Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
online

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.02.2022

Anders sein geht gar nicht

Die dritte Hälfte eines Lebens
0

Krimmwing ist überall. „Die dritte Hälfte eines Lebens“ ist irgendwo in Österreich angesiedelt. Anna Herzig erzählt von der Intoleranz, die sich durch die Dorfgemeinschaft in ihrer Borniertheit noch verstärkt.

In ...

Krimmwing ist überall. „Die dritte Hälfte eines Lebens“ ist irgendwo in Österreich angesiedelt. Anna Herzig erzählt von der Intoleranz, die sich durch die Dorfgemeinschaft in ihrer Borniertheit noch verstärkt.

In dieses schmale Buch musste ich schon erst hineinfinden, aber dann kommt es umso wuchtiger daher. Wuchtig nicht im Sinne von Action, die einfachen Sätze, die paar Wörter reichen, um alles zu sagen.

Jeder weiß alles von jedem und manchmal weiß der andere sogar mehr als man selbst. So ist das eben im Dorf. Es war schon immer so und wird immer so sein. Wenn du anders bist, nicht gerade der Norm entsprichst, hast du es hier nicht einfach.

Was man gehört hat – das erzählt Anna Herzig zuerst. Von dem Rathbauern, der sich schminkt, der sich schöne Sachen bestellt. Niemand weiß, was in den Päckchen ist, aber dass er anders ist, das hat man gehört. Der Seppi mit seiner dunklen Hautfarbe kann das eh nicht verbergen, aber spüren soll er schon, dass er anders aussieht. Und dann erst die Rosa, alleinerziehend ist sie, das geht doch nicht! Hier auf dem Dorf herrscht Zucht und Ordnung. Meint man. Was die Leute sagen - das ist das, was sie daraus machen. Aus all den Gerüchten, den Unterstellungen entstehen Ausgrenzungen. Unerbittlich sind sie in ihrer Engstirnigkeit. „Die Wahrheit interessiert niemanden, weil sie nichts hergibt.“

„Die dritte Hälfte eines Lebens“ beweist, dass es nicht immer vieler Worte braucht, um die zwischenmenschlichen Unzulänglichkeiten glasklar darzulegen. Nicht anklagend, eher wie nebenher erzählt und doch so treffend.

Der nicht mehr ganz so frische Apfel auf dem Tisch des Covers sieht nicht gerade zum Anbeißen aus. Findet sich noch einer, der ihn wertschätzt? Da gibt es so einiges auszusetzen an ihm – eine Metapher für die dörfliche „Idylle“?

Ein paar Mußestunden braucht es schon, um dem Buch gerecht zu werden. Wer sich auf diese Dorfgemeinschaft einlassen will, sollte sich „Die Dritte Hälfte eines Lebens“ nicht entgehen lassen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.02.2022

Interessante Einblicke in die Anfänge des Krankenhauses Waldfriede

Sternstunde
0

„Sternstunde“ ist der erste Band um die Schwestern von Waldfriede. Corina Bomann hat mir mit der Geschichte des Klinikums Waldfriede nahe Berlin kurzweilige Lesestunden beschert.

Im Sommer 1916 rudert ...

„Sternstunde“ ist der erste Band um die Schwestern von Waldfriede. Corina Bomann hat mir mit der Geschichte des Klinikums Waldfriede nahe Berlin kurzweilige Lesestunden beschert.

Im Sommer 1916 rudert Martin mit seiner Hanna hinaus, sie sind jung und glücklich, machen Zukunftspläne. Natürlich wollen sie heiraten, was sonst. Der Einberufungsbefehl kommt ihnen dazwischen, schwer verwundet wird er zurückgebracht und kurz darauf stirbt er. Bald danach bekommt Hanna das Angebot, ins neu gegründete Klinikum Waldfriede zu gehen. Die junge Krankenschwester packt mit an, ist maßgeblich am Aufbau der Klinik beteiligt. Der Klinikleiter Dr. Conradi schätzt sie sehr, was natürlich so manchen Neider auf den Plan ruft.

Corina Bomann hat sich von der Chronik des Hauses inspirieren lassen. Diese wurde von Hanna Rinder niedergeschrieben – in „Sternstunde“ heißt sie Hanna Richter. Sie war Röntgenschwester und Dr. Conradis rechte Hand. Wenn man sich ein wenig mit den Anfängen des Krankenhauses beschäftigt stellt man schnell fest, dass dies alles wirklich so war. Dr. Conradi war Adventist, er erwarb ein ziemlich heruntergekommenes Gebäude mit einem großen Grundstück im Bezirk Zehlendorf, das – unterstützt von den Adventisten – in mühevoller Arbeit im April 1920 seinen Betrieb aufnehmen konnte. Er hatte Widersacher und doch gelang es ihm, in schweren Zeiten durchzuhalten.

