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Veröffentlicht am 26.05.2017

Seelenverkäufer

Das Totenschiff
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Sein Schiff ist früher ausgelaufen als geplant und mit ihm seine Papiere. Der aus New Orleans stammende Matrose Gale muss nun zusehen wie er weiterkommt. Auf einem anderen Schiff anzuheuern, ist ohne Seemannsbuch ...

Sein Schiff ist früher ausgelaufen als geplant und mit ihm seine Papiere. Der aus New Orleans stammende Matrose Gale muss nun zusehen wie er weiterkommt. Auf einem anderen Schiff anzuheuern, ist ohne Seemannsbuch nicht so leicht. Ebensowenig wie ohne Seemannsbuch an einen Pass zu kommen. Deshalb wird Gale erstmal von einem europäischen Land ins andere abgeschoben. Als quasi Staatenloser kann in niemand gebrauchen. Erst auf der heruntergekommenen Yorikke findet der Seemann eine Stelle als Kohlenzieher. Hier wird nach keinem Buch nach keinem Ausweis gefragt. Doch Gale ist froh, einen Platz gefunden zu haben.

Nach dem ersten Weltkrieg ist die Welt nicht mehr in Ordnung. Grenzen wurden neu geschrieben, Nationalitäten und Ausweispapiere bekamen eine besondere Bedeutung. Man muss beweisen können, wer man ist. Gale, der seine Papiere verloren hat, kann das nicht und so spürt er eine kafkaeske Welt. Kein Land will ihn aufnehmen, kein Konsul ihm Ersatzpapiere ausstellen. Von Land zu Land wird er abgeschoben, heimlich, er soll sich nur nicht erwischen lassen. Natürlich wird er doch erwischt und das Spiel geht von neuem los. Bis er dann doch angeheuert wird, auf einem Schiff, dass anscheinend hauptsächlich von der Farbe zusammengehalten wird. Die unterste Position des Kohlenziehers wird ihm gegeben. Mit einem Kollegen zusammen leistet er Schwerstarbeit, fühlt sich ausgebeutet und wartet auf den Moment, in dem die Yorikke untergeht.

Der Autor soll geäußert haben, wenn er seine Geschichte erzählen kann, muss er noch leben. Beim Lesen jedoch erscheint es unwahrscheinlich, wie man diese Ereignisse überleben soll. Im ersten Teil des Buches, wo es mehr darum geht, was mit Menschen geschieht, die es eigentlich nicht gibt, weil sie keine Papiere haben, reibt man sich des Öfteren die Augen, ob der unglaublichen Herablassung, mit der die Staatenlosen als Bittsteller behandelt werden. Man fühlt sich an die Lage der Flüchtlinge heute erinnert, die von einem Ort zum nächsten geschickt werden. Der Matrose Gale bemerkt weise, dass seine Situation eine ganz vertrackte ist, aus der er sich kaum befreien kann. Im zweiten Teil wird hauptsächlich geschildert, welch schwere Arbeit zu leisten ist. Fast wie Sklaven werden die Matrosen ausgebeutet, schlecht ernährt und kaum bezahlt. Ein Entkommen gibt es nicht, denn es bleibt das Problem mit dem Seemannsbuch. Die ausweglose Situation, die Arbeit unter schlimmsten Bedingungen, Schilderungen, die sich aus heutiger Zeit, in der, so ist jedenfalls zu hoffen, doch einiges einfacher ist, kaum ertragen lassen. Wie kann man eine solche Höllenfahrt überleben. B. Traven versteht es hervorragend, die Stimmung des Staatenlosen einzufangen, der gezwungen ist, seine Seele zu verkaufen, um auf dem Totenschiff überleben zu können. Sicher steckt in dem Buch auch eine nicht zu übersehende Portion Kritik an Staatenwesen und Bürokratie. Auch Schiffe, die mitsamt ihrer Mannschaft auf hoher See verschwinden, um eine Versicherungssumme einzustreichen, verdienen nicht nur die Verachtung des Autors.

Eine Lektüre, bei der man sich manchmal schütteln möchte, die gleichzeitig packt, ekelt und wütend auf die Strippenzieher macht.

4,5 Sterne

Veröffentlicht am 21.05.2017

Vertigo

Inspektor Jury und die Frau in Rot
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Siebzehn Jahre ist es her seit Tess Williamson die Treppe zu ihrem Garten hinabgestürzt und dabei gestorben ist. Ihr Mann Tom hat nie an einen Unfall geglaubt, doch erst jetzt bittet er Superintendent ...

Siebzehn Jahre ist es her seit Tess Williamson die Treppe zu ihrem Garten hinabgestürzt und dabei gestorben ist. Ihr Mann Tom hat nie an einen Unfall geglaubt, doch erst jetzt bittet er Superintendent Jury, sich der Sache noch einmal anzunehmen. Es ist die Unsicherheit, die Williamson nicht mehr ertragen will. Richard Jury begreift sofort, was den Witwer umtreibt und er will den Versuch starten nach den langen Jahren noch etwas herauszufinden. Der Weg an den Ort des Geschehens führt natürlich bei seinem Freund Melrose Plant vorbei. Und nach einem gemeinsamen Pubbesuch der Bande erhalten sie die Nachricht von einem Todesfall. Eine junge Frau ist von einem Turm gestürzt.

Unfall, Mord oder Selbstmord - alle drei kommen als Ursache für die Todesfälle in Betracht. Für Jury gilt es, das Unwahrscheinliche auszuschließen und das Wahrscheinliche zu ermitteln. Bei einem fast zwanzig Jahre alten Geschehen, dürfte das nicht so einfach sein. Können Zeugen sich noch erinnern, sind Beweisstücke oder Akten noch vorhanden? Bei dem aktuellen Fall gestaltet sich dies natürlich einfacher. Jury, für beide Untersuchungen eigentlich nicht zuständig, aber England scheint ein Dorf zu sein, in dem ein Polizist den nächsten kennt, beginnt mit den Nachforschungen. Melrose Plant steht im dabei mit Ideen zur Seite, die wegweisend sein können.

Bereits zum 23. Mal ermittelt Inspektor Jury, der im Laufe der Zeit zum Superintendent aufgestiegen ist. Bei den spärlichen Hinweisen auf den zeitlichen Rahmen fragt man sich, wie alt Jury wohl sein mag. Derartig langlebige Serien bieten da häufiger Anlass zu Spekulationen, da die Helden ja nicht zu schnell altern dürfen, schließlich müssten sie irgendwann in Pension gehen und dann würde dem Leser doch etwas fehlen.

Auch nach einer längeren Pause findet man sich schnell wieder im Juryversum zurecht, gerade auch im Hinblick auf die kürzlich gesendeten Verfilmungen, die der Leser als zwar leichte, aber in gewisser Überzogenheit durchaus gelungene Inszenierung der skurrilen Ermittlungen des Inspektor Jury ansehen kann, der Kritiker aber gerne verreißen mag. Aus Zufällen, an die man glauben muss, obwohl es sie eigentlich nicht geben kann, webt Martha Grimes, eine Amerikanerin mit einem Faible fürs Britische, einen Fall, der mit Überraschungen gespickt in seinen Bann zieht. Meist geschickt konstruiert und mit lässiger Eleganz hin und wieder etwas im Ungewissen lassend.

Veröffentlicht am 18.05.2017

Die Rheinbrücke

Glaube Liebe Tod (Ein Martin-Bauer-Krimi 1)
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Der Polizeiseelsorger Martin Bauer wird zu einer Rheinbrücke in Duisburg gerufen. Ein Mann will sich von der Brücke stürzen. Bauer ist ungewöhnlichen Methoden gegenüber aufgeschlossen und manchmal ist ...

Der Polizeiseelsorger Martin Bauer wird zu einer Rheinbrücke in Duisburg gerufen. Ein Mann will sich von der Brücke stürzen. Bauer ist ungewöhnlichen Methoden gegenüber aufgeschlossen und manchmal ist eine Aktion besser als eine Reaktion. Und so springt Bauer als erster von der Brücke und wird von dem Mann gerettet, der eben noch seinem Leben ein Ende setzen wollte. Schon am nächsten morgen ist der andere tot, er war Polizist und gegen ihn wurde wegen Korruption ermittelt. Und nun hat er offensichtlich sein Vorhaben doch noch in die Tat umgesetzt.

Nachdem Martin Bauer als Gemeindepfarrer nicht so gut angekommen ist, hat er als Polizeiseelsorger seine Bestimmung gefunden. Allerdings macht er es sich auch mit dieser Tätigkeit nicht leicht, er neigt dazu manchmal weiter zu gehen als es seine Jobbeschreibung eigentlich verlangt. Obwohl der Tod des Polizisten als Selbstmord zu den Akten gelegt werden soll, rumort es in Bauer. Der Sohn des Toten ist traumatisiert, sicher bedarf er der Hilfe eines kompetenten Partner und die Witwe wirkt sehr geschockt. Zwar schien die Familie nicht übermäßig glücklich, aber soll eine bloße Untersuchung der Internen jemanden in den Selbstmord treiben?

Mit diesem ersten Band um den Polizeiseelsorger Martin Bauer und die Kommissarin Verena Dorm stellen die Autoren eine sehr ungewöhnlichen Ermittler vor. In seiner Hartnäckigkeit und des „Er kann´s nicht lassen“ könnte man sich zwar im ersten Moment an Pater Brown erinnert fühlen, der den Kollegen von Recht und Ordnung mal ins Handwerk pfuscht, doch Martin Bauer geht doch um einiges ernsthafter ans Werk. Sein Glauben gibt ihm Kraft und Zuversicht, doch dieser Fall verlangt ihm so viel ab, dass er beinahe ins Zweifeln kommt. Familienmensch, Pfarrer, Ermittler - eine interessante Kombination komplexer Eigenschaften, bei einem, der nachbohrt, der nicht locker lässt. Gebannt hängt man an den Seiten, mit jedem Blättern treten neue Einzelheiten zutage, die einen noch mehr fesseln. Geschickt jonglieren die Autoren mit den verschiedenen Hinweisen und schicken die Leser auf eine Reise, deren Ziel lange verborgen bleibt, um schließlich beim Herannahen des Ziels zu einem wahren Thriller zu werden.

Die Kombination zwischen Glaube, Liebe und Tod ist hier ausgesprochen gelungen.

4,5 Sterne

Veröffentlicht am 18.05.2017

Wer war es?

Ich habe ihn getötet
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Kurz vor ihrer Hochzeit treffen sich Bräutigam, Braut und einige Freunde. Makoto ist ein bekannter Drehbuchautor und seine Verlobte Miwako hat einige Lyrikbände veröffentlicht, wobei ihr Glanz den Makotos ...

Kurz vor ihrer Hochzeit treffen sich Bräutigam, Braut und einige Freunde. Makoto ist ein bekannter Drehbuchautor und seine Verlobte Miwako hat einige Lyrikbände veröffentlicht, wobei ihr Glanz den Makotos überstrahlt. Allerdings hält Miwakos Bruder nicht viel von der Beziehung. Außer Miwako scheint niemand so richtig traurig zu sein als Makoto auf dem Weg zum Altar zusammenbricht und stirbt. Kurz nach dem tragischen Ereignis wird auch eine ehemalige Freundin des Autors tot aufgefunden. Was kann zu den beiden Todesfällen geführt haben? Kommissar Kaga beginnt mit seiner Untersuchung.

Aus der Sicht von Miwakos Bruder, der Lektorin und des Managers des Toten werden die Ereignisse geschildert. Allein schon dies macht den Roman von Keigo Higashino zu etwas besonderem. In einem Moment behaupten alle drei, sie hätten Makoto getötet, eine Lösung also, die keine ist. Und so ist es an Kommissar Kaga, die Geschehnisse und die verschiedenen Aussagen der Beteiligten aufzudröseln und den Täter zu ermitteln oder auch die auszuschließen, die für die Tat nicht in Frage kommen. Dabei stellt sich heraus, dass Makoto ein rechter Unsympath war, der seine jeweiligen Freundinnen ziemlich mies behandelte und entsorgte, wenn er ihm in den Kram passte. Man fragt sich, wieso er nun die zarte Miwako heiraten will. Geht es ihm mehr um das Ausnutzen ihres Potentials als Autorin? Die Schaffenskraft des Makoto scheint ihren Zenit überschritten zu haben.

Gespannt verfolgt man die Geschehnisse und versucht hinter das Rätsel zu kommen, wer hier was zu verbergen hat. Gerade wenn man glaubt, die Motive des vermeintlichen Täters entschlüsselt zu haben, ergibt sich wieder eine andere Wendung, die einen alles in Zweifel ziehen lässt. Und einen besonderen Kniff lässt sich der Autor schließlich einfallen, der das Ermittlerherz im Leser höher schlagen lässt, man wünscht sich, die Zeit würde ausreichen, das Buch ein zweites Mal zu lesen, um wirklich jede Einzelheit zu würdigen. Hat man die Gelegenheit, den Roman als ebook zur Verfügung zu haben, kann man auch den Nutzen einiger Links zu genießen. Eine kleine Narretei des Autors macht diesen klassischen Krimi mit liebevollen Reminiszenzen an Agatha Christie zu einer Spezialität des Genres.


Veröffentlicht am 18.05.2017

Daunendrom

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
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Vor langen Jahren hat der Schriftsteller Anthony Peardew einen kostbaren Gegenstand verloren, er gehörte seiner Verlobten Theresa, die kurz vor der Hochzeit plötzlich verstarb. Anthonys Leben war danach ...

Vor langen Jahren hat der Schriftsteller Anthony Peardew einen kostbaren Gegenstand verloren, er gehörte seiner Verlobten Theresa, die kurz vor der Hochzeit plötzlich verstarb. Anthonys Leben war danach wie abgetötet. Nur langsam kam er aus diesem Tief empor, aber er war für immer verändert. Anthony begann verlorene Dinge zu sammeln, genau schrieb er auf, wo und wann er sie gefunden hatte. Und schließlich dachte er sich Geschichten der verlorenen Dinge aus. Langsam ist Anthony älter geworden und er nimmt die Hilfe seiner Assistentin Laura gerne in Anspruch. Die ist sehr froh, dass sie die Stelle bekommen hat. Nach einer schweren Scheidung ist ihr Selbstbewusstsein auf einem Tiefpunkt angelangt. Laura muss erst einmal wieder zu sich finden und genießt die ganz besondere Atmosphäre in Anthonys Haus mit dem wunderschönen Rosengarten.

Diesen Debütroman von Ruht Hogan durchwandert man als sei man auf einer Entdeckungsreise. Immer neue kleine Geschichten und Handlungsstränge kann man entdecken. Der liebenswert melancholische Anthony, der seiner zerrauften, aber ausgesprochen sympathischen Assistentin einen Start in eine bessere Zukunft sichern möchte. Laura, die sich zunächst überfordert fühlt und ihre Aufgabe schließlich annimmt. Sunshine, mit dem Daunendrom, die mehr Durchblick hat als alle anderen, auch wenn die Worte manchmal den Gefühlen hinterher rennen müssen. Freddy, der gut aussehende Gärtner, der mehr auf dem Kasten hat als den wunderbaren Rosengarten zu pflegen. Um sie ranken sich Geschichten und Geschichtchen, die mal belustigen, mal wehmütig, mal melancholisch stimmen. Über allem liegt aber die positiv anheimelnde Stimmung, die das Haus, in dem Anthony lebt, auszuströmen scheint.

Ein wenig scheinen die Personen aus dieser Welt gefallen zu sein, beinahe zu lieb, zu gut scheinen sie. Und dennoch fasziniert und fesselt ihre Geschichte und das Geheimnis, welches sie umgibt. Wohlig angerührt verschlingt man Seite um Seite, mal voller Wehmut, mal voller Hoffnung, mal voller Mitempfinden. Auch wenn es vereinzelt ein paar Zufälle gibt, die eigentlich nicht passieren können und man vielleicht auch ein paar Schwierigkeiten hat mit von innen verschlossenen Türen, im Großen und Ganzen überzeugt die Autorin mit ihren liebenswerten Charakteren und einer runden heimeligen und anrührenden Geschichte. Und Sunshine hätte durchaus eine eigene Geschichte verdient.