Handlung: Mit "All Saints High - Die Prinzessin" startet L. J. Shens Dark Romance-Trilogie mit Highschool Kontext, von der ich schon Band 3 gelesen habe. Erzählt wird der Roman abwechselnd aus der Sicht ...
Handlung: Mit "All Saints High - Die Prinzessin" startet L. J. Shens Dark Romance-Trilogie mit Highschool Kontext, von der ich schon Band 3 gelesen habe. Erzählt wird der Roman abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonisten Penn und Daria, wobei jedes der Kapitel mit einem kurzen Gedicht beginnt. Genau wie in "All Saints High - Der Verlorene" ist die Handlung recht verworren und zugunsten von Drama und Atmosphäre müssen Glaubwürdigkeit und Realismus hin und wieder zurückstecken. Da L. J. Shen ihren Schwerpunkt jedoch mehr auf die intensive, leidenschaftliche, düstere Haters-to-Lovers-Geschichte legt, als auf die Rahmenhandlung, kann man darüber aber gut hinwegsehen. Bevor dem Lesen sollte man unbedingt die Triggerwarnung beachten, da sobald sich zartere Gefühle hinter den Masken aus Hass offenbaren, ernste Probleme auf den Tisch kommen. Man sollte sich von dem fröhlichen Cover also nicht täuschen lassen: Das einzige Zuckersüße und Harmlose der Geschichte ist das Ende, das zwar ein wenig übertrieben, aber dennoch eine angenehme Abwechslung zur Düsternis des Rests war.
Schreibstil: Auch wenn sich die Autorin hier wieder an Themen aus dem Dark Romance Genre bedient und toxische Anklängen, intrigante Manipulationen, roher Schmerz, Mobbing und Gewalt auf der Tagesordnung stehen, entwickelt die Geschichte wieder eine atemberaubende Sogwirkung und man will einfach immer weiterlesen. Denn wenn man an der derben Sprache ihrer Figuren und ihrer Grausamkeit, was sie miteinander anstellen, vorbeisieht, ist die Geschichte einfach herzzerreißend schön und kunstvoll gemacht. Die Autorin malt mit der ganzen Gefühlspalette, um ihre Figuren leiden, taumeln und fallen zu lassen, nur um sie danach liebevoll wieder aufzurichten. L. J. Shen tut hier also mal wieder das, was sie am besten kann: Sie tanzt auf der schmalen Linie zwischen Liebe und Hass und zeigt auf mitreißende Art und Weise, was sich zwei Menschen gegenseitig aus Liebe antun können.
Figuren: Auch zu den beiden Figuren habe ich wieder ein typisches L.J.-Shen-Verhältnis. Man mag Penn und Daria nicht unbedingt zu jedem Zeitpunkt und kann deren Handlungen schon gar nicht immer nachvollziehen und doch lösten die beiden mal wieder das neugierige Bedürfnis in mir aus, sie wie ein morbides Kunstwerk immer weiter zu betrachten und zu analysieren. Besonders Daria hat mir hier sehr gut gefallen. Sie ist zwar nicht unbedingt auf den ersten Blick sympathisch, aber mit ihrer Eifersucht, ihrem Wunsch nach Echtheit und den hinter Grausamkeit verborgener Unsicherheit einfach wunderbar glaubwürdig. Penn ist da schon schwieriger zu fassen und zu verstehen, da er ständig zwischen Extrempolen wie Liebe und Hass, Good Boy und Bad Boy, verantwortungsvoll und gedankenlos pendelt. Tatsächlich verhalten sich die beiden das erste Mal tatsächlich wie Teenager. Schlimmschön zerbrochene, hoffnungslos verkorkste und übertrieben verwöhnte Teenager zwar, aber immerhin habe ich ihnen ihr jeweiliges Alter anders als bei L. J. Shens anderen Romanen hier abgenommen. Neben den beiden Hauptfiguren werden wir hier auch in die Freundesclique der All Saints High eingeführt und lernen die Hauptfiguren der beiden Folgebände kennen. Zusätzlich dürfen auch Melody und James, die Eltern von Daria und gleichzeitig die Protagonisten aus L. J. Shens früherer Reihe "Sinners of Saints" in einem Kapitel ihre Perspektive darlegen.
Die Zitate:
"Wir Mädchen haben eine unsichtbare Schnur hinter dem Bauchnabel, und nur ganz bestimmte Typen können daran ziehen. Dieser Junge hier... wird sie zerreißen, wenn ich es zulasse."
"Es war Liebe auf den ersten Blick. Hass auf den zweiten. Begehren auf den dritten. Aber vier ist meine Glückszahl. Deshalb wirst du mein sein."
"Die Sonne hat eine Menge mit dem Hass gemeinsam - beide sind wunderschön und tödlich und lebenswichtig. Sie kann dich blenden, aber sie lässt dich auch weitergehen. Hass treibt einen viel stärker an als Liebe. Liebe ist Glück und Friedfertigkeit. Glückliche Menschen sind nicht getrieben. Sie ... existieren eben. Aber wir, die hasserfüllten Menschen sind anders. Hungrig und zum Äußersten entschlossen. Hasserfüllte Menschen sind die besten Liebhaber."
"Menschen sind wie Äpfel. Es gibt gute Äpfel. Schlechte Äpfel. Zu reife oder zu unreife. Harte oder weiße. Süße oder saure. Und in jedem Apfel ist ein Kerngehäuse. Ein Herz. Etwas, das ihn einzigartig macht."
"Ich glaube, ich komme allmählich über die Tatsache hinweg, dass sie magisch ist und ich echt, aber vielleicht ist Echtsein ja genauso magisch."
Das Urteil:
Trotz leicht übertriebener Handlung und nicht unbedingt sympathischer Figuren konnte mich "All Saints High - Die Prinzessin" wieder einwickeln. L. J. Shen zeigt abermals auf mitreißende Art und Weise, was sich zwei Menschen gegenseitig aus Liebe antun können.
"Martin Hais" - Generation Z" wurde mir vom Autor Dennis Kornblum selbst angetragen. Mit dem Serienkiller, den eigenen Ermittlungen und rätselhaften Tatortbotschaften erschien mir die Geschichte zunächst ...
