Profilbild von sursulapitschi

sursulapitschi

Lesejury Profi
offline

sursulapitschi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit sursulapitschi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2022

Leichte Unterhaltung mit peinlichen Spitzen

Die Berechnung der Sterne
0

Wahrscheinlich habe ich dieses Buch unter falschen Voraussetzungen gelesen. Ich dachte, es wäre etwas Dystopisches, ein Eindruck, den die Einordnung dieses Buches als Science Fiction auf den ersten Blick ...

Wahrscheinlich habe ich dieses Buch unter falschen Voraussetzungen gelesen. Ich dachte, es wäre etwas Dystopisches, ein Eindruck, den die Einordnung dieses Buches als Science Fiction auf den ersten Blick unterstützt, dabei ist es eigentlich ein historischer Roman.

Es fängt spannend an, mit einer wunderbaren Katastrophe. Ein Meteoriteneinschlag zerstört Washington D.C, macht ein großes Gebiet Amerikas unbewohnbar, und verändert das Klima nachhaltig. Es gibt viele Tote, Flüchtlingsströme, Versorgungsengpässe, alles was ein veritabler Weltuntergang braucht.

Elma und Nathaniel sind Wissenschaftler und haben knapp überlebt. Schnell werden sie in das Team zur Rettung der Welt aufgenommen.

So weit entspricht das Buch durchaus den Erwartungen, nur biegt es dann ganz anders ab. Man muss andere Planeten bevölkern und den Weltraum bereisen, natürlich, und das ist 1953, wenn überhaupt, Männersache. Elma ist Fliegerin, kriegserprobt, und will dabei sein, nur wird ihr Anliegen nicht ernstgenommen.

Ab da verfolgt man Elmas verzweifeltem Einsatz im Namen der Gleichberechtigung. Vergessen ist der Weltuntergang, wen juckt die Gefahr von gestern, wenn Frauen benachteiligt werden? Und selbst dieses Thema tritt schnell zurück hinter Elmas Kampf mit sich selbst. Sie hat panische Angst im Mittelpunkt zu stehen, lässt sich aber im Dienst der guten Sache auf Interviews und Fernsehshows ein, nimmt es sogar selbstlos in Kauf, berühmt zu werden.

Das Geschehen wird immer wieder aufgelockert durch Liebesszenen mit schlüpfrigen Dialogen, in denen Worte wie „Raketenabschuss“, „Startbereitschaft“ oder „Startfreigabe“ als tiefsinnige Metaphern für höchste Peinlichkeit sorgen.

Hier wurde ein nobles Anliegen mit so viel reißerischem Dekor versehen, dass nicht mehr viel davon übrig bleibt. Dabei beruht es auf einem eigentlich spannenden historischen Hintergrund. In den 50er Jahren wagten sich tatsächlich Fliegerinnen in diese Männerdomäne vor und bewarben sich dreist für das Raumfahrtprogramm. Wer mehr darüber wissen möchte ist mit „Space Girls“ von Maiken Nielsen gut bedient.

Dieses Buch präsentiert ein interessantes Thema als leichte Unterhaltung mit peinlichen Spitzen, dem die Sprecherin des Hörbuchs mit ihrem maliziösen Tonfall noch die Krone aufsetzt. Mag sein, dass ich es nicht gar so schlimm gefunden hätte, hätte ich es selbst gelesen und nicht mit säuselnder Stimme vorgelesen bekommen. Es dauert 14 Stunden, 51 Minuten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.10.2021

Eine gute Idee, kein gutes Buch

Eine Seuche in der Stadt
0

Natürlich beschäftigt uns heute das Thema „Epidemie“ so sehr, wie schon lange nicht mehr. Und natürlich ist es hoch interessant zu sehen, wie ein stalinistisches Regime mit so einer Situation umging.
Dieses ...

