Profilbild von SigiLovesBooks

SigiLovesBooks

Lesejury Star
offline

SigiLovesBooks ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SigiLovesBooks über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.05.2022

Überflutungen....

Das versunkene Dorf
0

Die Leiterin der Pariser Drogenfahndung, Noémie Chastain, wird bei der geplanten Festnahme eines Dealers in dessen Wohnung schwer verletzt: Eine Salve aus dem Jagdgewehr des Kriminellen trifft sie "mitten ...

Die Leiterin der Pariser Drogenfahndung, Noémie Chastain, wird bei der geplanten Festnahme eines Dealers in dessen Wohnung schwer verletzt: Eine Salve aus dem Jagdgewehr des Kriminellen trifft sie "mitten ins Gesicht", wie auch der erste (von vier) Teilen dieses spannenden Kriminalromans untertitelt ist. Sie überlebt den Angriff, ist jedoch trotz mehrstündiger OP in einer Gesichtshälfte für ihr weiteres Leben entstellt. Adriel, ihr Assistent und Lebensgefährte, schafft es nicht, an ihrer Seite zu bleiben. Nur Melchior, der erfahrene Psychologe, hilft ihr mit seiner Ausdauer, seinem Sarkasmus, mit Geduld und Fürsorge, ihr neues Leben anzunehmen.


Die Vorgesetzten Noémies, die baldmöglichst in den Polizeidienst zurück möchte, schieben sie in die Provinz ab: Noémie soll einen Monat im südfranzösischen Département Aveyron, genauer gesagt in Decazeville, eine ruhige Kugel schieben (und nebenbei herausfinden, ob das dortige Kommissariat geschlossen werden kann: Sparmaßnahmen stehen an!).

So trifft sie auf ihre zukünftigen Kollegen, für Paris "Dorfpolizisten", für den Leser wird jedoch schnell klar, dass auch im französischen Hinterland kriminalistischer Spürsinn vorhanden ist. Bousquet, Milk und Romain Valant sowie der dortige Commandant Roze, der kurz vor seiner Pensionierung steht, freuen sich, eine solch gestandene Polizistin aus Paris in ihren Reihen zu wissen, sichert dies doch die weitere Existenz ihrer Jobs und des Kommissariats in Decazeville; wenn auch Kriminalfälle sehr selten sind.


Doch ein Fischer findet eine Plastiktonne im Stausee, den es seit der Überflutung des alten Avalone seit 1994 gibt: Über den Inhalt erbricht er sich im nächsten Gebüsch: Ein zersetzter Leichnam, vermutlich der eines Kindes, findet sich im Inneren der Tonne, die in der Forensik untersucht wird: Handelt es sich etwa um eines der damals entführten drei Kinder, die seither spurlos verschwunden sind?


Da Noémie ihrem Beruf mit Leidenschaft und Herz nachgeht, rollt sie mit ihrem neuen Team Bousquet, Milk und Romain, der durch sein sonniges Gemüt besonders positiv auffällt, den "Cold Case" neu auf: Was hat es mit den verschwundenen Kindern auf sich? Was passierte damals während der Bauarbeiten des Stausees und kurz vor der Überflutung des alten Avalone, das entsprechend in der Nähe wieder aufgebaut wurde, die Menschen umgesiedelt wurden? Hat der Entführer Fortin die drei Kinder auf dem Gewissen, der dann ebenfalls spurlos verschwand?


Meine Meinung:


Olivier Norek hat einen sehr flüssigen, gut zu lesenden Schreibstil, der den Leser gleich abholt: Noémie, deren Verletztheit (physisch wie auch psychisch) während des ganzen Kriminalromans gefangen nimmt und die mit Hilfe eines Psychologen versucht, ihre Persönlichkeit so anzunehmen, wie sie jetzt ist, sich selbst zu mögen, trotz des entstellten Gesichts, hat mich zutiefst beeindruckt. Die Dialoge mit Melchior haben mich trotz der Schwere ihrer Verletzungen zuweilen sehr zum Schmunzeln gebracht, wie es auch an anderen Stellen nicht an Humor mangelte (entfernt erinnerte mich "la facon d'écrire" - der Schreibstil von Norek an meine Lieblingskrimiautorin, die ebenfalls Französin ist: Fred Vargas). Die Figuren und Hintergründe werden authentisch und nachvollziehbar beschrieben, besonders Noémie charakterlich sehr gut ausgeleuchtet: Sie ist lieber Kämpferin als Opfer und arbeitet daran, den Cold Case mit Erfolg abzuschließen, um Schlimmeres zu vermeiden (ihre Tätigkeit bei der Polizei ist ihr absolut wichtig) und evtl. sogar degradiert zu werden. Der "Fall" um das Verschwinden von Alex, Cyril und Elsa legt auch offen, durch welche Hölle Eltern gehen, deren Kind spurlos verschwunden ist oder entführt wurde. Wir lernen die Familien Dorin, Madame Saulnier und die Familie Casteran kennen, deren Leben auf die eine oder andere Weise im Jahre 1994 endete und die noch heute von dem Verlust und der Ungewissheit gezeichnet sind. Da auch die hinzugerufene Flussbrigade aus Paris unter dem erfahrenen Taucher Hugo Massey keine weiteren eindeutigen Beweise zutage fördert, trotz lebensgefährlicher Tauchgänge im See, wird der Stausee auf Weisung der Staatsanwaltschaft geleert: Nun wird sich zeigen, ob der See weitere Kinderleichen birgt - und auch, wer hier Blut an den Händen hat: Da Noémie, starrsinnig, stur und sehr vorsichtig in ihrem Job, in der weiteren Ermittlung niemandem trauen kann (es wurden mehrere Anschläge auf sie verübt), hält sie wichtige Informationen zunächst zurück, bis es zum shut down kommt, der absolut nicht vorhersehbar für mich war und mich überraschte.


Viele sozialkritische Aspekte habe ich in dem Krimi gefunden (z.B. wie ausländische Arbeitnehmer als Billigkräfte zum Hungerlohn schuften, Sékour war mit die tragischste Figur in diesem Krimi!; aber auch Rassismus, Ausgrenzung und auch Vorurteile der Städter gegenüber der Provinz: Trottel gibt es auch (in allen Diensten, nicht nur bei der Polizei) in Haupt- und Großstädten! Insofern ist der spannende, im Plot stimmige und sehr unterhaltsame Kriminalroman aus der Feder von Olivier Norek auch eine Hommage an das Aveyron im Herzen Frankreichs: Der Autor ist selbst dort aufgewachsen und daher "ortskundig". "Das versunkene Dorf" weckt in mir das Bedürfnis, diesen schönen französischen Landstrich, der mir selbst unbekannt ist, auch einmal sehen zu wollen!


Fazit:


Spannend, sozialkritisch, psychologisch raffiniert und auch humorvoll. Norek gelingt es, den Spannungsbogen bis zum Schluss zu halten; ein sehr lesenswerter Kriminalroman, dessen knifflige Lösung bis zum Schluss den Leser in Spannung hält. Gelungen! Kleiner Kritikpunkt: Ich bin sicher, dass Noémie (oder eine andere Person) viel längere Zeit benötigt, um nach einer Gesichtsentstellung wieder zu sich selbst zu finden. Ja stärker aus der Verletzung hervorzugehen, sich selbst wieder annehmen und lieben zu können, wie sie dies zuvor konnte. Dennoch eine Empfehlung und 4,5 Sterne am Krimifirmament!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.05.2022

Der Holländer

Der Holländer
0

"Der Holländer" von Mathijs Deen, aus dem Niederländischen von Andreas Ecke ins Deutsche übersetzt, erschien 2022 (HC, gebunden) im mare-Verlag. Der Roman, der eher ein Kriminalroman für mich ist, spielt ...

"Der Holländer" von Mathijs Deen, aus dem Niederländischen von Andreas Ecke ins Deutsche übersetzt, erschien 2022 (HC, gebunden) im mare-Verlag. Der Roman, der eher ein Kriminalroman für mich ist, spielt an der niederländischen und der ostfriesischen Nordseeküste.


Den erfahrenen Extrem-Wattwanderern Aron, Peter und Klaus fehlt nur noch die Wattwanderung zur Insel Borkum (der "Mount Everest" der Wattwanderer), dann haben sie alle ostfriesischen Insel über das Watt erwandert. Doch bei Borkum ist die erfolgreiche Wattwanderung von einigen Dingen (wie Tide, Ostwind etc.) sehr abhängig; ideale Bedingungen hierfür gibt es nicht sehr oft. So startet Peter alleine mit Klaus, da Aron mit seiner Frau gerade in England ist und an der Wattwanderung nicht teilnehmen kann, da er seine Frau nicht alleine lassen will (es geht ihr nicht sehr gut). So legt Aron, der "Wegbereiter" (er plant alle Routen immer genauestens vor, hat auch mit den beiden Mitwanderern ein Buch veröffentlicht, in dem alle Touren der drei Extrem-Wattwanderer festgehalten werden) es in Peters Hände, ob beide auch ohne ihn starten. Peter und Klaus ziehen beide gemeinsam mit ihren Rucksäcken los - mit fatalen Folgen:

Nur einer sollte Borkum lebend erreichen, der andere wird auf einer Sandbank im Meer von Geeske Dobenga, Oberwachtmeisterin und Grenzschützerin auf der RV180 während ihrer vermeintlich letzten Fahrt vor ihrer Pensionierung, tot aufgefunden. Die Sandbank heißt "De Hond" und schnell stellt sich heraus, nachdem der tote Wattwanderer als Deutscher identifiziert wird, dass die polizeiliche Zuständigkeit in diesem Falle unklar ist: Weder dem Brigadekommandeur Henk de Wal noch anderen ist klar, ob es ein Fall für die niederländische Staatsanwaltschaft ist - oder für die deutsche.


Aufgrund dieser nichtgekärten Zuständigkeiten wird von deutscher Seite kurzerhand ein inoffizieller Ermittler eingesetzt, um sich vor Ort ein Bild zu machen: Liewe Cupido, in Deutschland geboren, aber in den Niederlanden aufgewachsen (Texel). Wird er es durch seine empathische, ruhige Art und seine Beobachtungs- und Kombinationsgabe schaffen, den Fall zu lösen?


Meine Meinung:


Matthijs Deen schafft es von Beginn an, eine subtile und psychologisch feinsinnige Spannung beim Leser zu erzeugen. Liewe war mir durch seine ruhige und souveräne Art gleich sympathisch; wortkarg beobachtet er, stellt die richtigen Fragen, ist einfühlsam und zieht seine eigenen Schlüsse. Zeitweise wird er auch durch einen sich langweilenden jungen Grenzpolizisten unterstützt, Xander, der seinerseits wichtige Entdeckungen macht und in den wenigen Tagen, in denen er seinem eher langweiligen Posten entfliehen konnte und für Liewe Erkundigungen einzieht, dürfte er vieles gelernt haben, was ihn später zu einem guten Ermittler machen könnte.

Auch Geeske trifft die richtigen Entscheidungen und ist auch mal einfach ruhig, wenn ihr (neuer) Vorgesetzter de Wal meint, De Hond sei auf jeden Fall niederländisches Gebiet und eher Karriere als den geringsten Fehler machen will - mit ebenfalls fatalen Folgen. Relativ spät erfährt der Leser etwas mehr vom Background des "Holländers"; viel Raum nehmen die Ermittlungsarbeiten ein, so dass ich den Roman zeitweise wie ein Drehbuch las, das ich mir auch gut als Grundlage für einen "Tatort" vorstellen kann (ich mochte Schimanski, Thanner und "das Hänsje" sehr - auch wenn die beiden Erstgenannten leider nicht mehr für eine Verfilmung in Frage kommen....) Die Spannung wurde gleichmäßig gehalten und nahm auf den letzten 50 Seiten noch zu: Es gab einige nicht vorhersehbare Wendungen und Hintergründe, mit denen man als Leser so nicht gerechnet hatte. Die drei Hauptprotagonisten neben den Ermittlern wie Liewe, Geeske und einigen RechtsmedizinerInnen ("Shakespeare" alias Wortelboer, der mir sehr gut gefallen hat z.B.) war das Trio der Extrem-Wattwanderer, über die man nach und nach ebenfalls mehr erfahren hat: Zwei waren mir sympathisch, einer überhaupt nicht. Meine Vorahnung hat sich bestätigt und ich war am Ende von der Lösung des Falles nicht gänzlich überrascht. Höchstens davon, dass es zwei Personen gab, die Motive hatten.


Der Schreibstil von Mathijs Deen gefällt mir gut, er ist schnörkellos und unaufgeregt, jedoch dennoch mit subtiler Spannung versehen. Ein wenig erinnerte mich sein Stil an z.B. Nesser, den ich ebenfalls sehr schätze. Der Showdown im Watt hat dann auch etwas Dramatisches; man lernt eine Menge über die Gefahren, die im Watt lauern können und wie gefährlich es ist, ohne Kenntnisse eine Wattwanderung zu unternehmen: Davon würde ich unbedingt abraten. Auch die Einschaltung eines Meeresgeologen von Liewe zu diesem Fall - und dessen Erkenntnisse erstaunten mich sehr.


Fazit:


Ein sehr gelungener, unaufgeregter Kriminalroman, der mir stilistisch sehr gut gefallen - aber auch noch Potenzial nach oben hat. Authentisch mit einigen humorvollen Einschüben (van de Wal) und auch lehrreich für LeserInnen, die sich für das Watt und Wattwanderungen interessieren. Von mir gibt es eine Leseempfehlung und körnige 4*. Gerne würde ich weitere Fälle von Liewe Cupido, dem "Holländer" lesen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.02.2022

Die Heimat des Herzens

Die Heimat des Herzens
0

"Die Heimat des Herzens" von Felicity Whitmore ist der 3. und letzte Band der Trilogie um "Die Frauen von Hampton Hall" und wurde im dtv-Verlag (Jan. 2022, TB) verlegt. Es ist ein stimmiger Abschluss einer ...

"Die Heimat des Herzens" von Felicity Whitmore ist der 3. und letzte Band der Trilogie um "Die Frauen von Hampton Hall" und wurde im dtv-Verlag (Jan. 2022, TB) verlegt. Es ist ein stimmiger Abschluss einer lesenswerten Reihe um Frauen, die um ihre Rechte kämpfen müssen; die mutig und unbeirrbar ihren Weg verfolgen und Familiengeheimnisse zu entwirren süchen. In diesem Abschlussband steht Abigail (Lady von Mahony) im Vordergrund, deren Geschicke der Leser nach ihrer Flucht nach Amerika mit Spannung mitverfolgen können.


Oregon, 1848:


Abigail gelingt es endlich, ihrem Peiniger Sir Lancaster zu entkommen. Sie schifft sich als blinder Passagier nach New York ein und sollte in Captain John Maroon in der Folge einen wertvollen Verbündeten finden. Doch wohin sie auch kommt, Lancaster scheint bereits dort gewesen zu sein und stellt ihr weiterhin nach. Abigail hat nur ein Ziel: Sie will zurück nach England, nach Hampton Hall zu ihren Söhnen Ebenezer und Hugh und da sie nicht mit leeren Händen zurückkommen möchte, sucht sie in New York nach dem Käufer ihrer Statue, in die sie einst allen Familienschmuck gießen ließ und die von ungeheurem Wert ist. Die "Arbeitermadonna", die die Zukunft ihrer Fabrikarbeiter in England sichern soll, soll ihrer wahren Bestimmung zukommen. Wird Abigail dieses unbeirrbare und auch waghalsige Vorhaben in die Tat umsetzen können?

Und wie wird es um das Schicksal ihrer Söhne währenddessen bestellt sein? Wird Ebenezer weiterhin um sein großes Glück bangen müssen?

Wie wird sich Melody entscheiden: Wird sie das baugleiche "Abigail's Place" Herrenhaus in Oregon, das sie erbte, wieder herrichten oder es verkaufen? Was wird sie wohl in den Tagebüchern von Cyrus Lancaster-Riley enthüllen, die sie dort, angereist mit Dan und ihrer gemeinsamen kleinen Tochter Abi, lesen möchte, um das Geheimnis um Abigail und ihren Vorfahren endgültig lösen zu können?


Meine Meinung:


Felicity Whitmore versteht es auch in diesem Abschlussband, ihre Leser emotional zu fesseln: Der Spannungsbogen setzt früh ein und reißt auch bis zum Ende der Trilogie nicht ab. Man ist beim Lesen über manches entsetzt, was sich in der Familie Lancaster-Riley anno 1848 und auch 1927 ereignete: Abigail ist der Schwerpunkt in diesem Roman; sie ist von Beginn an eine der - wenn nicht die - Hauptprotagonistin. Melody in der Gegenwart entdeckt durch alte Aufzeichnungen ihrer Ahnin immer mehr Geheimnisse und die Beziehung zu Dan wird auch hier nicht selten in Frage gestellt. Cyrus, dessen Leben (und das seiner beiden Kinder) durch Tagebucheinträge Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts ersichtlich werden, trägt teils die Gene seines Vorfahren Sir Laurence in sich, deren auch er sich nicht erwehrt. Die Themen, um die diese Trilogie kreist, sind u.a. Familiengeheimnisse um die "Reinheit der Blutlinie", daraus folgend Inzest, Gewalt und Missbrauch, Homosexualität; aber auch Mut und Stärke der Frauen von Hampton Hall, die unbeirrbar ihrem Weg folgen. Die Figuren; viele davon sympathisch wie die Hauptprotagonistin selbst, andere abscheulich, sind genau gezeichnet und die Handlungsabfolgen in sich stets stimmig.


Fazit:


In diesem lesenswerten und oftmals spannungsvollen letzten Teil der Trilogie um die "Frauen von Hampton Hall" schließt sich der Kreis der Romanreihe: Man begleitet Abigails auf ihrer schicksalhaften Reise, die sie von Oregon nach New York und zurück nach England führt; im Familienwohnsitz in Wales endet, nachdem sie einen langen und unbeirrbaren, mutigen Kampf um Gerechtigkeit und ihre eigenen Rechte focht; man hat gelitten, geliebt, gehofft und gekämpft sowie getrauert mit dieser mutigen und selbstlosen Frau. Die Intention der Autorin kommt in dieser Trilogie durchaus zum Tragen: Man sollte stets seinem Herzen folgen und durch verantwortungsvolles Handeln diese Welt ein wenig besser machen: Darin schließe ich mich gerne Felicity Whitmore an. Ich empfehle, die Trilogie chronologisch zu lesen - aber es gibt auch Rückblicke in die vorigen Bände, was mir ebenfalls positiv auffiel. Gerne vergebe ich 4,5 * und empfehle diese schön zu lesende, atmosphärische und spannende Trilogie gerne weiter!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.01.2022

Eine mörderische "Auszeit"

Das Chalet
0

Dieser fulminante Winter-Thriller, "Das Chalet" (UT: Mit dem Schnee kommt der Tod) von Ruth Ware ist nicht der erste Thriller, den ich von dieser englischen Autorin gelesen habe - und wird auch nicht der ...

Dieser fulminante Winter-Thriller, "Das Chalet" (UT: Mit dem Schnee kommt der Tod) von Ruth Ware ist nicht der erste Thriller, den ich von dieser englischen Autorin gelesen habe - und wird auch nicht der Letzte sein: Spannende Unterhaltung auf hohem Thriller-Niveau scheint Ruth Ware zu eigen zu sein, was sie zurecht zu einer international anerkannten und erfolgreichen Bestseller-Autorin dieses Genres machte.


Französische Alpen, ein Luxus-Chalet:


Erin und Danny, Angestellte im Chalet, die sich ausser um das Haus selbst auch um die Gäste kümmern, erwarten eine neue Gruppe, die aus England anreist: Snoop, ein hippes Start-up-IT-Unternehmen, deren Gründer und Angestellte hier eine Auszeit verbringen wollen und das Chalet buchten. Nach der Ankunft der Gäste wird relativ schnell deutlich, dass es Spannungen zwischen den Gruppenmitgliedern gibt, was Erin und Danny nicht verborgen bleibt: Es scheint zwei Lager zu geben, wenn es um die Zukunftsfrage und Entscheidung der gemeinsamen Firma gehen wird: Manche sind für eine Übernahme und manche für den status quo. Im Gegensatz der versnobten, attraktiven und äußerst selbstbewussten, erfolgsgewohnten beiden "Chefs" und deren Mitgründer namens Topher, Eva, Rik und Elliot scheint sich als einziger Gast die unscheinbare Liz, die zwar bei Snoop kündigte, jedoch Anteilseignerin ist, hier sehr fehl am Platze zu finden und unwohl zu fühlen, was anfangs bei Erin und auch beim Leser ein gewisses Mitleid erzeugt.


Der Thriller beginnt mit einem Ski-Ausflug und ist anfangs sehr ruhig, jedoch spätestens als klar wird, dass eine Person der Gruppe unauffindbar und verschollen ist, macht sich Unbehagen in der Gruppe - wie auch bei den Angestellten - breit. Die unterschwelligen Spannungen kommen bei weiteren Todesfällen mit Außeneinwirkung - also Mord - immer mehr zum Vorschein und es ist die Frage, wer hier noch wem vertrauen kann. Als wäre dies noch nicht genug, verschlechtert sich zusehends die Wetterlage und eine Lawine geht ab, die das ohnehin schwer erreichbare Chalet komplett von der Außenwelt abtrennt: Nun beginnen die Verdächtigungen und bevor ein weiterer Mord geschieht, versuchen einzelne Gruppen, Hilfe von außen herbeizuholen; trotz widriger und gefährlicher Schneesituation (das Chalet befindet sich auf 2000 Höhenmetern; alles Notwenige wurde vor dem Lawinenabgang mit einer Standseilbahn "hochgeschafft".


Wird es jemandem rechtzeitig gelingen, den Mörder zu entlarven - oder wird es weitere Opfer geben?


Der Stil von Ruth Ware ist sehr durchdacht und psychologisch raffiniert: Die Spannung entwickelt sich konstant und die Story wird in kurzen Kapiteln immer abwechselnd aus der Perspektive von Erin (Hausangestellte) und Liz (Snoop-Gruppenmitglied) in der Ich-Form erzählt. Motive und Gedanken der ProtagonistInnen sind sehr nachvollziehbar und nach und nach erfährt man mehr von den Hintergründen, die zu den immensen Spannungen führten. Besonders gut gefällt mir am Stil der Autorin, dass sie sehr stark die Umgebung - hier also die französischen Alpen, das fiktive St. Antoine au Lac, in die Handlung einbindet und so eine große atmosphärische Dichte schafft.


"Das Chalet" dürfte nicht nur mich, sondern auch alle skifahrenden Thriller-LeserInnen in ihren Bann schlagen: Ich hatte zu diesem sehr fulminanten und gut geplotteten Thriller einen persönlichen Bezug, da ich mehrmals im 'Massif Central', dem Département Haute-Savoie, selbst Ski gefahren bin und diese Region als märchenhaftes Naturerlebnis und wahres Schneeparadies in Erinnerung habe. In meinem Falle war es zwar kein Luxus-Chalet mit Angestellten und Pool, jedoch die Außenwelt und die Schneehöhe stimmten!

Der fulminante Showdown findet am Ende wiederum im Schnee statt und ist atemberaubend spannend, da man Jäger und Gejagten über die Schulter sehen - und seine Gedanken lesen kann.

Auch die Auflösung und das Ende des Thrillers empfand ich als sehr stimmig. Erin und Danny waren mir ganz besonders sympathisch; die Snoop-Firmenmitglieder hingegen weniger: Hier würde ich auch eine gewisse Kritik herauslesen, wie sehr es gerade in der IT-Branche um's Geld verdienen geht (um den Datenschutz der UserInnen geht es weniger) - wie heißbegehrt Firmen sind, die sich im Marktwert weit "oben" befinden - und wie schnell diese auch in den Keller abstürzen können. Und auch darüber, wie weit manche Menschen gehen, um auf jeden Fall beruflichen Erfolg zu haben.


Fazit:


Ein sehr empfehlenswerter, spannungsgeladener Winter-Psychothriller par excellence. Psychologisch raffiniert aufgebaut mit zahlreichen unvorhersehbaren Wendungen um die Auszeit eines Start-up-IT-Unternehmens, das vermutlich nicht alle Mitarbeiter richtig einschätzen konnte; ein Blick auch in menschliche Abgründe, in denen sich zuvor so einiges "zusammenbraute". Rasante Spannung, die sich stetig steigert. Chalet- und Skiurlaubfeeling incl. "Gänsehautfaktor". Von mir gibt es eine überzeugte Empfehlung und 4,5 * und 95° auf der Krimi-Couch.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.11.2021

Gelungener Irland-Krimi

Greed Castle
0

Ohne den ersten Band um Fin(bar) O'Malley zu kennen, kann der Leser schnell in die flüssig geschriebene und mit Humor versetzte Handlung einsteigen:
Der Expolizist O'Malley lässt sich in Foley nieder, ...

Ohne den ersten Band um Fin(bar) O'Malley zu kennen, kann der Leser schnell in die flüssig geschriebene und mit Humor versetzte Handlung einsteigen:
Der Expolizist O'Malley lässt sich in Foley nieder, einem kauzigen Dorf in Donegal mit ebenso kauzigen Bewohnern, mit denen er sich nach und nach anfreundet (ausser mit einem, mit dem er seine persönlichen Schwierigkeiten hat und Antipathie von Anfang an besteht).
Es geht um die weitere "Verwendung" eines alten Herrenhauses in der Nähe des Dorfes Foley - um Cruit Castle oder Greed Castle, um das sich ein vermeintlicher Erbe aus Amerika sowie reiche Investoren streiten. Nicht zu kurz kommt ein gewisses Lokalkolorit von Irland, auch wird die leidvolle Geschichte des Kampfes zwischen Protestanten und Katholiken angesprochen, die sich auch in der Familie des Ex-Polizisten O'Malleys und dessen Kindheitserinnerungen spiegeln.
Fazit:
Der Spannungsaufbau ist gelungen, einige Wendungen sind recht interessant, der Plot jetzt nicht unbedingt sensationell, aber stimmig. Was mir besonders gefallen hat, war die Beschreibung der kauzigen Dorfbewohner und der Humor (schön trocken, wie irischer Whiskey der Autorin. Ich hoffe, dass noch weitere Fälle in Donegal oder sonstwo auf der grünen Insel für Fin O'Malley zu lösen sein werden und das Augenzwinkern auf vielen Seiten dann wiederum zu finden sein werden; ich fühlte mich gut unterhalten und vergebe daher 92 Punkte auf der Werteskala.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere