In meiner Instagram Bücherbubble wurde "Überwintern" als DAS Buch empfohlen, das zwischen Ende alten und Anfang neuen Jahres, zwischen Coronakrisen und Mentalload, zwischen Zweifeln und Düsternis unbedingt ...
In meiner Instagram Bücherbubble wurde "Überwintern" als DAS Buch empfohlen, das zwischen Ende alten und Anfang neuen Jahres, zwischen Coronakrisen und Mentalload, zwischen Zweifeln und Düsternis unbedingt gelesen werden sollte. Und es stimmt, Katherine Mays scheint genau diese Gefühle zu verstehen. Sie ernst zu nehmen.
Voller Poesie schreibt sie davon wie es ist in der Dunkelheit zu versinken, zu sehen wie sie sich annähert und sie annehmen zu können, zu müssen. Wie schwer es ist und wie normal. Weil es einigen von uns so geht, wie ihr.
Ich möchte mir ganz viele Sätze markieren, so schön ist Mays Sprache. Ich möchte ihren Text inhalieren und gleichzeitig weiß ich, dass es notwendig ist ihn ganz langsam, Stück für Stück zu lesen. Ich habe so viele ihrer Worte gefühlt und trotzdem sind mir etliche davon wieder abhanden gekommen.
"Überwintern" ist kein Buch, das nur im astrologischen Winter gelesen kann. Es hilft durch jede Art von Winter.
Ich glaube, wenn Ende des Jahres die Kälte heraufzieht, wenn ich merke, dass es mich bedrückt, dass ich all die Aktivitäten, denen ich im Sommer nachgehe, nicht mehr durchführen kann, dann suche ich mir Katherine May als Begleitung und wärme mich an ihren Worten.
Beim Lesen von Susann Pásztors Roman "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" wusste ich, dass ich mehr von der Autorin lesen möchte. Es ist, als ob sie in eine Menschenmenge hinein geht, zwei ...
Beim Lesen von Susann Pásztors Roman "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" wusste ich, dass ich mehr von der Autorin lesen möchte. Es ist, als ob sie in eine Menschenmenge hinein geht, zwei oder mehrere Personen herausgreift und beginnt deren Lebensgeschichte aufzuschreiben. Es ist ihr Blick fürs Detail, für die kleinen Sehnsüchte, für die feinen Nuancen, die mich so begeistern. So, als könne sie den Menschen in die Seele schauen.
In ihrem Erzählstil kommt sie ganz ohne Action aus und weiß die kleinen Dinge des Alltags, die scheinbar banalen Abläufe des Lebens in Szene zu setzen. Clever, humorvoll, authentisch.
"Die Geschichte von Kat und Easy" ist die Geschichte zweier Sommer. Schnittpunkte vieler Lebensgeschichten, die voneinander beeinflusst werden. In ihrer Jugend verbringen Kat und Easy, die bis dato noch Isi war, viel Zeit miteinander. Easy bewundert Kat. Ihre erwachsene Haltung, ihr Wissen darüber, wie das Leben so läuft. Kat bewundert Frippe. Möchte dazugehören und doch nicht. Individuell sein ist das non plus ultra. Gefallen wollen das, was tief drinnen der Antreiber ist.
50 Jahre später treffen Kat und Easy wieder aufeinander. Easy hat ihre alte Freundin gesucht, hat sie nie vergessen, während Kat ihr Leben lebte, ohne einen Gedanken an Easy zu verschwenden. Doch jetzt sind sie beide da, auf dieser Insel in Griechenland, wo Easy scheinbar die Heimat gefunden hat, die sie jahrelang in Beziehungen suchte. Es ist ein Treffen zur Aufarbeitung dessen, was damals geschah. 1973, als viel zu viel gekifft wurde, Easy sich darin verlor erwachsen sein zu wollen und Kat in der Eloquenz Fripps. Dem jungen Mann, der ihrer beider Leben durcheinander wirbelte.
