Cover-Bild Der Erinnerungsfälscher
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11,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 24.01.2022
  • ISBN: 9783446273375
Abbas Khider

Der Erinnerungsfälscher

Roman
„Abbas Khider schreibt mit einer einzigartigen Mischung aus Gedankentiefe, genauer Beobachtung und Leichtigkeit.“ ARD ttt

Said Al-Wahid hat seinen Reisepass überall dabei, auch wenn er in Berlin-Neukölln nur in den Supermarkt geht. Als er eines Tages die Nachricht erhält, seine Mutter liege im Sterben, reist er zum ersten Mal seit Jahren in das Land seiner Herkunft. Je näher er seiner in Bagdad verbliebenen Familie kommt, desto tiefer gehen die Erinnerungen zurück, an die Jahre des Ankommens in Deutschland, an die monatelange Flucht und schließlich an die Kindheit im Irak. Welche Erinnerungen fehlen, welche sind erfunden und welche verfälscht? Said weiß es nicht. Es ist seine Rettung bis heute. Eine Lebensgeschichte von enormer Wucht. In diesem bewegenden und poetischen Roman liegt der Klang eines ganzen Lebens.

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Veröffentlicht am 05.02.2022

Erinnerungen trügen...Heimweh?

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„Es ist kein Verlass auf die Erinnerung, und dennoch gibt es keine Wirklichkeit außer der, die wir im Gedächtnis tragen“,
Klaus Mann, ‚In meinem Elternhaus‘

Said Al-Wahid flüchtet aus dem Irak (der Saddam-Diktatur), ...

„Es ist kein Verlass auf die Erinnerung, und dennoch gibt es keine Wirklichkeit außer der, die wir im Gedächtnis tragen“,
Klaus Mann, ‚In meinem Elternhaus‘

Said Al-Wahid flüchtet aus dem Irak (der Saddam-Diktatur), er kommt nach Berlin und hat mit einer Deutschen den gemeinsamen Sohn Ilias. So weit - so gut! In Berlin braucht er keine Geheimpolizei zu befürchten, die ihn foltert; nur die Paragraphen und deren Staatsdienenden, die ihn danach befragen, ob er denn die Erlaubnis hat sich in diesem Land aufzuhalten. Doch immer gibt es auch diejenigen, die - für viel Geld (Anwaltskanzlei) oder der Berechtigung eine NGO zu sein - ihm helfen. Denn so, wie in jedem anderen Land der Welt, wird überprüft, wer er ist und warum er hier ist.
Nach seiner Staatsbürgerschaft befragt, sagt er: „Wer in den Irak geht, ist verloren, wer rausgeht, wird neu geboren. Haben Sie in den letzten Jahren die Nachrichten nicht gesehen? Ich kehre nicht freiwillig dorthin zurück.“ Er bekommt den Aufenthaltstitel.
Doch er verkriecht sich in seiner Wohnung (Sofafurzer nennt ihn Monica, die Mutter von Ilias); sie kommt aus einer anderen Realität und versteht nicht, dass es Menschen gibt, die ihre Wohnungen nicht verlassen, weil sie sich dort geschützt fühlen. In einem Kokon der Erinnerungen stecken, und,„das Erinnern war eine Last, eine harte innerliche Arbeit“ (S. 46). Said muss sich seine Erinnerungen erfinden.
Doch Bagdad holt ihn ein, er muss zurück (in das Land, was sein Herkunftsland ist und was er fürchtet), seine Mutter liegt im Sterben. Er berichtet von seinen Grenzübergängen, wie er den Irak verließ, wie er zitterte. Er berichtet von einer heimlichen Fahrt nach Bagdad (denn mit seinem Flüchtlingsausweis durfte er ja nicht in den Irak einreisen), dort angekommen stellte er fest, dass es in Berlin doch besser ist als in Bagdad, der zerstörte Irak schlitterte in einen Bürgerkrieg. Und er kehrte wieder zurück in die „erträglichere Fremde“. Und jetzt kann er einfach über Doha nach Bagdad fliegen, in einem fast leeren Flugzeug.

Abbas Khider verarbeitet in seinen Romanen seine Erinnerungen an seine Heimat Irak, die Dramen um sein Herkunftsland, seiner Flucht und seine Ankünfte in anderen Ländern bis zu seiner neuen Heimat in Berlin. Er liest im Internet, dass es Erinnerungsverfälschungen gibt (vermutlich haben damit sehr, sehr viele Menschen zu tun, die sich nicht an ihre Jugend und der Dramatik damals erinnern wollen). Denn wer hatte schon eine glückliche Jugend? So wie Frank McCourt (Die Asche meiner Mutter) sagt: „Natürlich hatte ich eine unglückliche Kindheit, eine glückliche Kindheit lohnt sich ja kaum“. Für den Autor ist das (erfundene) Erinnern und das darüber schreiben das Heilsame.

Der Autor hat es geschafft, sich innerhalb kurzer Zeit in einer anderen Sprache als seiner Muttersprache gut zu etablieren und ein erfolgreicher Autor zu werden.

Das Umschlagsbild ist ziemlich auffällig, orange; mittig ein Vogel, der mit großen Schwingen fliegt, unter ihm – und das ist das Interessante – sein Schatten, der auf den Vogel zufliegt. Fliegen ihm die Erinnerungen wieder zu?

Abbas Khider, ‚Der Erinnerungsfälscher‘, Verlag Hanser, 2022; es gibt weitere lesenswerte Romane von ihm, z.B.Brief in die Auberginenrepublik‘.

Ich denke an meinen Großvater, der seine Heimat 1925 verließ, seinen Namen aufgab und nie mehr wieder in seinen Herkunftsort zurückkehren konnte und auch nur einen seiner Brüder nach 30 Jahren wiedertraf.

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