Platzhalter für Profilbild

Venatrix

Lesejury Star
offline

Venatrix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Venatrix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.02.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Berlin, 24. Juni 1922
0

Der Titel ist zugleich das Todesdatum von Walther Rathenau, jenem Politiker, der von Mitgliedern der rechtsradikalen Gruppe namens „Organisation Consul“ ermordet worden ist.

Wir Leser tauchen in eine ...

Der Titel ist zugleich das Todesdatum von Walther Rathenau, jenem Politiker, der von Mitgliedern der rechtsradikalen Gruppe namens „Organisation Consul“ ermordet worden ist.

Wir Leser tauchen in eine Welt des Umbruchs ein. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, der damals noch der „Große Krieg“ geheißen hat, gerät die bisher bekannte Welt aus den Fugen: Die Monarchie ist Geschichte, doch gibt es Bemühungen sie wieder zu errichten, wenn auch ohne den Kaiser. Und auch andere Regierungsformen wie die Räteregierungen wollen sich etablieren. Wie es häufig ist, wird aus Angst vor den Sozialisten und/oder Kommunisten die Gefahr von rechts völlig übersehen oder negiert.

So kann sich die „Organisation Consul“ wie ein Krake über ganz Deutschland ausbreiten. Dieses Netz, das ganz Deutschland überzieht, rekrutiert seine Anhänger vor allem unter den Beamten der Polizei und der Justiz sowie den arbeits- und nutzlos gewordenen Militärs. Allen diesen Gruppen ist die toxische antisemitische Haltung gemeinsam. Die wird noch durch die Dolchstoßlegende und zahlreiche andere Lügen befeuert.

In diversen „Probeläufen“ werden Menschen wie Matthias Erzberger (1921) ermordet bis die Lage am 24. Februar 1922 mit der Ermordung von Walther Rathenau ihren Höhepunkt erreicht. Warum Rathenau? Rathenau symbolisiert das genauer Gegenteil der „Organisation Consul“ stehen: Er ist Jude, hat Charisma, will Frieden und Versöhnung sowie internationale Kooperationen, die die wirtschaftliche Situation Deutschlands verbessern soll.

Die Mitglieder der „Operation Consul“ wollen eine Revanche für den verlorenen Weltkrieg und den ihren Augen schändlichen Friedensvertrag.

„Die Frankfurter Zelle der Organisation Consul bestand durchweg aus gebildeten Menschen des Bürgertums, jenen Kreisen, die man als Stützen der Gesellschaft zu betrachten pflegte. Und jetzt sägten und sprengten und schossen die Nachkommen dieser Stützen um sich. Sie wollten etwas erneuern, indem sie die Machthaber der Gegenwart vernichteten. Was genau werden sollte danach, wussten sie nicht. Dem aufgeklärten Staatswesen der Demokratie setzten sie ihr Gefühl und eine Mythologie des Blutes entgegen. Wenn es deutsch war, dieses Blut, würde es schon seinen Weg in eine bessere Zukunft finden.“ (eBook S. 147)


Meine Meinung:

Minutiös hat Journalist und Buchautor Thomas Hüetlin die Ereignisse recherchiert, deren Höhepunkt eben die Ermordung Walther Rathenaus waren, die letztlich Adolf Hitler an die Macht brachten und Auswirkungen bis heute haben.

Mir hat der Einblick in das jüdisch-humanistische Leben der Zwischenkriegszeit, dessen Auslöschung mit der Ermordung Rathenaus beginnt, gut gefallen.

Erschreckend ist, dass es durchaus Parallelen zu heute gibt, wo Antisemitismus und rechtsradikales Gedankengut (wieder) salonfähig sind.

Fazit:

Dieses Sachbuch liest sich wie ein Thriller und fesselt trotz der vielen historischen Zahlen, Daten und Fakten bis zur letzten Seite. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Eiskalt tanzt der Tod
0

Kriminalhauptkommissar Bodo Völxen bekommt von seiner Frau Sabine einen Tanzkurs als Fitnesstraining verordnet. Der etwas unsportliche KHK freut sich nur mittelmäßig auf Foxtrott oder Langsamen Walzer. ...

Kriminalhauptkommissar Bodo Völxen bekommt von seiner Frau Sabine einen Tanzkurs als Fitnesstraining verordnet. Der etwas unsportliche KHK freut sich nur mittelmäßig auf Foxtrott oder Langsamen Walzer. Aber, Tango, nein das geht ganz und gar nicht. Und so ist er nicht unfroh, als der charismatische Tanzlehrer beim Eintreffen zur nächsten Tanzstunde erschlagen im Foyer liegt. Denn, dass Aurelio Martinez seiner Frau schöne Augen macht, ist dem Völxen ein Dorn im Auge. Und Frau Völxen ist nicht die einzige Frau, die der Argentinier anbaggert.

Je tiefer Völxen und sein Team in die Umgebung des Mordopfers eindringen, desto seltsamer scheint das Arrangement in der Villa zu sein. Denn außer Aurelio und seiner Tochter wohnen noch zwei ältere Schwestern, die einander spinnefeind sind, in dem stattlichen Anwesen.
Und was hat der Mordversuch an einem weiteren Südamerikaner mit dem Tanzlehrer zu tun?

Dann entdeckt Völxen einen Hinweis aus der Vergangenheit von Martinez und die Auflösung liegt schlüssig auf der Hand, oder?

Meine Meinung:

Obwohl dies schon der 11. Krimi rund um KHK Völxen ist, ist dies mein erstes Buch von Susanne Mischke. Warum eigentlich? Der Krimi lässt sich allerdings auch ohne Vorkenntnisse sehr gut lesen.

Die Autorin lässt ihr Ermittlerteam gekonnt vielen Spuren nachgehen, die manchmal früher oder später erkalten und in eine Sackgasse führen. Hier wird Teamarbeit großgeschrieben, auch wenn Erwin Raukel, der „Wanderpokal“ der hannoverischen Polizei, sein eigenes Süppchen kochen will, weil er sich selbst als Erster Hauptkommissar sieht.

Mit Fernando Rodrigez hat Völxen gleich einen spanisch sprechenden Mitarbeiter zur Hand, wenn es darum geht, Briefe an und von Martinez zu übersetzen.

Sehr gut hat mir gefallen, wie subtil und unterschwellig die Autorin ihren Lesern eine wenig Geschichtsunterricht erteilt. Bei mir hat es ja gleich geklingelt, als ich gelesen habe, wann Martinez aus Argentinien nach Deutschland gekommen ist und, dass die Villa mit zahlreichen Gemälden ausgestattet ist. Meine Ahnung hat mich nicht getrogen. Genaueres verrate ich jetzt nicht.

Daneben spricht die Autorin auch aktuelle Themen an: Abgabenhinterziehung durch nicht angemeldetes, aber ausgenütztes Personal aus der Ukraine zum Beispiel oder soziale Projekt wie die Tanzstunden für Jugendliche, die den gut situierten Nachbarn ein Dorn im Auge sind, oder die Verhinderung von Abschiebungen.

Der Schreibstil von Susanne Mischke hebt sich wohltuend von zahlreichen anderen Krimis ab. Die Charaktere dürfen ihrer Herkunft und Rolle entsprechend, schwäbeln oder einen andere Sprachmelodie haben. Die verbindenden Texte sind in einer - für Krimis - gehobenen Sprache geschrieben. So habe ich das Wort „moribund“ schon lange nicht mehr gelesen. Das macht diesen Krimi für mich zu einem Highlight in der Krimi-Szene (und ich lese viele Krimis).

Eines ist jedenfalls sicher, ich werde die zehn Vorgänger lesen und verstehe gar nicht, wieso mir diese Autorin bislang nicht aufgefallen ist.

Fazit:

Ein Krimi aus Hannover, der bis zu letzten Seite fesselt und von mir eine Leseempfehlung und 5 Sterne erhält.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Feuer im Alten Land
0

Gesa Jansen ist Polizeireporterin bei der „Hamburger Abendpost“ und berichtet über mehrere kleinere Brände im Alten Land. Geht im Obstanbaugebiet nahe Hamburg ein Feuerteufel um? Als es das nächste Mal ...

Gesa Jansen ist Polizeireporterin bei der „Hamburger Abendpost“ und berichtet über mehrere kleinere Brände im Alten Land. Geht im Obstanbaugebiet nahe Hamburg ein Feuerteufel um? Als es das nächste Mal brennt, steht Gesa fassungslos vor den rauchenden Trümmern des Hotels ihrer Familie. Da es um die wirtschaftliche Lage des Hotels nicht allzu gut bestellt ist, vermutet die Polizei, Versicherungsbetrug, denn die Brandsachverständigen finden recht schnell heraus, dass der Brand gelegt worden ist ...

Gesas Bruder Gunnar ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, hat daher das Fachwissen, einen Brand so zu legen, dass Menschen nicht zu Schaden kommen, und mit einem Schlag wäre das Hotel saniert.

Als sie dann von ihrer Chefin dazu verdonnert wird, statt über den Feuerteufel zu berichten, eine Reportage über die Wahl der neuen Apfelkönigin zu schreiben, schließt Gesa sogar einen kurzzeitigen Pakt mit Ingo, dem verhassten Kollegen einer Konkurrenzzeitung. Doch dann wird Caroline, die noch regierende Apfelkönigin, ermordet aufgefunden. Dummerweise hat sie in Gunnars Hotel gearbeitet. Hat sie Gunnar bei der Brandstiftung beobachtet und musste sie deshalb sterben? Die Gerüchteküche köchelt und Gesa will ihrem Bruder helfen.

Doch manchmal ist „gut gemeint“ das Gegenteil von „gut“ und so Gesa reitet ihren Bruder mit ihren Recherchen weiter in den Schlamassel.

Meine Meinung:

Die Autorin nimmt uns mit in einen wunderschönen Landstrich rund um Hamburg - ins Alte Land, dem Obst- und Gemüsegarten der Hansestadt.

Wir erfahren einiges über den oft mühsamen Alltag der Obstbauern, sowie über die Arbeit der Reporterin Gesa. Eigentlich wollte Gesa ja Polizistin werden, doch ihre geringe Körpergröße hat ihren Traum platzen lassen. So muss sie sich damit begnügen, die Polizeiarbeit zu beobachten und das eine oder andere Mal einen Tipp zur Aufklärung von Verbrechen zu geben. Gesa hat vor einigen Jahren als Kriegsberichterstatterin in Syrien gearbeitet und dort Christian, ihre große Liebe, verloren. Dieses Trauma schleppt sie mit sicher herum und auch deshalb steht Solidarität zur Familie für sie an erster Stelle.

Der Krimi rund um die Brandstiftungen ist fesselnd erzählt und lässt uns in die Abgründe der dörflichen (Neid)Gesellschaft blicken. Auch innerhalb so mancher Familie wird die „heile Welt“ vorgegaukelt. Erst durch Gesas Recherchen, zu denen sie Björn, ihren Kollegen aus dem Kulturressort, mitnimmt, kommen Familienkonflikte ans Tageslicht.

Die Autorin lässt Gese die eine oder andere Spur aufnehmen, aber nur um wieder in einer Sackgasse bzw. im Vernehmungszimmern der Kriminalpolizei zu landen, denn für die ist Gunnar nach wie vor der Hauptverdächtige.

Die Charaktere sind gut herausgearbeitet. Die Chefin der „Hamburger Abendpost“ ist eine unangenehme Person, die nur an der Höhe der Auflage Interesse hat. An Gesas Stelle hätte ich schon längst gekündigt.

Fazit:

Eine fesselnde Geschichte aus dem Alten Land, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Ein gelungenes Ende der Trilogie

Palais Heiligendamm - Tage der Entscheidung
0

Dieser dritte und letzte Teil der Trilogie rund um das Hotel am Heiligendamm zeigt, wie die Nazis nach ihrer Machtübernahme immer mehr in das Leben der Menschen eingreift. Elisabeth und Julius können sich ...

Dieser dritte und letzte Teil der Trilogie rund um das Hotel am Heiligendamm zeigt, wie die Nazis nach ihrer Machtübernahme immer mehr in das Leben der Menschen eingreift. Elisabeth und Julius können sich lange, mit List gegen die Vereinnahmung wehren. Elisabeth hängt natürlich am Lebenswerk ihres Vaters und will das Hotel nicht aufgeben. Julius ist da viel weitsichtiger und drängt zur Auswanderung. Erst als ihrem kleiner Sohn Oskar, der ein wenig stottert, Gefahr droht, erkennt Elisabeth, dass sie nicht mehr in Deutschland bleiben können.

Besonders gefährdet ist natürlich Paul, der seine Homosexualität stets verbergen muss. Als dann sich sein Sohn als fanatischer Hitleranhänger entpuppt und Carl, sein zeitweiliger Lebenspartner im Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch hingerichtet wird, ist auch er seines Lebens nicht mehr sicher.

Luise, die als Schauspielerin in Film und Theater Erfolg hat und sich bislang immer wieder durchlaviert hat, muss erkennen, dass das Regime skrupellos ist und man sich dem Wunsch eines Hermann Görings nach einem kostbaren Bild nicht widersetzen kann.


Meine Meinung:

Michaela Grünig ist ein großartiger Abschluss ihrer Hoteltrilogie gelungen.
Das liegt vor allem an ihren Charakteren, die sich lange weigern, Teil des NS-Regimes zu werden. Letzten Endes müssen sie einsehen, dass sie keine Chance haben. Bleiben und sich arrangieren oder auswandern und ihre persönliche Integrität und Selbstachtung behalten. Die Entscheidung ist mehr als schwierig und wird beinahe zu spät getroffen.

Die Angst, die ganz Deutschland befällt, ist deutlich spürbar dargestellt. Zuerst sind es nur kleine Nadelstiche und man wähnt sich durch gute Beziehungen sicher.

Gekonnt verquickt die Autorin wieder Fakt und Fiktion. Carl, der sich durch seine Mitgliedschaft zur SA und seine Nähe zu Ernst Röhm sicher fühlt, wird in der als „Nacht der langen Messer“ im Sommer 1934 wie Röhm und zahlreiche seiner Getreuen ermordet. Spätestens dann ist klar, dass Hitler als Diktator keine Skrupel hat, eigene Leute ermorden zu lassen, wenn er dies für opportun hält.
Michaela Grünig spricht auch die medizinische Forschung an, die sich weniger auf Heilung, sondern auf Selektion und Vernichtung von, in Hitlers Augen „unwerten Lebens“ ausrichtet.

All diese Gräuel des NS-Regimes werden hier in diesem letzten Teil der Trilogie verarbeitet, jedoch für jene Leser, die „nur“ gut unterhalten werden wollen, in einem verträglichen Maße. Wer tiefer in die NS-Zeit einsteigen will, muss zu den Sachbüchern greifen.

Fazit:

Ein gelungenes Ende der Trilogie rund um das „Palais Heiligendamm“, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 06.02.2022

Herrliche Sätze zu den Themen "Spiel und Spielen"

Spiel
0

„Ich warne Sie, schöpferisches Denken und Handeln führt auf den Spielplatz!“

Der Verlag Kremayr & Scheriau hält mit diesem wunderbaren Buch aus der Essay-Reihe „Übermorgen“ ein Plädoyer für das „Spielen“. ...

„Ich warne Sie, schöpferisches Denken und Handeln führt auf den Spielplatz!“

Der Verlag Kremayr & Scheriau hält mit diesem wunderbaren Buch aus der Essay-Reihe „Übermorgen“ ein Plädoyer für das „Spielen“.

Norbert Trawöger nimmt uns dazu in seine persönliche Welt des Spielens mit. Eine Welt, die wir Erwachsene leider oft verloren haben. Der sogenannte „Ernst des Lebens“ mit Job und Familie hält uns gefangen und lässt uns wenig Spielraum für lustvolles Spielen.

Der Autor ist Musiker, weshalb das Wort spielen noch eine weitere Dimension erhält und Musik, ernste und/oder Unterhaltungsmusik einen breiten Raum in diesem Essay erhält. Man spielt die erste Geige oder sind doch nur zweite Besetzung.

Seine spielerischen Erzählungen der eigenen Erfahrungen lassen auch bei den Lesern ein „Aha-Erlebnis“ und ein „ja, genau“-Gefühl aufkommen. Ich mag Trawgögers Wortspiele, die mich häufig zum Schmunzeln bringen und manchmal laut auflachen lassen.

„Spielen“ so meint der Autor, gehöre wie Atmen zu den „Werkseinstellungen des Menschen“ (S.15). Diesen Vergleich finde ich entzückend! Könnten wir doch manchmal den Reset-Knopf drücken und uns auf die Werkseinstellungen zurücksetzen.

„Spielen ist keine Frage des Könnens, sondern eine des Tuns. Wer will, der kann, wenn er oder sie Lust dazu hat. Spielen ist Tätigkeit, Zustand und Energie.“ (S.16)

Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.

Fazit:

Ich habe schon lange keine so brillanten Sätze zum Thema „Spiel und Spielen“ gelesen, wie diese hier. Dieses Buch verdient definitiv mehr als 5 Sterne - schade, dass es nicht mehr sein dürfen.