Profilbild von Wordworld_Sophia

Wordworld_Sophia

Lesejury Star
offline

Wordworld_Sophia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Wordworld_Sophia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.02.2022

Band 1 einer originellen und hochspannenden Abenteuersaga!

Gregor und die graue Prophezeiung
0

Mit Suzanne Collins "Gregor"-Reihe verbindet mich eine längere Reise voller guter Erinnerungen und begeisterter Rereads. Zum ersten Mal gelesen habe ich sie 2011 im Alter von 10 Jahren und war so hin und ...

Mit Suzanne Collins "Gregor"-Reihe verbindet mich eine längere Reise voller guter Erinnerungen und begeisterter Rereads. Zum ersten Mal gelesen habe ich sie 2011 im Alter von 10 Jahren und war so hin und weg von dieser originellen und hochspannenden Abenteuergeschichte, dass ich mir sofort alle Teile angeschafft habe. Im Laufe der Jahre wurde die Serie dann so etwas wie ein Comfort-Read für mich, auf den ich immer wieder in stressigen Situationen zurückgreifen konnte. Denn statt mich mit der Zeit zu langweilen, fielen mir mit jedem neuen Lesedurchgang neue Details auf, an denen ich mich erfreuen konnte und auch wenn ich der Zielgruppe mittlerweile deutlich entwachsen bin, reise ich jedes Mal mit großer Freude ins Unterland. Zu allen fünf Bänden der Reihe habe ich schon 2016 in den Anfängen meines Blogs eine Rezension geschrieben. Da diese jedoch recht kurz und oberflächlich ausfiel, habe ich nach einem weiteren Reread beschlossen, dass die Reihe es verdient, dass ich sie nochmal mit einer neuen Rezension ehre.

Bevor meine Lobpreisung startet, will ich erstmal wie immer noch einige Worte zur Gestaltung loswerden. Die alten Cover meiner gebundenen Ausgaben sind von Band zu Band in unterschiedlichen Farben gehalten und zeigen jeweils Schlüsselszenen der Handlung in detailverliebter Illustration. Auf dem Cover von Band 1 ist unser junger Protagonist Gregor zu sehen, welcher mit seiner 2jährigen Schwester Boots auf dem Rücken und einer Taschenlampe in der Hand in ein reichverziertes Gewölbe tritt. Der gelbe Titel hebt sich gelungen vom dunkelgrünen Grund ab und passt auch inhaltlich so gut zur Handlung, dass er mir fast besser gefällt als der Originaltitel. Auch an der großen blauen Kakerlake und der runden roten Spinne, die das Gesamtbild komplettieren merkt man dabei, dass das Cover extra für die Geschichte kreiert wurde und nicht auf einem Stockbild beruht. Die Illustration stammt von Joachim Knappe, der auch die Vignetten an den Kapitelanfängen erstellt und die Gestaltung der Titelblätter der drei Teile übernommen hat. Eine so runde und der Zielgruppe entsprechende Gestaltung gibt es einfach nur bei Kinderbüchern!


Erster Satz: "Gregor hatte die Stirn so lange gegen das Fliegengitter gedrückt, dass er das Muster der winzigen Quadrate über den Augenbrauen spürte."


Suzanne Collins beginnt ihre Abenteuerreihe mit einem heißen Ferientag mitten in New York City. Statt mit den anderen Kindern ins Ferienlager zu fahren, muss der 11jährige Gregor mit seiner Großmutter und seiner kleinen Schwester Boots zu Hause bleiben und langweilt sich fürchterlich. Mit der Langeweile ist es jedoch schnell vorbei als Boots durch den Lüftungsschacht im Wäschekeller fällt und er ihr hinterher in eine abenteuerliche Welt springt, die für ihn jede Menge Gefahren, Geheimnisse, überraschende Wiedersehen, Freundschaften und Prophezeiungen bereithalten wird...

Auch für die LeserInnen bleibt die Langeweile während der 300seitigen Geschichte garantiert fern. Die Autorin setzt ein hohes Erzähltempo an und jagt uns zusammen mit Gregor durch ein haarsträubendes Abenteuer in einer fremden Welt. Die Rahmenhandlung wird dabei durch Prophezeiungen vorgegeben, die es zu enträtseln und entschlüsseln gilt, die aber zumeist erst nach der Geschichte ganz klar erscheinen. Viele Wendungen, gute Ideen, überraschend komplexe Zusammenhänge wie Abkommen, Intrigen, Politik, Kämpfe um Land und Ressourcen sowie regelmäßige realgeschichtliche Anspielungen sorgen dabei dafür, dass auch ältere LeserInnen viel Spaß haben. Durch die bildhafte, aber einfach gehaltene Sprache mit lebensnahen Vergleichen und vielen Dialogen stellt Suzanne Collins aber sicher, dass in erster Linie ihre junge Zielgruppe der Handlung folgen und auf ihre Kosten kommen kann. Rückblickend geht es an einigen Stellen recht blutrünstig für eine 10jährige Zielgruppe zu da viel gekämpft und auch getötet wird. Als Kind hatte ich das aber nicht so empfunden, da viele Szenen erst in den Köpfen von Erwachsenen richtig bedrohlich erscheinen.

Neben dem hohen Erzähltempo überzeugt auch das Worldbuilding der Reihe. Die Autorin entführt in eine unterirdische Höhlenwelt, die sich blasse Menschen (die Überländer) mit Krabblern (=1,20m großen Kakerlaken), Fliegern (großen Fledermäusen), Nagern (mannshohen Ratten) und allerlei anderen überdimensional großen und sprechenden Lebewesen teilen. Was die menschliche Unterländer angeht ist natürlich besonders interessant zu erfahren, wie diese Leben und was sie von uns sogenannten "Überländern" unterscheidet, während bei den Tieren positiv hervorzuheben ist, dass sie alle eine eigene Kultur, Ausdrucksweise und Charaktereigenschaften bekommen. Viele der Regeln der Welt, Details des Lebens unter Tage, die Entstehung der Menschenstadt Regalia oder die Vorstellung der verschiedenen Territorien werden nach und nach im Verlauf der Handlung erklärt. Auf diese Weise wird man beim Lesen nicht mit Informationen erschlagen, kann sich aber von Kapitel zu Kapitel ein besseres Bild des Schauplatzes machen.


"Habt Acht, Unterländer, die Zeit ist in Not.
Jäger sind Gejagte, weißes Wasser fließt rot.
Die Nager trachten und nach dem Leben.
Die Suche allein kann uns Hoffnung geben.

Dem Überland-Krieger kann es gelingen,
uns allen das Licht zurückzubringen.
Mit dem Sohn der Sonne geht auf die Reise,
sonst enden wir alle als Rattenspeise.

Zwei über, zwei unter mit Königsblut,
zwei Flieger, zwei Krabbler, zwei Spinner mit Mut.
Ein Nager dabei und der, den sie quälen,
und acht sind es noch, wenn wir die Toten zählen.

Der letzte, der stirbt, kann das Blatt noch wenden.
Das Schicksal der Acht liegt in seinen Händen.
Drum mahnt ihn zur Vorsicht, sonst springt er daneben,
denn Leben kann Tod sein und Tod erschafft Leben."


Auch wenn einige Elemente wie zum Beispiel der typische Fall in eine andere Welt (das Kaninchenloch wird hier zum Lüftungsschacht), die Verbindung der Menschen mit Reittieren, geheimnisvolle Prophezeiungen oder Heldenreisen bekannt erscheinen, finde ich die Idee, im Verborgenen lebende und oft verabscheute Tiere hier zu den Hauptfiguren zu machen, großartig und erfrischend. Anhand der auf den ersten Blick wie Monster aussehenden Kreaturen, hinter denen sich dann doch häufig sympathische und einnehmende Figuren verbergen, lehrt die Autorin uns Rücksichtnahme und Unvoreingenommenheit gegenüber anderen Völkern und deren Eigenarten. Im direkten Miteinander der Figuren hebt Suzanne Collins Mut, Freundschaft, Vertrauen und den Wert der Familie hervor - alles Botschaften, die sehr gut in ein Kinderbuch passen und auch erwachsenen LeserInnen das Herz erwärmen.

Besonders lebt die Reihe jedoch auch von den Figuren. Im Zentrum steht wie gesagt der 11jährige Gregor, der innerhalb der fünf Bände wachsen, lernen, Verantwortung übernehmen und Schritt für Schritt zum Held werden darf. In Band 1 lernen wir ihn hier als liebevollen großen Bruder kennen, der vor allem aus der Motivation heraus, seinen verschollenen Vater zu finden, bei den Abenteuern der Unterländer mitspielt, aber nicht wirklich daran glaubt, der prophezeite "Krieger" zu sein, auf den alle seit Jahrhunderten warten. Mit seinem Gerechtigkeitssinn und seiner Fähigkeit, sich Fehler einzugestehen und zuzugeben, wenn er mal falschgelegen hat, hat er sich sofort in mein Herz geschlichen. Auch seine kleine Schwester Boots, die mit ihrem kindlichen Charme sofort die halbe Unterwelt um den Finger wickelt und von den Kakerlaken bald als Prinzessin verehrt wird, muss man einfach lieben. Besonders ans Herz gewachsen sind mir im ersten Teil auch die undurchsichtige Ratte Ripred, die beiden Kakerlaken Temp und Tick, die eingebildete Königin Luxa, die rebellische Fledermaus Ares und der großväterliche Vikus, von denen uns auch einige in den weiteren Bänden noch begleiten werden...

Ich kann also großen und kleinen Fans von Abenteuer- und Fantasygeschichten nur empfehlen, zu dieser Reihe zu greifen. Wer mehr von Suzanne Collins lesen will, dem sei übrigens auch ihre weltberühmte Panem-Reihe sehr ans Herz gelegt!




Fazit:


Eine meiner liebsten Fantasy-Reihen aller Zeiten! Suzanne Collins beginnt mit "Gregor und die graue Prophezeiung" eine originelle und hochspannende Abenteuersaga über Licht, Dunkelheit, Außenseiter, Mut, Freundschaft, Familie und kulturelle Rücksichtnahme!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.01.2022

Eine tragische, intensive und hochemotionale LGBTQIA+ Liebesgeschichte

Someday, Someday
0

Vor genau einer Woche habe ich die Rezension zu Band 2 der "Only Love"-Reihe von Emma Scott verfasst und nun folgt auch schon meine Meinung zu Band 3, welcher letzten Freitag veröffentlicht wurde. Genau ...

Vor genau einer Woche habe ich die Rezension zu Band 2 der "Only Love"-Reihe von Emma Scott verfasst und nun folgt auch schon meine Meinung zu Band 3, welcher letzten Freitag veröffentlicht wurde. Genau wie die neun Vorgänger, die ich schon von dieser Autorin gelesen habe, ist auch "Someday Someday" eine tragische, intensive und hochemotionale Liebesgeschichte, die man als Fan des Genres auf keinen Fall verpassen sollte. In einer Sache hebt sich ihr aktuellster Roman aber von ihren bisherigen Werken ab: mit der Geschichte von Max und Silas hat die Autorin zum ersten Mal eine LGBTQIA+ Romance geschrieben und damit erneut bewiesen, Liebe Liebe ist.

Genau wie bei Band 1 und 2 auch ist das Cover mal wieder sehr schön anzusehen mit dem türkisblauen Hintergrund, der von federartigen lavendelfarbenen Strukturen und rosé-goldenen Lichtpunkten durchzogen ist. Wie aber bei fast allen Cover-Gestaltungen des LYX-Verlag fehlt unter der hübschen Oberfläche die tiefere Bedeutung: die Verbindung zum Inhalt. Sehr gut gefällt mir allerdings, dass der LYX-Verlag sich bei diesem dritten Band der "Only-Love-Reihe" dazu entschieden hat, den englischen Originaltitel beizubehalten. Ebenfalls gefreut hat mich, dass es dieses Mal eine Triggerwarnung gibt, die darauf hinweist, dass sich hinter diesem hübschen Cover ein paar ganz schön harte Brocken verbergen.


Erster Satz: "Hey Mann." Joey ließ mich kurz ein kleines Tütchen mit weißem Pulver sehen."


Schon der Prolog startet ganz schön heftig. Statt uns in Ruhe ihre beiden Protagonisten vorzustellen, steigen wir mit einer Wiederholung von Max´ Drogengeschichte in "Someday Someday" ein. Schon aus dem Vorgänger "Forever Right Now" wissen wir ja, dass Max mit 16 Jahren von seinen Eltern vor die Tür gesetzt wurde, als sie ihn mit einem anderen Jungen erwischt haben. Jung, orientierungslos, ohne Perspektive und zutiefst verletzt hat er angefangen Drogen zu nehmen, wurde süchtig und musste sich diese Sucht auch durch sexuelle Gefälligkeiten finanzieren. Sieben Jahre später wagt er nun als Krankenpfleger in einer neuen Stadt einen Neuanfang und bekommt ein verlockendes Angebot auf eine Pflegestelle eines Milliardärs. Ebenfalls in dieser ersten Szene, treffen wir auch gleich schon unseren zweiten Protagonisten, Silas, der still Max´ Erzählung beim NA-Meeting lauscht. Ergriffen von der ehrlichen und offenen Schilderung, fühlt er sich sofort zu Max hingezogen. Denn wenn der junge Nachwuchsmilliardär sich eines nicht vorstellen kann, dann seine Probleme offen mit anderen zu teilen. Als er Max dann ausgerechnet bei sich zuhause als neuen Pfleger seines MS-kranken Vaters wieder trifft, ist er schnell in einer schwierigen Position. Denn wenn sein Vater erfährt, dass er Gefühle für den jungen Mann entwickelt, ist seine Chance auf den CEO-Posten des Pharma-Giganten Marsh Industries dahin. Denn wenn eines in der Familie der Marshs noch weniger geduldet wird als Schwäche, ist es Homosexualität...


Max: "Er hatte einen Felsblock aus sich gemacht - reich, mächtig, unempfindlich für Schmerzen. Seine schönen Züge hätten in Stein gemeißelt sein können, aber im frühen Morgenlicht sah ich seien Menschlichkeit. Die körperliche Anziehung, die ich ihm gegenüber empfand, kam mir oberflächlich vor. Da war so viel mehr an ihm, und das meiste hatte er tief in sich verschlossen. Man sah ab und zu seinen Schmerz, wie SOS-Rufe von einer einsamen Insel."


Schon in dieser kurzen Inhaltszusammenfassung wird denke ich klar, welche ernsten Themen Emma Scott als Gegenpol zur Liebensgeschichte in "Someday Someday" eingebaut hat. Genau wie alle ihre Bücher ist die Geschichte zwar leise und sensibel erzählt, ruhig und ereignislos über weite Teile der Geschichte, aber dafür mit brüllend lauten Schicksalen unter der Oberfläche. Zentral geht es hier um Verstoßung aus der eigenen Familie, Diskriminierung, Homophobie, Hass, Konversationstherapie, Trauma und Drogenmissbrauch. Während Max´ Vergangenheit bis auf seine Erzählung zu Beginn keine so große Rolle mehr spielt, musste ich vor allem bei Silas´ Rückblicken, sich aufdrängenden Erinnerungen und Flashbacks von seiner Zeit in Alaska sehr schlucken. Wie Emma Scott in ihrem Nachwort deutlich macht, gehört die mittelalterlich anmutende und wissenschaftlich erwiesenermaßen schädliche Konversationstherapie leider immer noch nicht der Vergangenheit an und mehrere Tausend junge LGBTQIA+-Personen leiden immer noch unter den illegalen Versuchen einer Umprogrammierung ihrer sexuellen Orientierung. Auch in anderen Belangen hat die Geschichten von Max und Silas ein erschreckend realer Bezug. Obdachlosigkeit und Selbstmordversuche kommen bei jungen queeren Personen um 120% häufiger vor, als in der Durchschnittsbevölkerung und auch die beschriebene gravierend um sich greifende Opioidsucht ist ein reales Problem in Amerika. Nicht nur durch das Nachwort, sondern auch durch die eindringliche und sensible Darstellung dieser Themen wird klar, dass der Autorin die Aufklärung über diese Themen sehr am Herzen liegt.


Silas: "So vieles von dem, was zerstört worden war, war nicht mehr zu retten, aber ich musste es versuchen. Ich hatte Hoffnung. Und vielleicht, dachte ich, als ich durch das stille Haus ging, war es okay, auch für mich ein wenig Hoffnung zu haben. Denn das Richtige - das Gute - zu tun, egal wie schwer es war, war der einzige Weg, die Liebe eines Mannes wie Max Kaufman zu verdienen."


"Someday Someday" ist aber keineswegs eine düstere Leidensgeschichte, die den Zeigefinger erhebt, sondern in erster Linie eine ergreifende Liebesgeschichte und ist als solche auch von Hoffnung, Licht und Leben durchzogen. Diese Autorin schafft es wie keine Zweite, intensiv Schmerz und Liebe gegenüberzustellen und den Leser damit zum Weinen, zum Lachen und zum Mitfiebern zu bringen. Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen heilt, sind wirklich erstaunlich. Ein Thema, das stark im Vordergrund steht und sowohl auf die Persönlichkeitsentwicklung der beiden Figuren als auch deren Verhältnisse zu ihren jeweiligen Familien bezogen werden kann, ist deshalb auch die Vergebung. In der gesamten Reihe standen ja bisher Neuanfänge im Vordergrund und es wurden Geschichten von jungen Menschen in fremden Städten erzählt, die in der Nähe eines anderen Menschen Heilung finden. Auch "Someday Someday" setzt diese Motive um, wobei ich jedoch denke, dass Vergebung als schönste Art eines Neuanfangs betrachtet werden kann.


