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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.02.2022

Ein einziger Satz und ganz viel Selbstreflexion

Das Vorkommnis
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Eine Begegnung auf einer Lesung, der Satz einer jungen Frau "Wir haben übrigens denselben Vater.", gerichtet an die Autorin, dieses Vorkommnis ist der Ausgangspunkt für diese autofiktional aufgearbeitete, ...

Eine Begegnung auf einer Lesung, der Satz einer jungen Frau "Wir haben übrigens denselben Vater.", gerichtet an die Autorin, dieses Vorkommnis ist der Ausgangspunkt für diese autofiktional aufgearbeitete, in der Ich-Form angelegte Geschichte und es bricht Gräben auf, nicht nur, verständlicherweise geschockt aus dem Moment heraus, für eine kurze Zeit des sich Sammelns und Sortierens. Nein, über Jahre begleitet die Ich-Erzählerin dieses Ereignis und es hat Folgen für sie selbst. An die Stelle von Gelassenheit und einem sicheren inneren und familiären Gefüge, in dem sie glaubte, fest verankert zu sein, treten Zweifel. Erinnerungen werden hochgeholt, die Gedanken gehen zurück zu ihrer Kindheit in Ostdeutschland, zu ihren Eltern und immer wieder wird auch das Konstrukt ihrer eigenen Familie und die Beziehung zu ihrem Ehemann durchleuchtet.
Ein Roman, der getragen wird von der Person der Autorin selbst. In ihr schwirren die Gedanken durch sämtliche Ritzen ihres bisherigen Seins und um sie herum dreht sich das Leben, das sich über die Jahre eben so anhäuft. Geschrieben in einer sehr flüssigen und präzisen Sprache, mit kleinen Nuancen von ins Sarkastische driftendem Humor, hat dieses Buch eine Menge zu bieten und die Selbstreflexion der Autorin überträgt sich unweigerlich auch in der einen oder anderen Form auf ihre Leser. Hier wird viel Gedankenarbeit geleistet, auch wenn die Buchdeckel schon geschlossen sind.

Veröffentlicht am 30.01.2022

Eine Mädchenclique, die fest zusammenhält und ein Abenteuer mit kleinen Haken

Wir
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Mit 16, da ist alles möglich und wenn man in einer taffen Mädchenclique unterwegs ist, dann erst recht. Taja, Nessi, Stinke, Schnappi und Rute, das sind die fünf Girlies, die sich hier gefunden haben und ...

Mit 16, da ist alles möglich und wenn man in einer taffen Mädchenclique unterwegs ist, dann erst recht. Taja, Nessi, Stinke, Schnappi und Rute, das sind die fünf Girlies, die sich hier gefunden haben und gemeinsam durch dick und dünn gehen. Und das, obwohl sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Als Taja plötzlich verschwunden ist, machen sich die anderen auf die Suche. Erst mal ohne Erfolg, bis dann nach einer Woche ein Lebenszeichen von Taja kommt. Ihre Freundinnen finden sie in einem Krankenhaus und erfahren, was ihr in den Tagen zuvor widerfahren ist. Und da ja gilt, einer für alle und alle für einen, macht sich die geballte Mädchenpower auf den Weg, mittenrein in ein echt heftiges Abenteuer durch jede Menge dunkler Winkel und Gassen der Großstadt Berlin. Dass das eigentlich eine Nummer zu groß ist für die fünf Mädchen, kann man sich ja denken, aber als ihnen diese Erkenntnis kommt, ist es für ein Umkehren schon zu spät.
Dieses Buch, das ist schon eine manchmal recht krass daherkommende Geschichte, wenn man an die Zielleserschaft denkt. Heute glaubt man mit 16, allem gegenüber, was die Erwachsenenwelt so an 'Speziellem' zu bieten hat, gewappnet zu sein, sein zu müssen, aber das ist nicht so, warum auch. Daher finde ich, die ein oder andere Thematik, die hier serviert wird und der Geschichte eigentlich auch keine neuen notwendigen Impulse liefert, hätte man auch weglassen können. Aber was soll's!
Insgesamt ein flotter spannender Roman mit ein paar kleinen Ecken und Kanten, wo man die Logik der Handlung etwas in Frage stellen könnte. Aber abermals, was soll's!
Hier geht es auf jeden Fall richtig ab und Langweile kommt garantiert nicht auf.

Veröffentlicht am 30.01.2022

Drei Mädchen im kleinstädtischen Umfeld ihrer Zeit und diese Zeit lebt

Unser kostbares Leben
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Irgendwo im Hessischen, in den 1970er und 80er Jahren, hier erleben die drei Freundinnen Caro, Claire und Minka ihre Kindheit und Jugend. Caro ist die Tochter des Schokoladenfabrikanten der Stadt, Claire ...

Irgendwo im Hessischen, in den 1970er und 80er Jahren, hier erleben die drei Freundinnen Caro, Claire und Minka ihre Kindheit und Jugend. Caro ist die Tochter des Schokoladenfabrikanten der Stadt, Claire deren aus Vietnam stammenden Adoptivschwester und Minka die Tochter des örtlichen Bürgermeisters. Sie sind 10 Jahre alt und beginnen gerade sich kritisch umzusehen in ihrer Welt. Das fängt hautnah mit der bei ihrer Wanderung totgefahrenen Kröten an und entwickelt sich, teils durch Geschehnisse aus dem engeren Umfeld angestoßen, in immer größerem Rahmen weiter. Und so trifft man in diesem Roman auf die bewegensten Themen dieser Jahre, die bis in die politische Ebene hineinreichen. Da geht es um Tierschutz, Medikamententests und um die Schädigung der Umwelt in einem Maße, dass einem wirklich die Luft wegbleibt. Aber tatsächlich ist dies, von der Autorin gut recherchiert, so wirklich geschehen. Und das war dann einfach so, zum Wohle der Allgemeinheit und des Fortschritts. So wird man es wohl verkauft haben, wenn das überhaupt nötig war, denn das meiste erfolgte doch eher im Verborgenen. Und das war ja damals noch leicht.
Das also waren die wichtigsten Dinge, prägend für diese Zeit. Aber auch die kleinen gut eingefügten Alltäglichkeiten wie Toast Hawaii oder Gummitwist auf der Straße vor dem Haus finden hier seine Erwähnung, was einem dann wiederum ein Lächeln entlockt, ob aus der eigenen Erinerung heraus oder durch die Erzählungen der Eltern. So steht alles bereit, für eine gute Geschichte. Was jetzt noch fehlt, sind die Protagonisten selbst, die dem Ganzen Leben einhauchen, Emotionen erzeugen und die erwartungsvollen Leser mitnehmen auf ihrem Weg durch diese Zeit. Und genau da liegt der Schwachpunkt dieses ambitionierten Romans. Dieses Miterleben, Miterleiden, sich mitempören, da kommt einfach zu wenig an. Und bei rund 600 Seiten Lesestoff kann das dann schon mal etwas lang werden.
Aber nichtsdestotrotz, dies ist ein gut recherchierter Roman über eine Zeit, die in vielem noch bis in unser Heute hinein nachwirkt. Und ich habe auf jeden Fall etwas dazugelernt.

Veröffentlicht am 22.01.2022

Wenn Fürsorge zu einem Käfig wird und die Katastrophe folgt

Der fürsorgliche Mr. Cave
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Terence Cave ist eigentlich ein ganz normaler netter Mensch. In seinem Beruf als Antiquitätenhändler und Restaurator geht er vollends auf. Ein Möbelstück wieder zu neuem Glanz verholfen zu haben, erfüllt ...

Terence Cave ist eigentlich ein ganz normaler netter Mensch. In seinem Beruf als Antiquitätenhändler und Restaurator geht er vollends auf. Ein Möbelstück wieder zu neuem Glanz verholfen zu haben, erfüllt ihn mit tiefer Zufriedenheit. Doch das Leben ist nicht leicht und in dem von Mr Caves nehmen die Verluste zu. Seine Mutter, seine Frau und dann auch noch sein Sohn, dem er bei dessen Unfall nur noch die Hand halten kann, während das Leben seinen Körper verlässt, sie alle sind nicht mehr da. Nun gibt es nur noch seine Tochter und so schwer es ihm fällt, seinem Dasein überhaupt noch etwas abzugewinnen, für Briony wird er dasein. Er wird ihr die Zeit schenken, die er bei seinem Sohn noch 'auf später' verschoben hat, er wird sie beschützen vor dieser Welt da draußen, die so grausam und gefährlich ist. Briony wird man ihm nicht wegnehmen, dafür wird er sorgen. Und genau das tut er dann auch. Dass das nicht gutgehen kann, nicht bei einem Erwachsenen und schon gar nicht bei einer Jugendlichen, die natürlich zunehmend ihre Freiheiten einfordert, ist vorauszusehen. Grenzen setzen ist ja in Ordnung, aber was Mr Cave da tut, dass übersteigt jede Verhältnismäßigkeit.
Dies also ist Mr Caves Geschichte. Hier schreibt er sie nieder. In der Ich-Form erzählt er den Gang der Dinge und bittet seine Tochter um Verzeihung und immer wieder auch um Verständnis für sein Tun. Dass mit dem Verstehen, das ist ihm dabei sehr wichtig und irgenwie hat man als Leser das Gefühl, Mr Cave richtet sich mit seiner Geschichte auch direkt an uns.
Das ist schon harter Tobak, dieses Buch. Sein Inhalt ist berührend, ja, nachvollziehbar, in gewissem Rahmen auch das, aber es ist auch ohne Ausweg, ohne Abzweig für 'es wird doch noch alles gut'. Und das muss man dann erst einmal sacken lassen. So in dieser Form hallt die Geschichte lange nach und wenn das vom Autor so gewollt ist, dann hat er, auf eine ein bisschen andere Art, wieder alles richtig gemacht. Und wer es gerne ein bisschen heller und hoffnungsvoller haben möchte, nicht sehr viel, aber doch ein wenig, dem kann ich die anderen Werke von Matt Haig sehr empfehlen. Man kann sie einfach nur mögen.

Veröffentlicht am 20.01.2022

Ein alltägliches Leben und dann der große Bruch

Erschütterung
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Zach Wells, Afroamerikaner, Professor für Geologie und Paläobiologe, Ehemann, Vater, es ist alles da, was für ein gutes Leben steht und dieses Leben ist alltäglich, unbedeutend, langweilig und emotional, ...

Zach Wells, Afroamerikaner, Professor für Geologie und Paläobiologe, Ehemann, Vater, es ist alles da, was für ein gutes Leben steht und dieses Leben ist alltäglich, unbedeutend, langweilig und emotional, gerade bezogen auf seine Ehe, kälter geworden. Nur das Vatersein, für seine 12-jährige Tochter Sarah, erfüllt ihn mit einem positiven warmen Gefühl der Liebe. Und dann der Schock, sein Kind leidet an einer seltenen genetisch verursachten Erkrankung, die unweigerlich zum Tod führen wird und dies sehr bald. Sein Kind wird dahinsiechen und ihn verlassen. Wells Verzweiflung ist grenzenlos. Bald wird es nichts mehr geben, was sein Leben noch sinnvoll sein lassen kann. Und dann taucht da dieser Hilferuf auf, in Form eines Zettels, den er in einer bei Ebay erstandenen Second-Hand-Jacke, gefunden hat. Und er flieht, vor dem Siechtum seiner Tochter, hinein in dieses Abenteuerkonstrukt, das ihn nach New Mexico führt.
Das also ist die Geschichte, zwei Handlungsstränge, eingewoben darin Themen u.a. aus Wells Berufsleben, die zeigen, dass er eigentlich dazu gehört, mitten drin in den realen Alltäglichkeiten der amerikanischen Gesellschaft, die bis hin zum Trumpismus reichen. Und das alles eingebettet in eine literarisch sehr gehobene ambitionierte Sprache mit dem ein oder anderen Extratüpel obendrauf, man bekommt hier als Leser schon etwas geboten. Das ist richtig gut gemacht und sollte so auch seine Würdigung finden. Bei mir allerdings ist das Emotionale, diese Erschütterung, nicht mit der Intensität angekommen, die ich erwartet hätte. Ich denke, der Autor hat dies bewusst so gewählt, um einem nicht die Sicht zu versperren, für die vielen thematischen Facetten, die die Geschichte in sich trägt. Ich hätte es mir diesbezüglich etwas 'natürlicher' gewünscht. Und, was mich schon während des Lesens beschäftigt hat, die Krankheit seiner Tochter, das kann man wohl, vorsichtig ausgedrückt, unter Schicksal verzeichnen. Und das zu verwinden, ist schwer. Aber als Vater davonzulaufen, genau in der Zeit, wo sein Kind ihn so sehr an seiner Seite braucht, wie will man sich das jemals verzeihen.
Doch fernab meiner kleinen persönlichen Abschweifung, kann ich diesem Buch auf jeden Fall eine Empfehlung aussprechen. Es ist wirklich gut.