Großartiges Romandebüt, sprachlich perfekt umgesetzt
Der Roman beginn in Frankreich Ende des 12. Jahrhunderts mit zwei Handlungssträngen. In einem davon lernen wir Étienne d‘Arembour kennen. Als Drittgeborener hat er keinen Anspruch auf das Erbe, auch wird ...
Der Roman beginn in Frankreich Ende des 12. Jahrhunderts mit zwei Handlungssträngen. In einem davon lernen wir Étienne d‘Arembour kennen. Als Drittgeborener hat er keinen Anspruch auf das Erbe, auch wird er von seinem Vater nicht anerkannt, denn er hat einen verkrüppelten Fuß und muss ständig Demütigungen einstecken. Eines Tages hat er genug von den ewigen Prügeln und Erniedrigungen und verlässt heimlich das väterliche Anwesen. Nach einem Überfall, bei dem er fast sein Leben verliert, nimmt sich der Wundarzt Caspar seiner an, und sie setzen die Reise, die sie ins Heilige Land führt, gemeinsam fort. In Caspar findet Étienne einen guten Lehrer und das erste Mal in seinem Leben einen Menschen, der wie ein Vater zu ihm ist.
Im zweiten Handlungsstrang lernen wir Aveline kennen. Die junge Frau ist ebenfalls auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit. Sie schließt sich einer Pilgergruppe an, denn sie möchte am Grab Jesu um Vergebung für ihre Sünden und um Seelenrettung beten.
Vor den Mauern von Akkon finden die beiden Handlungsstränge zusammen. Da gewisse Umstände während Avelines Reise dazu geführt haben, dass man sie für einen jungen Mann hielt, der zudem sehr gut mit Pfeil und Bogen umgehen kann, ist sie letztendlich als Bogenschütze ins Heilige Land gekommen und kämpft im christlichen Heer. Davon ahnt Étienne bei ihrer ersten Begegnung noch nichts, aber im Lauf der Geschichte erfährt er Avelines gefährliches Geheimnis.
Es ist die Zeit des 3. Kreuzzugs, an dem viele wichtige historische Persönlichkeiten beteiligt waren, so zum Beispiel Richard Löwenherz und Friedrich Barbarossa. Die Autorin nimmt einen mit in dieses fremde Land und die damalige Zeit, und es ist ihr gelungen, mich vollends mit diesem Roman zu fesseln. Sie hat sehr genau recherchiert und erzählt detailreich und plastisch. Viele historische Ereignisse rund um die Belagerung von Akkon finden wir in diesem Roman wieder, und man erfährt nicht nur sehr viel über das christliche Heer, sondern man lernt auch die Sichtweise der Muslime kennen.
Neben den großen Ereignissen der Weltgeschichte kämpft jeder der Protagonisten seinen eigenen, persönlichen Kampf. Da entstehen innige Freundschaften, und sogar die Liebe kommt ins Spiel, aber es gibt auch eine andere Seite, und so mancher offenbart Neid, Wut und gar Hass. In dieser großartigen historischen Kulisse haben die fiktiven Charaktere ihren Platz gefunden und agieren sehr glaubwürdig. Besonders gut hat mir gefallen, dass es hier keine harten Fronten, keine Schwarz-Weiß-Malerei gibt, sondern dass man sowohl auf Seite des europäischen Heers als auch bei den Sarazenen Gutes wie Schlechtes findet. Mit Étienne und Aveline aber auch mit Caspar, dem scharfzüngigen, oft ein wenig mürrischen Wundarzt, der aber im Grunde seines Herzens ein gütiger, loyaler und hilfsbereiter Mensch ist, hat Juliane Stadler wunderbare und vielschichtige Charaktere geschaffen, die perfekt in die Kulisse des ausgehenden 12. Jahrhunderts passen, sich behaupten müssen und nicht nur einmal über sich hinaus wachsen. Wenn man dann noch weiß, dass es sich hier um den Debütroman der Autorin handelt, kann man ihr nur gratulieren, wie großartig er gelungen ist.
Ich habe das Hörbuch, gesprochen von Tobias Kluckert, gehört und jede Minute genossen. Der Sprecher ist mir schon von anderen historischen Hörbüchern bekannt, und ich finde die Art, wie er den Geschichten Leben einhaucht, wie er Stimmungen und Emotionen wiedergibt und wie feinfühlig er Dialoge spricht, grandios.
Ich lese gerne und viele historische Romane und kann sagen, hier war alles stimmig, und die Autorin braucht sich mit ihrem Debüt auch vor den Großen des Genres nicht zu verstecken.