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Veröffentlicht am 22.02.2022

Bewegendes Krimi-Drama um einen Journalisten und das große Geheimnis seines toten Vaters

Die Schreie am Rande der Stadt
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Mit diesem Buch legt der Autor Stefan Barz eine gelungene Mischung aus Krimi und Drama vor, die auf zwei Zeitebenen erzählt wird und mich dabei auf ganzer Linie überzeugen konnte.

Als Martin Tesche im ...

Mit diesem Buch legt der Autor Stefan Barz eine gelungene Mischung aus Krimi und Drama vor, die auf zwei Zeitebenen erzählt wird und mich dabei auf ganzer Linie überzeugen konnte.

Als Martin Tesche im Jahr 1993 die Wohnung seines kürzlich verstorbenen Vaters Johannes auflöst, stößt er auf ein altes Tagebuch mit einer verwirrenden Eintragung. Hat sein Vater im Jahr 1933 einen Menschen ermordet oder war zumindest an einer solchen Tat beteiligt ? Um Gewissheit zu erlangen, stürzt sich der Journalist in die mühseligen Recherchen. Wird es ihm gelingen, das große Geheimnis seines Vaters zu lösen ?

Mit einem packenden Schreibstil und einigen überraschenden Wendungen treibt der Autor seine gut aufgebaute Geschichte voran. Die Recherchen des Journalisten bilden dabei eher die Rahmenhandlung, Kern der Geschichte ist der Erzählstrang aus dem Jahr 1933, in dem Johannes und seine Freunde mit den aktuellen politischen Entwicklungen konfrontiert werden und sich mit ihren Folgen auseinandersetzten müssen. Dies stellt ihre Freundschaft auf eine harte Probe und setzt eine Entwicklung in Gang, die unweigerlich in der Katastrophe endet. Getragen wird das Ganze von gut gezeichneten und vielschichtig angelegten Protagonisten in Haupt- und vermeintlichen Nebenrollen. Und auch die Stadt Wuppertal und seine nähere Umgebung spielen in dieser Geschichte eine wichtige Rolle, besonders dem Konzentrationslager in einer Putzwollfabrik im Ortsteil Kemna fällt dabei eine Schlüsselrolle zu. Auch wenn die Geschichte und die Figuren des Buches fiktiv sind, hält sich der Autor doch eng an die tatsächlichen Begebenheiten der damaligen Zeit, ein Nachwort am Ende gibt dann auch Auskunft über Dichtung und Wahrheit und rundet dieses bewegende Buch damit auf gelungene Art und Weise ab.

Wer auf spannende und dramatische historische Krimis mit reichlich Lokalkolorit steht, wird hier bestens bedient und unterhalten.

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Packender Polit-Thriller vor der Kulisse des Krieges um die Unabhängigkeit Algeriens

Wie wir töten, wie wir sterben - Shortlist Crime Cologne Award 2022
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Mit dieser gelungenen Mischung aus Thriller und historischem Roman konnte mich der Autor Martin von Arndt erneut auf ganzer Linie überzeugen. Die Geschichte ist diesmal im Jahr 1961 angesiedelt und spielt ...

Mit dieser gelungenen Mischung aus Thriller und historischem Roman konnte mich der Autor Martin von Arndt erneut auf ganzer Linie überzeugen. Die Geschichte ist diesmal im Jahr 1961 angesiedelt und spielt vor dem Hintergrund des Krieges um die Unabhängigkeit Algeriens, der von 1954 bis 1962 tobte.

Man kann das Buch auch ohne Vorkenntnisse aus den ersten drei Büchern der Reihe, in denen noch der ehemalige Polizist Andreas Eckart als Handlungsträger fungiert, problemlos lesen und nachvollziehen, obwohl hier einige Akteure mitmischen, die auch in diesen Büchern bereits mit dabei waren. Alle erforderlichen Informationen zu diesen Protagonisten und ihrer Vorgeschichte werden gut in die laufende Handlung eingebunden, ohne dabei den Lesefluss zu stören.

Fünf Jahre sind seit dem Tod von Andreas Eckart vergangen. Sein ehemaliger Mitstreiter Daniele „Dan“ Vanuzzi versucht, sich mit kleineren Aufträgen und als Boxer über Wasser zu halten, als sich ihm doch noch eine neue Chance bietet. Im Auftrag des französischen Auslandsgeheimdienstes soll er zwei Mitglieder der algerischen Befreiungsarmee aufspüren, die als Kriegsverbrecher gesucht werden und in Deutschland untergetaucht sind. Zeitgleich ist der Mossad-Agent Ephraim Rosenberg, ebenfalls ein alter Bekannter von Andreas Eckart, auf der Suche nach dem ehemaligen KZ-Kommandanten Arthur Florstedt, der auch für den Tod von Rosenbergs Familie verantwortlich ist. Als sich die Fährten der beiden Jäger kreuzen, beschließen sie, sich gegenseitig zu unterstützen, ahnen aber nicht, in welches Wespennest sie dabei stechen.

Auch in diesem Buch gelingt es dem Autoren, nicht nur eine spannende und gut aufgebaute Geschichte zu erzählen, mit seinem packenden Schreibstil fängt er zudem die Atmosphäre der damaligen Zeit auch sehr gut ein. Mit einer bildhaften Sprache, die das Kopfkino beim Lesen mächtig ankurbelt, und der äußerst gelungenen Charakterisierung der Protagonisten, die durchgehend ausgesprochen vielschichtig angelegt sind, entwickelt sich eine komplexe Geschichte, die mit jeder Seite eine immer größere Sogwirkung entwickelt. Der Wechsel der Hauptfigur funktioniert dabei völlig reibungslos, das hohe Niveau der vorherigen Bücher wird mühelos gehalten.
Definitiv kein Buch für zwischendurch, hier muss man schon aufmerksam lesen, um den Überblick über das Geschehen mit seinen zahlreichen politischen Verwicklungen und Ränkelspielen im Hintergrund nicht zu verlieren.

Der algerische Befreiungskrieg war mir vor der Lektüre nur wenig bekannt, so dass mir das Buch neben spannender Unterhaltung auch noch einige interessante Informationen und Einblicke in dieses eher dunkle Kapitel der europäischen Kolonialgeschichte bieten konnte, dessen Auswirkungen bis in die heutige Zeit spürbar sind.

Wer auf spannende und atmosphärisch dichte historische Romane aus der Welt der Geheimdienste steht, wird hier bestens bedient und unterhalten.

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Veröffentlicht am 02.02.2022

Packender und atmosphärisch dichter historischer Roman um den Bau der Karlsbrücke in Prag

Die Brücke der Ewigkeit
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Mit diesem Buch legt der Autor Wolf Hector, hinter dem Thomas Ziebula verbirgt und der auch bereits unter einigen anderen Pseudonymen, wie z. B. Ruben Laurin, veröffentlicht hat, einen packenden und atmosphärisch ...

Mit diesem Buch legt der Autor Wolf Hector, hinter dem Thomas Ziebula verbirgt und der auch bereits unter einigen anderen Pseudonymen, wie z. B. Ruben Laurin, veröffentlicht hat, einen packenden und atmosphärisch dichten historischen Roman vor, der mich auf ganzer Linie überzeugen und begeistern konnte.

Der halbwüchsige Jan Otlin muss im Jahr 1342 mitansehen, wie die Judithbrücke in Prag einstürzt und auch seine Mutter mit in die Tiefe reißt. In seiner Verzweiflung stößt er den Schwur aus, dass, wenn Gott sie zu retten vermag, er ihm zu Ehren eine neue Brücke über die Moldau bauen würde, eine Brücke für die Ewigkeit. Und tatsächlich überlebt seine Mutter das Unglück. Knapp 25 Jahre später ergibt sich für Jan dann tatsächlich die Gelegenheit, seinen Schwur zu erfüllen. Kaiser Karl IV. will eine neue Brücke an der Stelle der alten Brücke errichten lassen und ruft einen Wettbewerb aus, dessen Gewinner zum neuen Brückenbaumeister von Prag ernannt werden soll. In Rudolph von Straßburg hat Jan dabei allerdings einen Konkurrenten, der vor nichts zurückschreckt, um ihm das Amt streitig zu machen.

Mit einem packenden Schreibstil und viel Liebe zum Detail konnte mich der Autor mit jeder Seite immer tiefer in den Bann der gut aufgebauten Geschichte ziehen. Getragen wird diese durch fein gezeichnete und vielschichtig angelegte Charaktere in Haupt- und vermeintlichen Nebenrollen, mit denen man beim Lesen gerne mitfiebert. Dabei hält sich der Autor eng an die historischen Fakten, wie eine Zeittafel zu Beginn des Buches belegt, versteht es aber auch meisterhaft, die durchaus vorhandenen Lücken dazwischen mit viel Phantasie zu füllen, ohne das Gesamtbild zu verfälschen.

Neben der Zeittafel sind auch das Personenregister mit der Zusatzinformation, welche der Protagonisten historisch belegt sind, und eine Karte der Stadt Prag sehr hilfreich, um sich in der komplexen Geschichte mit seinem doch recht hohen Personenaufgebot zurechtzufinden. Ein Nachwort, das Auskunft über Dichtung und Wahrheit gibt, und ein Glossar runden das Buch am Ende hervorragend ab und lassen endgültig keine Fragen mehr offen.

Da ich selber seit vielen Jahren im Brückenbau tätig bin, haben mich die Beschreibungen der Bauabläufe an dem später unter dem Namen Karlsbrücke bekannt gewordenen Bauwerk natürlich besonders interessiert und fasziniert. Dabei gab es auch durchaus einiges Neues zu entdecken. Quark und Eier als Zuschlagstoffe für Zement bzw. Beton waren mir bislang zumindest nicht geläufig. Dem Autoren geling es dabei auf hervorragende Art und Weise, die Bauabläufe so zu beschreiben, das sie auch für Laien auf dem Gebiet des Brückenbaues problemlos zu verstehen sind. Zumal hier die Geschichte um den Brückenbau sowieso klar im Vordergrund steht.

Liebhaber von prallen historischen Romane mit einer ordentlichen Portion Mittelalter werden hier somit bestens bedient und unterhalten.

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Veröffentlicht am 27.01.2022

Packende Chronik, die weit über den Tellerrand des Fußballs hinausblickt

71/72
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Mit diesem Buch gelingt dem Autoren Bernd-M. Beyer nicht nur eine wunderbare Chronik einer außergewöhnlichen Bundesligasaison, sondern er schaut dabei auch weit über den Tellerrand des Fußballs hinaus ...

Mit diesem Buch gelingt dem Autoren Bernd-M. Beyer nicht nur eine wunderbare Chronik einer außergewöhnlichen Bundesligasaison, sondern er schaut dabei auch weit über den Tellerrand des Fußballs hinaus und liefert so das sehr facettenreiche Portrait einer gespaltenen Gesellschaft. Die Auszeichnung als Fußballbuch des Jahres 2021 hat sich dieses Werk auf jeden Fall mehr als verdient.

Die Bundesligasaison 1971/1972 ist nicht nur in sportlicher Hinsicht mehr als außergewöhnlich. Es gibt einen spannenden Kampf um die Meisterschaft, an dem lange Zeit drei Mannschaften beteiligt sind und in dem die Entscheidung erst am allerletzten Spieltag im direkten Duell zwischen dem FC Bayern München und dem FC Schalke 04 fällt. Zudem ist die Saison auch für die deutsche Fußballnationalmannschaft sehr erfolgreich, da sie im Sommer 1972 den Titel des Europameisters gewinnen kann und auf dem Weg dahin mit tollem und spektakulärem Fußball begeistert. Es gibt aber auch eine ganze Reihe kleinerer Ereignisse, die diese Saison zu einer besonderen machen, z. B. das Abschiedsspiel der HSV-Legende Uwe Seeler. Doch es liegt auch ein ziemlich dunkler Schatten über der Saison. Im Sommer 1971 hat der Präsident von Kickers Offenbach in einer spektakulären Aktion einen Bestechungsskandal enthüllt und die nachfolgende Saison steht ganz im Zeichen der Aufarbeitung dieser Ereignisse, an der der DFB zunächst erstaunlich wenig Interesse zeigt, da kein Schatten auf die bevorstehenden olympischen Spiele 1972 und die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 fallen soll.