"Martin Hais" - Generation Z" wurde mir vom Autor Dennis Kornblum selbst angetragen. Mit dem Serienkiller, den eigenen Ermittlungen und rätselhaften Tatortbotschaften erschien mir die Geschichte zunächst wie ein typischer Krimi. Die detailverliebte Erzählweise, die psychologischen Charakterportraits und der langsame, recht einfache Kriminalfall wiesen dann aber bald in eine andere Richtung, mit der ich nicht gerechnet, die mir aber sehr gut gefallen hat.
Das Cover ist mit dem durch den Schatten dreidimensional wirkenden Z und der schwarzen Silhouette eines Mannes auf betongrauem Hintergrund recht einfach und unoriginell und wirkt durch den schwarzen Rahmen, der nicht an allen Seiten gleichdick ist, leicht asymmetrisch. Auch wenn die Gestaltung keineswegs schlecht oder unpassend wäre, hätte ich auf Basis dieser in einer Buchhandlung wohl nicht danach gegriffen. Auch die sehr kleine Schriftgröße und der geringe Zeilenabstand innerhalb der Buchdeckel konnten mich nicht so wirklich überzeugen. Glücklicherweise ist dafür das Korrektorat von erster Güte und ich habe so wenige Fehler wie schon lange nicht mehr gefunden.
Eine viel gewichtigere Bewertungsgrundlage als die optische Gestaltung bildet aber natürlich der Inhalt des Romans. Wie bereits in meiner Einleitung erwähnt handelt es sich bei "Martin Hais - Generation Z" um einen Krimi der etwas anderen Art. Statt den Fall in den Vordergrund zu stellen, wie das in Büchern dieses Genres in den allermeisten Fällen geschieht, bildet dieser im Höchstfall ein Grundgerüst für die Entwicklung des Protagonisten und dient als Spannungsgeber in der sonst sehr figurenzentrierten Erzählung. Aufgrund einer Vielzahl von recht eindeutigen Indizien und einer sehr überschaubaren Anzahl an verdächtigen Nebenfiguren, kam ich aber leider schon sehr früh auf die Idee, wer für die Morde verantwortlich sein könnte und wurde auch im weiteren Verlauf der Geschichte nicht eines Besseren belehrt. Der Krimiplot ist also sehr einfach gestrickt und kann keine großen Überraschungen, falschen Fährten oder Wendungen aufweisen.
Erster Satz: "Sein Handy zeigte 0 Uhr 32 an."
Geschildert wird die Geschichte in 24 recht langen Kapiteln, die in einer sehr detaillierten, geradlinigen und teilweise auch redundante Erzählweise verfasst sind. Mithilfe eines personalen Er-Erzählers werden uns neben Martins Sicht auch noch Abschnitte aus der Perspektive von Oliver, Ina und dem Täter präsentiert. Vor allem Martins Kapitel sind dabei von Fakten und Angaben, wie zum Beispiel exakte Uhrzeiten nur so überschwemmt, die für den Plot nicht irrelevanter sein könnten, aber einen Einblick in die Denkweise des autistischen Protagonisten verschaffen. Der sehr funktionale und teilweise auch etwas umständliche Erzählstil verlangte mir beim Lesen einiges an Geduld und Durchhaltevermögen ab, passte aber wirklich gut zur Geschichte. Nichtsdestotrotz hätte ich gerne rigoros einige Wiederholungen gekürzt, da ich die Handlung für den Umfang von fast 400 klein bedruckten Seiten einfach zu dünn halte.
Auch das Erzähltempo ist sehr langsam und erinnert an einigen Stellen an Slowmotion. Trotzdass wir gleich im Prolog schon die erste Bluttat aus der Sicht des Mörders verfolgen und auch im späteren Verlauf der Handlung immer wieder zu dessen Perspektive zurückkehren, wird Martins Alltag erst nach guten 100 Seiten mit der Kriminalhandlung verknüpft. Von einem spannungsgeladenen Thriller könnte "Martin Hais - Generation Z" also nicht weiter entfernt sein. Das versucht die Geschichte aber glücklicherweise auch gar nicht zu sein. Im Vordergrund steht ganz klar die Beschreibung von Martins Alltag, der aus einem geregelten Ablauf von Arbeit an Manuskripten, Telefonaten, Essen, Training und gelegentlichen "Therapiesitzungen" mit seinen drei Bekannten besteht. Niemals den Ablauf durcheinanderbringen, niemals über seine eigenen Gefühle reden, niemals von seinem Plan abbringen lassen - so geht Martin durchs Leben, bis er auf die lebenslustige Ina trifft, die ihn nicht nur in aktuelle Mordermittlungen verwickelt, sondern auch gleich noch sein Herz erobert...
"Nachdem er aufgelegt hatte, überkam ihn das Gefühl, einen zwielichtigen Vertrag unterschrieben zu haben, ohne das Kleingedruckte zu lesen. Während der nächsten Tage wurde Martin immer wieder von quälender Unruhe erfasst. Er dachte an die kommende Verabredung wie an etwas, von dem eine Bedrohung aushing, fast so, als stünde ihm eine hochgradig gefährliche Mission bevor, bei der er sein Leben aufs Spiel setzen müsste."
Wie viel Zeit und Aufwand Dennis Kornblum darauf verwendet, die Beziehung zwischen Ina und Martin aufzubauen und seine Freundschaften zu seinem Nachbar Oliver, dem Polizeibeamten Kai und dem Barbier Ahmed zu hinterfragen und auszubauen, erinnerte dabei mehr an eine Liebesgeschichte inklusive Charakterstudie als an einen Krimi. Auch die Entwicklung der autistischen Hauptfigur, die im Laufe der Geschichte selbstbewusster wird, mehr aus ihrer eigenen Blase herauskommt und lernt, mit Spontanität und Flexibilität auf Unvorhergesehenes zu reagieren, hat mir sehr zugesagt.
Die Information, dass hier ein Psychologe erzählt, der dem autistischen Spektrum angehört, zu dem sich auch der Autor Dennis Kornblum zählt, war eines der ausschlaggebenden Kriterien, weshalb ich bei der Rezensionsanfrage sofort zugesagt habe. Als Psychologie-Studentin kann ich Geschichten mit der Einbindung von Mental Health Themen sowieso nur schwer widerstehen und wenn sie dann auch noch aus einer authentischen Perspektive verfasst sind, müssen sie schon zweimal her. Wie erwartet geht der Autor im Laufe der Geschichte auf einige psychologische Konzepte und Theorien ein, erklärt psychische Störungen und lässt unsere Hauptfigur auch ein bisschen therapieren. Auch wenn mir ein, zwei kleinere Unstimmigkeiten aufgefallen sind, hat mir die Darstellung dieser sehr gut gefallen.
