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Veröffentlicht am 14.05.2017

Unterhaltsam-köstlicher Lesetipp, nicht nur für Irland- und Bibliotheksbegeisterte

Die Bücherei am Ende der Welt
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"Die Bücherei am Ende der Welt" von Felicity H. McCoy erschien als TB im Rowohlt-Verlag, Hamburg (2017). Das fröhliche Buchcover war für mich ein Eyecatcher und ist ein schönes Outlook für den Roman, der ...

"Die Bücherei am Ende der Welt" von Felicity H. McCoy erschien als TB im Rowohlt-Verlag, Hamburg (2017). Das fröhliche Buchcover war für mich ein Eyecatcher und ist ein schönes Outlook für den Roman, der sich zwischen diesen beiden Buchdeckeln verbirgt; es führt zu Hanna Casey, die als Bibliothekarin aus Leidenschaft den Bus der Leihbücherei, die sie in Lissbeg/Halbinsel Finfarran/Irland (eine Erfindung der Autorin, aber auf jeden Fall very irish ;) leitet, über die holprigen Überlandstraßen fährt, um auch die entlegenen Dörfer oder abgelegene Cottages mit Literatur zu versorgen:

Hanna (51), lebte viele Jahre in London und lässt sich nach dem Ehebruch ihres Mannes Malcolm, einem Anwalt, der auch zu Hause zuweilen ein Verhalten zeigt, als sei er im Gerichtssaal, scheiden und kehrt, ohne finanziellen Ausgleich von ihm zu verlangen, mit der gemeinsamen Tochter Jazz (14) zu ihrer Mutter Mary Casey nach Irland zurück. Als "Zurückgekehrte" wird sie von den Dorfbewohnern in Lissbeg, wo sie die Bücherei des Ortes leitet und Hilfe durch Conor hat, argwöhnisch beäugt und ihre Mutter Mary, die not amused war, dass ihre Tochter, ohne irgendwelche Ansprüche zu stellen, recht mittellos zurückkehrt, verwickelt sie des öfteren in Streitgespräche, in denen sie ihr in vorwurfsvoller, jedoch auch für den Leser liebenswert-bissiger Manier klarmacht, dass sie eine dumme Tochter großgezogen habe....

Um diesen familiären Streitigkeiten mit Mary zu entkommen, beschließt Hanna, das alte Cottage ihrer Tante Maggie zu renovieren und nimmt hierfür einen Kredit auf. Wer diese Aufgabe kostengünstig und zuverlässig übernehmen könnte, ist ihr jedoch ein Rätsel, bis Conor eine Idee hat...

Fury O'Shea, ein kauziger Handwerker, der seinerseits nach über 20 Jahren in den Ort seiner Kindheit zurückkehrte und trotz Vorliebe, niemals über sein Handy erreichbar zu sein, sehr gute Kontakte besitzt und den Ruf, der beste Bauhandwerker vor Ort zu sein, nimmt sich auf die Anfrage Conors des alten und baufälligen Anwesens gerne an; hat doch Maggie Casey ihm seinerzeit durch Aufträge ermöglicht, das Weite zu suchen....

Über den Renovierungsarbeiten vor Ort, in den auch Ziegen ihren Anteil leisten, gehen Gerüchte um, dass die Bezirksverwaltung plant, die Bücherei in Lissbeg zu schließen und neue touristische Magnete in diese wundervolle Landschaft der Halbinsel zu setzen: Eine neue und große Bezirksverwaltung soll her, in dem alles unter einem Dach für den Bürger vorhanden sein soll - nicht mit einem alternativen Vorschlag der Bewohner Lissbegs und Umgebung rechnend, planen Schwester Michael, die neben der Bibliothek in einem alten Kloster wohnt, Hanna und Conor sowie weitere Helfer und "Netzwerker" nun einen Gegenangriff, den auch Fury mit Argusaugen liebäugelnd beobachtet.

