Rezension zu „Das Ting“ von Artur Dziuk
Zunächst ein Hinweis zum Klappentext: Artur Dziuk erzählt in seinem Roman vor allem, wie das Ting auf seine Träger wirkt. Er bezieht sich dabei auf die gesellschaftlichen, moralischen Aspekte. Es handelt sich hierbei nicht um eine Dystopie, in dem Sinne, dass das Ting breite Massen beeinflussen würde. Der Fokus liegt auf der Entwicklung und Erprobung des Tools.
„Das Ting“ ist das Debüt des Autors Artur Dziuk. Der Erzählstil lässt sich flüssig lesen, ist aber keinesfalls zu seicht, sondern die Ausdrücke sind kurz und prägnant. So wirkt der Stil intelligent, ohne gewollt literarisch oder kompliziert daherzukommen. Zu bedenken ist, dass die Kapitel sehr lang sind (ca. 50 Seiten) und dass die Geschichte aus vier Perspektiven erzählt wird. Wer diese vier Personen sind, möchte ich ungern verraten, da es einen ersten Überraschungseffekt nehmen würde, von denen es einige gibt in diesem Buch.
Linus wird ja bereits im Klappentext erwähnt. Er ist einer der Gründer des Start-Ups. Wie seine Mitgründer, ist sein Charakter schön ausgearbeitet. Durch die langen Kapitel hat der Leser die Chance, alle Charaktere vielseitig kennenzulernen. So offenbaren sich ihre Stärken und Schwächen, die dem Roman eine gewisse Spannung verleihen. Auch, weil das Ting genau diesen Charakter später beeinflusst und sich der Leser stets fragen muss, ob oder wie weit sich die Figuren aufgrund des Tings oder unabhängig von ihm entwickeln.
Zum Team gehören weiterhin eine Expertin für die technische Seite, ein Marketing-Chef sowie ein Geschäftsführer. Linus übernimmt die Schnittstelle zwischen der biologisch-medizinischen Seite und der Technik, also den Codes. Die Figuren sind so unterschiedlich, dass jeder Leser einen anderen „Liebling“ finden wird, mit dem er mitleidet.
Das Ting fand ich persönlich von Beginn an unheimlich, es gibt aber sicher auch Leser, die es eher fasziniert und so eine Technik gerne wenigstens ausprobieren würden.
Wenn ich „Das Ting“ mit drei Worten beschreiben müsste, würde ich sagen „klug, gesellschaftskritisch, lehrreich“.
Es lehrt, was geschieht, wenn Selbstoptimierung zum obersten Ziel wird, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Und dass macht dieses Buch, unter anderem, so wertvoll: es lässt am Ende Platz für Spekulation und gibt keine fest eingemeißelte Meinung vor, sondern lässt dem Leser genug Raum für eigene Gedanken zur Funktion des Ting. Wie stark beeinflusst es seinen Träger? Inwiefern beachtet es Macht, Erfolg, Karriere, privates Glück? Arbeitet es als geschlossenes System oder für jeden Träger inividuell? Wie stark sollen/dürfen wir uns überhaupt beeinflussen lassen? Und welche Macht/welche Daten haben Konzerne hinter den Apps eigentlich über uns?
Auch wenn die ein oder andere Szene etwas übertrieben wirkt (ich beziehe mich da vor allem auf eine Partyszene), ist die Geschichte unterhaltsam und sie bringt ihre Leserschaft zum Nachdenken, auch, weil eben nicht alle Fragen beantwortet werden. Eine klare Leseempfehlung für jeden, der gerne gesellschaftskritische Geschichten liest, die Raum für eigene Gedanken und eine eigene Positionierung lassen.