Den einzelnen Teilen vorangestellt sind Auszüge aus der Chronik des Krankenhauses Waldfriede. Sie geben kurze, sehr interessante Einblicke, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hatten, aber auch welche Fortschritte sie machten. „Es war der 29. Dezember 1919…“ „… ergab die oberflächliche Besichtigung des Sanatoriums auch ein leidlich befriedigendes Ergebnis, so stellte sich doch bald heraus, dass die Anstalt, die während des Krieges als Lazarett gedient hatte, stark verwohnt war und einer gründlichen Überholung bedurfte…“

Der Beginn der vierteiligen Saga um das Klinikum Waldfriede ist bestens gelungen. Die Autorin ist immer nahe an der Wirklichkeit, die Aufbaujahre dieses Krankenhauses und den medizinischen Fortschritt bringt sie ihren Lesern unterhaltsam näher. Das historisch belegte wird mit den fiktiven Elementen moderat angereichert. Hanna ist eine sehr einfühlsame junge Frau, die man einfach mögen muss. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, auch wenn sie in privaten Dingen manchmal zu zaghaft agiert. Andere Charaktere gehen da schon forscher vor. Wohl dosiert fließen das Zwischenmenschliche mit all den Intrigen, Bosheiten und Neid mit ein, aber auch Freundschaft, Vertrauen und ein wenig Liebe gehören dazu und runden das Ganze ab.

Es hat mich gefreut, die Schwestern und all die anderen von Waldfriede ein Stück ihres Weges begleiten zu dürfen, dem Klinikalltag nachzuspüren. Von 1919 bis 1924 war ich dabei und bin auf den im Sommer dieses Jahres erscheinenden zweiten Teil „Leuchtfeuer“ sehr gespannt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.02.2022

Guter Ratgeber, leicht in den Alltag zu integrieren

Gemeinsam gegen Osteoporose
0

Osteoporose schleicht sich an, die Knochenbrüche, die angeknacksten Knochen sind unausweichlich. Meist nimmt man dies erst ernst, wenn der Knochenschwund schon fortgeschritten ist, die Knochendichtemessung ...

Osteoporose schleicht sich an, die Knochenbrüche, die angeknacksten Knochen sind unausweichlich. Meist nimmt man dies erst ernst, wenn der Knochenschwund schon fortgeschritten ist, die Knochendichtemessung ein Ergebnis liefert, das man lieber verdrängen würde. Man kann durchaus was tun – die Krankheit zurückdrängen, wenn man früh genug dagegen etwas unternimmt oder den weiteren Abbau aufhalten, zum Stillstand bringen.

„Gemeinsam gegen Osteoporose“ ist in drei Abschnitte gegliedert und jeder einzelne hat wertvolle Tipps, gibt Anregung und Hilfestellung.

Da wäre zum einen die richtige Ernährung. Was brauchen unsere Knochen, um uns noch lange durchs Leben zu tragen? Richtig essen heißt auch, täglich Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zu sich zu nehmen, damit unsere Knochen gesund und kräftig bleiben. Die Knochenräuber kommen zur Sprache und die wichtige Aufbauhilfe Kalzium plus Vitamin D, das Eiweiß in seiner Funktion. Ein richtig guter, sehr interessanter Ratgeber, kurzweilig und informativ.

Der mittlere Teil bietet viele Rezepte mit Fotos. Nicht alles werde ich nachkochen, einiges etwas abwandeln und anderes anstatt zum Frühstück mittags oder abends essen.

Last but not least die Bewegung – auch hier ist alles sehr übersichtlich dargelegt mit guten Tipps, die leicht in den Alltag zu integrieren sind. Durchhalten, sich selbst motivieren, die richtigen Übungen für sich finden – die Bewegungs-Basics sind richtig gut.

Der Ratgeber ist sowohl für jene, die bereits mit Osteoporose zu kämpfen haben als auch für diejenigen, die vorbeugend dieser Volkskrankheit die Stirn bieten wollen. Es geht einfacher als gedacht, dabei gewinnt man viel Lebensqualität.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.02.2022

Die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen

Dschinns
0

Lang ersehnt und nun endlich ist es soweit – die Frührente macht es für Hüseyin möglich, zurückzugehen in sein Heimatland. Vor nunmehr 28 Jahren kam er hierher, holte später seine Frau und die Kinder nach. ...

