Ein spannender Reihenauftakt
Inhalt: Talberg 1935. Fast schon manisch hat der Dorflehrer Wilhelm Steiner einen Turm in der Nähe des kleinen Dorfes im Bayerischen Wald bauen lassen. Doch: Kurz vor Vollendung des Bauwerkes findet man ...
Inhalt: Talberg 1935. Fast schon manisch hat der Dorflehrer Wilhelm Steiner einen Turm in der Nähe des kleinen Dorfes im Bayerischen Wald bauen lassen. Doch: Kurz vor Vollendung des Bauwerkes findet man den Lehrer tot am Fuße des Turmes. Schnell stellt sich heraus, dass es sich keineswegs um einen Unfall handelt: Steiner wurde von dem Turm gestoßen. Für die Dorfgemeinschaft steht fest, dass diese Tat nur Elisabeth Steiner ausgeführt haben kann. Die nunmehrige Witwe stand ohnehin unter Verdacht, eine Hexe zu sein. Der aus München herbeigerufene Polizist Karl Leiner ist sich in der Täterfrage nicht so sicher. Die Ermittlungen gestalten sich allerdings schwierig: Jeder Dorfbewohner scheint ein Geheimnis zu haben – und plötzlich wird zweite Leiche gefunden.
Persönliche Meinung: „Talberg 1935“ ist ein Thriller/Spannungsroman von Max Korn. Es handelt sich um den ersten Band der „Talberg“-Trilogie. Erzählt wird der Roman aus drei verschiedenen Hauptperspektiven, die jeweils in personaler Erzählform verfasst sind: Elisabeth Steiner, Karl Leiner und Johannes Steiner (der Bruder von Wilhelm). Alle drei Figuren versuchen auf ihre Art herauszufinden, wer für die Morde verantwortlich ist. Die „Hauptermittlungsarbeit“ wird aber in der Perspektive Karl Leiners geleistet. In den Perspektiven von Elisabeth Steiner und Johannes Steiner geht es – neben den Ermittlungen – auch verstärkt um die Vergangenheit der beiden Figuren (warum das so ist, wird am Ende des Romans in Form einer überraschenden Wendung offenbart). Besonders Elisabeth und Johannes sind interessant ausgestaltete Figuren: Während Elisabeth eine starke, fortschrittliche Figur ist, die mit den im dörflichen Mikrokosmos verbreiteten Vorurteilen zu kämpfen hat, ist Johannes – spoilerfrei formuliert – psychisch und physisch vom vergangenen Weltkrieg gezeichnet. Handlungs- bzw. ermittlungstechnisch passiert im ersten Drittel des Romans noch nicht so viel. Hier wird der Fokus auf die erzählerische Ausgestaltung des Handlungsortes gelegt. Die Topografie des Dorfes wird dabei ausführlich vorgestellt. Auch lernt man die Dorfbewohner und das Dorfleben detailliert kennen, sodass der Handlungsort insgesamt eine schöne Tiefe und eine dichte, beklemmende Atmosphäre erhält. Denn: Sowohl das Dorf als auch seine Bewohner wirken aus der Zeit gefallen, irgendwie verschroben. Das Dorfleben selbst ist geprägt von (offenen) Geheimnissen, Kontrolle und einem Buckeln vor denjenigen, die im Dorf das Sagen haben. Dinge und Personen, die von außen in das Dorf dringen, lehnt man in Talberg konsequent ab. Mit dem Auftritt Karl Leiners entwickelt sich die Handlung stärker in Richtung Krimi/Thriller und gewinnt an genretypischer Spannung: Wer ist für die Morde verantwortlich? Wer trägt welches Geheimnis mit sich? Wem kann man trauen? Durch diese lange Zeit offenen Fragen entsteht ein schöner Spannungsbogen. Das Ende des Romans, bei dem es einige unerwartete Aufdeckungen gibt, ist schlüssig. Auch der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Er lässt sich flüssig lesen, orientiert sich an der Handlungszeit und ist stellenweise dialektgefärbt. Insgesamt ist „Talberg 1935“ ein spannender Reihenauftakt mit einem dichten Setting und einer stimmigen Handlung.