Max: "Was, wenn es zu spät ist?" "Das gibt es nicht", sagte ich. "Jede Minute, die man am Leben ist, ist eine zweite Chance auf einen Neuanfang. Ich ehre meine Vergangenheit, aber ich lebe nicht in ihr. Ich wähle stattdessen diesen Moment. Hier und jetzt."


Was ebenfalls auffällt ist die Länge des Romans. In "Someday Somday" nimmt sich Emma Scott etwas mehr Zeit für die Ausbreitung ihrer Geschichte (das Buch ist mit fast 500 Seiten ein ordentlicher Wälzer für einen New Adult Roman) und das merkt man vor allem den Figuren und deren Beziehung stark an. Sehr gut gefallen hat mir, dass es zwar ganz schön prickelt und knistert zwischen Max und Silas, sich die Autorin aber viel Zeit, um deren Beziehung zu entwickeln. In "Someday Someday" gibt es wieder deutlich mehr explizite Szenen als im Vorgänger über Darlene und Sawyer, dennoch haben die beiden durch das geteilte Leid von Beginn an eine tiefe Verbindung, die weit über Körperliches hinausgeht.


Silas: "Mr. Kaufman ist mehr als ein Mitarbeiter, nicht wahr?"
"Du hast recht, Eddie", sagte ich, legte die Finger auf die Tasten, und Symphonien von Gefühle stiegen in mir auf, alle in Farben getränkt, die ich nie zuvor gesehen hatte.
"Er ist so viel mehr als das."


Auch die Figuren an sich konnten sich in mein Herz schleichen. In den warmherzigen, hilfsbereiten Max habe ich mich ja schon in "Forever Right Now" Hals über Kopf verliebt und mein Respekt vor seinem einfühlsamen, ehrlichen und seinen Mitmenschen wie auch sich selbst gegenüber liebevollen Wesen, ist mit jeder Seite aus seiner Perspektive nur noch mehr angestiegen. Silas hingegen erschien mir auf den ersten Blick als lebendig gewordenes "unwahrscheinlich gutaussehender, eiskalter, kontrollierter Milliardär-Roboter entdeckt langsam sein Herz"-Klischee und es dauerte eine Weile, bis er mich für sich eingenommen hatte. An einigen Stellen empfand ich seine Sichtweise auf die Welt, seine Gedanken- und Gefühlswelt fast ein kleines bisschen drüber - Max wirkt fast zu perfekt, die Alaska-Rückblicke fast zu furchtbar, sein Vater zu dämonisiert, der aktuelle CEO zu herzlos -, ganz so, als hätte die Autorin den Intensitätsschieberegler beim Schreiben die ganze Zeit voll aufgedreht, statt damit nach Bedarf zu spielen. Mit der Zeit ist das Eis, das Silas umgab dann aber immer mehr in sich zusammengeschmolzen und diese Intensität hat mich dann doch noch getroffen wie eine Lawine und hat mein Herz immer wieder für die beiden brechen lassen.


Max: "Wir alle hatten das grundlegende menschliche Bedürfnis nach Liebe, und ihm hatte man gesagt, er müsse sich ändern, um geliebt zu werden. Als ich zuerst gehört hatte, dass Silas weggeschickt worden war, hatte ich geglaubt, es wäre ein Kampfeinsatz gewesen. Und Silas hatte wirklich gekämpft; er hatte für sich gekämpft und verloren. Die Wunden, die der Feind ihm beigebracht hatte, waren unendlich tief, und was man ihm angetan hatte, hatte noch immer Macht über ihn. Aber er kämpft auch noch immer."


Wer viel von der Autorin liest, wird mittlerweile wissen, dass sie es perfektioniert hat, die Geschichten von angeknacksten Künstlerseelen zu erzählen. Nach Schauspielern, Sängern, einer Violinistin, Comiczeichnern, einer Malerin, Poeten, einem Glasbläser, einem Tattookünstler und einer Tänzerin darf Silas uns als Pianist mal wieder ins Reich der Musik entführen. Die Kunst bleibt in diesem Buch aber nur ein kleines Randthema und wird nicht so flächendeckend genutzt, wie das in vorherigen Romanen der Autorin der Fall war. Neben der Kunst gab es noch weitere Aspekte, die in den fast 500 Seiten keinen Platz gefunden haben. Erstens hatte ich sehr gehofft, dass Darlene einen größeren Teil von Max´ Leben einnimmt, da ich die Protagonistin des zweiten Bandes der Reihe wirklich sehr ins Herz geschlossen hatte und ihre Freundschaft zu Max ganz hinreißend fand. Einen großen Pluspunkt konnte die Autorin aber mal wieder damit sammeln, dass sie ein gut getarntes Crossover-Easter-Egg zu ihrem Einzelband "Between Your Words" eingebaut hat...


Max: "Sei glücklich, Max. Schnapp es dir mit beiden Händen und renn los. Dafür sind wir auf der Welt."


Zweitens wollte ich gerne mehr über Max´ Hintergrundgeschichte erfahren (vor allem über seine Beziehung zu Carl, der ja wie eine Art Vater für ihn war, dafür aber nur wenig genannt wird). Wie bereits gesagt, spielt diese aber nach dem Einstieg nur noch eine stark untergeordnete Rolle. Auch die sehr ähnlich verlaufenden Klärungsgespräche am Ende mit den recht flotten Meinungsänderungen sind Punkte, die man im Laufe der Handlung besser vorbereiten, oder eben ganz weglassen hätte können. Aus diesem Grund kann ich leider keine volle 5 Sterne geben, auch wenn mein Herz das gerne wollte.

Neuauftauchende Nebenfiguren, die sich in mein Herz geschlichen haben, sind Max´ Schwester Rachel, Silas´ autistischer und Charles-Dickens-liebender Bruder Eddie und Silas´ extrovertierte Scheinverlobte Faith (die ich mir übrigens wahnsinnig gut mit Sawyers Freund Jackson aus Band 2 vorstellen könnte). Leider haben wir mit "Someday Someday" schon wieder das Ende der "Love Only"-Reihe erreicht. Ich hätte mir gut vorstellen können, einen dieser Figuren nochmal genauer zu begleiten... Allgemein war nach dem Ende mein Herz so voller Liebe und Stolz auf die Figuren (von denen ich sehr wohl weiß, dass sie fiktiv sind, danke für den Hinweis), dass ich es kurz umarmen musste, bevor ich es mit einem warmen Gefühl in den Schrank gestellt habe.



Fazit:


Eine tragische, intensive und hochemotionale LGBTQIA+ Liebesgeschichte über Entfremdung, Homophobie, Hass, Konversationstherapie, Trauma, Drogenmissbrauch, aber auch Liebe, Hoffnung und Vergebung - die schönste Art des Neuanfangs. "Someday Someday" ist trotz weniger für mich offenbleibender Punkte in meinen Augen klar der beste Teil der Reihe!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.01.2022

Eine tragische, intensive und hochemotionale LGBTQIA+ Liebesgeschichte

Someday, Someday
1

Vor genau einer Woche habe ich die Rezension zu Band 2 der "Only Love"-Reihe von Emma Scott verfasst und nun folgt auch schon meine Meinung zu Band 3, welcher letzten Freitag veröffentlicht wurde. Genau ...

Vor genau einer Woche habe ich die Rezension zu Band 2 der "Only Love"-Reihe von Emma Scott verfasst und nun folgt auch schon meine Meinung zu Band 3, welcher letzten Freitag veröffentlicht wurde. Genau wie die neun Vorgänger, die ich schon von dieser Autorin gelesen habe, ist auch "Someday Someday" eine tragische, intensive und hochemotionale Liebesgeschichte, die man als Fan des Genres auf keinen Fall verpassen sollte. In einer Sache hebt sich ihr aktuellster Roman aber von ihren bisherigen Werken ab: mit der Geschichte von Max und Silas hat die Autorin zum ersten Mal eine LGBTQIA+ Romance geschrieben und damit erneut bewiesen, Liebe Liebe ist.

Genau wie bei Band 1 und 2 auch ist das Cover mal wieder sehr schön anzusehen mit dem türkisblauen Hintergrund, der von federartigen lavendelfarbenen Strukturen und rosé-goldenen Lichtpunkten durchzogen ist. Wie aber bei fast allen Cover-Gestaltungen des LYX-Verlag fehlt unter der hübschen Oberfläche die tiefere Bedeutung: die Verbindung zum Inhalt. Sehr gut gefällt mir allerdings, dass der LYX-Verlag sich bei diesem dritten Band der "Only-Love-Reihe" dazu entschieden hat, den englischen Originaltitel beizubehalten. Ebenfalls gefreut hat mich, dass es dieses Mal eine Triggerwarnung gibt, die darauf hinweist, dass sich hinter diesem hübschen Cover ein paar ganz schön harte Brocken verbergen.


