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Veröffentlicht am 24.02.2022

Irische Botschaften

Boom Town Blues
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Patsy Logan, Münchner Kommissarin mit einem irischen Vater, ist während ihrer Auszeit in Dublin. Sie will zur Ruhe kommen. Als ob das so richtig ginge, natürlich will sie auch den Gerüchten nachgehen, ...

Patsy Logan, Münchner Kommissarin mit einem irischen Vater, ist während ihrer Auszeit in Dublin. Sie will zur Ruhe kommen. Als ob das so richtig ginge, natürlich will sie auch den Gerüchten nachgehen, ihr Vater könne noch am Leben sein. Doch dann wird bei einem Empfang in der österreichischen Botschaft eine Praktikantin getötet. Patsy und ihr österreichischer Kollege Sam Feuerstein fungieren als Verbindungsbeamte zu den irischen Polizeibeamten. Und nicht zur Freude der örtlichen Kollegen. Diese würde ihre beiden neuen Anhängsel am liebsten kalt stellen. Da haben sie aber nicht mit den Botschaftern gerechnet. Und so müssen sie Sam und Patsy doch in die Ermittlungen mit einbeziehen.

In ihrem dritten Fall ermittelt Patsy Logan erstmals komplett in Dublin. Sie musste mal raus aus dem Trott in München, ihre lahmgelegte Kariere, ihr unerfüllter Kinderwunsch, die Eheprobleme. Einfach mal durchatmen. Und dann dieser Todesfall, eine junge Frau mit guten Leumund, die sich nie etwas zu Schulden kommen ließ. Nun, immerhin lernt Patsy den österreichischen Botschaftsmitarbeiter Sam kennen, der einmal in einer Sondereinheit war. Eigentlich sollen die beiden die Morduntersuchung im Namen ihrer Botschaften nur beobachten, aber Patsy kann das Denken und Überlegen nicht lassen und das Ermitteln hat sie einfach gelernt.

Die Krimis mit den runden Ecken sind doch immer eine Besonderheit. Und hier wird ein Thema angepackt, das für die Beteiligten dramatische Folgen hat und auch beim Lesen aufwühlt. Auch wenn man die Tat verurteilt, kann man schon ein gewisses Verständnis dafür aufbringen, aus welchem Grund sie begangen wurde. Sehr geschickt wird man von der Autorin mit Hinweisen zu den Hintergründen versorgt. Wirtschaftskrise, Immobilienblase, viel zu hohe Kredite, Menschen, die unter die Räder des Systems geraten. Eine spannende Story, ansprechend geschrieben. Vielleicht hofft man als Leser, dass Patsy ihren nervigen Mann nun endgültig los ist und sie sich von der ihrer Schwermut befreien kann. Davon abgesehen kann man sich von diesem Roman mitreißen lassen und sich auf Patsys nächsten Fall freuen, der sie möglicherweise näher zur Lösung des Rätsels um den vermeintlichen Tod ihres Vaters bringt.

Eine lesenswerte Reihe von einer Autorin, die sich mit viel Einfühlungsvermögen und großer Sachkenntnis auszeichnet.

Veröffentlicht am 18.02.2022

Genosse Hauptmann

Im Schatten der Wende
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Im Leben des jungen Polizisten Tobias Falck läuft eigentlich alles rund. Im Jahr 1988 in Dresden hat er seinen Beruf, seine Freundin, ein Zimmer. Und obwohl nur einfacher Volkspolizist wird er sogar zu ...

Im Leben des jungen Polizisten Tobias Falck läuft eigentlich alles rund. Im Jahr 1988 in Dresden hat er seinen Beruf, seine Freundin, ein Zimmer. Und obwohl nur einfacher Volkspolizist wird er sogar zu einem under cover Einsatz geschickt. Ein Abschnittsbevollmächtigter ist unter seltsamen Umständen zu Tode gekommen. Zwar könnte man auf einen Unfall schließen, jedoch nur, wenn man wegschaut. Falck wird bei einer Gruppe jungen Leute eingeschleust, die wohl in einem kirchlichen Umfeld tätig sind.Tobias, der bisher immer sehr linientreu ist, kommt damit in ein anderes Milieu, das ihn befremdet, aber auch fasziniert.

Zu neuen Ufern macht sich der Autor mit dem Start der Reihe um den Kriminaldauerdienst Dresden auf. Die Handlung setzt im Jahr 1988 ein, in dem sich in der ehemaligen DDR Veränderungen andeuten, aber irgendwie doch noch alles beim Alten ist. Im Gegensatz dazu müssen sich die Polizisten ungefähr eineinhalb Jahr später an ein völlig neues System gewöhnen. Tobias Falck ist inzwischen bei der Kripo und dort staunt er nicht schlecht, als plötzlich eine Kommissarin aus dem Westen auftaucht, die in einem gemeinsamen Fall ermitteln will. Die Kollegin aus dem Westen und das Team im Osten passen zunächst nicht so gut zusammen. Die Möglichkeit, dass sich das ändert, sollte jedoch nicht außer Betracht gelassen werden.

