Mariam möchte aus der ärmlichen Lehmhütte zur Schule gehen. Ihre Mutter verwehrt ihr den Wunsch: „Nur eines muss sie können. Und das ist: tahamul. Aushalten.“ S. 22 Nach ihren Erfahrungen dürfen Frauen wie sie und ihre Tochter nicht viel erwarten. Nur einmal in der Woche kommt der Vater zu Besuch – die Mutter ist keine seiner drei Ehefrauen, sie war nur die Angestellte in seinem Haus und beklagt ihr Los. „Manchmal…wünschte ich, mein Vater hätte den Mumm gehabt, eines seiner Messer zu wetzen und der Ehre Genüge zu tun. Es wäre womöglich besser für mich gewesen.“ S. 10 Tochter Mariam wächst meist freudlos heran, nur der alte Mullah, der sie unterrichtet, und eine Freundin der Mutter bringen Abwechslung.
Laila hingegen wird als behütetes drittes Kind nach zwei älteren Söhnen geboren, mit gebildeten, wohlhabenden Eltern. Der Vater legt Wert darauf, auch seiner Tochter jegliche Bildung zukommen zu lassen. Doch Laila und Mariam leben in Afghanistan und bald ergreifen die Kommunisten die Macht. Lailas Vater verliert seine Arbeit, doch immer noch schätzt er, dass die Kommunisten großen Wert auf die Schulbildung auch und gerade der Mädchen Wert legen. Die Söhne kämpfen bereits gegen die Kommunisten – Lailas Mutter lebt hauptsächlich in der Vergangenheit mit diesen Brüdern. „Laila hörte immer aufmerksam zu und hoffte im Stillen, Mami würde bemerken, dass sie, Laila, kein shaheed [Märtyrer] war und noch lebte, dass sie hier mit ihr im Bett lag und eigene Wünsche für die Zukunft hatte. Allerdings war ihr klar, dass sich ihre Zukunft mit der Vergangenheit ihrer Brüder nicht messen lassen konnte.“ S. 133 Beide Frauen haben diese Mütter…
Die bald miteinander verwobene Geschichte der beiden ungleichen Frauen mit völlig verschiedenem gesellschaftlichen Hintergrund innerhalb Afghanistans wird von Autor Khaled Hossein zu einer Geschichte geschrieben über Liebe und Freundschaft, Willkür und Leid, aber auch Mut und Hoffnung. Es ist außerdem die Geschichte Afghanistans ab dem Jahr von Mariams Geburt, 1959, von verschiedenen Volksgruppen, den wechselnden politischen Gegebenheiten, vom König, den Kommunisten, den Mudschaheddin, den Taliban, den verschiedenen Kriegen. Hossein berichtet vom Leid der Frauen, aber auch vom Widerstand. Ich schlage sonst bei ähnlichen Bücher immer viel nach – „Tausend strahlende Sonnen“ schafft es, das Wissen über das Land ganz nebenbei mit einfließen zu lassen und gleichzeitig eine schlicht bewegende, mitreißende, wunderschöne Geschichte zu sein, die bei aller zwischendurch den Protagonistinnen zuteil werdenden Willkür immer auch von ihrer inneren Stärke und Würde erzählt.
Ich habe eine Ausgabe vom Berliner Taschenbuchverlag gelesen, die als Nachwort sowohl ein Interview mit dem Autor als auch Fragen zur Anregung für Lesekreise enthält – besonders letztere empfand ich als hilfreich und empfehle damit ausdrücklich diese Ausgabe – und, das Buch unbedingt zu lesen!