Felicity H. McCoy hat einen sehr unterhaltsamen Schreibstil, der mir viele entspannende und schöne Lesestunden bescherte. Die irische Mentalität ist sehr gut eingefangen, von der die Autorin natürlich selbst durchwirkt ist und mir haben die Romanfiguren, allen voran Fury, Mary, Conor und natürlich Hanna sowie die Ordensschwester sehr gut gefallen. Die Bissigkeit in den Dialogen und die schrägen Charaktere taten ein Übriges. Auch geht der Roman auf soziale Realitäten ein, die beschreiben, wie sehr Menschen auf ihren Arbeitsplatz als Existenzgrundlage angewiesen sind und dass es in ländlichen Gebieten überall Menschen gibt, die zu Hause mit anpacken müssen (auf einer Farm z.B. wie Conor) und durch ihre Teilzeitbeschäftigung das Leben einer ganzen Familie sichern helfen. Auch die Farce von sog. "Bürgerversammlungen", wobei den Bürgern doch nicht zugehört wird und alles längst beschlossene Sache ist, zeigt sozialkritische Züge. Der Bezug zur Bibliothek, in der es teils kuriose Besucher gibt und zur Literatur an sich hat mir ebenfalls sehr gefallen (ich liebe Bibliotheken) ;)
Auch kommt die Sprache im Roman auf ein sehr wertvolles (evtl. ebenfalls erfundenes) Buch, das jedoch die Erwähnung des berühmten "Book of Kells" findet sowie ein jahrhundertealter Leseständer, der von Fury restauriert wird und eine gewichtige Rolle spielen wird, wenn es um die Erfüllung von Hannas Traum, das Cottage ihrer Tante wirklich beziehen zu können, geht.

Fazit:


Ein lesenswerter und sehr unterhaltsamer Roman über eine irische Bibliothekarin in mittlerem Alter; ein Schmöker, den ich aufgrund des Schreibstils der Autorin und der humorvoll-schrägen Dialoge und Charaktere gerne gelesen habe. Auch die Beschreibungen der Landschaft der grünen Insel entführen nach Irland, das man, nach dem Liebgewinnen der grantig-dickschädeligen Mary Casey oder Furey leider auf der letzten Seite wieder verlassen muss. Eine Leseempfehlung für Frauen, gerne 50+ (was mir persönlich sehr gefiel) und für Menschen, die Irland und Bibliotheken sehr mögen. Für alle anderen jedoch ebenfalls ;) Ich vergebe 4 * und hoffe, von der Autorin noch mehr lesen zu können.

Veröffentlicht am 14.05.2017

Die Geschichte über eine Schublade voller "ganz persönlicher Erinnerungen"

Museum der Erinnerung
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"Museum der Erinnerung" von Anna Stothard erschien (Paperback) im Diogenes-Verlag, 2017 und ist eine sehr lesenswerte Geschichte über eine junge Frau, die ihre persönlichen Erinnerungen in einem alten ...

"Museum der Erinnerung" von Anna Stothard erschien (Paperback) im Diogenes-Verlag, 2017 und ist eine sehr lesenswerte Geschichte über eine junge Frau, die ihre persönlichen Erinnerungen in einem alten Schrank in ihrem Büro, das sich im Berliner Naturkundemuseum befindet, in dem sie wissenschaftlich arbeitet, aufbewahrt. Als Tochter eines Vogelbeobachters an der englischen Küste war Cathy bereits als Kind gerne damit beschäftigt, den Strand nach allerlei interessanten Dingen 'abzugrasen', die später der "Anker zu ihren Gefühlen" werden sollten.

Sie freundete sich mit Jack an, dessen großer Bruder Daniel die beiden 10jährigen neugierig beobachtete und einige Jahre älter war als Cathy: Ein großes Rätsel dieses Romans ist der Unfall von Jack und die dramatischen Ereignisse, die daraufhin folgten. Cathy kann sich nach Jahren einer von Gewalt bestimmten Beziehung von Daniel trennen, lebt jedoch in ständiger Angst, dass er sie entdecken könnte. Daher ändert sie ständig ihre Adresse und ihre E-Mail-Daten, da sie dennoch überall, wo sie sich aufhält, diverse Päckchen von ihm erhält, die auf die gemeinsame Vergangenheit schließen lassen.