Auch für seine neue Reihe hat sich Frank Goldammer eine spannende Zeit der deutschen Geschichte ausgesucht. Durch die Wende hat sich in der ehemaligen DDR wohl so ziemlich alles verändert. Die dadurch entstehende Verunsicherung, aber auch die Aufbruchstimmung werden eindringlich geschildert. Ebenso wie sich die Arbeit der Polizisten verändert, kommt deutlich zutage. Vorbei ist die Zeit, in der es Verbrechen eigentlich nicht gab und auch keine Arbeitslosen, als die Polizei das letzte Wort hatte und der Staat die Geschicke gelenkt hat. Nun scheint es als sei mit der Grenzöffnung auch das Verbrechen nach Dresden gekommen. Die ost-westlichen Verwicklungen sind spannend und ein neuer Ansatz, der Interesse weckt. Vielleicht vermisst man Max Heller in einigen Momenten, aber das bunt zusammengewürfelte Team KDD verspricht noch weitere packende Fälle.

Veröffentlicht am 17.02.2022

Lieber Kummerkasten

Meter pro Sekunde
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Eine junge Familie zieht nach West-Jütland. Der kleine Sohn ist erst etwas über ein Jahr, er hat den Eltern das Schlafen abgewöhnt. Aber in die Kindertagesstätte geht er schon und die Tagesmutter begrüßt ...

Eine junge Familie zieht nach West-Jütland. Der kleine Sohn ist erst etwas über ein Jahr, er hat den Eltern das Schlafen abgewöhnt. Aber in die Kindertagesstätte geht er schon und die Tagesmutter begrüßt er mit einem fröhlichen Muh. Seine Mutter muss sich mit anderen Problemen rumschlagen, unter anderem dem Erwerb des Führerscheins. Den ein oder anderen Fahrlehrer hat sie schon zur Verzweiflung getrieben. Und ihre Art der Kommunikation schreckt ihre Mitmenschen mitunter etwas ab. Einen Lichtblick bietet ihre neue Stelle als Kummerkasten bei einer Lokalzeitung. Ihre witzigen Antworten auf mehr oder weniger tiefgreifende Fragen, kommen bei den Lesern gut an.

Wohl in den meisten Gegenden ist es nicht leicht, der Zugezogene zu sein. Man muss erstmal herausfinden, wie der Hase dort so läuft. Über lauernde Fettnäpfchen darf man sich nicht wundern und das Stolpern fällt leicht. Da kann ein neuer Job ein Wegbereiter sein. Und auch ein Kind verhilft sicherlich zu Kontakten, auch wenn es vielleicht noch andere Themen gibt als den fehlenden Schlaf. Wenn die Gespräche um einen herum verstummen, sollte man schnellstens das Thema wechseln oder das Reden den anderen überlassen. Aber je näher ein möglicher Erfolg beim Ablegen der Führerscheinprüfung rückt, desto leichter fällt das Leben.

Die junge Mutter fällt mit einem eigenartigen, aber durchaus sehr sympathischen Charakter auf. Zunächst muss man sich in ihre Lebenswelt hineinfinden und ihre manchmal schrägen Gedankengänge nachvollziehen, aber nachdem dies geglückt ist, entwickelt sich eine echte gute Laune Lektüre. Man sieht das Kind auf ihrem Arm, man leidet in den Fahrstunden und denkt „nun fahr doch endlich“ und dann amüsiert man sich, über die skurrilen Ideen und doch anrührenden Lebensweisheiten, die die junge Mutter in sich trägt. Dieser erfrischende Roman hat etwas eigenes und ihm sollte einiges an Aufmerksamkeit vergönnt werden. Es lohnt sich.

Veröffentlicht am 16.02.2022

Im Auftrag des Alten

Ein Präsident verschwindet
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Mitten in der Nacht wird Kommissar Philip Gerber von seinem Chef abgeholt, um an einer geheimen Besprechung mit Kanzler Adenauer teilzunehmen. Die beiden Polizisten werden ins besetzte Berlin geschickt. ...

Mitten in der Nacht wird Kommissar Philip Gerber von seinem Chef abgeholt, um an einer geheimen Besprechung mit Kanzler Adenauer teilzunehmen. Die beiden Polizisten werden ins besetzte Berlin geschickt. Sie sollen herausfinden, ob der Präsident des Verfassungsschutzes Otto John tatsächlich in den Osten übergelaufen ist oder ob er entführt wurde. Und welche Rolle spielt die Journalistin Eva Herden, die auf einem Foto gemeinsam mit John zu sehen ist? Für Gerber ist die Beantwortung dieser Frage beinahe wichtiger als der erste Auftrag, denn seine Freundin ist ohne eine Erklärung verschwunden und nun in Berlin wieder aufgetaucht.

Die Nachkriegszeit in Deutschland bietet interessante Stoffe für spannende Thriller. So kann die Geschichte des Otto John in verschiedenen Veröffentlichungen nachgelesen werden. Während der Nazi-Zeit war er im Widerstand und dann der erste Präsident des Verfassungsschutzes. Im Juli 1954 tauchte er plötzlich in Ostberlin auf. Angeblich wurde ihm politisches Asyl gewährt. Um diese wahre Geschichte rankt sich der zweite Fall um Kommissar Philip Gerber, der vom amerikanischen Militärgeheimdienst zum Bundeskriminalamt gewechselt war. Die Umstände zwingen Gerber an seiner Beziehung zu Eva Herden zu zweifeln, dennoch nutzt er die Gelegenheit in Berlin nach ihr zu suchen und gleichzeitig im Fall John zu ermitteln.

Wieder erzählt der Autor eine packende Story mit einem Bezug zur Wirklichkeit. Sehr geschickt sind die persönlichen Belange Philip Gerbers mit dem Fall Otto John verwoben. Gerade in der heutigen Zeit, in der man sich sowieso in die Zeit des kalten Krieges zurückversetzt fühlt und noch befürchten muss, dass aus dem kalten Krieg ein heißer wird, bringt dieser Roman einen gewissen Einblick, wie es wohl zugeht in der Welt der Agenten und der politischen Intrigen. Zwar würde es heute wohl eher Cyber-Attacken geben als echte Entführungen, aber die Stimmung kann man sich durchaus ähnlich vorstellen. Und so liest man gespannt, welche gefährlichen Nachforschungen Philip Gerber in der geteilten Stadt anstellt. Er gerät zwischen die Mühlen der unterschiedlichen Systeme und muss sich gerade im Westen darüber erstaunen oder entsetzen, wie leicht die alten Nazis wieder in herausragende Positionen gelangen und wie wenig dagegen getan werden kann.

Dieser fesselnde zweite Fall für Kommissar Philip Gerber und Eva Herden ist wirklich zu empfehlen und nach der Lektüre wird er eine Zierde für jedes Regal sein.

Veröffentlicht am 12.02.2022

Verbrechensleserin

Gefrorenes Herz
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Maria Just ist als Polizeihistorikerin tätig. In dieser Funktion organisiert sie eine neue Ausstellung im Polizeimuseum, bei der ungeklärte Mordfälle der letzten Jahrzehnte dargestellt werden sollen. Eines ...

Maria Just ist als Polizeihistorikerin tätig. In dieser Funktion organisiert sie eine neue Ausstellung im Polizeimuseum, bei der ungeklärte Mordfälle der letzten Jahrzehnte dargestellt werden sollen. Eines Morgens führt ihr Arbeitsweg geradewegs an einem Tatort vorbei oder würde daran vorbeiführen, denn Maria wird gebeten, einen anderen Weg zu nehmen. An besagtem Tatort wurde der Generalsekretär des dänischen Roten Kreuzes tot aufgefunden. Mit den Ermittlungen betraut werden Mikael Dirk und der ihm neu zuteilte Partner Frederick Dahlin, wobei der jüngere Dahlin dem älteren Dirk noch etwas suspekt erscheint. Immerhin, die Leitung liegt bei Dirk. Diese Klärung hilft zunächst auch nicht weiter, denn es ergibt sich kein Motiv für die Tat.

Das neu gebildete Ermittler-Team mit einigen Anfangsschwierigkeiten, hat zu Beginn Mühe, die uneindeutigen Spuren zu einem Bild zusammenzufügen. Auch die Polizeihistorikerin, die ihre Ausstellung gerne mit Leben füllen möchte, läuft bei den alten Beteiligten vor verschlossene Türen. Erst als sich durch eine Presseveröffentlichung wird es Maria ermöglicht, einen möglichen Zusammenhang zwischen ihrem Ausstellungsfall und dem aktuellen Mordfall zu entdecken. Zwar ist Mikael Dirk erstmal skeptisch, aber dennoch soll in alle Richtungen ermittelt werden. Und so zeichnet sich ab, dass hier möglicherweise ein Fall vorliegt, der die Lernfähigkeit von Menschen bezweifeln lässt.

In diesem Reihenstart stellt das Autorinnen-Duo ihr Team vor, deren Mitglieder sich untereinander noch kennenlernen müssen. Gerade zu Beginn der Ermittlung nimmt dies etwas viel Raum ein und auch die langsam voranschreitende Ermittlung erfordert ein klein wenig Durchhaltevermögen. Ist jedoch einmal der Zusammenhang zwischen dem Ausstellungsthema und dem Mordfall hergestellt, verfolgt man mit Spannung, was da zutage tritt. Das generelle Thema ist vielleicht aus allgemeinen Presseveröffentlichungen grundsätzlich bekannt. Dennoch erstaunt es ungemein, dass derartige Aktivitäten unter dem Deckmäntelchen der guten Absichten wohl noch häufiger zu finden sind als eh schon befürchtet. In diesen sehr fesselnden Kriminalfall mit seinen klug zusammengefügten Wendungen wird einem auf mahnende, aber auch packende und unterhaltsame Weise dargebracht, dass immer versucht werden sollte, das vermeintlich Beste nicht als Ausrede für eigentlich ungute Taten zu nehmen.

Dies Reihendebüt fesselt mit seinem brisanten Thema und seinen Ermittlern, die mit ihren Ecken und Kanten umso sympathischer wirken.