Auf zwei der angesprochenen Themen würde ich gerne nochmal kurz genauer eingehen. Das erste ist die Erlebniswelt des Täters. Mir hat sehr gut gefallen, wie viel Wert auf die Hintergründe der Taten, die Ätiologie hinter der Psychopathie des Täters und wichtige Entscheidungspunkte in dessen Leben gelegt wurde, sodass man so etwas wie Verständnis und vielleicht auch ein wenig Mitleid mit dem Täter aufbringen kann. Wenn es ein Krimi schafft, die TäterInnen weder zu dämonisieren noch deren Taten zu bagatellisieren, sondern diesen schmalen Grat zwischen Verurteilung und Verständnis entlanggeht, bringt das der Geschichte in meinen Augen immer eine Menge Pluspunkte ein. Der Umgang mit der Jugendkritik im Roman hingegen und insbesondere die durchgängig sehr verzerrte Darstellung der heutigen Jugendlichen, hat mich als Angehörige der hier so oft angesprochenen Generation Z ein bisschen geärgert. Ja, Jugendliche können grausam sein und schlagen gerne mal über die Stränge, aber dass hier jeder auftauchende jugendliche Charakter entweder ein ständig drogenkonsumierender und Außenseiter mobbender Discogänger oder ein ebensolcher gemobbter Außenseiter ist, finde ich doch ein wenig zu kurz gegriffen. Auch wenn ich viele der geschilderten Überlegungen einen Gedanken wert finde, fehlte mir hier eine kritische Betrachtung der Thesen des Täters.
"Er sah sofort: Dieser Junge war anders, wusste, was Schmerz bedeutete. Er glaubte, seine leidende, verletzte Aura zu sehen. Vor ihm saß eine der seltenen Ausnahmen, die jede junge Generation hervorbrachte. Ein Unschuldiger."
Was also nun tun mit diesen gemischten Eindrücken, falschen Erwartungen und überraschenden Schwerpunkten dieses Slowmotion-Krimis? Das langsame Erzähltempo und die unspektakuläre Krimihandlung verzeiht man "Martin Hais - Generation Z" angesichts der zumeist runden und von allen Facetten gut ausgeleuchteten Erzählung gerne. Trotz vieler Wiederholungen habe ich die Geschichte an einem Tag durchgelesen (da ich das Gefühl hatte, ich müsse mit meinem Lesetempo der quälenden Langsamkeit entgegenwirken um so schneller am Ende anzukommen, um herauszufinden, ob meiner Vermutung der Wahrheit entspricht) und würde nach dem abgeschlossenen, aber noch Raum für Fortsetzungen lassenden Ende gerne wieder zu einem neuen "Martin Hais"-Krimi greifen.
Fazit:
"Martin Hais - Generation Z" ist mit dem langsamen Erzähltempo, den vielen Wiederholungen und der vorhersehbaren, unspektakulären Krimihandlung weit davon entfernt, ein spannungsgeladenen Thriller zu sein. Die gut durchdachten Figuren, die interessant untergebrachten Psychologie-Themen und die runde Auflösung machen das aber wieder wett und sorgen dafür, dass man bis zum Ende gerne dabeibleibt.
"Martin Hais" - Generation Z" wurde mir vom Autor Dennis Kornblum selbst angetragen. Mit dem Serienkiller, den eigenen Ermittlungen und rätselhaften Tatortbotschaften erschien mir die Geschichte zunächst ...
"Martin Hais" - Generation Z" wurde mir vom Autor Dennis Kornblum selbst angetragen. Mit dem Serienkiller, den eigenen Ermittlungen und rätselhaften Tatortbotschaften erschien mir die Geschichte zunächst wie ein typischer Krimi. Die detailverliebte Erzählweise, die psychologischen Charakterportraits und der langsame, recht einfache Kriminalfall wiesen dann aber bald in eine andere Richtung, mit der ich nicht gerechnet, die mir aber sehr gut gefallen hat.
Das Cover ist mit dem durch den Schatten dreidimensional wirkenden Z und der schwarzen Silhouette eines Mannes auf betongrauem Hintergrund recht einfach und unoriginell und wirkt durch den schwarzen Rahmen, der nicht an allen Seiten gleichdick ist, leicht asymmetrisch. Auch wenn die Gestaltung keineswegs schlecht oder unpassend wäre, hätte ich auf Basis dieser in einer Buchhandlung wohl nicht danach gegriffen. Auch die sehr kleine Schriftgröße und der geringe Zeilenabstand innerhalb der Buchdeckel konnten mich nicht so wirklich überzeugen. Glücklicherweise ist dafür das Korrektorat von erster Güte und ich habe so wenige Fehler wie schon lange nicht mehr gefunden.
Eine viel gewichtigere Bewertungsgrundlage als die optische Gestaltung bildet aber natürlich der Inhalt des Romans. Wie bereits in meiner Einleitung erwähnt handelt es sich bei "Martin Hais - Generation Z" um einen Krimi der etwas anderen Art. Statt den Fall in den Vordergrund zu stellen, wie das in Büchern dieses Genres in den allermeisten Fällen geschieht, bildet dieser im Höchstfall ein Grundgerüst für die Entwicklung des Protagonisten und dient als Spannungsgeber in der sonst sehr figurenzentrierten Erzählung. Aufgrund einer Vielzahl von recht eindeutigen Indizien und einer sehr überschaubaren Anzahl an verdächtigen Nebenfiguren, kam ich aber leider schon sehr früh auf die Idee, wer für die Morde verantwortlich sein könnte und wurde auch im weiteren Verlauf der Geschichte nicht eines Besseren belehrt. Der Krimiplot ist also sehr einfach gestrickt und kann keine großen Überraschungen, falschen Fährten oder Wendungen aufweisen.
Erster Satz: "Sein Handy zeigte 0 Uhr 32 an."
Geschildert wird die Geschichte in 24 recht langen Kapiteln, die in einer sehr detaillierten, geradlinigen und teilweise auch redundante Erzählweise verfasst sind. Mithilfe eines personalen Er-Erzählers werden uns neben Martins Sicht auch noch Abschnitte aus der Perspektive von Oliver, Ina und dem Täter präsentiert. Vor allem Martins Kapitel sind dabei von Fakten und Angaben, wie zum Beispiel exakte Uhrzeiten nur so überschwemmt, die für den Plot nicht irrelevanter sein könnten, aber einen Einblick in die Denkweise des autistischen Protagonisten verschaffen. Der sehr funktionale und teilweise auch etwas umständliche Erzählstil verlangte mir beim Lesen einiges an Geduld und Durchhaltevermögen ab, passte aber wirklich gut zur Geschichte. Nichtsdestotrotz hätte ich gerne rigoros einige Wiederholungen gekürzt, da ich die Handlung für den Umfang von fast 400 klein bedruckten Seiten einfach zu dünn halte.
Auch das Erzähltempo ist sehr langsam und erinnert an einigen Stellen an Slowmotion. Trotzdass wir gleich im Prolog schon die erste Bluttat aus der Sicht des Mörders verfolgen und auch im späteren Verlauf der Handlung immer wieder zu dessen Perspektive zurückkehren, wird Martins Alltag erst nach guten 100 Seiten mit der Kriminalhandlung verknüpft. Von einem spannungsgeladenen Thriller könnte "Martin Hais - Generation Z" also nicht weiter entfernt sein. Das versucht die Geschichte aber glücklicherweise auch gar nicht zu sein. Im Vordergrund steht ganz klar die Beschreibung von Martins Alltag, der aus einem geregelten Ablauf von Arbeit an Manuskripten, Telefonaten, Essen, Training und gelegentlichen "Therapiesitzungen" mit seinen drei Bekannten besteht. Niemals den Ablauf durcheinanderbringen, niemals über seine eigenen Gefühle reden, niemals von seinem Plan abbringen lassen - so geht Martin durchs Leben, bis er auf die lebenslustige Ina trifft, die ihn nicht nur in aktuelle Mordermittlungen verwickelt, sondern auch gleich noch sein Herz erobert...
"Nachdem er aufgelegt hatte, überkam ihn das Gefühl, einen zwielichtigen Vertrag unterschrieben zu haben, ohne das Kleingedruckte zu lesen. Während der nächsten Tage wurde Martin immer wieder von quälender Unruhe erfasst. Er dachte an die kommende Verabredung wie an etwas, von dem eine Bedrohung aushing, fast so, als stünde ihm eine hochgradig gefährliche Mission bevor, bei der er sein Leben aufs Spiel setzen müsste."
Wie viel Zeit und Aufwand Dennis Kornblum darauf verwendet, die Beziehung zwischen Ina und Martin aufzubauen und seine Freundschaften zu seinem Nachbar Oliver, dem Polizeibeamten Kai und dem Barbier Ahmed zu hinterfragen und auszubauen, erinnerte dabei mehr an eine Liebesgeschichte inklusive Charakterstudie als an einen Krimi. Auch die Entwicklung der autistischen Hauptfigur, die im Laufe der Geschichte selbstbewusster wird, mehr aus ihrer eigenen Blase herauskommt und lernt, mit Spontanität und Flexibilität auf Unvorhergesehenes zu reagieren, hat mir sehr zugesagt.
Die Information, dass hier ein Psychologe erzählt, der dem autistischen Spektrum angehört, zu dem sich auch der Autor Dennis Kornblum zählt, war eines der ausschlaggebenden Kriterien, weshalb ich bei der Rezensionsanfrage sofort zugesagt habe. Als Psychologie-Studentin kann ich Geschichten mit der Einbindung von Mental Health Themen sowieso nur schwer widerstehen und wenn sie dann auch noch aus einer authentischen Perspektive verfasst sind, müssen sie schon zweimal her. Wie erwartet geht der Autor im Laufe der Geschichte auf einige psychologische Konzepte und Theorien ein, erklärt psychische Störungen und lässt unsere Hauptfigur auch ein bisschen therapieren. Auch wenn mir ein, zwei kleinere Unstimmigkeiten aufgefallen sind, hat mir die Darstellung dieser sehr gut gefallen.
Auf zwei der angesprochenen Themen würde ich gerne nochmal kurz genauer eingehen. Das erste ist die Erlebniswelt des Täters. Mir hat sehr gut gefallen, wie viel Wert auf die Hintergründe der Taten, die Ätiologie hinter der Psychopathie des Täters und wichtige Entscheidungspunkte in dessen Leben gelegt wurde, sodass man so etwas wie Verständnis und vielleicht auch ein wenig Mitleid mit dem Täter aufbringen kann. Wenn es ein Krimi schafft, die TäterInnen weder zu dämonisieren noch deren Taten zu bagatellisieren, sondern diesen schmalen Grat zwischen Verurteilung und Verständnis entlanggeht, bringt das der Geschichte in meinen Augen immer eine Menge Pluspunkte ein. Der Umgang mit der Jugendkritik im Roman hingegen und insbesondere die durchgängig sehr verzerrte Darstellung der heutigen Jugendlichen, hat mich als Angehörige der hier so oft angesprochenen Generation Z ein bisschen geärgert. Ja, Jugendliche können grausam sein und schlagen gerne mal über die Stränge, aber dass hier jeder auftauchende jugendliche Charakter entweder ein ständig drogenkonsumierender und Außenseiter mobbender Discogänger oder ein ebensolcher gemobbter Außenseiter ist, finde ich doch ein wenig zu kurz gegriffen. Auch wenn ich viele der geschilderten Überlegungen einen Gedanken wert finde, fehlte mir hier eine kritische Betrachtung der Thesen des Täters.
"Er sah sofort: Dieser Junge war anders, wusste, was Schmerz bedeutete. Er glaubte, seine leidende, verletzte Aura zu sehen. Vor ihm saß eine der seltenen Ausnahmen, die jede junge Generation hervorbrachte. Ein Unschuldiger."
Was also nun tun mit diesen gemischten Eindrücken, falschen Erwartungen und überraschenden Schwerpunkten dieses Slowmotion-Krimis? Das langsame Erzähltempo und die unspektakuläre Krimihandlung verzeiht man "Martin Hais - Generation Z" angesichts der zumeist runden und von allen Facetten gut ausgeleuchteten Erzählung gerne. Trotz vieler Wiederholungen habe ich die Geschichte an einem Tag durchgelesen (da ich das Gefühl hatte, ich müsse mit meinem Lesetempo der quälenden Langsamkeit entgegenwirken um so schneller am Ende anzukommen, um herauszufinden, ob meiner Vermutung der Wahrheit entspricht) und würde nach dem abgeschlossenen, aber noch Raum für Fortsetzungen lassenden Ende gerne wieder zu einem neuen "Martin Hais"-Krimi greifen.
Fazit:
"Martin Hais - Generation Z" ist mit dem langsamen Erzähltempo, den vielen Wiederholungen und der vorhersehbaren, unspektakulären Krimihandlung weit davon entfernt, ein spannungsgeladenen Thriller zu sein. Die gut durchdachten Figuren, die interessant untergebrachten Psychologie-Themen und die runde Auflösung machen das aber wieder wett und sorgen dafür, dass man bis zum Ende gerne dabeibleibt.
"Der Club der Rabenschwestern" ist ein brandneues Contemporary-Fantasy Buch, das aus einer Kollaboration der beiden Autorinnen Kass Morgan und Danielle Paige entstanden ist, von denen ich beiden noch nichts ...
"Der Club der Rabenschwestern" ist ein brandneues Contemporary-Fantasy Buch, das aus einer Kollaboration der beiden Autorinnen Kass Morgan und Danielle Paige entstanden ist, von denen ich beiden noch nichts gelesen habe. Entsprechend waren meine Erwartungen auch nicht besonders hoch und ich war trotz einiger kleinen Schwächen positiv überrascht, wie schnell ich von der magischen Atmosphäre gecatcht wurde.
Das Cover ist stark ans Original angelehnt und zeigt mehrere Raben mit dunkelviolett schimmerndem Gefieder vor einem schwarzen Hintergrund. Der Rabe im Zentrum hat seine Flügel weit ausgebreitet und hält einen goldenen Ring mit den Insignien der Schwesternschaft in seinen Klauen. Genau dasselbe Motiv ziert übrigens auch die 39 Kapitelanfänge. Düstere, magische Witchy-Vibes - das passt also perfekt. Weniger zufrieden bin ich mit der Übersetzung des Originaltitels "The Ravens", da es sich bei den Rabenschwestern nicht um ein Club handelt, sondern um einen Hexenzirkel, der sich als Schwesternschaft tarnt. Ich glaube das Wort "Club" kommt kein einziges Mal im Buch vor, weil es schlichtweg einfach nicht zum Kontext passt. Nur "Die Rabenschwestern" oder meinetwegen "Der Zirkel der Rabenschwestern" hätte mir deutlich besser gefallen.
Erster Satz: "Die Hexe betrachtete das blonde Mädchen, das mit angstgeweiteten Augen auf dem Boden kauerte."
Nach einem kurzen Prolog, in dem wir gleich in die Tiefen der schwarzen Magie eintauchen, lernen wir unsere erste Protagonistin, Vivian Deveraux, kennen, die sich nach einer Kindheit voller Umzüge und Neuanfänge in ihrer Collegezeit endlich mal fest niederlassen und Freundschaften knüpfen möchte. Als sie während der Einführungsveranstaltungen von der mysteriösen Schwesternschaft Kappa Rho Nu hört, ist ihr Interesse sofort geweckt - wer würde nicht gerne Teil der eleganten, sexy und mächtigen Kappas sein -, macht sie sich aber nur wenig Hoffnungen, in die elitäre Verbindung aufgenommen zu werden. Auch unsere zweite Protagonistin, Scarlett Winter, die selbst aus einer alteingesessenen Hexenfamilie kommt und die Familientradition fortführen und nach ihrer Mutter und ihrer Schwester die dritte Winter als Präsidentin der Schwesternschaft sein möchte, sieht in der grauen Vivi kein "Kappa"-Potential. Als dann ausgerechnet Vivian bei der Initiation große Mächte enthüllt, muss Scarlett ihr Urteil nochmal überdenken. Denn eine mächtige Hexe mehr oder weniger könnte das Schicksal der Schwesternschaft in einem Kampf gegen einen unbekannten Feind entscheiden...
Das Autorenduo Morgan und Paige hat mit "Der Club der Schwestern" zwei einfache, aber vielversprechende Motive gekreuzt: Hexenzirkel und Studentenverbindungen. Auch wenn ich grundsätzlich mit Studentenverbindungen nicht so viel anfangen kann und das griechische System immer ein bisschen naserümpfend begutachtet habe, fand ich die Idee, einen Hexenzirkel vor aller Augen sichtbar, aber doch verborgen, als Schwesternschaft auf dem College zu tarnen, eine geniale Idee, die auch wunderbar funktioniert. Ausschweifende Partys, glamouröse Bälle, verschlossene Verbindungshäuser, geheimnisvolle Initiationen, schräge Rituale und ein elitärer Ruf - all das, könnte noch wunderbar als normale Studentenverbindung durchgehen, sodass die Rabenschwestern seit Generationen unbemerkt nach magischen Talenten unter den Neulingen am College suchen und diese nach der Ausbildung in ihre Reihen übernehmen können.
Vivi: "Was seid ihr?", fragte Ariana heiser. Dahlia grinste. "Wir sind Hexen."
Hexen. Das Wort sickerte nur langsam in Vivis Bewusstsein, so langsam und süß wie Dahlias gedehnte Silben. Kurz klang es eher tröstlich als seltsam, als hätte sie es im Grunde schon immer gewusst."
Das Urban Fantasy Setting, das Collegeleben mit Hexenzirkel zwischen schwarzer und weißer Magie, Flüchen und Beschwörungen mischt, verströmt dabei eine tolle, magische Atmosphäre, die mich von Beginn an gepackt hat. Auch wenn das Worldbuilding nicht besonders kompliziert oder neue originelle Ideen verarbeitet sind, hat die Geschichte diesen düsteren, mitreißenden "Vampire-Diarys"-Vibe, von dem man einfach nicht genug bekommen kann. Die Autorinnen hatten die schlichte, aber gut funktionierende Idee, die Schwestern mithilfe von Tarot-Karten praktizieren zu lassen. Jede der Hexen kommt mit einem besonderen Talent zur Welt und kann in erster Linie entweder Wasser, Erde, Luft oder Feuer am besten kontrollieren. Entsprechend dessen ist sie entweder eine Schwester der Kelche, der Münzen, der Schwerter oder der Stäbe und arbeitet mit der zugehörigen Farbe im Tarot.
Neben der Einführung in die magische Welt der Hexenzirkel, bezieht "Der Club der Rabenschwestern" seine Spannung aber vor allem durch eine mysteriöse Bedrohung von außen. Nachdem sie mehrere Drohungen erhalten haben, die die Schwestern fast enttarnen, steht fest: irgendjemand außerhalb der Schwesternschaft hat einen ordentlichen Groll angesammelt und schreckt auch nicht davor zurück, verbotene, dunkle Magie zu benutzen. Als wäre das noch nicht genug verbirgt auch Scarlett zusammen mit ihrer besten Freundin Tiffany ein dunkles Geheimnis, das die Schwestern bald einholen könnte. Auch hier haben die beiden also wieder typische Motive und einfache Erzählmuster verwendet! Obwohl die Handlung an sich nicht besonders einfallreich ist, da das Rätselraten um den geheimen Angreifer und die Suche nach einem Verräter in den eigenen Reihen in gefühlt jedem zweiten Roman des Genres auftauchen, funktioniert das ganze wieder sehr gut. Da ich wissen wollte, wer die Kappas bedroht, was das Ganze mit Vivis Mutter zu tun hat und was es mit dem magischen Talisman auf sich hat, der immer wieder vorkommt, habe ich gespannt weitergelesen. Die Wendung am Ende habe ich aber leider schon etwa in der Mitte des Buches kommen sehen, da doch einige sehr offensichtliche Hinweise versteckt waren.
Scarlett: "Ich gehe allein." "Ich fürchte, dass kann ich nicht erlauben", antwortete Jackson. "Das wäre nicht sehr ritterlich von mir." "Hat dir noch niemand gesagt, dass Ritterlichkeit nur Frauenverachtung in einem hübscheren Gewand ist? Außerdem ist nur einer von uns in der Lage, einen Angreifer zu verfluchen."
Schön ist auch, dass die beiden Autorinnen bei der Ausbreitung der Handlung ein angenehmes Erzähltempo an den Tag legen. Sie nehmen sich genügend Zeit für ihre Figuren und die Einführung des Hexenthemas, schreiten dabei aber trotzdem zügig genug vorwärts, dass man es in einem Rutsch durchlesen kann. Dass die Geschichte aus zwei Federn stammt, merkt man der Sprache übrigens nicht an. Ein weiteres Lob muss ich für die vielen lesen Anklänge von feministischen Gedanken, die dargestellte Diversität der Figuren und deren Beziehungen zueinander aussprechen. "Der Club der Rabenschwestern" lebt von einer Prise Drama, ein paar alten Geheimnisse, die an die Oberfläche drängen und natürlich vom Hexenmotiv, aber im Vordergrund stehen ganz klar die Freundschaft der Mädchen, die Zugehörigkeit zur Schwesternschaft, zum Zirkel, der fast schon eine Familie bildet. Auch wenn sich der ein oder andere Zickenkrieg nicht vermeiden lässt, hat es mir sehr gut gefallen, wie die weiblichen Figuren hier zusammenstehen und sich gegenseitig unterstützen. Diese weibliche Solidarität würde ich gerne auch außerhalb von fantastischen Themenkreisen gerne häufiger sehen! Passend zu diesem Schwerpunkt auf den Beziehungen der weiblichen Figuren, verbleiben die zwei auftauchenden Romanzen der beiden Hauptfiguren reine Zierde am Rande und prägen die Handlung nur in sehr geringem Ausmaß.
Scarlett: "Du bist anders, als ich dachte." "Sag das nicht. Das ist beleidigend. Es impliziert, ich wäre anders als die anderen Mädchen, oder? Anders als der Rest meiner Schwesternschaft?" Bei dem Gedanken, dass er die anderen abwertete, um sie zu erhöhen, sträubten sich ihr die Haare."
Wenn wir schon gerade bei den Figuren sind, will ich noch einige Worte zu unseren beiden Hauptfiguren Scarlett und Vivi sagen, die abwechselnd aus personaler Sie-Perspektive erzählen. Während mir zu Beginn Vivis frischer Blick auf die Magie und die Schwesternschaft viel Spaß gemacht hat, ist mir mit der Zeit vor allem Scarlett sehr ans Herz gewachsen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass es viel Spaß macht zuzusehen, wie sie gegenüber ihren Schwestern und den LeserInnen immer mehr Verletzlichkeit hinter der kontrollierten und ehrgeizigen Maske hervorblitzen lässt, zum anderen aber auch damit, dass Vivi gegen Ende leider immer blasser und schwerer greifbar wurde. Statt ihr im Verlauf der Geschichte mehr Profil zu verleihen, geht sie fast vollständig im Kollektiv der Schwesternschaft auf und sticht nur noch "Special Snowflake"-mäßig durch ihre auffällig starken magischen Kräfte hervor. Auch die anderen Rabenschwestern hätten gerne noch etwas besser ausgearbeitet und voneinander abgegrenzt werden können. Mir ist bewusst, dass den Autorinnen wichtig war, sie als starke Einheit zu präsentieren, gerade in den letzten Kapiteln habe ich aber von der Hälfte des Zirkels vergessen, dass sie noch da waren (zum Beispiel Ariana, die zu Beginn so ausführlich vorgestellt wird, kommt gegen Ende kaum mehr vor).
Scarlett: "Mir geht gerade auf, dass wir das genaue Gegenteil von dem tun, was wir eigentlich aus Horrorfilmen gelernt haben müssten", sagte Jackson. "Das hier ist kein Horrorfilm. Und wir sind zu zweit, sie allein", entgegnete Scarlett. Für dich sagt sich das so leicht. Du bist die letzte Überlebende, die am Ende den Killer konfrontiert, ich nur der arme Trottel auf dem Beifahrersitz. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, geht es für meinen Charakter selten gut aus."
Ansonsten hat mir das Ende, das die Geschichte rund abschließt, aber auch noch Raum für eine Fortsetzung lässt, aber sehr gut gefallen. Eine solche Fortsetzung könnten wir mit "The Monarchs" auch schon diesen Januar bekommen. Die beiden Autorinnen haben erst kürzlich das Sequel zu den Rabenschwestern angekündigt.
Fazit:
"Der Club der Rabenschwestern" ist eines dieser Bücher, bei denen einem objektiv eine Menge Schwächen und Kritikpunkte einfallen, man aber dennoch nicht mit dem Lesen aufhören konnte. Die Handlung ist recht vorhersehbar, die Figuren bleiben zu blass, viele der genutzten Motive sind bekannt, aber dennoch hat mich die magische Atmosphäre mit sich gerissen und dafür gesorgt, dass ich beim Lesen viel Spaß hatte.
"Der Club der Rabenschwestern" ist ein brandneues Contemporary-Fantasy Buch, das aus einer Kollaboration der beiden Autorinnen Kass Morgan und Danielle Paige entstanden ist, von denen ich beiden noch nichts ...
"Der Club der Rabenschwestern" ist ein brandneues Contemporary-Fantasy Buch, das aus einer Kollaboration der beiden Autorinnen Kass Morgan und Danielle Paige entstanden ist, von denen ich beiden noch nichts gelesen habe. Entsprechend waren meine Erwartungen auch nicht besonders hoch und ich war trotz einiger kleinen Schwächen positiv überrascht, wie schnell ich von der magischen Atmosphäre gecatcht wurde.
Das Cover ist stark ans Original angelehnt und zeigt mehrere Raben mit dunkelviolett schimmerndem Gefieder vor einem schwarzen Hintergrund. Der Rabe im Zentrum hat seine Flügel weit ausgebreitet und hält einen goldenen Ring mit den Insignien der Schwesternschaft in seinen Klauen. Genau dasselbe Motiv ziert übrigens auch die 39 Kapitelanfänge. Düstere, magische Witchy-Vibes - das passt also perfekt. Weniger zufrieden bin ich mit der Übersetzung des Originaltitels "The Ravens", da es sich bei den Rabenschwestern nicht um ein Club handelt, sondern um einen Hexenzirkel, der sich als Schwesternschaft tarnt. Ich glaube das Wort "Club" kommt kein einziges Mal im Buch vor, weil es schlichtweg einfach nicht zum Kontext passt. Nur "Die Rabenschwestern" oder meinetwegen "Der Zirkel der Rabenschwestern" hätte mir deutlich besser gefallen.
Erster Satz: "Die Hexe betrachtete das blonde Mädchen, das mit angstgeweiteten Augen auf dem Boden kauerte."
Nach einem kurzen Prolog, in dem wir gleich in die Tiefen der schwarzen Magie eintauchen, lernen wir unsere erste Protagonistin, Vivian Deveraux, kennen, die sich nach einer Kindheit voller Umzüge und Neuanfänge in ihrer Collegezeit endlich mal fest niederlassen und Freundschaften knüpfen möchte. Als sie während der Einführungsveranstaltungen von der mysteriösen Schwesternschaft Kappa Rho Nu hört, ist ihr Interesse sofort geweckt - wer würde nicht gerne Teil der eleganten, sexy und mächtigen Kappas sein -, macht sie sich aber nur wenig Hoffnungen, in die elitäre Verbindung aufgenommen zu werden. Auch unsere zweite Protagonistin, Scarlett Winter, die selbst aus einer alteingesessenen Hexenfamilie kommt und die Familientradition fortführen und nach ihrer Mutter und ihrer Schwester die dritte Winter als Präsidentin der Schwesternschaft sein möchte, sieht in der grauen Vivi kein "Kappa"-Potential. Als dann ausgerechnet Vivian bei der Initiation große Mächte enthüllt, muss Scarlett ihr Urteil nochmal überdenken. Denn eine mächtige Hexe mehr oder weniger könnte das Schicksal der Schwesternschaft in einem Kampf gegen einen unbekannten Feind entscheiden...
Das Autorenduo Morgan und Paige hat mit "Der Club der Schwestern" zwei einfache, aber vielversprechende Motive gekreuzt: Hexenzirkel und Studentenverbindungen. Auch wenn ich grundsätzlich mit Studentenverbindungen nicht so viel anfangen kann und das griechische System immer ein bisschen naserümpfend begutachtet habe, fand ich die Idee, einen Hexenzirkel vor aller Augen sichtbar, aber doch verborgen, als Schwesternschaft auf dem College zu tarnen, eine geniale Idee, die auch wunderbar funktioniert. Ausschweifende Partys, glamouröse Bälle, verschlossene Verbindungshäuser, geheimnisvolle Initiationen, schräge Rituale und ein elitärer Ruf - all das, könnte noch wunderbar als normale Studentenverbindung durchgehen, sodass die Rabenschwestern seit Generationen unbemerkt nach magischen Talenten unter den Neulingen am College suchen und diese nach der Ausbildung in ihre Reihen übernehmen können.
Vivi: "Was seid ihr?", fragte Ariana heiser. Dahlia grinste. "Wir sind Hexen."
Hexen. Das Wort sickerte nur langsam in Vivis Bewusstsein, so langsam und süß wie Dahlias gedehnte Silben. Kurz klang es eher tröstlich als seltsam, als hätte sie es im Grunde schon immer gewusst."
Das Urban Fantasy Setting, das Collegeleben mit Hexenzirkel zwischen schwarzer und weißer Magie, Flüchen und Beschwörungen mischt, verströmt dabei eine tolle, magische Atmosphäre, die mich von Beginn an gepackt hat. Auch wenn das Worldbuilding nicht besonders kompliziert oder neue originelle Ideen verarbeitet sind, hat die Geschichte diesen düsteren, mitreißenden "Vampire-Diarys"-Vibe, von dem man einfach nicht genug bekommen kann. Die Autorinnen hatten die schlichte, aber gut funktionierende Idee, die Schwestern mithilfe von Tarot-Karten praktizieren zu lassen. Jede der Hexen kommt mit einem besonderen Talent zur Welt und kann in erster Linie entweder Wasser, Erde, Luft oder Feuer am besten kontrollieren. Entsprechend dessen ist sie entweder eine Schwester der Kelche, der Münzen, der Schwerter oder der Stäbe und arbeitet mit der zugehörigen Farbe im Tarot.