In den Vereinigten Staaten, wo Cathy, die sehr menschenscheu und etwas unnahbar ist, Tom kennenlernt, verlieben sich beide ineinander und beschließen, gemeinsam nach Berlin zu gehen, wo beiden eine Stelle im Naturkundemuseum angeboten wurde. Auch hier findet Cathy eines Tages ein Päckchen vor, das sie zutiefst verschreckt....

Anna Stothard gelingt es in einem wirklich brillanten Sprachstil, die Gefühlswelt Cathys fast seziererisch zu benennen und die Geschichte wird von einer Sprachgewalt und gleichzeitiger Sensibilität beherrscht, die mir sehr gut gefallen hat. Besonders gelingt es der Autorin, die Atmosphäre und die Räume wie die Exponate in Cathys Arbeitswelt, dem Naturkundemuseum in Berlin, zu beschreiben, so dass man sich das sehr spezifische Interieur und die ausgestopften Tiere sehr gut vorstellen kann.Sowohl Cathy als auch Tom und Daniel werden sehr facettenreich beschrieben und ihre Handlungen sind nachvollziehbar. Tom mit seiner sensiblen und empathischen Art ist das genaue Gegenteil von Daniel, der eine Unberechenbarkeit und Gewalt über Cathys Leben brachte, der sie nur durch Flucht entrinnen konnte.

Durch Rückblenden klären sich die Geschehnisse, was damals am englischen Strand wirklich passierte, auf und das Ende der Geschichte ist für beide Protagonisten - also Cathy und Daniel - in gewisser Weise heilsam, da sie alte Wunden und Schuldgefühle endlich aussprechen. So endet der Roman auch mit einem wunderschönen Satz, der dem Leser für die Protagonistin Hoffnung gibt und wie eine Befreiung wirkt. In gewisser Weise fand ich Cathy selbst wie die Objekte ihrer Forschungsarbeit: Die Stadien der Entwicklung sind bei manchen Tierarten vielleicht mit denen der menschlichen zu vergleichen; auch Cathy durchschritt Phasen ihrer eigenen Metamorphosen - die von der Autorin sehr sensibel und sprachgewandt beschrieben werden.

Fazit:

Eine lesenswerte Geschichte der Befreiung von alter Schuld, Schuldzuweisungen und -gefühlen, die von Anna Stothard in außergewöhnlich brillantem Sprachstil (ein danke an die Übersetzerin an dieser Stelle!) umgesetzt wurde. Ich vergebe 4 Sterne und bedanke mich für die interessante Leserunde bei 'Lovelybooks' und beim Diogenes-Verlag.

Veröffentlicht am 30.04.2017

Tanztee oder Neues aus dem "Alt-aber-noch-nicht-tot"-Club!!

Tanztee
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Bei "Tanztee - Das neue geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 85 Jahre" handelt es sich um die Fortsetzung des ersten Romans "Eierlikörtage" und - ohne diesen gelesen zu haben, bin ich überzeugt, dass der ...

Bei "Tanztee - Das neue geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 85 Jahre" handelt es sich um die Fortsetzung des ersten Romans "Eierlikörtage" und - ohne diesen gelesen zu haben, bin ich überzeugt, dass der Leser sich ebenso amüsiert und schmunzelnd zuweilen zurücklehnt wie im "Tanztee". Der Roman erschien im Piper-Verlag 2017 als Hardcover, gebunden und mit Lesebändchen ausgestattet; der Protagonist bzw. der Autor?? ist die zeichnerische Abbildung des Hendrik Groen, seines Zeichens ein sehr rüstiger und vor allem humorvoller Beobachter des Innenlebens seines Seniorenheims, in dem er lebt - wie auch der Außenwelt, die ihn noch immer mächtig interessiert und über die er sich den einen oder auch den anderen (gar nicht so abwegigen) Gedanken macht.... Ebenso wie über seine teils skurrilen Mit-Seniorenheimbewohner, die er in die "Wüter" (die, die sich über alles und jeden aufregen) und die "Lächler" unterscheidet, das sind diejenigen, die für alle Anfeindungen ein Lächeln übrig haben...

Hendrik hasst "alte Meckerpötte" und beschließt, mit seinen Freunden, den Clubmitgliedern des "Alanito", einen Tisch mit der Präambel "Hier wird nicht über Krankheiten oder über den Tod gesprochen, wenn überhaupt, nur gewitzelt" bei der Heimleitung durchzusetzen, der nicht nur bei der Alanito-Bewegung AnhängerInnen findet... Reglementierungen mag er ebenfalls nicht und plädiert für die weitestgehende Selbstbestimmung, da kommt der alte Grundschuldirektor zuweilen in ihm durch...

Der humorvolle Senior, den dennoch so manches "Zipperlein" plagt, liebt Ausflüge mit seinen Freunden des Alanito-Clubs, deren Zahl 8 nicht übersteigen darf, weil ansonsten der Leihbus zu klein wäre und hat ein ganz besonders freundschaftliches "Alte-Männer" Verhältnis zu Evert, mit dem er gerne Schach spielt und nach so manchem Essen noch einen Absacker in Form von Cognak, Eierlikör oder auch Whisky zu sich nimmt: Da zwei der Mitglieder leidenschaftliche Köche sind (Antoine und Ria), sucht sich der Club immer ein neues Restaurant aus, um möglichst viele internationale Küchen kennenzulernen. Doch Hendrik mag auch Scooterausflüge in den nahen Naturpark mit Geert - und später Evert, der sich auf seine alten (und kranken) Tage auch noch auf solch ein Gefährt traut; dies sind dann wahrlich "glückliche Tage"....

Er ist ziemlich eitel (gehört also nicht zu den "Zerfledderten", die nicht mehr auf ihr Äußeres achten) und liebt Statistiken wie auch die Übereinstimmungen zwischen alten Menschen und Kindern, derer es eine ganze Reihe gibt ;)

Zwischendurch gibt es immer wieder (kritische) Zustandsbeschreibungen der anderen Senioren, die einen realen Hintergrund durchaus haben: "Die fitten 70er bleiben aus, es kommen Trottel von weit über 80 und das Durchschnittsalter (im Seniorenheim) geht so gegen 90" (Zitat S. 27).
Gegen verletzende und "Wüter" wird solidarisch mit dem Alanito-Club vorgegangen und als Evert aus dem Grunde, dass er schwer erkrankte und vermutlich nicht mehr lange zu leben hat, diesen Job nicht mehr ausführen kann (er war der sympathischste Querulant in der Karriere der Frau S., Heimleiterin), treten die Clubmitglieder an dessen Stelle....

Auch Themen wie Demenz und der nahende Tod werden nicht ausgespart, aber immer augenzwinkernd und humorvoll aufs Korn genommen: Der Kernpunkt liegt hier in der Aussage, sein Leben mit Freude und Genuss bis zum letzten Tage auszukosten - und diesem Motto tragen Hendrik und seine Freunde in diesem witzigen, zuweilen aberwitzigen Roman absolut Rechnung!!
Der Stil des Autors ist sensibel, berührend, klug und sehr unterhaltsam; es werden mit viel Humor auch traurige Wahrheiten propagiert, die "inneren Angelegenheiten" des Seniorenheims kritisiert und analysiert, aber auch Fragen zur Weltpolitik, Nationalismus, Flüchtlinge und politisches Machtgefüge kommen nicht zu kurz; zuweilen lassen einen die statements, die durchaus einen realen Hintergrund haben, auch das Lachen aus dem Gesicht fallen, manche grenzen an Sarkasmus...

Fazit:

"Alanito - ein strahlendes Licht in dunklen Zeiten" - trotz Zipperlein des Alters, Krankheit, Tod eines Mitglieds beschwören Hendrik und seine Freunde die Kraft der Liebe und Freundschaft sowie den Antrieb, bis zum Lebensende vieles selbstbestimmt wählen zu können. Es bleibt zu hoffen, dass es in den nächsten Jahrzehnten (die Gesellschaft vergreist!) Tausende neuer "Alanito-Clubs" in europäischen Seniorenheimen geben wird; frei nach dem Motto der Gründer: "Nicht jammern, AKTIV SEIN!" Von mir 4,5 Sterne und eine alterslose Leseempfehlung ;)

Veröffentlicht am 12.04.2017

Familiengeheimnisse auf griechischen Inselpfaden

Olivensommer
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"Olivensommer" von Isabelle Broom erschien (in Übersetzung vom Englischen in Deutsche von Uta Rupprecht) als TB, broschiert im Diana-Verlag (Verlagsgruppe Randomhouse), 2017.