Erster Satz: "Hey Mann." Joey ließ mich kurz ein kleines Tütchen mit weißem Pulver sehen."


Schon der Prolog startet ganz schön heftig. Statt uns in Ruhe ihre beiden Protagonisten vorzustellen, steigen wir mit einer Wiederholung von Max´ Drogengeschichte in "Someday Someday" ein. Schon aus dem Vorgänger "Forever Right Now" wissen wir ja, dass Max mit 16 Jahren von seinen Eltern vor die Tür gesetzt wurde, als sie ihn mit einem anderen Jungen erwischt haben. Jung, orientierungslos, ohne Perspektive und zutiefst verletzt hat er angefangen Drogen zu nehmen, wurde süchtig und musste sich diese Sucht auch durch sexuelle Gefälligkeiten finanzieren. Sieben Jahre später wagt er nun als Krankenpfleger in einer neuen Stadt einen Neuanfang und bekommt ein verlockendes Angebot auf eine Pflegestelle eines Milliardärs. Ebenfalls in dieser ersten Szene, treffen wir auch gleich schon unseren zweiten Protagonisten, Silas, der still Max´ Erzählung beim NA-Meeting lauscht. Ergriffen von der ehrlichen und offenen Schilderung, fühlt er sich sofort zu Max hingezogen. Denn wenn der junge Nachwuchsmilliardär sich eines nicht vorstellen kann, dann seine Probleme offen mit anderen zu teilen. Als er Max dann ausgerechnet bei sich zuhause als neuen Pfleger seines MS-kranken Vaters wieder trifft, ist er schnell in einer schwierigen Position. Denn wenn sein Vater erfährt, dass er Gefühle für den jungen Mann entwickelt, ist seine Chance auf den CEO-Posten des Pharma-Giganten Marsh Industries dahin. Denn wenn eines in der Familie der Marshs noch weniger geduldet wird als Schwäche, ist es Homosexualität...


Max: "Er hatte einen Felsblock aus sich gemacht - reich, mächtig, unempfindlich für Schmerzen. Seine schönen Züge hätten in Stein gemeißelt sein können, aber im frühen Morgenlicht sah ich seien Menschlichkeit. Die körperliche Anziehung, die ich ihm gegenüber empfand, kam mir oberflächlich vor. Da war so viel mehr an ihm, und das meiste hatte er tief in sich verschlossen. Man sah ab und zu seinen Schmerz, wie SOS-Rufe von einer einsamen Insel."


Schon in dieser kurzen Inhaltszusammenfassung wird denke ich klar, welche ernsten Themen Emma Scott als Gegenpol zur Liebensgeschichte in "Someday Someday" eingebaut hat. Genau wie alle ihre Bücher ist die Geschichte zwar leise und sensibel erzählt, ruhig und ereignislos über weite Teile der Geschichte, aber dafür mit brüllend lauten Schicksalen unter der Oberfläche. Zentral geht es hier um Verstoßung aus der eigenen Familie, Diskriminierung, Homophobie, Hass, Konversationstherapie, Trauma und Drogenmissbrauch. Während Max´ Vergangenheit bis auf seine Erzählung zu Beginn keine so große Rolle mehr spielt, musste ich vor allem bei Silas´ Rückblicken, sich aufdrängenden Erinnerungen und Flashbacks von seiner Zeit in Alaska sehr schlucken. Wie Emma Scott in ihrem Nachwort deutlich macht, gehört die mittelalterlich anmutende und wissenschaftlich erwiesenermaßen schädliche Konversationstherapie leider immer noch nicht der Vergangenheit an und mehrere Tausend junge LGBTQIA+-Personen leiden immer noch unter den illegalen Versuchen einer Umprogrammierung ihrer sexuellen Orientierung. Auch in anderen Belangen hat die Geschichten von Max und Silas ein erschreckend realer Bezug. Obdachlosigkeit und Selbstmordversuche kommen bei jungen queeren Personen um 120% häufiger vor, als in der Durchschnittsbevölkerung und auch die beschriebene gravierend um sich greifende Opioidsucht ist ein reales Problem in Amerika. Nicht nur durch das Nachwort, sondern auch durch die eindringliche und sensible Darstellung dieser Themen wird klar, dass der Autorin die Aufklärung über diese Themen sehr am Herzen liegt.


Silas: "So vieles von dem, was zerstört worden war, war nicht mehr zu retten, aber ich musste es versuchen. Ich hatte Hoffnung. Und vielleicht, dachte ich, als ich durch das stille Haus ging, war es okay, auch für mich ein wenig Hoffnung zu haben. Denn das Richtige - das Gute - zu tun, egal wie schwer es war, war der einzige Weg, die Liebe eines Mannes wie Max Kaufman zu verdienen."


"Someday Someday" ist aber keineswegs eine düstere Leidensgeschichte, die den Zeigefinger erhebt, sondern in erster Linie eine ergreifende Liebesgeschichte und ist als solche auch von Hoffnung, Licht und Leben durchzogen. Diese Autorin schafft es wie keine Zweite, intensiv Schmerz und Liebe gegenüberzustellen und den Leser damit zum Weinen, zum Lachen und zum Mitfiebern zu bringen. Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen heilt, sind wirklich erstaunlich. Ein Thema, das stark im Vordergrund steht und sowohl auf die Persönlichkeitsentwicklung der beiden Figuren als auch deren Verhältnisse zu ihren jeweiligen Familien bezogen werden kann, ist deshalb auch die Vergebung. In der gesamten Reihe standen ja bisher Neuanfänge im Vordergrund und es wurden Geschichten von jungen Menschen in fremden Städten erzählt, die in der Nähe eines anderen Menschen Heilung finden. Auch "Someday Someday" setzt diese Motive um, wobei ich jedoch denke, dass Vergebung als schönste Art eines Neuanfangs betrachtet werden kann.


Max: "Was, wenn es zu spät ist?" "Das gibt es nicht", sagte ich. "Jede Minute, die man am Leben ist, ist eine zweite Chance auf einen Neuanfang. Ich ehre meine Vergangenheit, aber ich lebe nicht in ihr. Ich wähle stattdessen diesen Moment. Hier und jetzt."


Was ebenfalls auffällt ist die Länge des Romans. In "Someday Somday" nimmt sich Emma Scott etwas mehr Zeit für die Ausbreitung ihrer Geschichte (das Buch ist mit fast 500 Seiten ein ordentlicher Wälzer für einen New Adult Roman) und das merkt man vor allem den Figuren und deren Beziehung stark an. Sehr gut gefallen hat mir, dass es zwar ganz schön prickelt und knistert zwischen Max und Silas, sich die Autorin aber viel Zeit, um deren Beziehung zu entwickeln. In "Someday Someday" gibt es wieder deutlich mehr explizite Szenen als im Vorgänger über Darlene und Sawyer, dennoch haben die beiden durch das geteilte Leid von Beginn an eine tiefe Verbindung, die weit über Körperliches hinausgeht.


Silas: "Mr. Kaufman ist mehr als ein Mitarbeiter, nicht wahr?"
"Du hast recht, Eddie", sagte ich, legte die Finger auf die Tasten, und Symphonien von Gefühle stiegen in mir auf, alle in Farben getränkt, die ich nie zuvor gesehen hatte.
"Er ist so viel mehr als das."


Auch die Figuren an sich konnten sich in mein Herz schleichen. In den warmherzigen, hilfsbereiten Max habe ich mich ja schon in "Forever Right Now" Hals über Kopf verliebt und mein Respekt vor seinem einfühlsamen, ehrlichen und seinen Mitmenschen wie auch sich selbst gegenüber liebevollen Wesen, ist mit jeder Seite aus seiner Perspektive nur noch mehr angestiegen. Silas hingegen erschien mir auf den ersten Blick als lebendig gewordenes "unwahrscheinlich gutaussehender, eiskalter, kontrollierter Milliardär-Roboter entdeckt langsam sein Herz"-Klischee und es dauerte eine Weile, bis er mich für sich eingenommen hatte. An einigen Stellen empfand ich seine Sichtweise auf die Welt, seine Gedanken- und Gefühlswelt fast ein kleines bisschen drüber - Max wirkt fast zu perfekt, die Alaska-Rückblicke fast zu furchtbar, sein Vater zu dämonisiert, der aktuelle CEO zu herzlos -, ganz so, als hätte die Autorin den Intensitätsschieberegler beim Schreiben die ganze Zeit voll aufgedreht, statt damit nach Bedarf zu spielen. Mit der Zeit ist das Eis, das Silas umgab dann aber immer mehr in sich zusammengeschmolzen und diese Intensität hat mich dann doch noch getroffen wie eine Lawine und hat mein Herz immer wieder für die beiden brechen lassen.


