Von Ostfriesland nach Paris
Der Traum vom LebenLuise ist 1,86 m groß, füttert morgens um kurz nach fünf die Kühe auf dem elterlichen Hof und fährt dann mit dem Rad zum Frisörladen von Gitte, in dem sie arbeitet. In ihrem kleinen Dorf in Ostfriesland ...
Luise ist 1,86 m groß, füttert morgens um kurz nach fünf die Kühe auf dem elterlichen Hof und fährt dann mit dem Rad zum Frisörladen von Gitte, in dem sie arbeitet. In ihrem kleinen Dorf in Ostfriesland ist es Anfang der 1990er Jahre noch recht beschaulich. Größter Aufreger sind die geplanten Windräder auf dem Acker des Nachbarn. Als Luise jedoch in Bremerhaven eine Platzierung beim Preisfrisieren erreicht, wird jemand auf sie und ihr Talent aufmerksam. Udo Hammer, ein bekannte Coiffeur, will sie als seine Assistentin mit nach Paris zu den Prét-à-porter-Shows nehmen. Und tatsächlich verläßt Luise den kleinen Hof in Ostfriesland, um sich für eine Woche in ein Abenteuer zu stürzen und um eine Liebe zu vergessen.
Katharina Fuchs beschreibt das Dorf und den Hof in Ostfriesland ebenso detailfreudig, wie das schillernde Paris 1992/93, als die Supermodels alle Laufstege beherrschten und so bekannt waren wie Popstars. Es werden poppige und glamouröse Frisuren, Kleider und Shows der großen Designer beschrieben; das Nachtleben von Paris und die Arbeit von Modelagenturen. Überall begegnet Luise den weltbekannten Covergirls und Modeschöpfern. Dieser Einblick in die Model- und Designerwelt ist wirklich sehr interessant und lebendig, eine richtige Zeitreise. Die Geschichte liest sich wie ein modernes Aschenputtelmärchen und der Schreibstil der Autorin ist wunderbar flüssig und bildreich. Für die Einstimmung auf die Protagonisten hat sich Katharina Fuchs viel Zeit gelassen und das ist prima gelungen, so hatte man als Leserin eine sehr gute Vorstellung, wer da jetzt im Mercedes von Udo Hammer sitzt und mit nach Paris fährt. Aber gerade weil man Luise gut kennt, ging mir ihre Verwandlung dann doch etwas zu schnell. Besonders schwierig fand ich den Umgang mit der Sprachbarriere. In wenigen Tagen sein Schulenglisch derart aufpolieren zu können und sogar kleine Unterhaltungen in Französisch zu führen und Gehörtes wiedergeben zu können, fand ich schon sehr erstaunlich. In Paris scheint Luise ein ganz anderer Mensch zu sein. Scheinbar mühelos bewegt sie sich in dieser für sie absolut fremden Welt.
Ingesamt ein schöner Schmöker, der in einer wunderbaren Stadt und zu einer interessanten Zeit spielt. Und wenn man den Aspekt Märchen im Auge behält, kann man über die Logiklöcher hinwegsehen. Den Roman habe ich gerne gelesen, er konnte mich allerdings nicht so packen wie z.B. Lebenssekunden, der wirklich mitreißend war.