Mitreißend mit männlichem Haken
„Ein Teil von ihr“ ist nun schon das zweite Colleen Hoover-Buch hintereinander, das ich via Hörbuch konsumiere, was aber tatsächlich einfach nur Zufall ist. Tendenziell tendiere ich bei einer solchen Autorin ...
„Ein Teil von ihr“ ist nun schon das zweite Colleen Hoover-Buch hintereinander, das ich via Hörbuch konsumiere, was aber tatsächlich einfach nur Zufall ist. Tendenziell tendiere ich bei einer solchen Autorin eher dazu, immer das Buch zu bevorzugen, weil sie ja auch viel mit der Sprache spielt, was einfach noch mehr Wirkung entfalten kann, wenn man es schwarz auf weiß sieht. Dennoch hat es auch etwas, sich von einer Stimme geleitet durch die Liebesgeschichten von Hoover zu geleiten lassen, zumal gerade bei emotionalen Geschichten natürlich auch die Betonung der Sprecher und Sprecherinnen viel dazu beitragen kann, was mit mir als Leserin passiert. Bei den beiden Stimmen, Marlene Rauch und Sven Macht, war es anfänglich doch eine große Gewöhnungssache, speziell bei der Frauenstimme, die auch wirklich etwas Besonderes hat, aber gerade Besonderes, das muss man manchmal lieb gewinnen. Letztlich muss ich aber sagen, dass Rauchs Stimme für mich zu Kenna geworden ist, weil sich alles gut gefügt hat. Bei der Männerstimme ist es leider so, wie ich es oft schon feststellen muss, ich mag es einfach nicht, wenn sie Frauenstimmen nachmachen, weil es immer lächerlich wirkt. Zum Glück muss Ledger nicht nur ständig Frauenstimmen nachahmen, aber es ist dennoch immer wieder ein Störfaktor, den auch Macht nicht ideal gelöst bekommen hat.
Nun aber zum eigentlich von „Ein Teil von ihr“ und das ist ohne Frage der Inhalt. Zuletzt ist „Layla“ erschienen, wo ich die Liebesgeschichte etwas fragwürdig fand, weil das anfängliche typisch geniale, was Hoover zwischen zwei Figuren erzeugen kann, immer mehr etwas gewichen ist, was ich unangebracht und suspekt empfunden habe. „Ein Teil von ihr“ geht leider wieder etwas in diese Richtung, wenn auch wahrlich nicht so deutlich, aber es fällt auf und es macht mich auch etwas besorgt, denn die Liebesgeschichten von Hoover hatten schon immer unglaubliche Tiefen, die immer damit reizen, was noch okay ist und was schon wieder übertrieben ist, aber sie hat immer den Balanceakt gefunden, so dass es eine Provokation war, mehr aber auch nicht. Dass sie sich also nun schon zum zweiten Mal in Folge etwas verläuft? Hmm…
Hier haben wir es mit Kenna zu tun, zu deren Umständen und Hintergründen viel im Dunklen gelassen werden, was auch clever ist, weil man so mehr und mehr etwas über sie herausfindet. Anfangs wirkt sie noch etwas emotionslos, ein gebrochener Mensch, der nicht wirklich weiß, wohin mit sich, aber je mehr sie in Ruhe zu sich selbst finden kann, je mehr man lernt, wer sie war und wer sie sein will, desto mehr erobert sie völlig unauffällig das Herz eines jeden, denn gerade die Briefe an ihren verstorbenen Freund, dessen Kind sie ausgetragen hat, sind herzzerreißend und es ist auch die typische Liebesgeschichte, die nur Hoover so auf die Seiten zaubern kann. Wir haben aber noch eine zweite Liebesgeschichte und das ist die zu Ledger, dem besten Freund von Scott. Es war schon etwas unglücklich, dass ihre Beziehung gleich so körperlich losgehen musste, weil es meiner Meinung nach nicht wirklich zu einer Frau passt, die gerade aus dem Gefängnis kommt und andere Ziele vor Augen hat sowie zu einem Mann, der gewarnt ist, dass die Mutter des Kindes, das er mit großzieht, aus dem Gefängnis entlassen wurde. Deswegen fand ich dieses erste körperbetonte Zusammentreffen wenig romantisch, sondern einfach nur dämlich, weil es sich auch nicht natürlich anfühlte, sondern vielmehr als Aufhänger für möglichst viel Dramatik.
Drama gehört bei Hoover zwar dazu, aber sie hat dennoch oft ein Händchen dafür, dass es alles organisch ineinander übergeht. Aber gerade Ledger war es auch, der mich dann in den Wahnsinn getrieben hat, weil er Kenna teilweise hin und her behandelt hat, das hat mir für sie gleich doppelt wehgetan. Nur gut, dass wir in seiner Perspektive oft genug erleben, wie er mit Diem umgeht, denn ansonsten hätte ich ihn vermutlich sofort in den Wind geschossen. Mir ist natürlich bewusst, dass er in keiner einfachen Position war und dass er von Annahmen über Kenna gefüttert war, die vieles übertüncht haben. Aber gerade dann hätte ich es mir eigentlich gewünscht, dass er sich mehr auf sein eigenes Gefühl verlassen hätte, das ihn immer wieder zu Kenna geführt hat, aber so war es eben mal so, mal so und sie ist immer und immer wieder verletzt worden, was nur noch umso tragischer ist, wenn man bedenkt, dass das Buch dabei hilft, das Bild von der rotzfrechen Schwiegertochter in spe abzubauen, so dass eigentlich ein Opfer der Umstände zum Vorschein kommt, dass einfach nur seine Tochter lieben dürfen möchte. Ohne Frage hat dieses Buch mal wieder viel in mir bewegt, weil natürlich auch die Sichtweise der Großeltern, wenn auch ohne eigenständige Erzählperspektive, deutlich rübergebracht wurde und dass man es ihnen nicht vorwerfen konnte. Es ist gut, dass es am Ende sehr versöhnlich war, auch der Blick in die Zukunft, dennoch ist es auch ein eingeschränktes Happy End, denn Ledger hat mich zwischendurch doch sehr enttäuscht.
Fazit: Auch wenn es jetzt schon der zweite Hoover hintereinander war, wo ich so meine Probleme mit der präsentierten Liebesgeschichte habe, war es wieder eine Lektüre, die durch Mark und Bein geht, weil alles an Gefühlen aufgerissen und angeboten wird. Gerade Kenna hat sich als Persönlichkeit wirklich einen Platz in meinem Herzen sichern können, während Ledger doch etwas schwieriger war. Insgesamt aber eine interessante Erzählung wieder, die hängenbleibt.