Doch nicht nur im Fußball hat das aufregende Jahr zwischen Sommer 1971 und Sommer 1972 eine Menge zu bieten. Die sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt muss ein Misstrauensvotum überstehen, bei dem es ähnlich wie beim Fußball zu seltsamen Geldflüssen kommt, diesmal aber, um Stimmen und keine Spiele zu kaufen. Die Rote-Armee-Fraktion hält das Land weiterhin in Atem und als im Sommer 1972 ihre führenden Köpfe verhaftet werden, ist der Spuk noch lange nicht vorbei. Durch die fortwährenden Demonstrationen der 68er-Bewegung liegt zudem ein Hauch von Protest und Aufbruch in der Luft, zu dem die Band Ton Steine Scherben mit ihrem Frontmann Rio Reiser den passenden Sound liefert.

All dies arbeitet der Autor chronologisch auf und lässt einen mit seinem packenden Schreibstil tief in die Zeit eintauchen und den damaligen Zeitgeist spüren. Der Untertitel „Die Saison der Träumer“ ist zudem passend gewählt und spiegelt sich vor allem in den beiden Protagonisten Rio Reiser und Reinhard „Stan“ Libuda vom FC Schalke 04 wider, die hier besonders im Fokus stehen.

Ein tolles und äußerst kurzweiliges Buch, das durch viel Liebe zum Detail überzeugt und durch seine lebendige Erzählweise sicherlich nicht nur Fußballfans und/oder Nostalgiker anspricht.

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Veröffentlicht am 25.01.2022

Bewegende Berichte von ehemaligen Kindersoldaten aus dem zweiten Weltkrieg

Die verlorene Generation
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Nachdem der Autor und Historiker Christian Hardinghaus in den Büchern "Die verdammte Generation" und „Die verratene Generation“ bereits den ehemaligen Wehrmachtssoldaten und den Frauen der Kriegsgeneration ...

Nachdem der Autor und Historiker Christian Hardinghaus in den Büchern "Die verdammte Generation" und „Die verratene Generation“ bereits den ehemaligen Wehrmachtssoldaten und den Frauen der Kriegsgeneration eine Stimme gegeben hat, sind in diesem Buch nun die Kinder bzw. Jugendlichen an der Reihe, die als Kindersoldaten an die Front geschickt wurden, als eigentlich bereits alles verloren war. Hier dürfen einige von ihnen nun endlich ihre Geschichte erzählen.

Als Ergebnis von zahlreichen Gesprächen, die der Autor mit den Männern geführt hat und so an ihren Erlebnissen teilhaben durfte, sind die hier abgedruckten Berichte von insgesamt 13 Zeitzeugen entstanden, die mehr als eindringlich ihre Erlebnisse während der letzten Kriegsjahre und zum Teil auch der anschließenden Kriegsgefangenschaft schildern.

Nach drei einleitenden Kapiteln, die sich mit unserer Erinnerungskultur und der grundsätzlichen Situation bzw. Rolle der Kinder im zweiten Weltkrieg auseinandersetzen, dürfen die Männer ihre subjektiven Erinnerungen ungefiltert wiedergeben, dabei sorgt der Autor aber immer wieder für eine historische Einordnung, die auch mit entsprechenden Fakten untermauert wird.

Diesen ehemaligen Kindersoldaten nicht viel früher zugehört zu haben, gehört sicherlich zu den größten Versäumnissen diverser Nachkriegsgenerationen. Aufgrund des hohen Alters der Beteiligten ist dieses Buch nun wohl die letzte Gelegenheit, diesen Fehler doch noch zu korrigieren.

Mit viel Empathie und Sachverstand ist dieser Versuch hier auf ganz wunderbare Art und Weise gelungen. Herausgekommen ist dabei das schonungslose und jederzeit packende Portrait einer verlorenen Generation, die es verdient hat, dass wir ihr endlich zuhören, ihre Rolle während des Krieges richtig einordnen und aus ihren bewegenden Berichten etwas lernen.

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