Was bedeutet Mensch zu sein?
Über MenschenLeise und melancholisch, dann wieder sinnlich und gleichzeitig in der harten Realität verankert lässt dieser Roman den Leser nachdenklich zurück. Der Autorin ist ein wundervoller Roman gelungen, welcher ...
Leise und melancholisch, dann wieder sinnlich und gleichzeitig in der harten Realität verankert lässt dieser Roman den Leser nachdenklich zurück. Der Autorin ist ein wundervoller Roman gelungen, welcher sich mit dem menschlichen Wirken auseinandersetzt. Es stellt sich zwangsläufig die Frage: Sind wir alle die Menschen, welche wir glauben zu sein oder sind wir Lebewesen, welche von außen dazu gemacht werden, diese zu sein?
Das Cover ist sehr schlicht gehalten. Hinter einem weißen Hintergrund erkennt man eine Straße auf derer ein Hund in bequemer Haltung liegt. Mir viel Fantasie könnte es sich um die Hündin, Jochen der Rochen, handeln. Der Klappentext ist sehr ausführlich formuliert und gibt den Handlungsrahmen vor. In der wesentlichen Handlung geht es um die Marketingangestellte Dora, welche in Berlin lebt und nach ihrer Trennung von ihrem Lebensgefährten Robert in Bracken ein altes Haus gekauft hat. Dabei merkt sie schnell, dass gerade der „Sprung“ von der Stadt in das Landleben hinein eine Herausforderung ist. Schnell merkt sie, dass die Menschen hier ganz anders ticken, und erfährt eine Reise, welche sie verändern wird.
Die Hauptprotagonistin Dora ist eine selbstbewusste moderne Frau, welche jedoch von Selbstzweifeln gepeinigt wird. Sie hinterfragt oft ihr handeln und hadert mir ihrer Vergangenheit. Gleichzeitig übernimmt sie Verantwortung und stellt sich neuen Herausforderungen. Sie durchlebt eine Charakteränderung, welche sie auf eine besondere Weise verändert. Die wesentlichen Nebendarsteller der Geschichte sind Gote, ein sonderbarer Nachbar von Dora, seine Tochter Franzi, Steffen und Tom, die „Dorfgärtner“ von Bracken, Jochen der Rochen, der Hund von Dora sowie Jojo, Doras Vater. Am vielfältigsten überrascht hat mich Gote, der oft betitelte, „Dorfnazi“. Er stellt das Sinnbild eines alkoholtrinkenden „Rechtsradikalen dar“, welcher als typisches Feindbild taugt. Doch tief in seinem innersten versprüht Gote „Gefühle“, welche man ihm gar nicht so zugetraut hätte.
Der Aufbau der Geschichte ist stringent und es sind nur ein paar Zeitsprünge erkennbar. Die Geschichte spielt im Deutschland der 2020-iger Jahre zur Corona Zeit und ist damit für die Leser sehr gut einordbar. Die Spannung der Geschichte speist sich aus den Begegnungen und ihren Entwicklungen und Konflikten.
Der Schreibstil der Autorin ist malerisch, bildhaft und nur bedingt dialogorientiert, was mir sehr gut gefallen hat. Gerade die vielen verschiedenen Themen, welche die Menschen im aktuellen Zeitgeschehen sehr bewegen hat die Autorin sehr gut aufgegriffen.
Was ist Freiheit? Was ist Angst? Es gibt so viele Textpassagen, welche hier als Sinnbild dafür aufgeführt werden könnten. Ich möchte einen besonderen hier nochmals hervorheben. Auf Seite 25 schreibt die Autorin zum Corona Phänomen: „Immer mehr Begriffe machten die Runde. Lockdown, shutdown, flattening the Curve. Mortalität, Morbidität, Triage. Die Panik stieg als wären Krankheit und Tod neu erfunden worden.“ Dieser Satz bezeichnet sinnbildlich die Lage, wie unterschiedlich Menschen mit Gefahren umgehen. Sind wir alle Schwarmgesteuert? Oder ist das Individuum nicht in der Lage Gefahren einzuschätzen. Bedarf es eines Kollektivs, um Probleme zu lösen? Alle diese Fragen verbunden mit dem „Verlust der Kontrolle“ heraus hat mir sehr imponiert. Auch die Fragestellung „Sind in der Stadt alle liberal? Sind auf dem Land viele Nazis?“ Dabei ist ein weiterer Aspekt, welcher hier nahezu zieltreffend beschrieben wird sehr klar definiert. Bin ich liberal und sozial, weil ich gegen konservativ und asozial bin? Ist es andersrum oder liegt die Wahrheit in der Mitte? Ist Diversität eine Eigenschaft oder eine Bezeichnung?
Das Fazit ist sehr positiv. Die Autorin schreibt „Über Menschen“ und das in all seinen Facetten. Sie zeigt die Menschen auf ihre menschlichste, aber auch herzloseste Seite. Außen hart und innen zart; sind einzelne Charaktere nicht mit Verständnis gepaart. Eine klare Leseempfehlung für alle Leserinnen und Leser, welche am menschlichen Sein interessiert sind.