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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.02.2022

Leider zu wenig spannend

Thirteen
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Inhalt:
Eddie Flynn ist Strafverteidiger und hat ein eisernes Prinzip: er verteidigt nur Angeklagte, wenn er sie für unschuldig hält, wovon er auch bei Bobby Solomon, einem erfolgreichen Schauspieler, ...

Inhalt:
Eddie Flynn ist Strafverteidiger und hat ein eisernes Prinzip: er verteidigt nur Angeklagte, wenn er sie für unschuldig hält, wovon er auch bei Bobby Solomon, einem erfolgreichen Schauspieler, überzeugt ist. Bobby wird verdächtigt, seine Frau und deren Geliebten kaltblütig ermordet zu haben. Nach und nach schafft es Eddie, Beweise dafür zusammenzutragen, dass der eigentliche Mörder Bobby das Verbrechen lediglich in die Schuhe schieben will und es sogar in die Jury dieses aufsehenerregenden Prozesses geschafft hat...

Meine Meinung:
Kennt ihr das Gefühl, ein anderes Buch gelesen zu haben, als der Rest der Welt? Eventuell habt ihr bei Instagram gesehen oder hier in einem Kommentar oder Beitrag gelesen, dass ich mich mit "Thirteen" ziemlich schwer getan habe. Und ich war gefühlt die einzige, der es so erging, alle weiteren Rezensionen, die mir begegnet sind, überschlugen sich förmlich vor lobenden Worten. Zum Lesen angefixt haben mich meine Lieblingshühner vom Blog Lesendes Federvieh und ich bin ihnen - obwohl ich ihnen nicht in allen Punkten zustimmen kann - sehr dankbar für den Buchtipp. Die Grundidee dieses Thrillers finde ich nämlich grandios. Der Killer, der in der Jury sitzt? Eine unglaubliche und äusserst ausgefuchste Idee, die zudem alles andere als unrealistisch in die Handlung eingebaut wird.

Gleichzeitig zieht sich der Anfang des Buches wie Kaugummi. Es wird bis ins kleinste Detail beschrieben, wie es dem Killer überhaupt gelingt, in der Jury zu landen. Und dass er in der Jury landet, weiss man ja schon, bevor man den ersten Satz liest, aber trotzdem dauert es gute 300 Seiten, bis dann endlich mal der Prozess beginnt.
Sehr gestört hat mich, dass nach etwas mehr als 100 Seiten ein Hinweis auftaucht, dem hätte nachgegangen werden müssen. Obwohl nach und nach mehr Spuren auftauchen und sogar das FBI eingeschaltet wird, bleibt dieser Hinweis aber unbeachtet und tataaaa, natürlich wäre der super wichtig gewesen... Mehr sage ich nicht dazu, aber hey, im sonntäglichen Tatort ist man sich dies gewohnt, aber doch bitte nicht in einer solchen Geschichte. Es kann in meinen Augen nämlich einfach nicht sein, dass ein Thriller/Krimi nur funktioniert, wenn bereits zu Beginn der Ermittlungen entscheidende Fehler begangen werden...

Als dann aber endlich, endlich, endlich der Prozess beginnt, zeigt Cavanagh sein wahres Können und vor allem auch sein Fachwissen. Als Anwalt weiss er genau, wie der Hase läuft und streut interessante Details, Tricks, Finten und Beschreibungen ein, welche plötzlich sogar so etwas wie Spannung aufkommen lassen und ein wenig an "Die Jury" (vor allem in Bezug auf die Arbeit der Geschworenen) oder "Das Urteil" (weil dort ebenfalls eine Jury manipuliert wird) von John Grisham erinnern.

Mir haben insgesamt zwei Dinge gefehlt: anhaltende Spannung und aufkommende Emotionen. "Pageturner" wurde das Buch genannt, aber ich habe diesen ganz besonderen Sog, dieses Kribbeln beim Lesen und den angehaltenen Atem gänzlich vermisst. Ja, das lag zum Einen daran, dass ich zwei entscheidende Dinge ziemlich schnell durchschaut hatte und dass das Buch für mich dann leider ein wenig vorhersehbar war, aber zum Anderen auch, dass der Schreibstil insgesamt sehr nüchtern geblieben ist. Erst gerade habe ich "Löwenzahnkind" von Lina Bengtsdotter verschlungen und war von der düsteren Grundstimmung, der packenden und bewegenden Geschichte komplett gefesselt und spüre das Buch immer noch in mir nachhallen. Natürlich hatte es "Thirteen" dadurch wohl auch ein wenig schwerer bei mir, aber Fakt ist: es sind überhaupt keine Emotionen aufgekommen. Ich habe nicht mitgefiebert, war nicht betroffen, angewidert, bewegt, unterhalten, eingeschüchtert...ja ich kann mir sogar trotz detaillierter Beschreibungen, die aber trotzdem allesamt nichtssagend blieben, die Figuren immer noch nicht wirklich vorstellen.

Diese Oberflächlichkeit hat mich richtig gestört und die zeigt sich besonders schlimm im Ende, das - obwohl der Autor aus Irland kommt - sehr "typisch amerikanisch" wirkt, also ziemlich übertrieben und vor allem komplett unrealistisch und leider auch überladen daherkommt.

Zwei Figuten stechen positiv heraus und das sind Eddie Flynn und seine Kollegin Harper. "Thirteen" ist nämlich eigentlich der dritte Teil einer Reihe (aber das erste Buch von Cavanagh, das bei Goldmann erschienen ist, weshalb die ersten beiden Bände auch ganz anders aussehen) und hat schon eine ziemliche Entwicklung hinter sich. Eddies private Familiengeschichte aber auch sein ehrenswertes Prinzip, nur unschuldig Angeklagte zu verteidigen, haben mir gefallen. Auch sind seine Ermittlungsmethoden und Gedankengänge sehr realistisch dargestellt und er sowie Harper, deren Mithilfe für die Aufklärung des Falles unverzichtbar ist, sind die entscheidenden Faktoren, welche das Buch zusammenhalten.

Fazit:
Ihr seht meiner Rezension vielleicht an, wie schwer sie mir gefallen ist, aber es war mir sehr wichtig, alle Aspekte dieses Buches zu beleuchten und euch meine ehrliche Kritik zu begründen. Von mir gibt es keine Empfehlung für dieses Buch, aber ich ich bin anscheinend sehr alleine mit dieser Meinung. Manchmal passt es halt einfach nicht

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Veröffentlicht am 30.06.2021

Leider mit einem zu antifeministischen Hintergrund, ansonsten aber ein Wohlfühlkrimi

Das Geheimnis der Schokoladenkekse
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Inhalt:
Hannah Swensen ist definitiv die Plätzchen-Königin im Dorf und aufgrund der gelungenen Kreationen, die sie in ihrem eigenen Café "Cookie Jar" verkauft, kennt sie jeden Klatsch und Tratsch. Als ...

Inhalt:
Hannah Swensen ist definitiv die Plätzchen-Königin im Dorf und aufgrund der gelungenen Kreationen, die sie in ihrem eigenen Café "Cookie Jar" verkauft, kennt sie jeden Klatsch und Tratsch. Als sie dann zufällig über die Leiche des allseits beliebten Milchlieferanten Ron stolpert, kommt ihr die Fähigkeit, Menschen mit Zucker zum Reden zu bringen, sehr zugute und sie spannt gemeinsam mit ihrem Schwager und örtlichen Polizisten Bill zusammen, um den Mord aufzuklären.

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich mir als Prämienbuch aus der Lesejury gegönnt und jetzt im Juni gelesen, weil ich endlich wieder ein paar Krimis vom SuB befreien möchte und einen leichten Einstieg ins Genre wollte. Das hat super geklappt und war ausserdem die perfekte Lektüre neben meinen eher anspruchsvollen Büchern und nach "Die Glücksschneiderin". Darin geht es um ein Nähcafé und nun war ich in einem Plätzchencafé (mit Mord), ein ziemlich "gelungener" Übergang, wenn ihr mich fragt
Hannah und ihr Kater Moishe haben es mir sofort angetan und ich habe mitgefiebert, bin immer wieder hungrig geworden und kam der Auflösung zwar zu früh auf die Schliche, aber das hat nicht gross gestört, da das Cozy-Crime-Genre nicht sehr grossen Wert auf Spannung legt, sondern vielmehr auf wohlige Unterhaltung, Gaumenfreuden und schrullige Figuren.
Besonders gut gefallen haben mir die im Buch abgedruckten Rezepte und obwohl ich nicht so gerne backe, sollte ich wohl das eine oder andere Rezept einmal ausprobieren.

Schreibstil:
Wie bereits erwähnt legt dieses Genre nicht so grossen Wert auf Spannung, sondern stellt vielmehr die Figuren und Handlungsorte ins Zentrum. Joanne Fluke lässt Hannah als Ich-Erzählerin fungieren und so wird die Geschichte leicht und locker erzählt und enthält viele Details aus Hannahs Backstube und ihren vier Wänden. Die Geschichte streift auch ein wenig anspruchsvollere Themen, wie häusliche Gewalt und familiäre Probleme und beleuchtet ausserdem die Beziehung zwischen Hannah und ihrer Schwester Andrea sehr realistisch, was mir gut gefallen hat. Sie vergreift sich aber ein wenig im Ton, wenn sie Menschen (und vor allem Frauen) beschreibt. Es mag vielleicht in einigen Kreisen witzig sein, mehrgewichtige Menschen permanent auf ihr Äusseres zu reduzieren oder Frauen, die sich gerne bedeckt kleiden, als prüde zu bezeichnen, aber in meinen Augen ist das Bodyshaming. Auch werden die Frauen im Buch stets danach beurteilt, inwiefern sie sich als Heiratskandidatinnen und Mütter eignen, was besonders störend ist, weil sich eigentlich Hannah darüber aufregt, dass ihre eigene Mutter ihr permanent Männer andrehen will und von Enkeln spricht. Selber aber denkt Hannah in den genau gleichen Rastern und beschreibt auch die Figuren im Buch entsprechend.

Fazit:
Ich habe dieses Buch sehr gerne, aber gleichzeitig mit gemischten Gefühlen gelesen. Stereotype Beschreibungen und Übertreibungen können schon einmal unterhaltsam sein und gehören wohl ein Stück weit auch zum Genre. Ebenfalls ist bekannt, dass Hannah eher kein Blatt vor den Mund nimmt, was mir persönlich eigentlich auch gut gefällt. Beleidigungen und vor allem diese antifeministische Grundhaltung gehen mir aber gegen den Strich und so gerne ich das Buch sonst gelesen habe, bin ich mir nicht sicher, ob ich dem zweiten Band der Reihe eine Chance geben möchte.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Nicht mehr ganz aktuell aber mit viel Potenzial

Alles auf dem Rasen
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Meine Meinung:
Endlich einmal habe ich ein Buch von Juli Zeh gelesen und durch die vielen verschiedenen Essays zu diversen Themen, habe ich ganz unterschiedliche Seiten der Autorin, sowie ihre packende ...

Meine Meinung:
Endlich einmal habe ich ein Buch von Juli Zeh gelesen und durch die vielen verschiedenen Essays zu diversen Themen, habe ich ganz unterschiedliche Seiten der Autorin, sowie ihre packende Erzählsprache kennenlernen dürfen. Gar nicht gefallen haben mir ihre Abhandlungen über den Beruf der Juristin, die kamen nämlich trocken und besserwisserisch daher. Die einzige Ausnahme war ein grandioser Text über "Tabus" in unserer Gesellschaft. Auch sind einzelne feministische Themen ein wenig gar einseitig beleuchtet, aber die meisten Texte stammen aus den Jahren 2003-2005 und in der Zwischenzeit hat sich auch bei der Autorin viel getan. Ein Blick auf die im Buch besprochenen Themen aus der heutigen Zeit wäre also total spannend. Ich zumindest würde eine weitere Essaysammlung mit Texten von 2020- 2025, die dann im Jahr 2027 erscheint (zum Beispiel), total spannend finden.
Sehr berührt haben mich die Texte zum Thema "Reisen" und vor allem auch den liebevollen Blick, den die Autorin auf Bosnien wirft. Es scheint, als würden mir immer mehr Verbindungen zu Bosnien auffallen und das wundert auch nicht: Bosnien ist Dreh- und Angelpunkt so vieler Ereignisse in Europa und die Bedeutung dieses wunderschönen Landes ist lange unterschätzt worden. Dabei führen so viele Reisen politischer, historischer und gesellschaftlicher Art früher oder später durch dieses Land und es freut mich, dass zahlreiche Schriftsteller*innen dies erkennen.
Insgesamt hat mir "Alles auf dem Rasen" Lust darauf gemacht, mehr von Juli Zeh zu lesen. Ihre Art, zu schreiben hat mich überzeugt. Einige ihrer Texte und einzelne Gedankengänge darin haben mich zwar weder unterhalten, noch haben sie mir etwas vermittelt, aber ich habe beim Lesen stets gespürt, dass ich mir von dieser Autorin noch ganz viele Geschichten erzählen lassen möchte.

Fazit:
"Alles auf dem Rasen" hat Lust auf die Romane von Juli Zeh gemacht, ist aber nicht mehr wirklich aktuell, sondern zeigt einzelne doch sehr verstaubte und trockene Ansichten aus den vergangenen Jahrzehnten, in denen sich gesellschaftlich vieles getan hat. Dennoch sind das grossartige schriftstellerische Potenzial der Autorin, ihr feinsinniger Humor und ihre genaue und liebevolle Art, Menschen und deren Umgebung zu beobachten, klar erkennbar, was mich neugierig auf die Romane der Autorin gemacht hat.

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Veröffentlicht am 02.02.2021

Tolle Figuren, fehlende Spannung

Das Geheimnis der Lady Audley
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Inhalt:
Robert Audley ist ein absolut gemütlicher Mensch. Er lebt sein Leben von Tag zu Tag und verhindert dabei jegliche Tätigkeit, die ihn erschöpfen könnte. Auch grosse Aufregungen oder komplizierte ...

Inhalt:
Robert Audley ist ein absolut gemütlicher Mensch. Er lebt sein Leben von Tag zu Tag und verhindert dabei jegliche Tätigkeit, die ihn erschöpfen könnte. Auch grosse Aufregungen oder komplizierte Gefühlsregungen kann er nicht nachvollziehen. Trotzdem ist dieser scheinbar so faule Mensch Anwalt und dies hat er einigen einflussreichen Freunden zu verdanken, mit denen er an unzähligen Anwaltsessen teilgenommen hat und durch die er in der erhabenen Kreis der Anwälte aufgenommen wurde.
Als aber sein Freund George Talboys auf dem Anwesen von Roberts Onkel spurlos verschwindet, wird selbst Robert Audley stutzig. Er verstrickt sich mehr und mehr in Nachforschungen und nimmt dabei unter anderem die sonderbaren Geschichten von der Frau seines Onkels, Lady Audley, ins Visier. Doch die bildschöne und intelligente Dame gibt sich bedeckt und so muss Robert sehr weit in der Vergangenheit seiner "Tante" stöbern und dabei auch noch ganz vielen anderen Spuren nachgehen, um sich selber ein Bild zu verschaffen. Der Schwiegervater seines Freundes Talboys ist ihm dabei keine grosse Hilfe. Und als sich auch noch Roberts Cousine Lady Alicia Audley so seltsam zu benehmen beginnt, versteht Robert die Welt definitiv nicht mehr.

Meine Meinung:
Im Genre "Viktorianischer Krimi" kenne ich mich überhaupt nicht aus, habe mich aber aufgrund meiner Leidenschaft für Kriminalromane für dieses Buch bei Blogg dein Buch beworben und habe es dann ja auch tatsächlich gewonnen. Ich kann aber nun vom Aufbau her nicht mit anderen Romanen dieser Art vergleichen.
Ganz klar gestört hat mich die Tatsache, dass ich nach fünfzig Seiten schon genau wusste, wie das Buch ausgehen würde und welche Figur aus welchem Grund wie gehandelt hat und ich habe mich in keiner meiner Vermutungen getäuscht. Deshalb waren für mich die ganze Aufklärungsarbeit und die endlosen Gedankengänge von Robert Audley schon fast ein wenig mühsam, weil ich in diesem Roman einfach während keiner einzigen Sekunde Spannung gefühlt habe.
Ich muss aber sagen, dass der Schreibstil von der Übersetzerin an sich sehr passend zum Thema und zur Zeit gewählt ist und dass Anja Marschall mit der Überarbeitung des Buches eine grosse Arbeit geleistet hat. Die romantische Sprache (im Sinne der Epoche der Romantik) und die sehr feinsinnig verarbeitete Gesellschaftskritik dieses Romans, sowie die brisanten Themen der Geschichte (Bigamie, Mord, Betrug) zeugen von der Autorin als durchaus in ihrer Zeit verwurzelten aber bereits sehr aufgeschlossenen und emanzipierten Frau, die sich nicht scheute, damalige Tabus anzusprechen. Auch das Verhältnis von den Herrschaften zu ihren Dienstboten und die Kluft zwischen Mann und Frau werden durch kleinste Aspielungen in Frage gestellt und überwunden und wer gerne genau und zwischen den Zeilen liest, wird in diesem Zeitdokument sicher enige zum Nachdenken anregende und absolut durchdachte Passagen finden.
Die Figuren passen sehr gut in die Handlung hinein und ich finde sowohl den Anwalt Robert Audley in seiner gemütlichen aber scharfsinnigen Art, wie auch die von einer seltsamen Aura umgebenen Lady Audley und die ganzen anderen mehr oder weniger durchtriebenen und egoistischen oder einfach nur verliebten Figuren sehr stimmig beschrieben.

Fazit:
Dieser Roman ist an sich durchaus lesenswert, enthält mir persönlich aber zu wenig prickelnde Spannung und verrät sein Ende leiter schon in den ersten fünfzig Seiten.

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Veröffentlicht am 20.11.2020

Trotz Längen spannend und grandios recherchiert

Das Alphabethaus
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Inhalt:
Bryan und James, zwei britische Piloten, stürzen über Deutschland ab und überleben wie durch ein Wunder. Bei ihrer Flucht vor den deutschen Truppen schaffen sie es, auf einen Sanitätszug aufzuspringen. ...

Inhalt:
Bryan und James, zwei britische Piloten, stürzen über Deutschland ab und überleben wie durch ein Wunder. Bei ihrer Flucht vor den deutschen Truppen schaffen sie es, auf einen Sanitätszug aufzuspringen. Dort verstecken sie sich in einem Wagen mit lauter ranghohen deutschen Offizieren, welche als geisteskrank eingestuft worden sind. Sie nehmen die Identität zweier dieser Männer an und geben sich fortan ihrem unbestimmten Schicksal hin. In Freiburg im Breisgau landen sie in einem Krankenhaus, das mit den damaligen fragwürden Methoden versucht, psychische Erkrankungen zu behandeln und in dem ausserdem Medikamente getestet werden. Schnell stellt sich heraus, dass Bryan und James nicht die einzigen Simulanten sind und dass dieser Umstand sie in Lebensgefahr bringt.
Dreissig Jahre später schaut ein in England lebender Mann auf sein Leben zurück und erinnert sich mit grossem seelischem Schmerz und nagenden Gewissensbissen an seinen Freund, den er in einer ausweglosen Situation zurückgelassen hat. Ein letztes Mal begibt er sich auf Spurensuche um mit seiner Vergangenheit aufzuräumen und seine Schuld ein für alle mal zu tilgen. Er reist dazu nach Deutschland und begegnet den Geistern seiner Vergangenheit wieder, welche sich als reale Bedrohung für Leib und Leben entpuppen.

Ein erster Eindruck:
Ich habe dieses Buch mit gemischten Gefühlen zur Hand genommen, schliesslich habe ich bisher nicht sehr viele gute Rezensionen dazu gelesen. Die eher negativen Meinungen stammen vor allem von Menschen, welche dir Krimis des Autors sehr gerne gelesen haben und die teilweise auch ganz andere Erwartungen an den Roman hatten. Ich selber habe noch kein anderes Buch von Jussi Adler Olsen gelesen und weiss jetzt schon, dass ich das bald tun möchte, schliesslich besitzt mein Vater einen grossen Teil seiner Kriminalromane und der Schreibstil hat Lust auf mehr in mir geweckt. So kann ich aber in Bezug auf dieses Buch sagen, dass ich keinerlei Erwartungen an den Stil und die Handlung hatte und insgesamt positiv überrascht worden bin.
Das Buch ist in zwei Teile unterteilt, von dem sich vor allem die Szenen im Krankenhaus und davon vor allem die endlosen und sich wiederholenden Schilderungen des Tagesablaufs der Patienten sehr stark in die Länge ziehen. Da hätte man das Buch definitiv ein wenig raffen können, gleichzeitig denke ich mir aber, dass der Autor bewusst mit diesen Längen spielt, weil der Alltag den Patienten ja wohl auch unendlich lange vorgekommen sein muss und dies lässt uns die Schrecken und Quälereien, welche die Männer über sich ergehen lassen mussten, noch besser nachempfehlen.

Der zweite Teil:
Im zweiten Teil, in dem ein Mann auf sein Leben zurückblickt und sich auf eine gefährliche Spurensuche macht, die er nicht selten nur knapp überlebt, kommt dann noch einmal eine ganz andere Qualität des Autors zum Vorschein und man kann das kriminalistische Potenzial, das in Jussi Adler Olsen steckt, definitiv schon sehr gut erkennen.
Ein weiterer eher grosser Kritikpunkt, der mir in einigen Rezensionen begegnet ist und den ich gar nicht nachvollziehen kann, ist die Handlung, welche auf einige Leser:innen sehr unwahrscheinlich gewirkt hat. Da muss ich vehement widersprechen: ich habe schon zahlreiche Tatsachenromane aus der Zeit des zweiten Weltkriegs gelesen und es gibt wirklich die unwahrscheinlichsten Zufälle und Fügungen, die eben genau ausmachen, ob und unter welchen Umständen jemand überlebt oder nicht. Von dem her würde ich das Buch in diesem Bereich nicht zu stark kritisieren.
Eher kamen auch im zweiten Teil einige Längen auf und ich kann mir gut vorstellen, dass die Geschichte - deren Plot grandios ist und die auf äusserst fundierten Recherchen beruht und auch noch über ein Nachwort verfügt, das auf zahlreiche im Buch thematisierten Geisteskrankheiten und deren Klassifizierung eingeht, sowie enorm viele Quellen nennt - auch auf knapp drei- bis vierhundert Seiten genau so gut, respektive ziemlich sicher sehr viel besser hätte erzählt werden können.

Meine Empfehlung:
Einigen Längen und äusserst anstrengend aber auch brutal zu lesenden Szenen zum Trotz hat mir dieses Buch ziemlich gut gefallen. Es lässt das grosse schriftstellerische Potenzial (und dabei vor allem auch das kriminalistische Potenzial, das Olsen letztendlich berühmt gemacht hat) vermuten und erzählt eine Geschichte, die grandios recherchiert ist, einen wichtigen und oft vergessenes Kapitel des 20. Jahrhunderts beleuchtet und die Geschichte einer starken Freundschaft, von Schuld, Vergebung, Eigeninitiative, Flucht und Rettung erzählt.

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