Max: "Wir alle hatten das grundlegende menschliche Bedürfnis nach Liebe, und ihm hatte man gesagt, er müsse sich ändern, um geliebt zu werden. Als ich zuerst gehört hatte, dass Silas weggeschickt worden war, hatte ich geglaubt, es wäre ein Kampfeinsatz gewesen. Und Silas hatte wirklich gekämpft; er hatte für sich gekämpft und verloren. Die Wunden, die der Feind ihm beigebracht hatte, waren unendlich tief, und was man ihm angetan hatte, hatte noch immer Macht über ihn. Aber er kämpft auch noch immer."


Wer viel von der Autorin liest, wird mittlerweile wissen, dass sie es perfektioniert hat, die Geschichten von angeknacksten Künstlerseelen zu erzählen. Nach Schauspielern, Sängern, einer Violinistin, Comiczeichnern, einer Malerin, Poeten, einem Glasbläser, einem Tattookünstler und einer Tänzerin darf Silas uns als Pianist mal wieder ins Reich der Musik entführen. Die Kunst bleibt in diesem Buch aber nur ein kleines Randthema und wird nicht so flächendeckend genutzt, wie das in vorherigen Romanen der Autorin der Fall war. Neben der Kunst gab es noch weitere Aspekte, die in den fast 500 Seiten keinen Platz gefunden haben. Erstens hatte ich sehr gehofft, dass Darlene einen größeren Teil von Max´ Leben einnimmt, da ich die Protagonistin des zweiten Bandes der Reihe wirklich sehr ins Herz geschlossen hatte und ihre Freundschaft zu Max ganz hinreißend fand. Einen großen Pluspunkt konnte die Autorin aber mal wieder damit sammeln, dass sie ein gut getarntes Crossover-Easter-Egg zu ihrem Einzelband "Between Your Words" eingebaut hat...


Max: "Sei glücklich, Max. Schnapp es dir mit beiden Händen und renn los. Dafür sind wir auf der Welt."


Zweitens wollte ich gerne mehr über Max´ Hintergrundgeschichte erfahren (vor allem über seine Beziehung zu Carl, der ja wie eine Art Vater für ihn war, dafür aber nur wenig genannt wird). Wie bereits gesagt, spielt diese aber nach dem Einstieg nur noch eine stark untergeordnete Rolle. Auch die sehr ähnlich verlaufenden Klärungsgespräche am Ende mit den recht flotten Meinungsänderungen sind Punkte, die man im Laufe der Handlung besser vorbereiten, oder eben ganz weglassen hätte können. Aus diesem Grund kann ich leider keine volle 5 Sterne geben, auch wenn mein Herz das gerne wollte.

Neuauftauchende Nebenfiguren, die sich in mein Herz geschlichen haben, sind Max´ Schwester Rachel, Silas´ autistischer und Charles-Dickens-liebender Bruder Eddie und Silas´ extrovertierte Scheinverlobte Faith (die ich mir übrigens wahnsinnig gut mit Sawyers Freund Jackson aus Band 2 vorstellen könnte). Leider haben wir mit "Someday Someday" schon wieder das Ende der "Love Only"-Reihe erreicht. Ich hätte mir gut vorstellen können, einen dieser Figuren nochmal genauer zu begleiten... Allgemein war nach dem Ende mein Herz so voller Liebe und Stolz auf die Figuren (von denen ich sehr wohl weiß, dass sie fiktiv sind, danke für den Hinweis), dass ich es kurz umarmen musste, bevor ich es mit einem warmen Gefühl in den Schrank gestellt habe.



Fazit:


Eine tragische, intensive und hochemotionale LGBTQIA+ Liebesgeschichte über Entfremdung, Homophobie, Hass, Konversationstherapie, Trauma, Drogenmissbrauch, aber auch Liebe, Hoffnung und Vergebung - die schönste Art des Neuanfangs. "Someday Someday" ist trotz weniger für mich offenbleibender Punkte in meinen Augen klar der beste Teil der Reihe!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.01.2022

Eine tragische, intensive und hochemotionale LGBTQIA+ Liebesgeschichte

Someday, Someday
0

Vor genau einer Woche habe ich die Rezension zu Band 2 der "Only Love"-Reihe von Emma Scott verfasst und nun folgt auch schon meine Meinung zu Band 3, welcher letzten Freitag veröffentlicht wurde. Genau ...

Vor genau einer Woche habe ich die Rezension zu Band 2 der "Only Love"-Reihe von Emma Scott verfasst und nun folgt auch schon meine Meinung zu Band 3, welcher letzten Freitag veröffentlicht wurde. Genau wie die neun Vorgänger, die ich schon von dieser Autorin gelesen habe, ist auch "Someday Someday" eine tragische, intensive und hochemotionale Liebesgeschichte, die man als Fan des Genres auf keinen Fall verpassen sollte. In einer Sache hebt sich ihr aktuellster Roman aber von ihren bisherigen Werken ab: mit der Geschichte von Max und Silas hat die Autorin zum ersten Mal eine LGBTQIA+ Romance geschrieben und damit erneut bewiesen, Liebe Liebe ist.

Genau wie bei Band 1 und 2 auch ist das Cover mal wieder sehr schön anzusehen mit dem türkisblauen Hintergrund, der von federartigen lavendelfarbenen Strukturen und rosé-goldenen Lichtpunkten durchzogen ist. Wie aber bei fast allen Cover-Gestaltungen des LYX-Verlag fehlt unter der hübschen Oberfläche die tiefere Bedeutung: die Verbindung zum Inhalt. Sehr gut gefällt mir allerdings, dass der LYX-Verlag sich bei diesem dritten Band der "Only-Love-Reihe" dazu entschieden hat, den englischen Originaltitel beizubehalten. Ebenfalls gefreut hat mich, dass es dieses Mal eine Triggerwarnung gibt, die darauf hinweist, dass sich hinter diesem hübschen Cover ein paar ganz schön harte Brocken verbergen.


Erster Satz: "Hey Mann." Joey ließ mich kurz ein kleines Tütchen mit weißem Pulver sehen."


Schon der Prolog startet ganz schön heftig. Statt uns in Ruhe ihre beiden Protagonisten vorzustellen, steigen wir mit einer Wiederholung von Max´ Drogengeschichte in "Someday Someday" ein. Schon aus dem Vorgänger "Forever Right Now" wissen wir ja, dass Max mit 16 Jahren von seinen Eltern vor die Tür gesetzt wurde, als sie ihn mit einem anderen Jungen erwischt haben. Jung, orientierungslos, ohne Perspektive und zutiefst verletzt hat er angefangen Drogen zu nehmen, wurde süchtig und musste sich diese Sucht auch durch sexuelle Gefälligkeiten finanzieren. Sieben Jahre später wagt er nun als Krankenpfleger in einer neuen Stadt einen Neuanfang und bekommt ein verlockendes Angebot auf eine Pflegestelle eines Milliardärs. Ebenfalls in dieser ersten Szene, treffen wir auch gleich schon unseren zweiten Protagonisten, Silas, der still Max´ Erzählung beim NA-Meeting lauscht. Ergriffen von der ehrlichen und offenen Schilderung, fühlt er sich sofort zu Max hingezogen. Denn wenn der junge Nachwuchsmilliardär sich eines nicht vorstellen kann, dann seine Probleme offen mit anderen zu teilen. Als er Max dann ausgerechnet bei sich zuhause als neuen Pfleger seines MS-kranken Vaters wieder trifft, ist er schnell in einer schwierigen Position. Denn wenn sein Vater erfährt, dass er Gefühle für den jungen Mann entwickelt, ist seine Chance auf den CEO-Posten des Pharma-Giganten Marsh Industries dahin. Denn wenn eines in der Familie der Marshs noch weniger geduldet wird als Schwäche, ist es Homosexualität...


Max: "Er hatte einen Felsblock aus sich gemacht - reich, mächtig, unempfindlich für Schmerzen. Seine schönen Züge hätten in Stein gemeißelt sein können, aber im frühen Morgenlicht sah ich seien Menschlichkeit. Die körperliche Anziehung, die ich ihm gegenüber empfand, kam mir oberflächlich vor. Da war so viel mehr an ihm, und das meiste hatte er tief in sich verschlossen. Man sah ab und zu seinen Schmerz, wie SOS-Rufe von einer einsamen Insel."


Schon in dieser kurzen Inhaltszusammenfassung wird denke ich klar, welche ernsten Themen Emma Scott als Gegenpol zur Liebensgeschichte in "Someday Someday" eingebaut hat. Genau wie alle ihre Bücher ist die Geschichte zwar leise und sensibel erzählt, ruhig und ereignislos über weite Teile der Geschichte, aber dafür mit brüllend lauten Schicksalen unter der Oberfläche. Zentral geht es hier um Verstoßung aus der eigenen Familie, Diskriminierung, Homophobie, Hass, Konversationstherapie, Trauma und Drogenmissbrauch. Während Max´ Vergangenheit bis auf seine Erzählung zu Beginn keine so große Rolle mehr spielt, musste ich vor allem bei Silas´ Rückblicken, sich aufdrängenden Erinnerungen und Flashbacks von seiner Zeit in Alaska sehr schlucken. Wie Emma Scott in ihrem Nachwort deutlich macht, gehört die mittelalterlich anmutende und wissenschaftlich erwiesenermaßen schädliche Konversationstherapie leider immer noch nicht der Vergangenheit an und mehrere Tausend junge LGBTQIA+-Personen leiden immer noch unter den illegalen Versuchen einer Umprogrammierung ihrer sexuellen Orientierung. Auch in anderen Belangen hat die Geschichten von Max und Silas ein erschreckend realer Bezug. Obdachlosigkeit und Selbstmordversuche kommen bei jungen queeren Personen um 120% häufiger vor, als in der Durchschnittsbevölkerung und auch die beschriebene gravierend um sich greifende Opioidsucht ist ein reales Problem in Amerika. Nicht nur durch das Nachwort, sondern auch durch die eindringliche und sensible Darstellung dieser Themen wird klar, dass der Autorin die Aufklärung über diese Themen sehr am Herzen liegt.


Silas: "So vieles von dem, was zerstört worden war, war nicht mehr zu retten, aber ich musste es versuchen. Ich hatte Hoffnung. Und vielleicht, dachte ich, als ich durch das stille Haus ging, war es okay, auch für mich ein wenig Hoffnung zu haben. Denn das Richtige - das Gute - zu tun, egal wie schwer es war, war der einzige Weg, die Liebe eines Mannes wie Max Kaufman zu verdienen."


"Someday Someday" ist aber keineswegs eine düstere Leidensgeschichte, die den Zeigefinger erhebt, sondern in erster Linie eine ergreifende Liebesgeschichte und ist als solche auch von Hoffnung, Licht und Leben durchzogen. Diese Autorin schafft es wie keine Zweite, intensiv Schmerz und Liebe gegenüberzustellen und den Leser damit zum Weinen, zum Lachen und zum Mitfiebern zu bringen. Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen heilt, sind wirklich erstaunlich. Ein Thema, das stark im Vordergrund steht und sowohl auf die Persönlichkeitsentwicklung der beiden Figuren als auch deren Verhältnisse zu ihren jeweiligen Familien bezogen werden kann, ist deshalb auch die Vergebung. In der gesamten Reihe standen ja bisher Neuanfänge im Vordergrund und es wurden Geschichten von jungen Menschen in fremden Städten erzählt, die in der Nähe eines anderen Menschen Heilung finden. Auch "Someday Someday" setzt diese Motive um, wobei ich jedoch denke, dass Vergebung als schönste Art eines Neuanfangs betrachtet werden kann.


Max: "Was, wenn es zu spät ist?" "Das gibt es nicht", sagte ich. "Jede Minute, die man am Leben ist, ist eine zweite Chance auf einen Neuanfang. Ich ehre meine Vergangenheit, aber ich lebe nicht in ihr. Ich wähle stattdessen diesen Moment. Hier und jetzt."


Was ebenfalls auffällt ist die Länge des Romans. In "Someday Somday" nimmt sich Emma Scott etwas mehr Zeit für die Ausbreitung ihrer Geschichte (das Buch ist mit fast 500 Seiten ein ordentlicher Wälzer für einen New Adult Roman) und das merkt man vor allem den Figuren und deren Beziehung stark an. Sehr gut gefallen hat mir, dass es zwar ganz schön prickelt und knistert zwischen Max und Silas, sich die Autorin aber viel Zeit, um deren Beziehung zu entwickeln. In "Someday Someday" gibt es wieder deutlich mehr explizite Szenen als im Vorgänger über Darlene und Sawyer, dennoch haben die beiden durch das geteilte Leid von Beginn an eine tiefe Verbindung, die weit über Körperliches hinausgeht.


Silas: "Mr. Kaufman ist mehr als ein Mitarbeiter, nicht wahr?"
"Du hast recht, Eddie", sagte ich, legte die Finger auf die Tasten, und Symphonien von Gefühle stiegen in mir auf, alle in Farben getränkt, die ich nie zuvor gesehen hatte.
"Er ist so viel mehr als das."


Auch die Figuren an sich konnten sich in mein Herz schleichen. In den warmherzigen, hilfsbereiten Max habe ich mich ja schon in "Forever Right Now" Hals über Kopf verliebt und mein Respekt vor seinem einfühlsamen, ehrlichen und seinen Mitmenschen wie auch sich selbst gegenüber liebevollen Wesen, ist mit jeder Seite aus seiner Perspektive nur noch mehr angestiegen. Silas hingegen erschien mir auf den ersten Blick als lebendig gewordenes "unwahrscheinlich gutaussehender, eiskalter, kontrollierter Milliardär-Roboter entdeckt langsam sein Herz"-Klischee und es dauerte eine Weile, bis er mich für sich eingenommen hatte. An einigen Stellen empfand ich seine Sichtweise auf die Welt, seine Gedanken- und Gefühlswelt fast ein kleines bisschen drüber - Max wirkt fast zu perfekt, die Alaska-Rückblicke fast zu furchtbar, sein Vater zu dämonisiert, der aktuelle CEO zu herzlos -, ganz so, als hätte die Autorin den Intensitätsschieberegler beim Schreiben die ganze Zeit voll aufgedreht, statt damit nach Bedarf zu spielen. Mit der Zeit ist das Eis, das Silas umgab dann aber immer mehr in sich zusammengeschmolzen und diese Intensität hat mich dann doch noch getroffen wie eine Lawine und hat mein Herz immer wieder für die beiden brechen lassen.


Max: "Wir alle hatten das grundlegende menschliche Bedürfnis nach Liebe, und ihm hatte man gesagt, er müsse sich ändern, um geliebt zu werden. Als ich zuerst gehört hatte, dass Silas weggeschickt worden war, hatte ich geglaubt, es wäre ein Kampfeinsatz gewesen. Und Silas hatte wirklich gekämpft; er hatte für sich gekämpft und verloren. Die Wunden, die der Feind ihm beigebracht hatte, waren unendlich tief, und was man ihm angetan hatte, hatte noch immer Macht über ihn. Aber er kämpft auch noch immer."


Wer viel von der Autorin liest, wird mittlerweile wissen, dass sie es perfektioniert hat, die Geschichten von angeknacksten Künstlerseelen zu erzählen. Nach Schauspielern, Sängern, einer Violinistin, Comiczeichnern, einer Malerin, Poeten, einem Glasbläser, einem Tattookünstler und einer Tänzerin darf Silas uns als Pianist mal wieder ins Reich der Musik entführen. Die Kunst bleibt in diesem Buch aber nur ein kleines Randthema und wird nicht so flächendeckend genutzt, wie das in vorherigen Romanen der Autorin der Fall war. Neben der Kunst gab es noch weitere Aspekte, die in den fast 500 Seiten keinen Platz gefunden haben. Erstens hatte ich sehr gehofft, dass Darlene einen größeren Teil von Max´ Leben einnimmt, da ich die Protagonistin des zweiten Bandes der Reihe wirklich sehr ins Herz geschlossen hatte und ihre Freundschaft zu Max ganz hinreißend fand. Einen großen Pluspunkt konnte die Autorin aber mal wieder damit sammeln, dass sie ein gut getarntes Crossover-Easter-Egg zu ihrem Einzelband "Between Your Words" eingebaut hat...


Max: "Sei glücklich, Max. Schnapp es dir mit beiden Händen und renn los. Dafür sind wir auf der Welt."


Zweitens wollte ich gerne mehr über Max´ Hintergrundgeschichte erfahren (vor allem über seine Beziehung zu Carl, der ja wie eine Art Vater für ihn war, dafür aber nur wenig genannt wird). Wie bereits gesagt, spielt diese aber nach dem Einstieg nur noch eine stark untergeordnete Rolle. Auch die sehr ähnlich verlaufenden Klärungsgespräche am Ende mit den recht flotten Meinungsänderungen sind Punkte, die man im Laufe der Handlung besser vorbereiten, oder eben ganz weglassen hätte können. Aus diesem Grund kann ich leider keine volle 5 Sterne geben, auch wenn mein Herz das gerne wollte.

Neuauftauchende Nebenfiguren, die sich in mein Herz geschlichen haben, sind Max´ Schwester Rachel, Silas´ autistischer und Charles-Dickens-liebender Bruder Eddie und Silas´ extrovertierte Scheinverlobte Faith (die ich mir übrigens wahnsinnig gut mit Sawyers Freund Jackson aus Band 2 vorstellen könnte). Leider haben wir mit "Someday Someday" schon wieder das Ende der "Love Only"-Reihe erreicht. Ich hätte mir gut vorstellen können, einen dieser Figuren nochmal genauer zu begleiten... Allgemein war nach dem Ende mein Herz so voller Liebe und Stolz auf die Figuren (von denen ich sehr wohl weiß, dass sie fiktiv sind, danke für den Hinweis), dass ich es kurz umarmen musste, bevor ich es mit einem warmen Gefühl in den Schrank gestellt habe.



Fazit:


Eine tragische, intensive und hochemotionale LGBTQIA+ Liebesgeschichte über Entfremdung, Homophobie, Hass, Konversationstherapie, Trauma, Drogenmissbrauch, aber auch Liebe, Hoffnung und Vergebung - die schönste Art des Neuanfangs. "Someday Someday" ist trotz weniger für mich offenbleibender Punkte in meinen Augen klar der beste Teil der Reihe!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.01.2022

Überzeugt mit echter Tiefe und Authentizität!

Heart Story
0

"Heart Story" ist eine Neuerscheinung, auf die ich nun schon seit 2020 mit Spannung warte. Nach "Kissing Lessons" und "Love Challenge" der dritte Teil von Helen Hoangs "Kiss, Love & Heart"-Reihe sollte ...

"Heart Story" ist eine Neuerscheinung, auf die ich nun schon seit 2020 mit Spannung warte. Nach "Kissing Lessons" und "Love Challenge" der dritte Teil von Helen Hoangs "Kiss, Love & Heart"-Reihe sollte ursprünglich "Heart Trouble" heißen und im Frühjahr 2021 erscheinen. Da die Autorin aber unter persönlichen Problemen litt, die sie unter anderen auch in diesem Roman verarbeitet hat, wurde der Erscheinungstermin mehrere Male und insgesamt um ein Jahr nach hinten verschoben. Heute, am 25. Januar erscheint die Geschichte nun endlich und da der KYSS Verlag mir netterweise schonmal ein Exemplar zukommen lassen hat, kann ich pünktlich zum Erscheinungstermin von meinen Erfahrungen mit Quan und Anna berichten.


Anna: "Wenn das Ende kommt, will ich es nicht sehen. Aber das Ende kommt nicht. Weder nach einer Minute noch nach zwei, drei, vier oder fünf. Die Sache mit Gefühlen ist, dass sie vorübergehen. Herzen sind nicht dafür gemacht, etwas zu lange zu intensiv zu empfinden, sei es Freude, Kummer oder Wut. Alles vergeht mit der Zeit. Alle Farben verblassen."


Das Cover ist wie Band 1 und 2 ein wirklicher Hingucker! Diesmal ist der Hintergrund statt grau oder apricot bläulich und die kunstvollen Blumen und Ranken heben sich in Weiß-, Orange-, Pink- und warmen Lilatönen ab. Der Titel glänzt in Violett und der Autorentitel ist verschnörkelt. Besonders nett ist auch, dass in den Leselaschen der Broschierten Ausgabe wieder ein Interview mit der Autorin abgedruckt ist und die Blüten der Gestaltung auch innerhalb des Buches die Kapitelanfänge zieren. Schade finde ich aber immer noch, dass die deutsche Übersetzung nicht den Originaltitel übernommen hat. "Heart Story" ist zwar nah dran an "The Heart Principle", ich kann aber einfach nicht nachvollziehen, warum man einer übersetzten Geschichte, wenn nicht den englischen Originaltitel, dann einen anderen englischsprachigen Titel gibt. Mit der Gestaltung passt der dritte Teil der "Kiss, Love & Heart"-Reihe wunderbar zu den Vorgängern, hat aber durch die etwas dunklere Farbgebung eine eigene Note, die gut zu der Geschichte passt.


Erster Satz: "Das ist das letzte Mal, dass ich von vorne anfange."


"Heart Story" ist nämlich deutlich persönlicher, ernsthafter und tiefer als die beiden Vorgänger und setzt trotz ähnlicher Zutaten ganz andere Schwerpunkte als "Kissing Lessons" und "Love Challenge". Zwar mischt Helene Hoang auch hier wieder zwei liebenswerte Protagonisten, ein kulturelles Durcheinander, Anziehungskraft, Autismus und ein gesellschaftliches Gefälle als Hindernis zusammen, macht aber definitiv mehr daraus als eine amüsante, unterhaltsame Liebesgeschichte. Helen Hoang schreibt hier von künstlerischen Blockaden, der Pflege und dem Verlust eines nahestehenden Angehörigen, der Entdeckung der eigenen Asperger-Diagnose, toxischen Familienkonstellationen sowie Selbstmordgedanken und Depression, die auf einen autistischen Burnout folgen - alles Dinge, die sie in den letzten Jahren ebenfalls miterlebt hat. In einem rührenden Nachwort beschreibt sie, weshalb genau sich die Veröffentlichung von "Heart Story" verzögert hat und dass es sich in gewisser Hinsicht zur Hälfte auch um ihre Memoiren handelt. Die persönliche Natur der Geschichte und die Authentizität der im Roman beschriebenen Probleme, Gefühle und Gedanken merkt man der Geschichte auch auf jeder Seite an und ich bewundere den Mut von Helen Hoang, dass sie den Mut gefunden hat, ihre Erlebnisse und Erfahrungen vor der ganzen Welt auf solch herzzerreißende Art und Weise auszubreiten.


Anna: "In einer Art Trancezustand gehe ich nach Hause. Erst als Passanten stutzen und mir komische Blicke zuwerfen, wird mir bewusst, dass ich weine. Ich versuche nicht damit aufzuhören. Ich lasse die Tränen fallen. ich weine um das Mädchen, das ich einmal war. Ich weine um mich. Das ist eine fremdartige Erfahrung. Selbstmitleid ist ein Luxus, den ich mir nicht erlaube. Aber das hier fühlt sich nicht wie Mitleid an. Es fühlt sich eher an wie Mitgefühl, und diese Erkenntnis lässt mich noch heftiger weinen. Niemand sollte eine Diagnose brauchen, um Mitgefühl für sich selbst zu empfinden."


Passend zum eher persönlicheren Leseerlebnis hat die Autorin sich dazu entschieden, nicht abwechselnd aus der personalen Er-Perspektive der beiden Protagonisten zu erzählen, sondern auf einen Ich-Erzähler zurückzugreifen. Auf diese Art und Weise konnten mich die beiden Hauptfiguren noch besser erreichen als die Charaktere ihrer Vorgänger und ich konnte mich für einen intensiven Vormittag komplett in der Handlung und den Gefühlen der Protagonisten verlieren. Trotz der vielen ernsten Themen gelingt es der Autorin über weite Teile der Handlung, die düsterere Atmosphäre durch lustige, sarkastischen Dialoge aufzulockern, sodass ich - ständig schniefend, schmachtend oder grinsend - von meinem Umfeld etwas schräg angesehen wurde (vielen Dank dafür, Helen). Ebenfalls litt ich durch das Suchtpotential der Geschichte leider an einem typischem In-einem-Rutsch-durchlesen-und-danach-ärgern-dass-man-es-so-schnell-gelesen-hat-Dilemma (ebenfalls vielen Dank dafür, Helen ^^).


Anna: "Natürlich", sagt sie, dabei legt sie eine Hand auf ihr Herz, um zu zeigen, wie gerührt sie ist. Ich frage mich, ob sie genauso schauspielert wie ich. Wie viel von dem, was die Leute sagen, ist ehrlich, und wie viel ist Höflichkeit? Lebt irgendjemand wirklich sein Leben, oder lesen wir alle nur Text aus einem gewaltigen Drehbuch ab, das andere Leute geschrieben haben?"


Im Mittelpunkt steht die Violinistin Anna, die unter ihrer toxischen Familie leidet, die sie durch - wie sie es nennt - "liebevolle Strenge" unter Druck setzt, sich anzupassen und sich deshalb aus dem Wunsch heraus, alle um sie herum glücklich zu machen immer hinter Masken versteckt. Da sie nie gelernt hat, nein zu sagen, für sich selbst und ihre besonderen Bedürfnisse einzustehen, befindet sie sich ständig am Rande ihrer Kräfte und schafft es nur mit Mühe und Not, den Schein einer glücklichen, funktionierenden Frau aufrechtzuerhalten. Früher konnte sie sich in ihre Musik flüchten, doch seit sie mit einem YouTube-Video viral gegangen ist und ein berühmter Komponist ihr ein eigenes Stück geschrieben hat, ist auch dieser Teil ihres Lebens mit den erdrückenden Erwartungen anderer Menschen besetzt. Als sie dann bei einer Therapeutin versucht, ihre künstlerische Blockade zu überwinden und diese sie über den Verdacht informiert, dass sie dem autistischen Spektrum angehört, ergeben plötzlich alle ihre Besonderheiten einen Sinn. Sie begibt sich auf den langen steinigen Weg, hin zu Selbstakzeptanz und Selbstliebe, sodass sie irgendwann feststellen kann: "Ich sollte mich nicht schämen. Ich sollte mich nicht entschuldigen müssen. Das hier bin ich." Das Ganze vermittelt Helen Hoang so lebensnah, dass mein Herz an mehreren Stellen für sie gebrochen ist!!!


Anna: "Liebevolle Strenge lässt keinen Raum für Schwäche, und liebevolle Strenge ist alles, was ich an Liebe kenne. Vielleicht kann ich jetzt, nur dieses eine Mal, mit einer anderen Art von Liebe experimentieren. Etwas Gütigerem."


Die zweite Hauptfigur ist Quan, welchen wir schon als Michaels besten Freund und Khais großen Bruder in Band 1 und Band 2 kennen- und lieben gelernt haben. Schon seit "Kissing Lessons" war ich gespannt auf die Geschichte des von außen mit seinen Tattoos und dem rasierten Schädel als harter Kerl erscheinenden Mannes, der sich jedoch mit aufopferungsvoller Hingabe und Freundlichkeit um andere kümmert, und konnte es kaum erwarten, die Welt aus seiner Perspektive zu sehen. Leider musste ich dann feststellen, dass trotz dass beide Figuren aus ihrer Sicht erzählen, Anna ganz klar im Vordergrund steht und ihm (mit ihren zweifellos wichtigen und interessanten Entwicklungen, aber dennoch!) die Show stiehlt. Zwar bringt auch er einige Schwierigkeiten in die Beziehung mit ein - so ist sein Selbstbewusstsein nach der Operation seines Hodenkrebses etwas angekratzt und er will sich nun langsam wieder an Beziehungen herantasten um sich selbst zu beweisen, dass er noch "ein ganzer Mann" ist -, es ist jedoch auffallend, dass seine Familie kein einziges Mal vorkommt, wir nur wenig mehr über ihn erfahren als aus den anderen Bänden schon bekannt und er ab dem Mittelteil auf den unterstützenden Partner reduziert wird. Auch wenn ich es sehr stark fand, wie er Anna gestützt hat und die beiden sich entgegen aller Wahrscheinlichkeit beim jeweils anderen vollkommen geborgen fühlen konnten, hätte ich mir von seiner Charakterisierung noch ein wenig mehr erhofft.


Quan: "Mach dir deswegen keinen Kopf. Geh und kümmere dich um dein Mädchen." Er drückt meine Schulter, und ich nicke ihm kurz zu, bevor ich verschwinde. Als ich allerdings auf meine Ducati steige, trifft mich die Bedeutung dessen, was er gesagt hat. Dein Mädchen. Anna ist nicht mein Mädchen. Aber ich muss zugeben, dass mir gefällt, wie sich das anhört. Sehr sogar."


Auch an anderen Stellen merkt man der Geschichte an, dass die Autorin zugunsten ihrer tiefen Auseinandersetzung mit den Hauptthemen einige Kürzungen vornehmen musste und einfach andere Prioritäten gesetzt hat. Dass die Autorin uns hier nicht nur eine süße Romanze vorsetzen wollte, erkennt man auch schon daran, dass die Aufteilung der insgesamt 46 Kapitel in drei Teile "vorher", "währenddessen" und "danach" nicht mit der Liebesgeschichte, sondern mit einem der prägenden Themen der Geschichte zu tun hat: der Pflege ihres Vaters. Während sich der erste Teil der Handlung, also das "vorher" mit dem langsamem, holprigem aber deshalb umso charmanterem Annähern von Anna und Quan widmet, in deren Leben einführt und auch schon einige Szenen enthält, in denen es ganz schön zur Sache geht, ändert sich der Fokus der Geschichte im zweiten Abschnitt sehr dramatisch, als Anna für die Pflege ihres Vaters wieder ins Elternhaus zurückkehrt. Da sich die Figuren in diesem Abschnitt mehrere Wochen nicht sehen, tritt deren Beziehung stark in den Hintergrund und macht Platz für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Gefühlen, Gedanken, Problemen und Belastungen von Pflegenden.


Quan: "Ich höre so viel Schmerz in ihren Worten, dass mir selbst die Augen brennen. Ich kann es nicht ganz nachempfinden. Wenn unsere Plätze vertauscht wären, glaube ich nicht, dass ich genauso fühlen würde. Ich kümmere mich gern um andere. Ich mag es, gebraucht zu werden. Aber Annas Schmerz ist echt. Ich kann ihn nicht einfach beiseiteschieben, nur weil ich ihn nicht verstehe. Ich kann ihn nicht verurteilen. Schmerz ist Schmerz. Ich weiß, wie es ist, zu leiden und von anderen nicht verstanden zu werden."


Das finde ich auf der einen Seite wahnsinnig stark, auf der anderen hat es das Gesamtkonzept der Geschichte ein wenig ins Ungleichgewicht gebracht. Denn für eine Romanze war der Mittelteil definitiv zu lang und zu schwermütig, während die sexy Szenen im Mittelteil zwischen die ernsthafte Auseinandersetzung mit den Themen auch nicht ganz hineingepasst haben. Es erschien mir irgendwann, als hätte die Autorin diese Szenen dazu genutzt, um gezwungenermaßen gegen die Düsterness der restlichen Storyline anzukämpfen. Sie haben sich aber nicht als natürliche Konsequenz der Lovestory ergeben. Ich hätte mir für "Heart Story" gewünscht, dass die Autorin sich genau wie in "Love Challenge" mehr auf die Dynamik der Figuren außerhalb des Bettes konzentriert.


Anna: "Denn das ist der einzige Ort, wo wahre Perfektion existiert - die leere Seite. Nicht von dem, was ich tatsächlich tue, kann mit dem grenzenlosen Potential dessen konkurrieren, was ich tun könnte. Aber wenn ich mich durch die Angst vor Imperfektion in unaufhörlichen Anfängen gefangen halten lasse, werde ich nie wieder irgendetwas erschaffen."


Auch zum Ende habe ich eine gespaltene Meinung. Auf der einen Seite finde ich das Ende realistischer als die üblichen New Adult Enden, in denen alle Probleme schnell und zielsicher mit einem klärenden Gespräch und einem Heiratsantrag gelöst werden und sich am Ende alle glücklich in den Armen liegen. Es GIBT zwar ein Happy End, aber dieses ist hart erarbeitet und lange nicht so hochglanz-poliert und unbeschwert, wie viele andere Buchenden des Genres. Schade finde ich jedoch, dass im letzten Abschnitt alles recht schnell geht. Es werden viele ernste Themen angerissen, diese werden aber nicht vertieft und schwupp die wupp ist ein Jahr vorbei. Auffallend ist auch die Abwesenheit von Quans Perspektive in diesem letzten Abschnitt. Ich komme also zu dem Schluss, dass es besser zur Reihe gepasst hätte, wenn sich die Autorin entweder für eine heiße Liebesgeschichte ODER die persönliche Auseinandersetzung mit den Themen entscheiden hätte.
Auch wenn ich gerne sagen würde, dass die Mischung aus heiß, süß, traurig und persönlich gut funktioniert hat, ist das leider nicht ganz der Fall. Dennoch halte ich "Heart Story" auf seine spezielle Art und Weise für den besten Band der Reihe. Auch wenn mir die Handlung und die Atmosphäre in Band 2 besser gefallen haben und ich den Gesamtmix nicht ganz stimmig finde, kann "Heart Story" mit echter Tiefe und Authentizität punkten - und das ist etwas, was ich am meisten schätze im New Adult Genre!

Und ganz in diesem Sinne will ich zum Abschluss noch ein paar Worte aus Helen Hoangs Nachwort mit Euch teilen:


"Als Gesellschaft müssen wir Mitgefühl für alle Menschen haben, die von Krankheit und Behinderung betroffen sind - jene, die Pflege erhalten, ebenso wie jene, die Pflege leisten. Wir alle zählen, und niemand sollte das Gefühl haben, nicht um Hilfe bitten zu können, wenn er sie braucht. Wenn jemand sagt, dass er leidet, bitte hört ihm zu. Bitte nehmt ihn ernst. Bitte seid gütig. Wenn ihr selbst leidet, bitte seid gütig zu euch selbst!"





Fazit:

Helen Hoang mischt hier eine emotionale Liebesgeschichte mit ernsten Themen wie die Pflege und der Verlust eines nahestehenden Angehörigen, die Entdeckung der eigenen Asperger-Diagnose, toxischen Familienkonstellationen sowie Selbstmordgedanken und Depression, die auf einen autistischen Burnout - Themen, die auch ihr eigenes Leben geprägt haben. Auch wenn sie im Grunde dieselben Zutaten verwendet wie ihre beiden Vorgänger-Romane, setzt "Heart Story" andere Schwerpunkte und überzeugt mit echter Tiefe und Authentizität!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere