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Veröffentlicht am 11.02.2022

Bewegende Geschichte

Heul doch nicht, du lebst ja noch
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Eine Woche Nachkriegszeit aus der Perspektive von Kindern, dass ist es, was die Autorin mit ihrem neuen Buch liefert. Mich interessierte das Thema sehr und auch die Frage, wie es für Jugendliche aufbereitet ...

Eine Woche Nachkriegszeit aus der Perspektive von Kindern, dass ist es, was die Autorin mit ihrem neuen Buch liefert. Mich interessierte das Thema sehr und auch die Frage, wie es für Jugendliche aufbereitet wird. Gegen das Vergessen ist mir immer wichtig und wird es wohl auch immer sein. Gerade diese Geschichte macht auch eine andere Dimension deutlich. Historische Fakten werden gekonnt mit den Lebensläufen dreier junger Menschen geschildert. Nach dem Krieg war alles direkt gut? Pustekuchen, um es mal klar auf den Punkt zu bringen. Überall Kriegsversehrte, Trümmer, Hunger, Armut – das ist es, was im Juni 1945 Hermann, Traute und Jakob sehen und kennen. Klar, die Gefahren des Krieges sind vorbei, aber das Leben ist nicht direkt besser. Vor allem im zerstörten Hamburg wird das deutlich. Dort treffen sich die Kinder auf der Straße, weil Schulen noch geschlossen sind.
Aus drei Perspektiven erfährt man mehr – und das ist schon alles andere als leicht. Traute geht es verhältnismäßig gut, aber sie mussten Flüchtlinge aufnehmen und die Bäckerei des Vaters läuft auch nicht so gut, wie sie könnte. Schlimmer hat es Jakob erwischt. Er ist halber Jude, ohne Eltern und dann auch ohne jegliche Unterstützung harrt er in einer Ruine aus und weiß nicht einmal, dass der Krieg vorbei ist. Hermanns Vater hat im Krieg die Beine verloren und ist auf Hilfe angewiesen. Sein Vater kann mit dem neuen Leben nicht umgehen, ist unzufrieden und terrorisiert seine Familie vom Sofa aus.
Die Autorin beschränkt sich auf einen kleinen Lebensabschnitt Jugendlicher und erzählt nicht das große Ganze, dennoch denke ich, dass genau das für Jugendliche gut ist. Vieles wird angerissen, aber nicht ausgeführt. Das hat Vor- und Nachteile. Für Kinder, die nicht so genau wissen wollen, weil sie emotional überfordert wären ist das vielleicht der richtige Weg, für die anderen…naja, die hätten wohl mehr Info gewollt. Vielleicht regt das Buch aber zur eigenen Recherche an.
Uneingeschränkt gut ist jedoch, dass die verschiedenen Perspektiven gut nachvollziehbar sind und die Charaktere der Kinder detailliert geschildert. Das macht das Geschehen sehr viel intensiver und man überdenkt schon, wie es einem selbst damit ergangen wäre. Das Leid ist erdrückend und es darf nicht mehr soweit kommen.
Etwas weniger überzeugend fand ich leider in der Nachbetrachtung den Schreibstil. Ist ein bisschen hölzern für mich gewesen, aber die Geschichte ist so beeindruckend, dass es überraschend wenig ins Gewicht fällt.

Veröffentlicht am 02.02.2022

Zu Beginn etwas mühsam, später nur noch wenige Spannungstäler

Perfect Day
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Ann, eine Mittzwanzigerin die ihre Mutter früh verloren hat, muss miterleben, wie ihr Vater verhaftet wird. Er soll der Schleifenmörder sein, der seit Jahren immer wieder kleine Mädchen tötet und rote ...

Ann, eine Mittzwanzigerin die ihre Mutter früh verloren hat, muss miterleben, wie ihr Vater verhaftet wird. Er soll der Schleifenmörder sein, der seit Jahren immer wieder kleine Mädchen tötet und rote Schleifen hinterlässt, damit die Leichen gefunden werden. Dass ihr Vater ein Mörder sein soll, kann und will Ann nicht glauben. Ihr Vater war immer sehr gut zu ihr, egal welchen Mist sie gerade mal wieder gebaut hat und dieser Mann soll so viel Leid verursacht haben? Unvorstellbar, daher beginnt Ann quasi ihre eigenen Ermittlungen und entdeckt so einiges…

Der Beginn war noch recht verwirrend, sodass ich schon befürchtete mit diesem Buch eventuell einen Fehlkauf gemacht zu haben, doch die Sorge löste sich später in Luft auf. Es gab zwar zwischendurch immer wieder Momente, bei denen ich nicht so richtig angetan war und es immer noch irgendwie zu durcheinander fand, allerdings war da doch immer das Interesse zu erfahren, was nun wirklich los ist. Also habe ich weitergelesen, die Zeit vergessen und das Buch nach den Startschwierigkeiten quasi in einem Rutsch gelesen. Warum es zu Beginn so verwirrend war? Es gibt viele verschiedene Aspekte, zum einen die Geschichte als solche, aber auch die Erzählart. Es gibt Schilderungen aus 2017, einen Artikel, Beschreibungen von Emotionen eines Kindes und der Protagonistin, Interviews aus 2021, später noch Briefe… Was am Anfang verwirrt, hat mir aber später durchaus zugesagt, daher lohnt es sich aus meiner Sicht durchaus sich durchzubeißen. Der Schreibstil als solcher ist flüssig und gut lesbar, sodass man durch die anfänglichen und später immer sporadischer vorkommenden Spannungstäler gut durchkommt. Zur Auflösung kann und werde ich nicht viele Worte verlieren, aber ich fand das sehr gut gemacht und es hat mich überzeugt. Ann ist ein interessanter Charakter, vieles konnte ich nachvollziehen, bei anderem nur den Kopf schütteln. Besonders gut gelungen ist die Darstellung von Anns Verzweiflung, die in teils abstrusen Theorien mündet, die auch nicht ganz ungefährlich sind. Leider ist die Protagonistin auch ein wenig schwierig, um es mal freundlich zu sagen…wahnhaft wäre vielleicht eine treffende Beschreibung.
Es gibt dann eine Wendung, die alles bisher sicher Geglaubte in Zweifel zieht und als Leser fragt man sich schon, wie das noch stimmig zu Ende gebracht werden soll. Aus meiner Sicht ist es gelungen und es blieben auch keine offenen Fragen. Nur eine habe ich dann noch an mich selbst: Wie konnte ich nur in jede Falle der Autorin tappen?

Achtung: Es geht hier um Kindstötungen, es wird zwar nicht wirklich ins Detail gegangen, aber sensible Leser sollten das im Vorfeld wissen.

Da ich mehrheitlich sehr überzeugt von dem Buch war und der Autorin so schön auf den Leim gegangen bin, gibt es -trotz der einen oder anderen weniger überzeugenden Passage- vier Sterne.

Veröffentlicht am 12.01.2022

Besonderer Roadtrip

Der erste letzte Tag
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Livius will nach Berlin fliegen, um sein neustes Buchprojekt dem Verlag zu präsentieren und vielleicht doch noch mit seiner (Noch/Bald nicht mehr?) Frau wieder ins Reine zu kommen. Doch der Flug muss gestrichen ...

Livius will nach Berlin fliegen, um sein neustes Buchprojekt dem Verlag zu präsentieren und vielleicht doch noch mit seiner (Noch/Bald nicht mehr?) Frau wieder ins Reine zu kommen. Doch der Flug muss gestrichen werden und zu allem Überfluss sind auch die Mietwagen rar. Auch Lea muss weg und die beiden bilden eine Fahrgemeinschaft, eine sehr, sehr eigentümliche….

Eigentlich hatte ich genug von Sebastian Fitzek nach seinen letzten beiden Thrillern, die mir beide so gar nicht zugesagt haben. Aber dann kam mir „Der erste letzte Tag“ dazwischen. Nun – immerhin steht direkt auf dem Cover, dass es kein Thriller ist und Fitzek kann ja auch an sich wirklich gut schreiben. Also habe ich mich mit auf diesen skurrilen, schrillen, bekloppten (fügen Sie hier ähnlich gelagerte Adjektive ein) Roadtrip eingelassen – und es nicht bereut.

Der Roman ist irgendwie ein bisschen Wohlfühl-Roman mit manchem überraschenden Tiefgang, vielen Kuriositäten und einigen lustigen Momenten. Ironie, Witz, teils Spannung und Nachdenkpotenzial bietet diese Geschichte. Wie würde man wohl selbst einen, seinen „ersten letzten Tag“ durchleben? Ich mal ganz sicher nicht wie Livius und Lea, das ist mal sicher. Dennoch habe ich den beiden gerne über die Schulter geschaut und nicht selten gelacht.
Gefallen haben mir auch die Illustrationen zwischendurch, sowie das Nachwort, dass mal wieder besonders ist.

Aber auch wenn ich doch viel gelobt habe, so habe ich auch Kritik. Zum einen ist die Geschichte eben durch das lange Nachwort und die Illustrationen kürzer als erwartet, zum anderen ist gerade der Beginn doch arg in die Länge gezogen. Und auch zwischendurch gibt es Sequenzen, die wirken, als solle einfach ein bisschen mehr Buch präsentiert werden.

Dennoch bin ich ganz ehrlich: Ich glaube Fitzek wurde eine Thriller-Pause mal echt guttun. Er könnte sich die Zeit ja mit Geschichten wie dieser hier vertreiben und dabei neue Leser gewinnen oder alte zurückgewinnen (wie mich). Mich hat er auf jeden Fall positiv überrascht, denn ich hatte zwischenzeitlich schon die Befürchtung, dass ich einfach sowas von Fitzek-gesättigt bin, dass es einfach nicht mehr passt, aber dem ist ja offensichtlich nicht so. Wenngleich mir das eine oder andere hier auch ein bisschen arg „drüber“ erschien, aber das ist bei einem Fitzek wohl unvermeidlich.

Veröffentlicht am 29.12.2021

Eines Todesliste und eine Schlange

Die Früchte, die man erntet
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Ein Heckenschütze verbreitet in einer schwedischen Kleinstadt Angst und Schrecken. Innerhalb einer Woche werden drei Menschen getötet und es ist kein richtiges Motiv erkennbar. Tötet der Täter wahllos ...

Ein Heckenschütze verbreitet in einer schwedischen Kleinstadt Angst und Schrecken. Innerhalb einer Woche werden drei Menschen getötet und es ist kein richtiges Motiv erkennbar. Tötet der Täter wahllos oder gibt es eine Art System? Wie kann die Reichsmordkommission um Leiterin Vanja Lithner den Täter stoppen? Ihr Vater Sebastian arbeitet wieder als Psychologe und Vanja bittet um etwas Unterstützung – aber bitte ohne sich in die Ermittlungen einzumischen.
Wer hinter den Anschlägen steckt und warum, davon bekommt der Leser schnell eine Ahnung und bald auch eine Gewissheit und dennoch bleibt es spannend. Denn die Reichsmordkommission tappt im Dunkel. Und das sehr lange… für meinen Geschmack fast ein bisschen zu lange. Doch irgendwann platzt der Knoten und ich dachte: Hm, wie soll das gehen? Es ist doch noch einiges an Buch übrig, aber hier kommt eine Geschichte auf, die es nicht minder in sich hat. Ein Buch, zwei spannende Fälle und entsprechende Showdowns, das klappt sicher nicht in jedem Buch, hier jedoch hat es mich auf ganzer Linie überzeugt. Ich kann gar nicht sagen, ob mich die Heckenschützengeschichte oder Billy mehr unterhalten haben. Es waren völlig verschiedene Fälle und Herangehensweisen, beide gleichermaßen spannend und mit nur jeweils ein paar kleineren Längen, die nicht so ins Gewicht fallen.
Gefallen haben mir besonders die facettenreichen Charaktere, wobei ich mir zumindest bei einem doch deutlich weniger Facetten gewünscht hätte – Billy - aber das ging den Protagonisten im Buch sicher ganz genauso. Das Privatleben der Protagonisten spielt eine große Rolle, aber genau in dem Maß, wie es für ich gut gepasst hat. Und auch hier – wie beim Fall, oder vielmehr den Fällen – gibt es die eine oder andere überraschende Wendung und Andeutungen, die so manches versprechen. Die bereits in diesem Band ausgeführten Aspekte haben mich auch überzeugt, die anderen haben Appetit auf den Nachfolgeband gemacht. Dies und der Schreibstil haben mich regelrecht gezwungen zu lesen. Irgendwie war es mir kaum möglich das Buch aus den Händen zu legen und das, obwohl man das eine oder andere schon irgendwie vorausahnen kann.
Es ist bereits der siebte Teil der Reihe und ich hatte nur ein, zwei der Vorgänger gelesen und daher ein wenig Sorge, dass ich einfach nicht so mitkommen könnte – es war nicht der Fall. Selbst als absoluter Neueinsteiger wird man alles verstehen, vielleicht nicht so sehr, wie Kenner der Reihe, aber dennoch gut genug, um einfach nur sehr gut unterhalten zu sein. Dennoch ist es natürlich besser sich an die Reihenfolge zu halten, zumal mit diesem Band logischerweise zu den Vorgängern gespoilert wird.

Veröffentlicht am 28.12.2021

Regt zum Nachdenken an

Die Enkelin
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Kaspar kommt nach Hause und glaubt, dass Birgit wieder dem Alkohol zu sehr zugesprochen hat. Doch es kommt viel schlimmer, seine Frau ist tot. Wer war Birgit wirklich? Warum hatte sie die Flucht in den ...

Kaspar kommt nach Hause und glaubt, dass Birgit wieder dem Alkohol zu sehr zugesprochen hat. Doch es kommt viel schlimmer, seine Frau ist tot. Wer war Birgit wirklich? Warum hatte sie die Flucht in den Alkohol gesucht? Kaspar erkennt erst nach und nach das seine Frau einige Geheimnisse hatte und er sie gar nicht so richtig kannte. Ihr unvollendetes Buch gibt einigen Aufschluss und Kaspar versucht das Werk seiner Frau zu vollenden. Er startet eine Suche, die ihn in eine Welt führt, die ihm fremd ist, ihm aber auch eine (Stief-)Enkelin schenkt.

Die Geschichte hat mehrere Teile. Zum einen Birgits Tod und Kaspars Trauer, dann erfährt man durch Birgits Manuskript von ihrer Vergangenheit und weitere Teile werden eingebunden, zu denen äußere ich mich aus Spoilergründen nicht detaillierter. Kaspar und Birgit lernten sich in der DDR kennen und lieben. Kaspar wollte die Welt kennenlernen und fand seine große Liebe. Doch Birgit hat ein Geheimnis, sie ist schwanger. Von Kaspar unbemerkt bekommt sie ein Kind, dass sie ihrer Freundin Paula übergibt und dann in den Westen flüchtet. Birgit hatte mit dieser Entscheidung und dem Verschweigen vor Kaspar einige Schwierigkeiten und diese haben sie stark beeinflusst. Nun hatte sie geplant die Suche nach ihrer Tochter zu starten, aber sie kann es nicht. Nach ihrem Tod ist Kaspar auf der Suche, findet und erkennt, dass er etwas tun muss. Denn rechtes / völkisches Gedankengut kann und will er nicht gutheißen, Wie kann man da gegensteuern? Wir öffnet man Augen jener, die in ihrer Parallelwelt leben?

Gewisse Startschwierigkeiten hatte ich mit diesem Buch, denn Kaspar war mir irgendwie nicht richtig greifbar und auch seine Frau war mir ein wenig suspekt. Das Problem gab sich jedoch schnell und gerade die Aufzeichnungen von Birgit haben ein tiefes Verständnis bei mir bewirkt. Und vor allem mein Mitgefühl für Kaspar geweckt. Und meine Bewunderung, dass er – allen Widerständen zum Trotz – Birgits Suche startet. Sein Durchhaltevermögen ist beeindruckend und ich finde es spannend, wie sich diese deutsch-deutsche Geschichte entwickelt. Nicht alles, nicht jeder Charakter, wirkte auf mich bis ins Detail glaubwürdig, doch mein Interesse war kontinuierlich hoch und es regt zum Nachdenken an. Wie stark beeinflussen uns unsere Eltern? Ist gut gemeint, auch gut gemacht? Wird er seiner Enkelin einen anderen, weltoffenen Weg zeigen können? Richtige Auswege und den Königsweg bietet der Roman nicht, aber er regt unheimlich zum Nachdenken an und das fand ich auch gut, denn einfach Lösungen gibt es hierfür nicht.

Hauptsächlich berichtet Kaspar aus seiner Sicht und chronologisch, aber es gibt auch einige Rückblicke in die deutsch-deutsche Geschichte. Haupthandlungsorte sind Berlin und Sachsen, was ich als passend empfand, anderes fand ich weniger authentisch, wenig realistisch und zu überzogen. Aber das fällt unter dem Strich nicht zu sehr ins Gewicht, denn in Summe ist der Roman unterhaltsam und interessant.