Es hat etwas von Coming of Age, denn in meinem Bauch ist sofort dieses Gefühl des Erwachsen seins, das auch ich mit 15/16 hatte. Heute kann ich darüber lachen, früher wollte ich vor allem ernst genommen werden. Dazugehören, gefallen wollen. Den Freundinnen, denen, an denen wir unser Herz verloren, denen, von denen wir glaubten, dass wir ohne sie nicht leben könnten. In einer Zeit, in der wir von Theatralik und Sehnsüchten geleitet werden, gerieten Kat und Easy in eine Spirale, die sie fünfzig Jahre später noch begleitet.
Susann Pasztór springt zwischen den Zeiten. Erzählt mal aus den 70ern (in denen eindeutig zu viel gekifft wurde) und mal aus der Gegenwart. Ich weiß gar nicht, welche Ebene ich mehr mag. Beide faszinieren mich. Das Zusammenspiel beider Lebenszeiten ist es, was diese Geschichte so besonders, so fesselnd machen. Welche Abzweigungen im Leben sorgen dafür, dass wir dort landen, wo wir heute sind? Wie viel davon haben wir selbst in der Hand? Wo lassen wir uns mitreissen? Wo treiben? Belastet uns irgendwann ein "was wäre wenn?" oder gelingt es uns loszulassen? Abzuschließen? Zu verarbeiten?
Susann Pasztór hat mal wieder einen sehr klugen Roman geschrieben über eine Geschichte, die so tatsächlich hätte passiert sein können. Meiner Nachbarin, meiner Oma, der Mutter meiner besten Freundin. Eine Geschichte, die mich begeistert, mitnimmt, die mir Stoff zum Nachdenken bietet. Es lohnt sich sehr Kat und Easy kennenzulernen.
War das ein schöner, aber auch sehr emotionaler Ausflug in die Vergangenheit.
Charlotte von Edzards ist eine junge Frau, die sich den Konventionen ihrer Zeit widersetzt. Statt wie in den 20er Jahren ...
War das ein schöner, aber auch sehr emotionaler Ausflug in die Vergangenheit.
Charlotte von Edzards ist eine junge Frau, die sich den Konventionen ihrer Zeit widersetzt. Statt wie in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts erwünscht, Tischmanieren, Sticken und Musizieren einzuüben, verbringt sie ihre Zeit lieber in den Ställen des Gestüts ihres Vaters Carl von Edzards. Pferde sind ihre große Leidenschaft und das Reiten ihr liebster Zeitvertreib. Insbesondere die Mutter sieht das gar nicht gern und ermahnt Charlotte immer wieder dazu einen angemessenen (gut situierten) Mann zu heiraten.
Als das Gestüt in finanzielle Engpässe gerät, scheint die Heirat mit dem Reederssohn Richard die einzige Lösung. Eine Zweckehe, ohne Liebe.
Einzig Hans, Charlottes Bruder, hat Verständnis für die Pferdeliebe seiner Schwester. Obwohl er selbst zu ängstlich ist, um Rennen zu reiten, erkennt er doch Charlottes Talent im Umgang mit den sensiblen Vollblütern und nimmt ihre Wünsche ernst. Doch gegen den Vater kann auch er sich nicht durchsetzen. Charlotte und Hans werden dazu gedrängt entgegen ihrer Vorstellungen zu handeln, ihre Bedürfnisse und Ängste werden ignoriert und so folgt ein Unglück dem anderen.
Paula Mattis (Pseudonym) hat mich mit ihrer Geschichte genau da abgeholt, wo ich am liebsten bin: in der Gesellschaft von Pferden. Die Autorin ist selbst erfahrene Pferdefrau und bringt ihr fachliches Wissen in den Roman mit ein, was die Darstellung der Gestütsszenen so authentisch und realistisch werden lässt, dass ich das Gefühl habe, tatsächlich in der Zeit gereist zu sein. Da man dort mein reiterliches Vermögen ebenso wenig geschätzt hätte, wie Charlottes, bleibe ich lieber in der Gegenwart. Trotz allem Wissens über das beginnende letzte Jahrhundert, trifft es mich immer wieder wie wenig Rechte Frauen in dieser Zeit hatten. Wie wenig sie wert waren. Auch Charlotte ist Mittel zum Zweck, um das zu retten, was der Vater in den Sand gesetzt hat. Teilweise fahrlässig mit der Überheblichkeit, die ihm als Patriarch der Familie zugeteilt wurde.
Der Auftakt der "Das Gestüt am See" Trilogie ist für mich beste Unterhaltung. Dramatik, Liebe, Emotionen - eingebettet in das Setting eines interessanten und sehr aufrührenden Zeitalters, das immer wieder viele Gedanken in mir aufrüttelt. Gerade was die Rechte von Frauen betrifft.
Paula Mattis hat mich mit "Stürmische Jahre" in einen emotionalen Orkan gezogen. Die letzten Seiten des Romans habe ich fast ausschließlich mit Tränen in den Augen verbracht. Zuerst vor Kummer, um all jene, denen sehr übel zugesetzt wird (Mattis ist nicht gerade zimperlich mit ihren Figuren), und dann vor Rührung. Ich freue mich so sehr auf die Fortsetzung "Zeit der Hoffnung", die nach Angaben der Autorin mein Herz wohl wieder zerreißen wird.
Ausgerechnet in der Woche, in der meine an Krebs verstorbene Mama Geburtstag hätte, greife ich nach einem Buch, in dem es um eine Frau geht, die an Krebs erkrankt ist und daran sterben wird. Es ist die ...
Ausgerechnet in der Woche, in der meine an Krebs verstorbene Mama Geburtstag hätte, greife ich nach einem Buch, in dem es um eine Frau geht, die an Krebs erkrankt ist und daran sterben wird. Es ist die Zeit, in der ich emotional nicht sehr stabil bin und doch lese ich dieses Buch, in dem Sterbebegleitung eine Rolle spielt. Sterbebegleitung kenne ich. Es ist die Zeit, in der ich dabei zusehen musste, wie meine Mama immer weniger wurde. Wie der Krebs sich ihrer bemächtigte und sie von innen heraus auffraß. So wie er es mit Karla macht. Obwohl beide Frauen sehr unterschiedlich sind, habe ich das Gefühl den Weg bis hin zum Tod noch einmal zu gehen. Das schafft Nähe zur Protagonistin, zur Geschichte, und gleichzeitig sorgt es dafür, dass ich mich distanziere. Dass ich den Roman nicht so sehr an mich ranlasse, wie er es verdient hätte.
Es ist eine gute Geschichte. Hoffnungsvoll, ehrlich, direkt, ohne Schmu. Ich mag vor allem die Protagonisten. Karla, die so sehr im Leben steht, obwohl sie weiß, dass sie dieses bald verlassen wird. Die im Reinen ist mit sich selbst und keine verschnörkelte Romantik benötigt, um alte Wunden zu heilen. Fred, der eckig und kantig und rund zugleich ist. Der so gutherzig ist, dass ich ihn immer wieder umarmen möchte. Und sein Sohn Phil, der verkannte Poet, der von der eigenen Mutter keinerlei positive Bestärkung kommt. Sie alle sind so wunderbar individuell. Von solch einer lebendigen Tiefe und Authentizität. Ebenso stark sind die Nebenfiguren, die alle ihre kleinen Macken haben und dadurch so realistisch wirken.
Am meisten mochte ich den Humor der Autorin, der sich so oft in den Situationen zeigt, in denen andere sich nicht einmal trauen würden aufzuschauen. Sie kann eine gewisse Ironie in den Text schreiben, ohne dabei bitter oder bös zu wirken. Gefühle werden sehr echt, sehr greifbar. Pásztors Figuren dürfen alles. Lachen, wann immer sie wollen, weinen, aus sich herauskommen, verzeihen, hassen. Ihr Tonfall ist immer passend. Leise, fast flüsternd, wenn die der unsichere Fred spricht. Klar, direkt, im Fall von Klara.
"Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" bekommt eine klare Leseempfehlung. Ich glaube es ist eins der Bücher, die einem breiten Publikum gefallen, weil es so echt, so aus dem Leben ist. Die schwierige Vater-Sohn-Geschichte, die auf Unsicherheiten beruht, und Karlas Geschichte vom Sterben und ihrer Kraft im Reinen zu sein.
Zwei Jahre stand "Melnitz" ungelesen im Regal, obwohl ich es sofort kaufen musste, als es mir von einer Autorin empfohlen wurde. Charly Lyne, die sich als Gegnerin des Faschismus sieht, sagte auf einer ...
Zwei Jahre stand "Melnitz" ungelesen im Regal, obwohl ich es sofort kaufen musste, als es mir von einer Autorin empfohlen wurde. Charly Lyne, die sich als Gegnerin des Faschismus sieht, sagte auf einer Lesung, dass sie versuche zu verstehen wie Faschismus entsteht. Seit dieser Aussage lese ich uneingeschränkt was sie empfiehlt. "Melnitz" ist sicher eins dieser Bücher, die zum Verstehen der Prozesse beitragen kann.
Eigentlich ist "Melnitz" eine Familiensaga. Eine großartige Familiensaga, die zunächst einmal hoffnungsvoll beginnt. Als ein neues Familienmitglied zur zusammengewürfelten, aber eingeschworenen Bande hin zustößt, sieht man ihm zuerst mit Skepsis entgegen, später bekommt er die Herzenswärme zugeteilt, die jeder einzelne Person der Familie in der entsprechenden Portion zugedacht ist. Man verliert sich in Geschichten und Fantasien, verliert ein wenig den Blick auf die Realität und ahnt nicht, welchen Rattenschwanz dies mit sich zieht.
Dem Familienstammbaum wachsen neue Zweige. Hoffnung und Fleiß sind ebenso Dünger wie Abneigung und Neid. Alles auf einem Boden aus Unsicherheit und Argwohn.
Es wird viel geredet (hier kommt Lewinskys trockener Humor zum Tragen), manchmal miteinander, häufig aneinander vorbei. Das Schicksal geht seine Wege und ab und an darf eins der Familienmitglieder in die gleiche Richtung gehen. Die Dramatik spitzt sich zu. Wir alle wissen, was jüdische Menschen in den 30er und 40er Jahren erwartet.
Über mehrere Generationen erzählt Lewinksy die Geschichte einer jüdischen Familie. Berichtet von Konflikten, die durch Generationenwechsel und Traditionen entstehen, von Strukturen, die sich durch Familie und Religion ergeben und von der Ablehnung Menschen jüdischen Glaubens.
Mit viel Charme, einem gewissen Humor und Stärke und geprägt von Dialogen, denen ich ewig folgen könnte, wird "Melnitz" zu einem Werk großer Erzählkunst. Durch das Einfließen historischer Fakten gewinnt der Roman an Authentizität.
Vordergründig eine große Familiengeschichte, trägt "Melnitz" viel Kritik in sich. Onkel Melnitz, eine fiktive Figur, die immer wieder daran erinnert, mit welchem Argwohn die Mitbürger den Juden gegenüberstehen, ist der rote Faden der Geschichte. Hass und Ablehnung gegenüber Juden ist kein Ding des Zweiten Weltkriegs und ist mit Kriegsende auch nicht verschwunden. Das verdeutlicht Lewinsky indem er skizziert auf welchen teils banalen, teils albernen Begründungen die Verachtung gegenüber Juden fußt.
"Melnitz" dient der Unterhaltung, aber vielmehr noch der Aufklärung. Dem Aufrütteln und Infrage stellen von lang übermittelten Werten, Traditionen und Überzeugungen.
Eine ganz große Leseempfehlung für Lewinskys "Melnitz"!