Natürlich beschäftigt uns heute das Thema „Epidemie“ so sehr, wie schon lange nicht mehr. Und natürlich ist es hoch interessant zu sehen, wie ein stalinistisches Regime mit so einer Situation umging.
Dieses Drehbuch basiert auf Tatsachen. 1939 drohte tatsächlich in Moskau die Lungenpest auszubrechen, was durch radikales Durchgreifen des Geheimdienstes verhindert werden konnte. Allerdings dachten die Menschen, sie würden verhaftet, niemand kam auf die Idee einer Quarantäne. Ljudmila Ulitzkaja sagt im Nachwort: „Das ist das Subtile an der geschilderten Situation: Die Pest zu Zeiten der politischen „Pest“.“
So weit ist die Idee dieses 1978 geschriebenen Szenarios hoch interessant. Leider macht eine interessante Idee allein noch kein gutes Buch und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob dieser Text einen guten Film abgeben würde.
In einem Wust an Personal auf den gut 100 Seiten kann man nur schwer Hauptprotagonisten ausmachen, das macht sich auch im Film nicht gut. Die Handlung ist unterm Strich sparsam und besteht zu großen Teilen aus Verhaftungen. Die Tragweite des Geschehens wird eigentlich erst durch das Nachwort der Autorin richtig klar. Um daraus eine gute Geschichte zu machen, müsste man es noch ordentlich mit Hintergründen unterfüttern.
Dieses Buch ist kein Buch sondern ein Entwurf, der ein tolles Buch werden könnte. Schade, dass die Autorin es nicht überarbeitet hat. So ist es weder stilistisch noch dramaturgisch ein großer Wurf, sondern einfach nur eine gute Idee.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.09.2021

Klischee meets Logiklücke

Systemfehler
0

Bei diesem Buch überraschen mich in erster Linie die vielen positiven Bewertungen. Ist das Thrillerpublikum wirklich so genügsam?

Grundsätzlich ist die Idee interessant. Was wäre, wenn tatsächlich das ...

Bei diesem Buch überraschen mich in erster Linie die vielen positiven Bewertungen. Ist das Thrillerpublikum wirklich so genügsam?

Grundsätzlich ist die Idee interessant. Was wäre, wenn tatsächlich das Internet ausfallen würde? Nicht nur für Stunden, sondern ganz und gar. Nichts geht mehr. Würde dann nicht alles zusammenbrechen, Wirtschaft, Versorgung, Verkehr, Kommunikation?

Diesen Gedanken spielt Wolf Harlander hier durch, ohne ihn groß zu vertiefen.
Wir durchleben die Krise zusammen mit einer Familie, deren Mitglieder klischeehafter nicht sein könnten.
Vater Daniel arbeitet bei einer Games-Firma, die seine Fähigkeiten unterschätzt und ist gestraft mit einer nörgelnden Ehefrau und Kindern, die tumb genug sind, nach überstandenem Flugzeugabsturz nach Cola zu jammern. Oma Renate kämpft sich tapfer durch die Ausnahmesituation, nur wenn sie bei ihrem Biobauern nicht mit Karte bezahlen kann, dann ist es aus mit ihrer Geduld. Und Daniels Schwester Doris ist Ärztin, die uns zeigt, dass heutzutage Leben vom Datenstrom abhängen, wer hätte das gedacht?
Dazwischen versucht ein Ermittlerteam vom BND, den Verursachern der Krise auf die Spur zu kommen. Nelson und Diana sind weitgehend gesichtslos, stören aber auch nicht weiter.

Es werden hier also wacker alle erwartbaren Probleme abgearbeitet, nur über die Logik sollte man nicht weiter nachdenken. Während das Wasser knapp wird und der Strom ausfällt, wird Nelson frischer Kaffee angeboten, wenn er das richtige Büro besucht. Daniels spielsüchtiger Sohn ersteht auf dem Schwarzmarkt einen guten, alten Commodore 64, mit dem man bekanntlich offline zocken konnte. Dass so ein Gerät vermutlich auch Strom benötigt, ist zu vernachlässigen, wie überhaupt die ganze technische Seite dieses Cyberthrillers einen fragwürdigen Retrocharme verströmt. CB-Funkgeräte und „Spezialsoftware“ sind der Schlüssel zum Erfolg, das ist direkt niedlich.

Beim Hören dieses Werkes ist man hin- und hergerissen zwischen Verwunderung und Entsetzen, weil einfach viel zu viel gar nicht sein kann und immer wieder jemand unfassbar dämlich reagiert.
Es mag vielleicht ein wenig unterhalten, wenn man absolut nichts hinterfragt, aber den Blutdruck treibt es nicht in die Höhe.

Das Hörbuch dauert 10 Stunden, 6 Minuten. Ausnahmsweise war ich nicht böse über die Kürzungen. Uve Teschner liest es tapfer. Seine Interpretation von Frauenstimmen ist immer etwas ungewollt komisch, hier aber einmal wirklich passend.

Dieses Buch ist vermutlich mein persönlicher Flopp des Jahres.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere