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Veröffentlicht am 17.05.2019

Spaß am Fabulieren

Düsternbrook
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Mit dem Wahlspruch seiner Mutter „Wir sind was Besseres“ wird Axel in Düsternbrook, einem vornehmen Villenviertel Kiels, groß. Er wächst behütet als Sohn eines Anwalts und einer Ärztin auf und genießt ...

Mit dem Wahlspruch seiner Mutter „Wir sind was Besseres“ wird Axel in Düsternbrook, einem vornehmen Villenviertel Kiels, groß. Er wächst behütet als Sohn eines Anwalts und einer Ärztin auf und genießt das Privileg, die Gelehrtenschule besuchen zu dürfen, natürlich gehören auch Klavier- und Tennisunterricht mit zur standesgemäßen Erziehung. Doch je älter er wird, desto enger erscheint ihm „das überschaubare Karussell“ der Kieler Idylle. Er packt seine Sachen und zieht möglichst weit fort, nach München, wo sein Leben schließlich ganz neue Impulse erfährt.
Düsternbrook ist konzipiert als Roman mit autobiografischen Zügen. In kurzen Kapiteln und leicht zu lesender Sprache schildert Milberg Ereignisse aus Kindheit und Jugend seines Alter Ego Axel, beginnend in den 1960er Jahren. Wirken seine Schilderungen zu Beginn der Geschichte wie die aus einem größeren Zusammenhang entnommenen Erinnerungsdetails eines kleinen Kindes, erscheinen sie später mit zunehmendem Alter des Jungen ausführlicher und intellektueller. Mit reichlich trockenem Humor und Ironie kommentiert Axel Milberg Familienmitglieder, Lehrer und Mitschüler und lässt entsprechend zeitgenössisches Flair mit einfließen. Dass die Stadt seiner Kindheit jedoch nicht nur Schauplatz idyllischen Lebens ist, sondern versteckt auch hier Böses lauert, klingt in vereinzelten Kapiteln an, die der Autor - für mein Empfinden - präziser hätte ausführen können.
Locker und lebendig geschrieben, ist Düsternbrook eine unterhaltsame Lektüre für „zwischendurch“ , bei der dem Autor und Schauspieler die Lust am Fabulieren durchaus anzumerken ist.

Veröffentlicht am 04.01.2024

Weinbergschnecke und Taubenschwänzchen

Endling
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… gehören zu den Tieren, die im Jahr 2041 so gut wie ausgestorben sind. Jedenfalls in Jasmin Schreibers neuem Roman „Endling“.
Es ist eine düstere - aber durchaus vorstellbare - Welt, in der Zoe, ...

… gehören zu den Tieren, die im Jahr 2041 so gut wie ausgestorben sind. Jedenfalls in Jasmin Schreibers neuem Roman „Endling“.
Es ist eine düstere - aber durchaus vorstellbare - Welt, in der Zoe, eine junge Biologin, lebt und arbeitet: das Artensterben ist in vollem Gange, die Menschen werden von Pandemien heimgesucht, es gibt staatliche Repressalien und frauenfeindliche Gesetze. Als Zoes Mutter eine Kur macht, um ihr Alkoholproblem in den Griff zu bekommen, beginnt für Zoe eine neue Zeit. Sie muss sich um ihre junge Schwester Hanna und ihre Tante Auguste kümmern, die ebenfalls beide nicht unproblematisch sind; Hanna steckt in einer Pubertätskrise, Auguste, ebenfalls Wissenschaftlerin, leidet unter panischer Angst vor Viren. In dieses Szenario platzt die Nachricht, dass Tante Augustes Freundin Sophie verschwunden ist, und die drei Frauen fassen einen folgenschweren Entschluss …
Der Roman ist sehr unterhaltend geschrieben, teilweise mit leisem Humor unterlegt. Die Autorin lässt den Ton zwischen Alltagssprache und wissenschaftlichen Betrachtungen wechseln, was mir recht gut gefällt.
Es sind schwerwiegende Themen, die Jasmin Schreiber hier aufgreift, allerdings werden sie nur angerissen, manches nur angedeutet. Hier habe ich ein wenig mehr Deutlichkeit vermisst.
Trotz düsterer Prognosen zeigt Schreiber aber auch Rückzugsorte auf - um etwas Licht ins Dunkel zu bringen? Leider bleiben sie äußerst nebelhaft, mystifiziert, was mir nicht zum Gesamtkonzept des Romans zu passen scheint. Schade!

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Veröffentlicht am 27.02.2023

Fiktion und Wirklichkeit

Morgen, morgen und wieder morgen
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Über gemeinsames Nintendo-Spielen entsteht zwischen Sam und Sadie eine Kinderfreundschaft, die allerdings nur sechshundertneun plus vier Stunden andauert. Nach diesem Bruch treffen sie per Zufall Jahre ...

Über gemeinsames Nintendo-Spielen entsteht zwischen Sam und Sadie eine Kinderfreundschaft, die allerdings nur sechshundertneun plus vier Stunden andauert. Nach diesem Bruch treffen sie per Zufall Jahre später als Studenten wieder aufeinander, und erneut ist es ein Computerspiel, das beide zusammenführt. Sie beschließen, in Zusammenarbeit eine eigene Spielidee zu realisieren. Beruflicher Erfolg bleibt nicht aus, doch privat gibt es Probleme...
In lockerem, aber nicht oberflächlichem Stil erzählt Gabrielle Zevin von den Kindern Sadie und Sam und ihrem Werdegang als Studenten und später Spieleentwickler. Das Setting, die USA in den neunziger Jahren und Anfängen des 21. Jahrhunderts, als Romanhintergrund wird glaubhaft und lebendig vermittelt. Auch die Charaktere sind mit all ihren positiven wie auch negativen Eigenschaften authentisch dargestellt ebenso wie die (zahlreichen) Probleme, mit denen sie konfrontiert werden.
Zevins Idee, ihren Roman im Milieu von Computerspielen und Spieleentwicklern handeln zu lassen, ist sicher originell und wirklich fantasievoll und unterhaltsam ausgeführt. Doch bei allem habe ich den Eindruck, dass die Hauptfiguren sich zwar beruflich weiter entwickeln, aber persönlich kaum Fortschritte machen, auch wenn sie schon lange ihre zwanziger Jahre überschritten haben. Oder sollte das so von der Autorin beabsichtigt sein? Das erschließt sich mir nicht.
„Morgen, morgen und wieder morgen…" - der Spieler eines Videogames hat die Möglichkeit, bei Misserfolg unbeschadet immer wieder von vorn beginnen - gilt das auch für unser reales Leben?


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Veröffentlicht am 15.02.2022

„Kindererziehung ist manchmal besser als Kino“ …

Meine kleine Welt
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… stellt Ewald Arenz in einer seiner Kurzgeschichten fest, und jeder, der selbst Kinder hat, kann ihm da ohne Vorbehalt zustimmen. Mit viel Humor erzählt der Autor aus seinem alltäglichen Leben, in dem ...

… stellt Ewald Arenz in einer seiner Kurzgeschichten fest, und jeder, der selbst Kinder hat, kann ihm da ohne Vorbehalt zustimmen. Mit viel Humor erzählt der Autor aus seinem alltäglichen Leben, in dem es (natürlich) nicht nur harmonisch zugeht. Ob in seiner Funktion als Lehrer, beim Treffen mit Freunden oder in der Kernfamilie: kleine Katastrophen und Erziehungsprobleme werden mit Ideenreichtum und Witz gemeistert. Das eine oder andere Problem kennt sicher fast jeder Leser, auch wenn so manche Situation überspitzt dargestellt wird.
Arenz´ „Kleine Welt“-Szenen sind amüsant, locker geschrieben und leicht zu lesen. Allerdings vermisse ich die Qualität, die mich in seinen beiden letzten Romanen begeistert hat. Für mein Empfinden reichen seine Kurzgeschichten atmosphärisch und sprachlich nicht an „Alte Sorten" oder "Der große Sommer"heran, die ich sehr schätze. Schade.


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Veröffentlicht am 27.08.2021

"Du bist dieser hier"

Der zweite Jakob
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„Natürlich will niemand sechzig werden …" So beginnt Jakob Thurner, ein alternder Schauspieler, seine Geschichte. Eine Feier ist geplant, sogar eine Biografie - Jakob aber will all dem entgehen und plant ...

„Natürlich will niemand sechzig werden …" So beginnt Jakob Thurner, ein alternder Schauspieler, seine Geschichte. Eine Feier ist geplant, sogar eine Biografie - Jakob aber will all dem entgehen und plant einen Amerika-Urlaub mit seiner Tochter Luzie. Doch die unternimmt diese Reise anstatt mit ihrem Vater letzendlich mit ihrem Freund Mirko, den Jakob nicht leiden kann. Schuld daran ist Jakobs Geständnis ihr gegenüber, dass er vor vielen Jahren an einem Autounfall beteiligt war und Fahrerflucht beging. Luzie erfährt allerdings nicht die ganze Wahrheit darüber. In Zeitsprüngen erzählt Jacob dem Leser von diesem Unfall und den Geschehnissen, die ihm vorangingen bzw. folgten.
In anspruchsvollem Stil schreibt Gstrein über die Schuld, die Jacob gern getilgt hätte. Nach und nach kommen noch weitere Verstrickungen und Versäumnisse ans Licht. Nur von dem ersten Jakob, nach dem der Schauspieler genannt ist und für den er sorgen soll, erfährt der Leser nur das Nötigste; er bleibt im Hintergrund, so wie er sich tatsächlich oft im Keller versteckt. Was den zweiten Jakob umtreibt, ist vor allem die Frage nach dem "Wer bin ich“, auf die er zwar mehrere Antworten, aber keine endgültige findet: "War ich der? Oder war ich ein anderer?".
„Der zweite Jakob“ - ein komplexer Roman, den Norbert Gstrein hier vorlegt, jedoch ansrengend zu lesen und mit (für meinen Geschmack unnötigen) Längen!

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