Lang ersehnt und nun endlich ist es soweit – die Frührente macht es für Hüseyin möglich, zurückzugehen in sein Heimatland. Vor nunmehr 28 Jahren kam er hierher, holte später seine Frau und die Kinder nach. Nicht alle auf einmal, aber doch sind sie hier heimisch geworden. Zumindest die nächste Generation dieser Gastarbeiter, die dringend benötigt wurden, aber dennoch nie so richtig dazugehörten.

In Istanbul hat Hüseyin eine Wohnung gekauft, er ist schon mal vorgefahren und nun erwartet er sie - aber es ist zu spät, den Herzinfarkt überlebt er nicht. Sein Begräbnis steht an und sie alle machen sich auf den Weg. Sedva, die älteste Tochter mit ihren beiden Kindern verpasst den Flug, kommt – wie immer – zu spät. Und da sind noch Ümit, der jüngste Sohn, Peri und Hakan. Sie alle treffen irgendwann ein bei Emine, die in der Wohnung auf sie wartet.

Es ist die Geschichte einer Familie, die Eltern tief verwurzelt in einem Dorf in der Türkei. Hier fing alles an, sie sind fortgegangen und doch waren sie immer hier gefangen, konnten sich nicht befreien. Die Arbeitsmigranten blieben weitgehend isoliert in ihrem Gastland, erst ihre Kinder kamen an in der deutschen Gesellschaft, mussten aber mit vielen Vorurteilen kämpfen. Während die Älteren ihr Herkunftsland als ihre Heimat ansahen, war den Jungen die Türkei fremd. Die Sprachlosigkeit untereinander ging einher mit dem Auseinanderdriften der Familie. Die Gräben zwischen den Generationen waren schier unüberwindbar.

Unaufgeregt, nahezu sanftmütig erzählt Fatma Aydemir von Ungeheuerlichem. Sie alle kommen zu Wort, ich nehme Anteil am Schicksal der einzelnen. Über allem schwebt eine Lebenslüge, Stück für Stück schält sich die Vergangenheit heraus.

„Die Älteren haben etwas gesagt und wir haben es gemacht. Es war damals so.“ Es ist eine Anklage an das Althergebrachte - „er hat dir erst deine Muttersprache genommen und dich dann in ein Land gebracht, in dem du gar keine Sprache mehr hattes.“

Die einzelnen Kapitel bringen mir die Familienmitglieder näher, deren Lebenssituation, ihre Wege und Ziele. Dargeboten wie aus der Ferne und doch ist jeder einzelne ganz nah, es ist ein tiefer Blick in deren Innerstes. Gesellschaftliche Zwänge, deren Moralvorstellung und Vorurteile prägen ihr Miteinander, vieles ist nur schweigend zu ertragen, Konflikte sind vorprogrammiert. Was geben wir von uns preis, was darf nach außen dringen, was will unbedingt verdrängt werden, wie wollen wir akzeptiert werden?

„…wenn alles anders gekommen wäre, die Sprachlosigkeit nicht gewesen wäre, die unüberwindbaren Hürden nicht gewesen wären…„

Dschinn - im islamischen Glauben ist es ein Lebewesen, das gemeinsam mit den Menschen die Welt bevölkert, selber aber unsichtbar bleibt. Nüchtern betrachtet ein Aberglaube, der Ängste schürt, von bösen Geistern weiß, die diejenigen, die sich nicht vor ihm schützen verrückt macht, von deren Körpern Besitz ergreift.

Dschinns ist ein leises Buch, das nicht anklagt. Das von der Sprachlosigkeit zwischen den Generationen berichtet, die schier unüberwindbar ist, die Akzeptanz untereinander ebenso. Eine Familiengeschichte, die direkt ins Herz dringt. Die sich einschleicht, berührt und mitfühlen lässt. Jeder einzelne ist wertvoll, seine Entscheidungen für ihn richtig. Ein ganz besonderes Buch, meisterlich erzählt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.01.2022

Zwei Frauenschicksale, sehr bewegend erzählt

Das Leben in unseren Händen
0

Mit einem der letzten Schiffe gelingt Hannah und Ada Rosenbaum 1939 die Ausreise aus dem für Juden nicht mehr sicheren Deutschland. Was auf den ersten Blick idyllisch erscheint, entpuppt sich – kaum angekommen ...

