesem mysteriösen Mädchen gewahrt wird, aufrechtzuerhalten. Die Nebenfiguren werden überwiegend nicht näher beleuchtet, sondern dienen der Handlung nur als Mittel zum Zweck.

Jenny Blackhurst schafft es geschickt, ihre Leser auf die falsche Fährte zu führen. Man möchte die ganze Zeit herausfinden, was hinter dem gruseligen Mädchen und den damit verbundenen mysteriösen Geschehnissen steckt. Sie baut eine dichte Atmosphäre auf, die den Leser so schnell nicht loslässt, und gelungen zu überzeugen weiß.

Verwunderlich fand ich jedoch, wie erwachsen und bedacht die Kinder und Jugendlichen in diesem Roman handeln – ganz im Gegenteil zu den volljährigen Figuren des Buches. Mich konnte die Vorstellung, dass die jugendlichen Akteure, die alle jünger sind als ich, zu solchen Dingen fähig sind, wie sie hier präsentiert werden, nicht rumkriegen.

Die große Wendung, auf die das Buch letztendlich hinarbeitet, möchte nicht schmecken. Die Motive, die hinter den schrecklichen Dingen steckt, sind mir zu schwach, als dass sie einleuchten. Von Kapitel zu Kapitel wird zunehmend Spannung gesteigert – und dann wird sie mit einem solch unausgereiften Plot-Twist entlohnt? Das möchte sich mir nicht erschließen. Zwar ist die Unvorhersehbarkeit gewährleistet, das liegt meiner Meinung nach daran, dass kein „Standard-Thrillerleser“ einen dermaßen hanebüchenen Umschwung kommen sieht. Ausstehende offene Fragen werden fast lieblos mit nicht interessanten Begründungen beantwortet.

Genau an dieser Stelle merkt man: Die Autorin hat sich zu viel vorgenommen. Spannende Ereignisse türmen sich übereinander, Geheimnisse warten darauf, entschlüsselt zu werden, eine fesselnde Atmosphäre spannt den Leser wie in einem Kokon ein. Jedoch kann Jenny Blackhurst ihre Handlung nicht überzeugend auflösen. Aspekte, die im Roman lediglich der Spannungserhöhung dienten, werden unausgereift zu Ende geführt. Das ist schade.

Wenn man mich abschließend fragen würde, ob ich „Das Böse in deinen Augen“ weiterempfehlen könnte, dann würde meine Antwort trotz einiger Kritikpunkte „Ja“ lauten. In wem der Klappentext Interesse geweckt hat, sollte tatsächlich überlegen, sich das Buch zu Gemüte zu führen. Trotz seinem enttäuschenden Ende weiß das Buch nämlich sehr gut zu unterhalten und eine beklemmende Atmosphäre aufzubauen. Wer an solchen Romanen seine Freude findet, sei hiermit gut beraten.


„Das Böse in deinen Augen“ ist ein atmosphärischer und spannender Psychothriller, der spannende Unterhaltung liefert, die über ein unausgegorenes Ende hinwegtäuschen kann.

Gerne vergebe ich drei von fünf Sternen.

Veröffentlicht am 22.01.2022

Interessanter Blickwinkel; allerdings geht schnell die Puste aus!

Es kann nur eine geben
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Zu viel Konkurrenzkampf, zu wenig Solidarität: Mit dieser These beschreibt Star-Comedian Carolin Kebekus den heutigen Zusammenhalt unter Frauen. In ihrem Werk «Es kann nur eine geben» versucht sie, Wogen ...

Zu viel Konkurrenzkampf, zu wenig Solidarität: Mit dieser These beschreibt Star-Comedian Carolin Kebekus den heutigen Zusammenhalt unter Frauen. In ihrem Werk «Es kann nur eine geben» versucht sie, Wogen zu glätten – und den Weg zu ebnen für eine gemeinsame Bekämpfung des Patriarchats.

Es gibt sie aber, diese raren Momente, in denen ich mal nicht daran denke, dass ich eine Frau bin. In denen mein Geschlecht keine Rolle spielt und ich einfach nur Menschen zum Lachen bringe. (…) Aber dann spüre wieder diese Leere zwischen meinen Beinen und lande auf dem Boden der Tatsachen.

Kebekus äußert diese Kritik vor allem durch die subjektiven Erfahrungen, die ihr Leben als als aufsteigende Comedienne, aber auch als Privatperson geprägt haben: So setzt sie sich in gebündelten Themenblöcken etwa mit der frauenverachtenden Politik der katholischen Kirche auseinander, die sie letztendlich zum Austritt bewogen hat. Oder aber sie bemängelt das Defizit an weiblichen Repräsentationsmöglichkeiten in Film und Fernsehen.

Dabei besticht «Es kann nur eine geben» durch den außergewöhnlichen Blickwinkel, den die „DCKS“-Moderatorin einnimmt: Ihre autobiografischen Berichte verleihen dem Buch hohen Authentizitätsgrad und geben einen Blick hinter die Kulissen ihrer oft sexistisch geprägten Karriere. Leider unterläuft ihr dabei teils ein naheliegender Fehler: sie bezieht ihre eigenen Eindrücke auf die Allgemeinheit und generalisiert dadurch grob.

Als hätte sie das selbst bemerkt, betont sie, dass sie nicht den Anspruch an sich selbst habe, für alle Frauen und weiblich gelesene Personen zu sprechen. Erfrischend sind daher die Passagen, an denen sie den Redeball abgibt und Frauen zu Wort kommen lässt, die größere Fachkompetenz zu bestimmten Thematiken besitzen.

Durch den angenehmen Schreibstil bietet Carolin Kebekus einen leicht verständlichen Einstieg in feministisch-theoretische Literatur, ohne sich dabei in Fachformulierungen zu verklausulieren. Einige amüsante Illustrationen verbildlichen das Gesagte auf niedliche Art und Weise; das ausführliche Glossar gibt einige interessante Recherchetipps und -möglichkeiten mit auf den Weg.

Sie legt einen sarkastischen, nicht ganz ernst zu nehmenden Tonfall an den Tag, der stark an ihre Bühnenauftritte erinnert. Tatsächlich werden in «Es kann nur eine geben» ganze Pointen und satirische Darstellungen ihres Programms wiederverwertet. Das Problem: In schriftlicher Form funktionieren einige Gags nicht. Für Kebekus-Fans bietet das Buch nur wenig Neues.

Wenn du von einem bestimmten Mechanismus in der Gesellschaft profitierst, dann bist du Teil des Systems. Wir leben nun mal in bestimmten über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen, und manche von uns profitieren davon, ohne dass uns das bewusst ist.

Auch sorgt ihre “stream of consciousness“-artige Formulierungsweise für einige Dopplungen innerhalb des eigenen Werks. Statt ihre (durch und durch angemessenen) Kritikpunkte mit Zahlen und Fakten zu füttern, verirrt sie sich in nur wenig Neues bietenden Passagen. Die konkreten Handlungsvorschläge, die Kebekus am Ende anführt, hätten eine prominentere Stellung im Buch verdient. Es fehlt teils der Mut, das Patriarchat und konkret verantwortliche Subjekte zur Rechenschaft zu ziehen.

«Es kann nur eine geben» betont die Gemeinsamkeit im Kampf gegen das Patriarchat. Carolin Kebekus geht trotz ihren locker-lustigen Schreibstil teils die Puste aus.

3/5 Sterne

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Veröffentlicht am 07.12.2021

Bitterböse Kampfansage in gesichtsloser Geschichte

Animal
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Joan will nicht mehr nur Opfer sein – Lisa Taddeos «Animals» ist eine bitterböse feministische Kampfansage


Eine von Männern gepeinigte und sexualisierte Protagonistin auf Rachezug – das liefert Lisa ...

Joan will nicht mehr nur Opfer sein – Lisa Taddeos «Animals» ist eine bitterböse feministische Kampfansage


Eine von Männern gepeinigte und sexualisierte Protagonistin auf Rachezug – das liefert Lisa Taddeo mit ihrem zweiten Roman «Animal». Mit diesem feministischen Roman möchte die US-amerikanische Schriftstellerin an den Erfolg ihres preisgekrönten Debüts «Three Woman» anknüpfen. Herausgekommen ist dabei ein durchaus unterhaltsames, aber weniger emanzipatorisches Werk, das hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.

«Animal» erzählt die Geschichte von Joan: sie ist eine von ihrer schwarzen Vergangenheit gebeutelte Figur, die aus der Großstadt in die Natur flieht. In Rückblenden rollt Taddeo diese Umstände nach und nach aus, die Joans entnervten Pessimismus auf nahezu alles nachvollziehbar machen. So bereits am Anfang: Der Roman beginnt mit einer schlagkräftigen und ziemlich heftigen Szene, die sofort mitreißt – und einen ersten Vorgeschmack auf das gibt, was die Leser*innen auf den nächsten 400 Seiten erwartet.

Die Ich-Perspektive erlaubt die ungefilterte Teilhabe an Joans Gedankenstrom; teils spricht sie ihr ungeborenes Kind in zweiter Person Singular an und gibt ihm Ratschläge mit, die sie sich über Jahre hinweg selbst erst aneignen musste. »Ich wünsche mir, dass du nicht durch die Welt gehst im Glauben, du müsstest eine vermeintliche Leere in dir mit dem Fleisch eines anderen Menschen ausfüllen. Auch deshalb erzähle ich diese Geschichte», heißt es da etwa an einer Stelle.

Schnell entpuppt sich Joan als eine von Misstrauen und Rachsucht getriebene Figur, die sich geschworen hat, sich nie wieder von patriarchalen Strukturen unterdrücken zu lassen – und wenn doch, nur mit ihrem Willen. Diese Verbitterung verbirgt einen Abschreckungsfaktor gegen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse mit Männern, denen sie sich (verständlicherweise) nicht mehr ausliefert. Diese Wut verdient es definitiv, gehört zu werden!

Jedoch verzettelt sich die Autorin in platten Täter-Opfer-Stigmata, ohne großen Raum für Selbstreflexion zu lassen. Die Hauptfigur entfremdet sich zunehmend von ihrer Außenwelt – und verliert fast vollkommen die Fähigkeit, Zuneigung (geschweige denn Liebe) zu ihren Mitmenschen zu empfinden und zu zeigen. Die Konversationen mit Alice – einer Frau, mit der Joans Leben ineinander verwoben zu sein scheint – wirken hier wie ein befreiender Ausgleich: eine Auszeit von dieser gedanklichen Welt voller Rachegedanken; Momente, in denen zumindest ein Anflug von moralischem Anspruch gilt.

Es scheint so, als wäre in «Animal» trotz ausschweifender und detailgetreuer Beschreibungen keine Figur richtig greifbar. Dadurch mutiert der Roman zu einer erschreckend gesichtslosen Handlung, die dadurch große Schlagkraft einbüßt. Der Schockfaktor über Joans schreckliche Beziehungs- und Familienverhältnisse kann nicht über die Längen hinwegtäuschen, die sich der Plot durch einige erzähltechnische Schlenker erlaubt.

Nein, es reicht nicht, „nur“ wütend zu sein: Die geballte Wut in «Animal» verdient eine große Bühne, ist aber zu plump formuliert.

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