Neben der Einführung in die magische Welt der Hexenzirkel, bezieht "Der Club der Rabenschwestern" seine Spannung aber vor allem durch eine mysteriöse Bedrohung von außen. Nachdem sie mehrere Drohungen erhalten haben, die die Schwestern fast enttarnen, steht fest: irgendjemand außerhalb der Schwesternschaft hat einen ordentlichen Groll angesammelt und schreckt auch nicht davor zurück, verbotene, dunkle Magie zu benutzen. Als wäre das noch nicht genug verbirgt auch Scarlett zusammen mit ihrer besten Freundin Tiffany ein dunkles Geheimnis, das die Schwestern bald einholen könnte. Auch hier haben die beiden also wieder typische Motive und einfache Erzählmuster verwendet! Obwohl die Handlung an sich nicht besonders einfallreich ist, da das Rätselraten um den geheimen Angreifer und die Suche nach einem Verräter in den eigenen Reihen in gefühlt jedem zweiten Roman des Genres auftauchen, funktioniert das ganze wieder sehr gut. Da ich wissen wollte, wer die Kappas bedroht, was das Ganze mit Vivis Mutter zu tun hat und was es mit dem magischen Talisman auf sich hat, der immer wieder vorkommt, habe ich gespannt weitergelesen. Die Wendung am Ende habe ich aber leider schon etwa in der Mitte des Buches kommen sehen, da doch einige sehr offensichtliche Hinweise versteckt waren.
Scarlett: "Ich gehe allein." "Ich fürchte, dass kann ich nicht erlauben", antwortete Jackson. "Das wäre nicht sehr ritterlich von mir." "Hat dir noch niemand gesagt, dass Ritterlichkeit nur Frauenverachtung in einem hübscheren Gewand ist? Außerdem ist nur einer von uns in der Lage, einen Angreifer zu verfluchen."
Schön ist auch, dass die beiden Autorinnen bei der Ausbreitung der Handlung ein angenehmes Erzähltempo an den Tag legen. Sie nehmen sich genügend Zeit für ihre Figuren und die Einführung des Hexenthemas, schreiten dabei aber trotzdem zügig genug vorwärts, dass man es in einem Rutsch durchlesen kann. Dass die Geschichte aus zwei Federn stammt, merkt man der Sprache übrigens nicht an. Ein weiteres Lob muss ich für die vielen lesen Anklänge von feministischen Gedanken, die dargestellte Diversität der Figuren und deren Beziehungen zueinander aussprechen. "Der Club der Rabenschwestern" lebt von einer Prise Drama, ein paar alten Geheimnisse, die an die Oberfläche drängen und natürlich vom Hexenmotiv, aber im Vordergrund stehen ganz klar die Freundschaft der Mädchen, die Zugehörigkeit zur Schwesternschaft, zum Zirkel, der fast schon eine Familie bildet. Auch wenn sich der ein oder andere Zickenkrieg nicht vermeiden lässt, hat es mir sehr gut gefallen, wie die weiblichen Figuren hier zusammenstehen und sich gegenseitig unterstützen. Diese weibliche Solidarität würde ich gerne auch außerhalb von fantastischen Themenkreisen gerne häufiger sehen! Passend zu diesem Schwerpunkt auf den Beziehungen der weiblichen Figuren, verbleiben die zwei auftauchenden Romanzen der beiden Hauptfiguren reine Zierde am Rande und prägen die Handlung nur in sehr geringem Ausmaß.
Scarlett: "Du bist anders, als ich dachte." "Sag das nicht. Das ist beleidigend. Es impliziert, ich wäre anders als die anderen Mädchen, oder? Anders als der Rest meiner Schwesternschaft?" Bei dem Gedanken, dass er die anderen abwertete, um sie zu erhöhen, sträubten sich ihr die Haare."
Wenn wir schon gerade bei den Figuren sind, will ich noch einige Worte zu unseren beiden Hauptfiguren Scarlett und Vivi sagen, die abwechselnd aus personaler Sie-Perspektive erzählen. Während mir zu Beginn Vivis frischer Blick auf die Magie und die Schwesternschaft viel Spaß gemacht hat, ist mir mit der Zeit vor allem Scarlett sehr ans Herz gewachsen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass es viel Spaß macht zuzusehen, wie sie gegenüber ihren Schwestern und den LeserInnen immer mehr Verletzlichkeit hinter der kontrollierten und ehrgeizigen Maske hervorblitzen lässt, zum anderen aber auch damit, dass Vivi gegen Ende leider immer blasser und schwerer greifbar wurde. Statt ihr im Verlauf der Geschichte mehr Profil zu verleihen, geht sie fast vollständig im Kollektiv der Schwesternschaft auf und sticht nur noch "Special Snowflake"-mäßig durch ihre auffällig starken magischen Kräfte hervor. Auch die anderen Rabenschwestern hätten gerne noch etwas besser ausgearbeitet und voneinander abgegrenzt werden können. Mir ist bewusst, dass den Autorinnen wichtig war, sie als starke Einheit zu präsentieren, gerade in den letzten Kapiteln habe ich aber von der Hälfte des Zirkels vergessen, dass sie noch da waren (zum Beispiel Ariana, die zu Beginn so ausführlich vorgestellt wird, kommt gegen Ende kaum mehr vor).
Scarlett: "Mir geht gerade auf, dass wir das genaue Gegenteil von dem tun, was wir eigentlich aus Horrorfilmen gelernt haben müssten", sagte Jackson. "Das hier ist kein Horrorfilm. Und wir sind zu zweit, sie allein", entgegnete Scarlett. Für dich sagt sich das so leicht. Du bist die letzte Überlebende, die am Ende den Killer konfrontiert, ich nur der arme Trottel auf dem Beifahrersitz. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, geht es für meinen Charakter selten gut aus."
Ansonsten hat mir das Ende, das die Geschichte rund abschließt, aber auch noch Raum für eine Fortsetzung lässt, aber sehr gut gefallen. Eine solche Fortsetzung könnten wir mit "The Monarchs" auch schon diesen Januar bekommen. Die beiden Autorinnen haben erst kürzlich das Sequel zu den Rabenschwestern angekündigt.
Fazit:
"Der Club der Rabenschwestern" ist eines dieser Bücher, bei denen einem objektiv eine Menge Schwächen und Kritikpunkte einfallen, man aber dennoch nicht mit dem Lesen aufhören konnte. Die Handlung ist recht vorhersehbar, die Figuren bleiben zu blass, viele der genutzten Motive sind bekannt, aber dennoch hat mich die magische Atmosphäre mit sich gerissen und dafür gesorgt, dass ich beim Lesen viel Spaß hatte.