Mit einem der letzten Schiffe gelingt Hannah und Ada Rosenbaum 1939 die Ausreise aus dem für Juden nicht mehr sicheren Deutschland. Was auf den ersten Blick idyllisch erscheint, entpuppt sich – kaum angekommen - bald als sehr beengte Unterkunft: Ellis Island, die Insel der Tränen wird sie genannt. Die Passagiere der dritten Klasse werden direkt hierher gebracht. „Willkommen in Niemandsland“ – dieser bittere Gedanke schleicht sich in Hannas Kopf.

Der erste Eindruck ist neben dem Kurztext immer das Cover. Zwei Frauen vor der Kulisse New Yorks, direkt davor die Brooklyn Bridge, eine der ältesten Hängebrücken, die den East River überspannt und Manhatten mit Brooklyn verbindet. Ihr Kleidungsstil lässt die damalige Zeit erahnen, in die man sofort abtauchen möchte – ein sehr aussagekräftiges Titelbild.

Eva Neiss schreibt so einnehmend, dem konnte ich mich ab der ersten Seite nicht entziehen. Sie verwebt sehr gekonnt ihre fiktive Geschichte um die beiden Schwestern mit historisch Verbürgtem.

Hannahs Weg war ein ganz anderer als der ihrer Schwester, deren Kind als Frühchen kaum lebensfähig war. Während Ada sich von der Geburt erholt, setzt Hannah alle Hebel in Bewegung, um das kleine Wesen zu retten. Und hier lerne ich Dr. Martin A. Couney kennen, eine faszinierende Persönlichkeit und Pionier der Frühgeborenentechnologie, der so manchem dieser kaum lebensfähigen Babys dank seiner Inkubatoren ins Leben half. Viel habe ich erfahren über diesen Mann, der seine Arbeit damit finanzierte, Eintritt für die Show der Winzlinge zu nehmen. Die „Wundersäuglinge“ wurden regelrecht ausgestellt, was aus heutiger Sicht schon ein wenig makaber anmutet. Beim Lesen spürt man so richtig, wie das Team um Couney hinter ihm steht. Der herzliche Umgang miteinander und das unbedingte Verständnis dafür, was diesen kleinen Wesen gut tut, was sie brauchen, um ins Leben zu finden, ist so nah und Hannah mittendrin. Sie findet in Couney und Nathan Green, der als Arzt hier arbeitet, zwei Förderer. Ob sie sich mit deren Unterstützung doch noch ihren lang gehegten Wunsch, eines Tages als Ärztin zu arbeiten, erfüllen wird?

Auch die Irrfahrt der St. Louis, mit der deutsche Juden dem NS-Regime zu entkommen suchten, ist hier Thema. Kuba verweigerte ihnen das Anlegen, das Schiff musste umkehren, nachdem es weder in den USA noch in Kanada eine Anlegeerlaubnis bekam, um schließlich in Antwerpen vor Anker zu gehen.

Neben dem gut recherchierten geschichtlichen Hintergrund kommt das Zwischenmenschliche nicht zu kurz. Der Zusammenhalt innerhalb einer Familie ist wichtig, auch wenn einer gern mal ausschert. Hier spüre ich ganz viel Normalität, die Charaktere sind jeder für sich glaubhaft und gut nachvollziehbar dargestellt. Wie im richtigen Leben eben. Sie bauen sich in der Neuen Welt ein Leben auf, bangen um die Zurückgebliebenen und kämpfen mit so manchem Schicksalsschlag.

Vor dem Hintergrund des NS-Regimes und deren Judenverfolgung erzählt Eva Neiss von Dr. Couney, dem Incubator Doctor, gewährt Einblicke darüber, wie schwierig sich der Neuanfang im gelobten Land der unbegrenzten Möglichkeiten gestalten kann. Von tiefer Freundschaft und Liebe, durchlebten Schicksalsschlägen, Diskriminierung und Sprachlosigkeit lese ich genauso wie von Trauer und Freude und noch so vielem mehr.

„Das vollkommen unvollkommene Leben…“ - wie die Autorin schreibt - hat mich sehr berührt. Gerne bin ich mitgegangen, habe ihnen allen zugesehen und war mittendrin, hab mich ihnen zugehörig gefühlt. Viel habe ich erfahren über die ersten Schritte der neonatologischen Technologie, was mir bis dahin gänzlich unbekannt war. Ich danke Eva Neiss für dieses wundervolle Buch und möchte es jedem ans Herz legen. Einfach lesen, es lohnt sich!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere