Eine letzte Wette
Zwei Monate vor Beginn der Olympischen Winterspiele 2018 in Pjöngjang steckt der erfolgsverwöhnte norwegische Skilanglaufverband in der Krise. Die weltbeste Langläuferin Hege Chin Morell wurde positiv ...
Zwei Monate vor Beginn der Olympischen Winterspiele 2018 in Pjöngjang steckt der erfolgsverwöhnte norwegische Skilanglaufverband in der Krise. Die weltbeste Langläuferin Hege Chin Morell wurde positiv auf das anabole Steroid Clostebol getestet. Sie beteuert ihre Unschuld, ihr Adoptivvater, der reiche, durchsetzungsfähige Unternehmer Jan Morell, ist fest von Sabotage überzeugt. Selma Falck, seine langjährige Anwältin, ehemals erfolgreiche Spitzen-Handballerin und Noch-Ehefrau eines Abgeordneten, soll Heges Unschuld beweisen. Ihre Ermittlungen sind eine „letzte Wette“, denn Selma ist spielsüchtig und hat sein Geld veruntreut. Er hat sie deshalb gezwungen, die Anteile an ihrer Villa zu verkaufen, was Selma den Kontakt zu Mann und Kindern kostete, ihre Zulassung zurückzugeben, nicht mehr zu spielen und eine Therapie zu beginnen. Dafür will er auf eine Anzeige verzichten. Wenn sie die Wette gewinnt, soll Selma das Geld zurückerhalten.
Ein zweiter Dopingfall
Kaum hat Selma zögernd eingewilligt, kommt ein anderer Spitzen-Langläufer, ihr Patenkind Haakon Holm-Vegge, bei einem mysteriösen Unfall ums Leben. In seinem Blut wird ebenfalls Clostebol nachgewiesen.
Mit der Arbeitshypothese Sabotage macht sich Selma ans Werk. Wer profitiert von Heges Nicht-Nominierung für Olympia? Liegen rassistische Motive gegen die in China geborene Athletin in dieser urnorwegischen Sportart zugrunde? Wem schadet die positive Dopingprobe noch: dem Verband? Ihrem ehrgeizigen Vater Jan Morell? Hängen die Fälle von Hege und Haakon tatsächlich zusammen?
Eingestreut in Selmas Ermittlungen sind mit „Das Drehbuch“ überschriebene Abschnitte über einen Mann, der auf seine Therapeutin zunehmend bedrohlich wirkt, über einen nackten Gefangenen in einer sich stetig verkleinernden Zelle und über Selmas Treffen mit ihrem einzigen Freund und einstigen Mandanten, dem Ex-Polizisten und Obdachlosen Einar.
Eine hervorragende Sprecherin
"Ein Grab für zwei" ist der erste Fall einer neuen Reihe der 1958 geborenen norwegischen Juristin, Ex-Justizministerin und Bestseller-Krimiautorin Anne Holt, die deutsche Krimifans bisher vor allem von ihren Serien um die Ermittlerinnen Hanne Wilhelmsen beziehungsweise Inger Vik kennen.
Ich habe die 806 Minuten dauernde ungekürzte Lesung topaktuell während der Olympischen Winterspielen 2022 in Peking auf meinem Handy gehört, unterteilt in Tracks zu gut drei Minuten, während die Norweger wie gewohnt die Medaillen abräumten und das ein oder andere Dopingvergehen anderer Nationen bekannt wurde. Herausragend ist die Sprecherin Katja Bürkle, die ich bisher nicht kannte, mir aber merken werde. Sie liest mit einer sympathischen, warmen Stimme in angenehmer Tonlage und perfektem Tempo, ohne übertriebene Schauspielerei und bemüht um die korrekte Aussprache des Norwegischen.
Mehr als ein Krimi
Die Sozialdemokratin Anne Holt ist bekannt dafür, in ihren Krimis aktuelle gesellschaftliche Probleme aufzugreifen. Leistungssport, Doping, Korruption in Sportverbänden, Spielsucht, sozialer Abstieg, Rassismus und Medien sind nur einige der Themen, um die es in Selma Falcks erstem Fall geht. Vorbild für die Dopingproblematik war der Fall der norwegischen Spitzen-Langläuferin Therese Johaug, die 2016 nach Verwendung einer Lippensalbe positiv auf Clostebol getestet und gesperrt wurde. Manchmal war mir die Themenfülle etwas zu viel und der Fall geriet aus dem Fokus, aber insgesamt hat mich der Krimi trotzdem gut unterhalten. Die Protagonistin, die nach einer Sportverletzung am Tränenkanal nicht weinen kann, wurde mir zwar nicht besonders sympathisch, hat aber als Serienfigur viel Potential. Ich freue mich daher auf weitere Übersetzungen der in Norwegen bereits erschienenen Folgebände, gerne wieder als Hörbuch mit Katja Bürkle.