Schon das dekorativ gestaltete ...

"Olivensommer" von Isabelle Broom erschien (in Übersetzung vom Englischen in Deutsche von Uta Rupprecht) als TB, broschiert im Diana-Verlag (Verlagsgruppe Randomhouse), 2017.

Schon das dekorativ gestaltete Cover deutet darauf hin, wo der Roman verortet sein könnte: Hier ist es Griechenland, genauer gesagt, die Ionische Insel Zakynthos, auf der der Leser auf den Spuren Hollys weilt und die zauberhaft beschrieben wurde:

"Seit dem Tod ihrer Mutter ist Holly Expertin darin, Menschen auf Abstand zu halten. Doch als sie einen unerwarteten Brief ihrer Tante aus Zakynthos erhält, beginnen die Mauern zu bröckeln. Holly reist auf die griechische Insel und versucht, den Spuren ihrer Familie zu folgen - einer Familie, von deren Existenz sie zuvor nichts wusste. Warum hat ihre Mutter nie von ihrer Schwester erzählt? Und was hat es mit der handgezeichneten Karte auf sich, die Holly und ihr Nachbar Aidan in einem alten Haus finden?"
(Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:

Holly, Ende zwanzig und mit Rupert, einem ehrgeizigen Banker liiert, sucht für sich den richtigen Lebensweg, als sie unerwartet der Brief ihrer Tante Sandra aus Griechenland erreicht. Sandra, von deren Existenz sie nichts wusste, vererbt Holly ein Haus auf der Insel Zakynthos. Holly reist nach Griechenland, um sich das Haus anzusehen und befindet sich damit bereits auf den Spuren zu ihrer eigenen Geschichte bzw. der ihrer Familie:
Als Kind litt Holly unter dem Alkoholmissbrauch ihrer Mutter, die auch an den Folgen ihres Alkoholismus starb. Wut- und Schamgefühle bestimmen seither ihr Leben mit. Der Brief und die Erbschaft werfen nun Fragen auf: Weshalb hatten sich die beiden Schwestern so zerstritten? Wer ist der leibliche Vater von Holly?

Nach ihrer Ankunft lernt sie den Nachbarn Aidan kennen, der als Tierarzt seit einigen Jahren auf der Insel wohnt. Er bietet ihr an, sie an die Stellen der Insel zu führen, die Holly auf der Karte im Haus der Tante gefunden hat: So folgen beide den Spuren von Jenny und Sandra, als es nach holprigem Beginn der Bekanntschaft anfängt zu knistern....

Es handelt sich um einen Entwicklungs- und Frauenroman, der teils in London und teils in Griechenland, Zakynthos verortet ist: Die Autorin hat es sehr gut verstanden, sowohl Holly als auch ihre aufkeimende Liebe zur Insel in all ihrer inneren Zerrissenheit darzustellen: In London leidet sie unter Schlaflosigkeit, während sie auf der Insel wunderbar schläft; in ihrem Leben in London gibt es einen Job, der sie im Grunde nicht auslastet und einige wenige Freunde. Vor allem aber gibt es einen Freund, Rupert, mit dem sie sich vielleicht eine Zukunft vorstellen könnte - aber ist es der für sie richtige Weg?

Ihr wird klar, dass sie nur auf Zakynthos die Rätsel um ihre Familie lösen kann und hat Unterstützung durch Aidan, der als einziger unter die Schuppen blicken kann, die sie sich hat wachsen lassen - ebenso wie die Schildkröten, die im Meer vor der Insel zu finden sind, pellt sich auch Holly nach und nach aus ihrem Ei und versucht, instinktiv das Richtige zu tun, um ihrem Leben Sinn zu geben und es selbstbestimmt zu führen: Sie tritt die Reise zu sich selbst an und stellt sich ihren Problemen...

Isabelle Broom hat einen flüssig zu lesenden Schreibstil und es ist ihr gelungen, eine Geschichte über Familiengeheimnisse, die eine junge Frau zu lösen hat, auf einer wunderschönen griechischen Insel darzustellen, deren Beschreibungen mich schon fasziniert haben und mich literarisch auf die Inseln zurückzuführen, die ich selbst kenne (Kos, Leros, Korfu z.B.) - Ihr Schreibstil ist authentisch und die Hauptprotagonisten sind realistisch dargestellt; lediglich mit Hollys emotionalen Wirrungen hatte ich nicht so viel anfangen können. Sehr viel hingegen mit ihrer Kreativität und ihrer Entwicklung, die sehr positiv ist - und bei der es gegen Ende des Romans romantisch, ehrlich und auch tragisch zugeht...

Themen dieses Débutromans, den ich im Genre Frauen- und Entwicklungsromane, auch Liebesromane ansiedeln würde, sind vielfältig vorhanden und werden recht schlüssig behandelt; so z.B. Schuldgefühle, Verzeihen, Liebe, Verrat, Familiengeheimnisse, Selbstakzeptanz und die Übernahme von Selbstverantwortung.

Fazit:

"Olivensommer" empfehle ich gerne weiter; besonders LeserInnen, die Frauen- und Liebesromane in Zusammenhang mit Familiengeheimnissen mögen und ein Faible für das wunderschöne Hellas mitbringen - egal ob es die Ionischen Insel, den Dodekanes, den Peleponnes oder sonst eine griechische Region ist: Ich würde es auf jeden Fall mitnehmen als sehr geeigneten Roman für den Urlaub - oder einem literarisch schönen und durchaus lesenswerten Ausflug nach Hellas! Ich vergebe 4 Sterne.

Veröffentlicht am 04.04.2017

Szenen einer (englischen) Ehe

Eine englische Ehe
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"Eine englische Ehe" von Claire Fuller ist ein Débutroman, der (aus dem Englischen Original mit dem Titel "Swimming Lessons" übersetzt von Susanne Höbel) im Piper-Verlag als HC, gebunden mit Lesebändchen, ...

"Eine englische Ehe" von Claire Fuller ist ein Débutroman, der (aus dem Englischen Original mit dem Titel "Swimming Lessons" übersetzt von Susanne Höbel) im Piper-Verlag als HC, gebunden mit Lesebändchen, 2017 erschienen. Das schöne Cover, das sowohl im Original als auch auf Deutsch das Buchäußere ziert, passt sehr gut zu einer Frau, die es liebt, frühmorgens im Meer zu baden...
Der Roman beginnt im Prolog mit einer Szene, in der Gil Coleman, ein Literaturprofessor und angesehener Schriftsteller Anfang 40, seine seit vielen Jahren totgeglaubte Frau Ingrid zu sehen und kurz später verunglückt. Flora, seine jüngste Tochter und Nan, die Ältere, fahren zu ihrem Vater, da er in der nächsten Zeit nicht alleine sein kann....
Ingrid, die Studentin, die sich einst in ihren Professor Gil verliebte und mit ihm eine Liebesbeziehung einging, entgegen der Warnungen einiger Freunde diesen auch heiratete, verschwand spurlos und verließ die Familie, als Flora gerade 10 Jahre alt war. Auffallend ist hier der große Altersunterschied des Ehepaares, wobei Ingrid wusste, bevor sie die Ehe mit ihm einging, dass er als Frauenheld verschrien war. Gil sammelt zeitlebens Bücher wegen der Anmerkungen und Kritzeleien von Lesern oder Fotos, Quittungen etc. die sich oft in Büchern befinden, so ist sein Haus voller Bücher.Während Nan sich mit dem Verlust der Mutter abfindet und in deren Rolle schlüpft, trifft es die jüngere Flora umso heftiger, die sich fortan nach ihrer Mutter sehnt und in deren Kleider schlüpft...
In Rückblicken beschreibt Ingrid in Briefen an Gil, die sie stets (thematisch passend) in seine Bücher steckte und die seine häufige Abwesenheit und ihre Sehnsucht nach ihm bezeugen, die Anfänge ihrer Beziehung. Der zweite Erzählstrang handelt von Flora, die wohl vieles mit der Mutter gemeinsam hat und ebenso gerne frühmorgens im Meer schwimmen geht - die Familie lebt an der englischen Küste, der Strand ist unweit vom Haus. In den Worten Ingrids liegt anfangs eine gewisse Naivität, die ihrem Alter geschuldet ist - sie ist Anfang 20 - und der unschönen Situation, meist mit den Mädchen alleine zu sein, während Gil unter der Behauptung, sich mit Verlagsmitarbeitern zu treffen oder Besprechungen zu haben, seine Bücher betreffend, sie betrügt.
Als Nan, die erste Tochter, zur Welt kommt, wird Ingrid bewusst, dass nun die Idee, mit ihrer Studienfreundin Louise zu reisen und sich die Welt anzusehen, in weite unerreichbare Ferne rückt...
Während Floras Geschichte in der Gegenwart spielt, ihren Freund Richard mit einschließt, der für den erkrankten Vater eine Hilfe sein möchte und die morbiden Familienstrukturen, auch anhand diverser Reaktionen von Flora, erkennt, liest man immer mehr von Ingrids Briefen, die in die (eheliche) Vergangenheit reisen: Mich hat die Tatsache, dass der wesentlich ältere Gil mit einer solch jungen und lebensfrohen Frau eine Familie gründen wollte (für sein eigenes Ego?) und sie dann nicht nur alleine lässt, sondern auch betrügt, sehr an diesem Protagonisten geärgert: Seine Selbstsucht und auch die Verantwortungslosigkeit für beide Töchter sind anhand seines beschriebenen Verhaltens sehr ersichtlich; während er seine Familie kurzerhand an der Küste "parkt", vergnügt er sich gerne in London und führt im Grunde sein voriges Leben weiter, während Ingrid die Freiheit gesucht hatte und in ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau gefangen war. Die einzige Freiheit findet sie beim allmorgendlichen Schwimmen im Meer, wo sie bis zur Boje schwimmt und - zurück.
Während gegen Ende des Romans die Emotionen hochschlagen, wird das neue Buch von Gil ein Erfolg - den er im Grunde seiner Frau Ingrid zu verdanken hat. Es folgt eine weitere Kränkung Ingrids...
Der Stil von Claire Fuller hat mir sehr imponiert und auch gefallen; sie erzählt in sensibler Sprache und eher leisen Tönen vom Schicksal einer jungen Frau, die in ein Leben "geschubst" wurde, das sie im Grunde gar nicht wollte. Statt einem eintönigen und verantwortungsvollen Eheleben wollte sie die Welt bereisen, Abenteuer erleben - und eigene Wünsche und Vorstellungen erfüllen. Diese tragische Entwicklung und das Schwimmen als Ausgleich und Ingrids Ausdruck von Lebensfreude und Freiheit durchziehen den gesamten Roman. Die Figur des Gil war mir sehr unsympathisch, da ich ihn selbstsüchtig, untreu und durch stete Abwesenheit glänzend beschrieben fand. Für Ingrid hätte ich mir ein Leben gewünscht, das nach ihren Vorstellungen hätte verlaufen können. Das Trauma , in diesem Falle die elementare Erfahrung des Verlusts der Mutter, kommt durch Flora sehr gut zum Tragen.
Andere Themen des Romans sind auch Verrat, Betrug, Verzweiflung, aber auch Freundschaft, die bei Jonathan sowohl zu Gil als auch zu Ingrid zutage tritt. Leider bleibt bis zum Ende unklar, ob Ingrid noch am Leben ist - oder dieses vielleicht selbst beendet hat. Ich habe da meine eigene Theorie...

Fazit:

Ein ernsthafter, durchaus lesenswerter und sehr sensibel geschriebener Roman über den verhinderten Lebensentwurf einer jungen Frau; tragisch, teils von Melancholie begleitet, dessen englischen Titel ich hier noch passender fand. Ich vergebe gerne 4 Sterne und eine Leseempfehlung für Leser von Beziehungsromanen, die zum Nachdenken anregen.