Zwischen Bangen und Hoffen
Das rote Band der Hoffnung„...Ich hatte es geschafft. In die Nähwerkstatt, auch hochtrabend als Maßschneiderei bezeichnet. Meine Vorstellung vom Himmel. Als ich hörte, dass hier ein Job frei war, wusste ich sofort, dass ich ihn ...
„...Ich hatte es geschafft. In die Nähwerkstatt, auch hochtrabend als Maßschneiderei bezeichnet. Meine Vorstellung vom Himmel. Als ich hörte, dass hier ein Job frei war, wusste ich sofort, dass ich ihn haben musste...“
Was wie eine normale Bewertung aussieht, macht den Unterschied zwischen Leben und Tod. Die Nähwerkstatt befindet sich in Auschwitz – Birkenau. Ella, die Ich – Erzählerin, ist eine 14jährige Jüdin und vor wenigen Tagen dort angekommen. Die Arbeit in der Werkstatt sichert erst einmal das Überleben.
Die Autorin hat einen bewegenden Jugendroman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Er ist erstaunlich locker und bringt trotzdem die Grausamkeit der Situation auf den Punkt.
Vier junge Frauen stehen im Mittelpunkt. Das ist zum einen Ella, die bei ihren Großeltern aufwuchs, auf dem Schulweg in einem LKW verfrachte und ins KZ gebracht wurde. Sie weiß nicht, was mit den Großelten ist. Sie will nur eins: überleben. Unterwürfigkeit allerdings liegt ihr gar nicht und das kann zum Problem werden. Anfangs richtet sie sich nach dem Motto:
„...Kleine Fische werden gefressen. Haie überleben. Man war doch lieber Raubtier als Opfer, oder?...“
Rosa stammt aus besserem Haus. Sie fällt durch ihre Empathie auf und teilt das Wenige, das sie haben. Ihr fehlt aber eine gewisse Härte.
Carla gehört zu den Aufseherinnen. Sie ist nur wenige Jahre älter als Ella. Sie ist eine Frau mit zwei Gesichtern. Einerseits gibt sich sich freundlich, andererseits kann sie sehr grausam reagieren, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht.
Mina ist die Vorsteherin der Nähwerkstatt und somit selbst Häftling. Sie marschiert auf den schmalen Grat, den es braucht, um keinen Fehler zu machen und zu überleben. Ella beschreibt sie so:
„...Ihre herausgehobene Position bescherte ihr Macht und Privilegien – genug Macht, um uns andere zu beherrschen. Manche in ihrer Position versuchten, fair zu bleiben...“
Sehr schön wird erzählt, wie Ella und Rosa nach und nach zu Freundinnen werden. Dadurch lernt Ella, Mensch zu bleiben und auf andere zu achten. Gleichzeitig passt sie auf Rosa auf und hilft ihr. Rosa ist sehr gebildet und belesen. Sie nimmt die Häftlinge mit in ihre Traumwelt und erzählt ihnen Geschichten. Das lenkt ab vom grausamen Alltag. Apropos Häftlinge – der Begriff fällt bei Ella nie. Sie nennen sich selbst Zebras.
Die Autorin verschweigt nichts. Ich lerne alle Teile des Lagers kennen. An Ellas Seite erlebe ich Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt, aber auch Verrat und Todesangst. Trotzdem werden die Szenen nicht zusätzlich ausgeschmückt. Bei den alltäglichen Schikanen bleibt die Erzählerin fast sachlich. Um so eindrücklicher wirkt das Geschehen.
„...Das Warenhaus war keine wertvolle Schatztruhe. Kein luxuriöses Einkaufserlebnis. Es war ein schrecklicher Friedhof gestohlener Besitztümer...“
Was Ella stets neue Kraft gibt, sind die Erinnerungen an ihre Großeltern. Ihre Großmutter hatte für jede Lebenslage eine Weisheit. Die werden kursiv gedruckt, wenn sie Ella durch den Kopf gehen
„...Im Zweifelsfall Kopf hoch, Schultern zurück und auf in den Kampf...“
Nach und nach sickern Nachrichten durch, dass die Front näher rückt. Während die einen hoffen, versuchen die Wächter ein Hintertürchen offen zu halten. Doch plötzliche Freundlichkeit kann schnell umschlagen. Eines hat Elle mittlerweile gelernt:
„...Und auch ohne unsere Alltagskleidung versuchten wir irgendwie, unsre echte Identität zu bewahren. Uns zu beweisen, dass wir Menschen und keine Tiere waren...“
Ich habe schon viele Bücher über das Leben in einem KZ gelesen. Die Sicht einer jungen Frau in diesem Buch aber malt ein ganz eigene Bild. Ihre Träume von der Zukunft nähren ihre Hoffnung.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich könnte es mir sehr gut als Schullektüre vorstellen.