Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
offline

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.01.2022

Zwei Frauenschicksale, sehr bewegend erzählt

Das Leben in unseren Händen
0

Mit einem der letzten Schiffe gelingt Hannah und Ada Rosenbaum 1939 die Ausreise aus dem für Juden nicht mehr sicheren Deutschland. Was auf den ersten Blick idyllisch erscheint, entpuppt sich – kaum angekommen ...

Mit einem der letzten Schiffe gelingt Hannah und Ada Rosenbaum 1939 die Ausreise aus dem für Juden nicht mehr sicheren Deutschland. Was auf den ersten Blick idyllisch erscheint, entpuppt sich – kaum angekommen - bald als sehr beengte Unterkunft: Ellis Island, die Insel der Tränen wird sie genannt. Die Passagiere der dritten Klasse werden direkt hierher gebracht. „Willkommen in Niemandsland“ – dieser bittere Gedanke schleicht sich in Hannas Kopf.

Der erste Eindruck ist neben dem Kurztext immer das Cover. Zwei Frauen vor der Kulisse New Yorks, direkt davor die Brooklyn Bridge, eine der ältesten Hängebrücken, die den East River überspannt und Manhatten mit Brooklyn verbindet. Ihr Kleidungsstil lässt die damalige Zeit erahnen, in die man sofort abtauchen möchte – ein sehr aussagekräftiges Titelbild.

Eva Neiss schreibt so einnehmend, dem konnte ich mich ab der ersten Seite nicht entziehen. Sie verwebt sehr gekonnt ihre fiktive Geschichte um die beiden Schwestern mit historisch Verbürgtem.

Hannahs Weg war ein ganz anderer als der ihrer Schwester, deren Kind als Frühchen kaum lebensfähig war. Während Ada sich von der Geburt erholt, setzt Hannah alle Hebel in Bewegung, um das kleine Wesen zu retten. Und hier lerne ich Dr. Martin A. Couney kennen, eine faszinierende Persönlichkeit und Pionier der Frühgeborenentechnologie, der so manchem dieser kaum lebensfähigen Babys dank seiner Inkubatoren ins Leben half. Viel habe ich erfahren über diesen Mann, der seine Arbeit damit finanzierte, Eintritt für die Show der Winzlinge zu nehmen. Die „Wundersäuglinge“ wurden regelrecht ausgestellt, was aus heutiger Sicht schon ein wenig makaber anmutet. Beim Lesen spürt man so richtig, wie das Team um Couney hinter ihm steht. Der herzliche Umgang miteinander und das unbedingte Verständnis dafür, was diesen kleinen Wesen gut tut, was sie brauchen, um ins Leben zu finden, ist so nah und Hannah mittendrin. Sie findet in Couney und Nathan Green, der als Arzt hier arbeitet, zwei Förderer. Ob sie sich mit deren Unterstützung doch noch ihren lang gehegten Wunsch, eines Tages als Ärztin zu arbeiten, erfüllen wird?

Auch die Irrfahrt der St. Louis, mit der deutsche Juden dem NS-Regime zu entkommen suchten, ist hier Thema. Kuba verweigerte ihnen das Anlegen, das Schiff musste umkehren, nachdem es weder in den USA noch in Kanada eine Anlegeerlaubnis bekam, um schließlich in Antwerpen vor Anker zu gehen.

Neben dem gut recherchierten geschichtlichen Hintergrund kommt das Zwischenmenschliche nicht zu kurz. Der Zusammenhalt innerhalb einer Familie ist wichtig, auch wenn einer gern mal ausschert. Hier spüre ich ganz viel Normalität, die Charaktere sind jeder für sich glaubhaft und gut nachvollziehbar dargestellt. Wie im richtigen Leben eben. Sie bauen sich in der Neuen Welt ein Leben auf, bangen um die Zurückgebliebenen und kämpfen mit so manchem Schicksalsschlag.

Vor dem Hintergrund des NS-Regimes und deren Judenverfolgung erzählt Eva Neiss von Dr. Couney, dem Incubator Doctor, gewährt Einblicke darüber, wie schwierig sich der Neuanfang im gelobten Land der unbegrenzten Möglichkeiten gestalten kann. Von tiefer Freundschaft und Liebe, durchlebten Schicksalsschlägen, Diskriminierung und Sprachlosigkeit lese ich genauso wie von Trauer und Freude und noch so vielem mehr.

„Das vollkommen unvollkommene Leben…“ - wie die Autorin schreibt - hat mich sehr berührt. Gerne bin ich mitgegangen, habe ihnen allen zugesehen und war mittendrin, hab mich ihnen zugehörig gefühlt. Viel habe ich erfahren über die ersten Schritte der neonatologischen Technologie, was mir bis dahin gänzlich unbekannt war. Ich danke Eva Neiss für dieses wundervolle Buch und möchte es jedem ans Herz legen. Einfach lesen, es lohnt sich!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.01.2022

Undurchschaubar und nervenzerrend

Ich bin der Abgrund
0

Donato Carrisi ist Spezialist auf den Gebieten der Kriminologie und der Verhaltensforschung, so lese ich über ihn. Inspiriert zu seinem neuesten Thriller „Ich bin der Abgrund“ wurde er vom Monster von ...

Donato Carrisi ist Spezialist auf den Gebieten der Kriminologie und der Verhaltensforschung, so lese ich über ihn. Inspiriert zu seinem neuesten Thriller „Ich bin der Abgrund“ wurde er vom Monster von Foligno, so hatten die Medien den Serienmörder Luigi Chiatti genannt.

Der 5jährige Junge geht mit der auffallend hübschen Vera am Grand Hotel vorbei, das große Abenteuer wartet auf sie beide. Das Schwimmen will sie ihm beibringen, keine Schmeißfliegen stören, denn heute gehört sie nur ihm alleine. So beginnt die Geschichte und bald spürt man das Unsägliche, der Abgrund ist ganz nah.

Dann begegnen wir dem Müllmann, lernen ihn immer besser kennen. Er liebt seine Arbeit, den Abfall der anderen entsorgt er gewissenhaft. Und da ist noch die Fliegenjägerin – nicht nur sie sieht es als ihre Pflicht an, ganz tief im Abgrund zu wühlen. Auch das Mädchen mit der lila Strähne taucht auf, sie alle werden umschrieben, man braucht keine Namen.

„Ich bin der Abgrund“. Wer reißt wen mit in den Abgrund? Wenn ich mir den Klappentext nochmal durchlese, erwartet mich viel Düsternis, der ich mich, einmal angefangen zu lesen, nicht mehr entziehen kann. Es ist eine traurige Geschichte, die der Autor hier erzählt. Es geht um Gewalt und Vernachlässigung, um Hörigkeit und Einsamkeit. Eine breite Palette inmitten menschlicher Abgründe wird hier dargeboten.

Das Buch ist wie ein Sog, es wird immer gerade so viel erzählt, dass man nicht recht weiß, was genau dahinter steckt. Geschickt bringt der Autor Charaktere ins Spiel, die irgendwie dazugehören, deren Hintergrund aber so gar nicht durchschaubar ist. Die Jägerin ist hier ein gutes Beispiel. Von ihr wissen wir ganz lange nicht, was sie eigentlich antreibt. Eher unterschwellig und bedrückend klingen all diese Abgründe an, die Ausweglosigkeit ist hautnah spürbar.

Donato Carrisi setzt mit seinem meisterlich erzählten Thriller viele Gefühle frei. Neben der Spannung ist ganz viel Abscheu und die Empörung über all die Gewalt und Gefühlskälte dabei. Vieles ist auserzählt, in sich in seiner ganzen Schwärze und Düsternis schlüssig, es bleiben aber Fragen offen. Undurchschaubar bis zum Schluss! Sehr lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.01.2022

Wunderschön und warmherzig – von der Autorin erzählt

Ende in Sicht
0

Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, begegnen einander auf spektakuläre Art und Weise. Hella, mit ihren 69 Jahren des Lebens überdrüssig, ist auf dem Weg in die Schweiz. Gerade fährt ...

Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, begegnen einander auf spektakuläre Art und Weise. Hella, mit ihren 69 Jahren des Lebens überdrüssig, ist auf dem Weg in die Schweiz. Gerade fährt sie unter einer Autobahnbrücke, als etwas vor ihren alten Passat fällt. Es ist die 15jährige Juli, die den Sturz eigentlich nicht überleben wollte, aber jetzt bleibt ihr nichts anderes übrig, als zu Hella ins Auto zu steigen.

Ronja von Rönne spricht das ungekürzte Hörbuch selber ein, es waren trotz des ernsten Themas sechs unterhaltsame Stunden. Die beiden Frauen nähern sich an, zunächst unfreiwillig. Aber bald merken sie, dass sie sich mögen, auch wenn mal die eine, dann die andere ziemlich bärbeißig daherkommt.

Lange habe ich überlegt, ob ich hier wirklich dabei sein möchte, über den Wunsch zu sterben lesen will. Diese gemeinsamen Tage der beiden setzten viele Emotionen frei. Es ist aufwühlend, dann wieder ganz leicht, voller Harmonie. Juli trägt ein Schneckenhaus immer bei sich, es erinnert sie an ihre Mutter. Wäre es nicht schön, wenn sie sinnbildlich ihr selbst gewähltes Schneckenhaus verlässt, am besten zusammen mit Hella? So dachte ich mir zuweilen. Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende… Ja, so oder so ähnlich enden Märchen.

Eine wunderschöne, tieftraurige, zu Herzen gehende Geschichte, die ganz warmherzig von einer zufälligen Bekanntschaft weiß - voller Leben, neugierig und bittersüß, sehr behutsam erzählt.

Ich habe diese intensiven Stunden nicht bereut, Ronja von Rönne ist die perfekte Interpretin ihrer Geschichte. Das letzte Lied, die letzten Zeilen sind verklungen. Frei nach Hermann Hesse „…Jedem Ende wohnt ein Zauber inne… Der Gegner und Verbündete war ich und endlich, endlich ist das Ende in Sicht.“ Dieses Lied hallt noch lange nach.

Als Hörbuch bei USM Audio erschienen, von der Autorin eingesprochen, ist „Ende in Sicht“ eine ganz besondere Geschichte. Mal laut, mal leise, voller Wärme - das Lied ist verklungen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.01.2022

Das Böse - genial inszeniert

Das Loft
0

Marco und Sarahs Märchen beginnt an einem Sommertag vor drei Jahren und endet nun, als eine Polizistin wissen will, wer Henning getötet hat. Sarah und Marco – sie erzählen abwechselnd, jeder hat seine ...

Marco und Sarahs Märchen beginnt an einem Sommertag vor drei Jahren und endet nun, als eine Polizistin wissen will, wer Henning getötet hat. Sarah und Marco – sie erzählen abwechselnd, jeder hat seine eigene Sicht auf das Geschehene, von ihrem Zueinanderfinden, von ihren gemeinsamen Jahren, von ihrer Liebe. Henning, Marcs bester Freund, kommt auch vor. Ja, um sein Verschwinden geht es. Es kommen Dinge ans Licht, die besser im Verborgenen geblieben wären und doch drängen diese an die Oberfläche. Aber hilft dies, die Nebel zu lüften, das Wahre vom Gelogenen fein säuberlich zu trennen, hinter die Kulissen zu schauen? Auch die Sicht der Ermittler, ihre Herangehensweise an den so mysteriösen Fall, zieht sich durch das Buch.

„Sie dürfen nicht abschweifen, sollten nicht mit den Gedanken woanders ein…“ Nein, abschweifen geht hier gar nicht. Kaum habe ich ein paar Seiten gelesen, hat mich der Autor schon eingefangen. Diese ganz eigene Art, den Lesern die Geschichte der drei Freunde näherzubringen und doch ganz viele Zweifel zu streuen, fesselt ungemein.

Ich meine, die ganze Geschichte zu kennen, weiß, wie es wirklich war. Aber nein, noch ist nicht alles gesagt. Jeder Abschnitt, jede Aussage lässt mich wieder zweifeln, ich hege für die einen Sympathie, verurteile Andere. Immer wieder kommen mir die Anfangsworte des Autors in den Sinn „… habe ich gerade gesagt, Sie hätten eine Chance? Vergessen Sie´s…“

Das Cover kommt ziemlich düster und daher, man spürt direkt, dass hinter der Tür so einiges los ist. Das dominierende Rot vor dem schwarz-grauen Hintergrund lässt blutige Szenarien ahnen. Wie es denn wirklich aussieht hinter der Stahltür, bleibt im Verborgenen. Ein kraftvolles Titelbild, ein starker Auftritt.

„Das Loft“ ist trotz oder gerade wegen seiner Unaufgeregtheit durchgehend spannend. Je mehr ich erfahre, desto mehr hinterfrage ich weil – es kommt doch wieder anders. Dieser raffiniert inszenierte Thriller ist bis zum überraschenden Schluss nicht zu durchschauen. Böse, hässlich, genial inszeniert. Ein absolutes Muss für jeden Thriller-Fan.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.12.2021

Spannend, dramatisch – ein Hörgenuss

Im Auge des Zebras
0

Sieben Jugendliche wurden entführt, alle zur selben Zeit von derselben Person. Wie ist das möglich? Sie sind spurlos verschwunden und zwei Tage später werden ihre Eltern getötet. Olivia Holzmann, Kommissarin ...

Sieben Jugendliche wurden entführt, alle zur selben Zeit von derselben Person. Wie ist das möglich? Sie sind spurlos verschwunden und zwei Tage später werden ihre Eltern getötet. Olivia Holzmann, Kommissarin beim LKA Berlin, ermittelt, im Hintergrund ihr Ex-Kollege und Mentor Severin Boesherz. Auch auf die Erfahrung der pensionierten Kommissarin Esther Wady will Olivia nicht verzichten, die Zeit spielt gegen sie.

Es geht gleich mal sehr beängstigend los. Olivia braucht das Wissen des gewissenlosen Verbrechers Fjodor Sokolov, der sie auf bestialische Weise testen will. Ohne mit der Wimper zu zucken erfüllt sie seine Bedingungen. Schon hier braucht es gute Nerven, die Anspannung hält an. Ist Olivia die eiskalte Lady? Hat sie einen Plan? Mit ihrem Gegenüber ist nicht zu spaßen. Nicht genug damit, spielt ein lange vergangener Fall hier mit hinein. Wie geht das zusammen?

Eine ganz eigene Atmosphäre hat Uve Teschner als Sprecher des Hörbuchs geschaffen. Seine sonore Stimme passt er den jeweiligen Szenen gut an, ich sah mich mit Olivia auf dem Schiff, wurde hinein gesaugt in die abstruse Story. Teschner lässt jedem Einzelnen seine Eigenart, bringt seine Stimme zum Schwingen. „Save your kisses for me“ – Brotherhood of Man swingt im Hintergrund mit.

Längst Vergangenes wechselt sich ab mit der Suche nach den Verschwundenen. Die Charaktere sind eher unnahbar und doch entwickelt man sehr viel Empathie für sie, beobachtet mit gewissem Abstand, fiebert mit. Olivia und ihr Ex-Kollege haben viele Ecken und Kanten. Und Boesherz weiß ob seiner zur Schau getragenen Kaltschnäuzigkeit ganz genau, was er warum tut.

Es ist meine erste Begegnung mit Vincent Kliesch. Vielleicht auch deshalb, weil ich seinen Kollegen, mit dem er immer mal wieder zusammenarbeitet, nicht besonders schätze. Kliesch jedoch, seine Art zu schreiben, mag ich. Das Cover und der zunächst rätselhafte Titel sind besonders, heben sich in ihrer Andersartigkeit von gängigen Thriller-Präsentationen ab.

Das ungekürzte Hörbuch vom Argon Verlag AVE GmbH Berlin und Uve Teschner haben mich gut unterhalten, es ist ein spannender Auftakt um die Ermittler Boesherz und Holzmann. Eine sehr lohnende Lektüre für alle Thriller-Fans, unblutig und doch so lebendig, voller Aufregung und Nervenanspannung. Und – auch dank des hervorragenden Sprechers bewerte ich das Hörbuch mit 5 Sternen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere