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Veröffentlicht am 23.02.2022

Selbstfindung der Buchhändlerin Christa in den 1950er und 1960er Jahren

Die Buchhändlerin: Die Macht der Worte
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Der Roman „Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ von Ines Thorn ist der zweite Band der Serie rund um die Buchhändlerin Christa, die in Frankfurt am Main lebt. Nachdem ich die Protagonistin im ersten ...

Der Roman „Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ von Ines Thorn ist der zweite Band der Serie rund um die Buchhändlerin Christa, die in Frankfurt am Main lebt. Nachdem ich die Protagonistin im ersten Band bis 1949 begleitete, beginnt die Fortsetzung im Jahr 1951. Christa arbeitet weiterhin als Buchhändlerin. Zusätzlich hat sie nach Abschluss ihres Germanistikstudium damit begonnen, ihre Doktorarbeit zu schreiben.

Das Leben hat es nicht immer gut mit ihrer Familie gemeint, aber Christa war hilfsbereit und hat häufig ihre eigenen Wünsche hintenangestellt. Die Ehe, die sie eingegangen ist, war ein gutes Arrangement., doch sie ist immer noch in den Lyriker Jago verliebt, dem sie nach mehreren Jahren wieder begegnet. Aber die Beziehung ist belastet durch die Vergangenheit von Jagos Vater. Durch ihn wird sie weiterhin mit den Gräueln des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. Sie vermeidet den Kontakt, möchte damit gleichzeitig aber auch Jago nicht brüskieren. Währenddessen kehrt der leibliche Vater ihres adoptierten Sohns Heinz aus der Kriegsgefangenschaft zurück und erhebt Ansprüche auf seinen Nachwuchs.

Es ist für Christa keine leichte Zeit bis 1968, dem Jahr in dem der Roman endet. Zwischenzeitlich ergeben sich mögliche Freiräume für sie, in denen sie endlich ihren eigenen Wünschen folgen könnte, doch dann werden ihr wieder aus ihrem Umfeld heraus andere Aufgaben angetragen. Von ihrer Mutter wurde sie auf eine spätere Heirat und den damit verbundenen Pflichten als Ehefrau vorbereitet. Christa hat sich gegen diese Rollenzuordnung aufgelehnt. Jetzt fechtet sie einen inneren Kampf mit sich. Einerseits möchte sie den Anforderungen als Hausfrau und Mutter entsprechen, andererseits wünscht sie sich, ihren Beruf auszuüben und zu promovieren. Es ist allgemein schwierig, sich in einer immer noch von Männern dominierten Gesellschaft zu behaupten.

Nach einem Beginn, der fließend an den ersten Teil anschließt und für Christa manche Überraschung bereithält, gelegentlich unangenehm, aber auch mal schön, ließ das mich ansprechende Geschehen im mittleren Teil etwas nach. Statt selbstbewusst ihren Weg zu gehen, lässt die Protagonistin von ihren Zielen ab. Dadurch konnte ich ihr Handeln teils nicht mehr nachvollziehen. Nachdem sie dann allerdings ihrem Herzen folgt, wird die Geschichte wieder facettenreicher.

Durch die Freundin von Heinz erfährt sie die Einstellung einer neuen Generation, die aktiv ihre Meinungen zum Ausdruck bringt beispielsweise in den Studentenunruhen der 1968er. Durch die Auseinandersetzung mit den ungewohnten Ansichten wird Christa deutlich, was sie im Leben nicht verwirklicht hat. Aber noch ist es nicht zu spät für sie, einen Teil ihrer Träume umzusetzen.

Auch diesmal spielt die Geschichte vor dem Hintergrund der Literaturlandschaft. Über die Jahre hinweg bindet Ines Thorn wichtige Entwicklungen auf dem Buchmarkt mit ein. Ein Thema, das breiten Raum einnimmt, bilden antiquarische Bücher über deren Chancen und Risiken beim Handel ich auf diese Weise mehr erfahren konnte. Aber auch weitere kulturelle Begebenheiten lässt die Autorin einfließen genauso wie Ereignisse politischer Art.

Mit dem Roman „Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ zeigt Ines Thorn, welche Bedeutung dem geschriebenen und gesprochenen Wort in Deutschland in den 1950ern und 1960er Jahren zukam. Ihre Protagonistin Christa durchläuft dabei verschiedene Phasen der Selbstfindung, die sich an den Konventionen der Zeit orientieren. Die Autorin ummantelt ihre Geschichte mit wichtigen gesellschaftsrelevanten Themen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 22.02.2022

Ansteigende Spannung nach einem zunächst ruhigen Anfang

The Maid
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Molly Gray ist 25 Jahre alt und lebt in London, wo sie im Regency Grand Hotel zum Dienstpersonal gehört. Als Protagonistin und Ich-Erzählerin im Roman „The Maid“ von Nita Prose sucht sie entsprechend des ...

Molly Gray ist 25 Jahre alt und lebt in London, wo sie im Regency Grand Hotel zum Dienstpersonal gehört. Als Protagonistin und Ich-Erzählerin im Roman „The Maid“ von Nita Prose sucht sie entsprechend des Untertitels „Ein Zimmermädchen ermittelt“ nach dem Mörder oder der Mörderin eines Hotelgasts, nachdem sie selbst verdächtigt wird, die Tat begangen zu haben.

Im quirligen Hotel ist Molly gerne ein Teil des Reinigungspersonals. Sie liebt es, in ihrer sauberen Uniform die ihr zugewiesenen Zimmer einwandfrei zu reinigen. Eigentlich hätte sie sich gerne weitergebildet, aber weil ihr Vertrauen missbraucht wurde, verfügt sie nicht mehr über das dafür benötigte Geld. Eines Tages findet sie einen gutbetuchten Gast, der mit seiner Frau sehr oft ein Zimmer im Hotel mietet, tot auf. Obwohl es danach aussieht, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist, beginnt die Kriminalpolizei mit Ermittlungen und bald ist Molly nicht nur Zeugin, sondern steht unter Mordanklage. Da hilft es ihr nur, dass sie auf alle ihr zu Verfügung stehenden Mittel zurückgreift, um ihre Schuldlosigkeit zu beweisen und den wahren Täter zu finden.

Molly wurde von ihrer Großmutter aufgezogen, an ihre Eltern kann sie sich nicht erinnern. Ihre Oma hat zwar nicht im Hotel gearbeitet, aber ebenfalls einen großen Haushalt geführt. Viele ihrer Ratschläge lässt Molly in ihre Arbeit einfließen. Ich kannte einige der Sinnsprüche, sie erinnerten mich an früher als sie noch häufiger zur Anwendung kamen. Bereits zu Beginn verdeutlicht Nita Prose, dass ihre Protagonistin einmalig ist, so wie jeder Mensch, sich aber durch ihr besonderes Verhalten von vielen anderen abhebt.

Bei ihrer Arbeit stellt Molly hohe Ansprüche an sich selbst und weiß, dass sie bei ihren Erledigungen sehr gut ist. Ihre Sprache wirkt aufgesetzt, was auf ihre wenigen sozialen Kontakte und den ständigen Umgang mit ihrer Großmutter zurückzuführen ist. Es fällt Molly schwer, Gesichtsausdrücke zu deuten und Ironie zu erkennen. Es gelingt ihr aber zunehmend, ihr Verhalten bewusst anzupassen, denn sie mag es, unauffällig zu sein. Ihr bescheidener Lohn, aufgewertet durch Trinkgelder, reicht ihr zum Leben aus, denn sie stellt keine hohen Ansprüche. Bei ihren Überlegungen darüber, wie der Hotelgast gestorben ist, erfährt sie mehr Zuwendung aus ihrem Umfeld als sie je geahnt hätte. Sie war mir sympathisch und ich hoffte für sie, dass es ihr möglich sein wird, ihre Unschuld zu beweisen.

Nach einem ruhigen Einstieg gelingt es Nita Prose im Roman „The Maid“ dank einiger unerwarteter Wendungen mit der Zeit Spannung aufzubauen, die dann durch eine überraschende Entwicklung im letzten Drittel nochmal gesteigert wird. Aufgrund der einzigartigen Protagonistin, die durch ihre Charaktereigenschaften die Herzen der Lesenden gewinnt, ist die Geschichte äußerst unterhaltsam. Daher empfehle ich sie gerne weiter.

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Veröffentlicht am 17.02.2022

Thriller mit steigender Spannung, unvorhersehbarem Geschehen und einem überzogenen Schluss

Vogelgrab
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„Vogelgrab“ heißt der erste Band einer Dilogie von Anne Frasier, einem „Reni-Fisher-Thriller“. Reni Fisher ist eine von zwei Protagonisten der Geschichte. Sie ist eine FBI-Profilerin, die aber vor drei ...

„Vogelgrab“ heißt der erste Band einer Dilogie von Anne Frasier, einem „Reni-Fisher-Thriller“. Reni Fisher ist eine von zwei Protagonisten der Geschichte. Sie ist eine FBI-Profilerin, die aber vor drei Jahren ihren Job quittiert hat und nun zurückgezogen am Rand der Mojave-Wüste lebt. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich inzwischen mit der Herstellung und dem Verkauf von Töpfereien.
Noch wichtiger für die Handlung ist allerdings die Tatsache, dass Reni die Tochter des Serienmörders Benjamin Fisher ist, der vor etwa dreißig Jahren gefasst wurde und seitdem im Gefängnis sitzt. In der Bevölkerung ist Benjamin unter dem Namen „Inland-Empire-Killer“ bekannt, weil er seine Taten in dem gleichnamigen Gebiet östlich von Los Angeles in Kalifornien begangen hat. Seine Opfer hat er in der Wüste vergraben, kaum eines der Gräber konnte aufgefunden werden.
Als Benjamin nach langen Jahren und mehreren Aufforderungen endlich bereit ist, mit der Kriminalpolizei zu kooperieren, ist es Detective Daniel Ellis von der Mordkommission San Bernardino der Kontakt aufnimmt, um sich von ihm zu den Grabstellen führen zu lassen. Der Titel spielt auf eine Markierung in Bezug auf einen dieser Orte an. Aber Benjamin stellt die Bedingung, dass seine Tochter Reni dabei sein soll.
Reni kämpft seit ihrer Kindheit mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, denn ihr Vater hat sie immer zum „Spiel“ mit den Frauen mitgenommen und sie diente ihm in ihrer Rolle als arglos wirkendes Mädchen als Köder. Sie leidet darunter, dass ihre Erinnerungen verschwommen sind. Nachdem sie sich auf Anfrage von Daniel dazu bereit erklärt hat, dem Wunsch ihres Vaters zu folgen, beginnt für sie die von ihr bereits erwartete Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit. Sie weiß bis dahin noch nicht, dass Daniel nicht uneigennützig an der Aufklärung der Morde handelt.
Die Inhaltsangabe spiegelt nur in Ansätzen wieder, was mich als Leserin im Thriller erwartete. Schon nach etwa einem Drittel der Geschichte kommt es zu einem vermeintlichen Abschluss, der sich dann aber als Beginn einer Suche herausstellte, die für die beiden Protagonisten eine entscheidende Wende im Fall darstellt. Immer wieder blendet Anne Frasier in Kapiteln auf die Vergangenheit von Reni und Daniel. Auf diese Weise wurde mir mehr und mehr bewusst gemacht, welche Motive die beiden in der Gegenwart bei ihren Ermittlungen antreiben.
Reni setzt sich mit Schuldgefühlen auseinander. Der Autorin gelingt es, ihren inneren Zwiespalt darzustellen, denn einerseits kann Reni ihre Mitwirkung an den Verbrechen nicht verwinden und andererseits hat sie als Kind ihren Vater sehr gern gehabt. Auch zu ihrer Mutter hat sie bis in die Gegenwart ein konfliktreiches Verhältnis. Während sie ihre Erinnerungen reflektiert und an das bisher Bewährte festhalten möchte, bekommt ihre Lebenswelt, die ihr in einem gewissen Rahmen Stabilität gegeben hat, mehr und mehr Risse.
Die Beschreibungen von Anne Frasier lassen das beklemmende Umfeld der Wüste aufleben. Durch die wandelbare Gestaltung ihrer Figuren ist es der Autorin möglich, der Erzählung immer wieder neue Wendungen zu geben. Die Spannung wurde von Beginn an gesteigert und konnte den Spannungsbogen halten. Mehrmals wurde ich überrascht durch die Richtungsänderungen der Handlung. Jedoch empfand ich den Schluss als überzogen und zu aufgesetzt. Hier wäre nach meiner Meinung, weniger mehr gewesen.
Anne Frasier hat mit „Vogelgrab“ einen Thriller mit steigender Spannung aufgrund interessanter Charaktere und unvorhersehbaren Geschehens geschrieben, wobei mir das Ende zu übertrieben war. Es bleiben einige Fragen offen, die vermutlich im zweiten Band der Dilogie geklärt werden. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende von Thrillern weiter.

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Mitreißend konstruiert mit durchgehender Spannung

Grabesstern
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Der Thriller „Grabesstern“ der Dänin Anne Mette Hancock ist der dritte Band einer Serie, in der Kommissar Erik Schäfer von der Mordkommission Kopenhagen und die Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan ...

Der Thriller „Grabesstern“ der Dänin Anne Mette Hancock ist der dritte Band einer Serie, in der Kommissar Erik Schäfer von der Mordkommission Kopenhagen und die Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan ermitteln. Für die Tageszeitung, bei der Heloise angestellt ist, recherchiert sie momentan zu einem Artikel über Sterbebegleitung. Um ihren Bericht authentisch zu gestalten, hat sie sich an eine Gruppe Sterbebegleiter gewendet, die sie im Fall Jan Fischhof nun unterstützt. Schon bald wird er zu den Sternen gehen.
Eines Tages äußert sich der Sterbenskranke ihr gegenüber mit rätselhaften Worten. Er scheint vor etwas Angst zu haben, das in seiner Vergangenheit begründet liegt. Ein Name fällt. Heloise setzt alle Hebel in Bewegung, um die Person zu finden, von der Jan gesprochen hat. Ihre Suche führt sie nach Jütland. Dort findet sie heraus, dass die genannte Person bei dem Brand eines Boots ums Leben gekommen ist.
Außerdem führt ihre Recherche sie zu einem mehr als zwanzig Jahre zurückliegenden Fall eines verschwundenen Mädchens. Doch bei Befragungen im Umfeld des Mädchens trifft Heloise in bestimmten Punkten auf eine Mauer des Schweigens. Lange rätselt sie, welche Rolle Jan im Entführungsfall spielt.
Heloise wendet sich an Erik Schäfer, um an kritische Daten zu kommen. Nur widerwillig folgt er ihrer Anfrage und bittet einen alten Bekannten um Hilfe. Der bevorstehende Tod von Jan Fischhof lässt Heloise unter Zeitdruck stehen. Die Aufklärung der Taten, denen die Journalistin nachgeht, eilt daher nur in Bezug darauf, ob Jan zu den Ermittlungen beitragen kann, denn sie liegen schon sehr lange zurück. Zwar erinnern die in Jütland Befragten sich noch ganz gut an die damaligen Geschehnisse, die betroffenen Familien haben auch weiterhin ein Interesse an der Aufklärung, aber allgemein hat man sich mit der Lage abgefunden. Heloise trifft auf Erstaunen darüber, dass jemand Erkundungen zu dem alten Fall anstellt.
Es gelingt Anne Mette Hancock wieder ein spannender Aufbau mit unterschwelliger Spannung von Beginn an. Auch diesmal konnte ich am Privatleben der beiden Protagonisten, bei dem Heloise eine frühere Liebe wiedertrifft, teilhaben. Die Autorin deutet immer wieder gefühlsmäßige Verletzungen an, die die Journalistin früher erfahren hat und über die ich in den ersten beiden Teilen lesen konnte. Es ist angenehm von der vertrauensvollen, von Respekt geprägten Zusammenarbeit des Ermittlergespanns zu lesen.
Anne Mette Hancock führt die Ermittlungen zu einer unverhofften Wende am Schluss, die mich zwar überrascht, aber auch verwundert hat. Heloise hat anscheinend aus einem alten Foto nicht das jetzige Aussehen der Person ableiten können. Ich finde es außerdem eher unwahrscheinlich, dass der tiefe Biss eines aggressiven Hunds nach der erfolgten Schilderung mit schwerem Schaden keine weiteren Auswirkungen auf die Bewegungsfähigkeit des Angegriffenen haben soll, was ich schon aufgrund einer Attacke auf eine Bekannte in der Folge anders erlebt habe.
„Grabesstern“ von Anne Mette Hancock ist mitreißend konstruiert und hält die Spannung durchgehend durch unvorhersehbare Wendungen und der Klärung der über allem stehenden Frage nach der Verwicklung in die lange zurückliegenden Verbrechen eines durch die Protagonistin beim Sterben Begleiteten, was mich aber nicht ganz überzeugen konnte. Gerne empfehle ich das Buch an alle Fans der Serie rund um Heloise Kaldan und Erik Schäfer und jeden Leser und jede Leserin von Thrillern weiter.

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Veröffentlicht am 03.02.2022

Authentisches Coming-of-Age dreier Mädchen in einer hessischen Kleinstadt in den 1970/80ern

Unser kostbares Leben
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Der Roman „Unser kostbares Leben“ von Katharina Fuchs spielt in den 1970er und 1980er Jahren in Hessen in Mainheim. Der Name ist fiktiv, entspricht aber in der Realität einer ähnlichen Kleinstadt in der ...

Der Roman „Unser kostbares Leben“ von Katharina Fuchs spielt in den 1970er und 1980er Jahren in Hessen in Mainheim. Der Name ist fiktiv, entspricht aber in der Realität einer ähnlichen Kleinstadt in der Nähe von Frankfurt am Main. Im Titel spiegelt sich wider wie wertvoll unsere Existenz ist und wie wichtig es daher ist, alles dafür zu tun, damit Menschen, Flora und Fauna so geringen Schaden wie möglich nehmen. Die drei jungen Frauen auf dem Cover versinnbildlichen die drei Protagonistinnen der Geschichte.

Caro und Minka sind zwei der Hauptfiguren. Im Jahr 1972 sind beide zehn Jahre alt und beste Freundinnen. Caro ist die Tochter des Direktors der Schokoladenfabrik vor Ort, während Minkas Vater Bürgermeister von Mainheim ist. Als einer ihrer Klassenkameraden im nahegelegenen Schwimmbad verunglückt wird das Geschehen zu einer gesellschaftspolitischen Angelegenheit, die weitreichende Auswirkungen auf die führenden Kräfte der Kleinstadt und den von ihnen geleiteten Institutionen und Unternehmen hat. Zur gleichen Zeit trifft das vietnamesische Flüchtlingskind Claire im städtischen Kinderheim ein. Sie ist die dritte Protagonistin, genauso alt wie Caro und Minka und wird zu einem späteren Zeitpunkt von Caros Eltern adoptiert.

Die Erzählung trägt autobiographische Züge, denn das Leben der Autorin hat Ähnlichkeiten mit dem von Caro. Dadurch wirkten die Schilderungen auf mich besonders realistisch und ich konnte spüren, wie sehr Katharina Fuchs die von ihr für den Roman gewählten Themen am Herzen liegen, die sie teilweise seit ihrer Jugend beschäftigen wie beispielsweise Umweltverschmutzung und Tierversuche. Des Weiteren thematisiert sie in der Geschichte auch Arzneimittelstudien am Menschen. Was uns heute als verwerflich vorkommt, wurde damals nicht angezweifelt und oft als notwendig für den Fortschritt angesehen. Während die Beschreibungen auf Fakten beruhen, nimmt die Autorin sich die Freiheit einige Ereignisse zeitlich anzupassen, was den Roman noch bewegender gestaltet.

In ihren Beschreibungen vermittelte die Autorin mir als Leserin ein umfassendes Bild der Landschaft im Umfeld von Mainheim sowie als Gegenpol dazu die zunehmende Versiegelung der Kleinstadt durch die Ansiedlung weiterer Industrie und dem durch die steigende Arbeitnehmerzahl bedingten Bau von Wohngebieten. Ohne den technischen Standards von heute konnte man die Windrichtung am wechselnden Geruch erkennen, der in der Luft hing. Der Roman ist geschickt so konstruiert, dass sie im weiteren Verlauf immer dringlicher den Handlungsbedarf der Verantwortlichen aufzeigt. Dazu benötigt die Geschichte eine Anlaufzeit mit einigen Längen bis sie sich entfaltet und sich letztlich die Begebenheiten verschärfen.

In den Kapiteln des Romans stellt Katharina Fuchs unterschiedliche Figuren in den Fokus. Dadurch entsteht ein größeres Meinungsbild zu den verschiedenen Themen als bei einer Beschränkung auf die drei Protagonistinnen möglich wäre, von denen vor allem Minka sich schon früh beginnt politisch zu engagieren. Den Auffassungen der jungen Frauen gegenüber stellt die Autorin althergebrachte Ansichten der älteren Generation. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich die Darstellung als realistisch bestätigen.

Katharina Fuchs hat mit „Unser kostbares Leben“ einen Coming-Of-Age-Roman geschrieben, der authentisch die Jugend und Adoleszenzzeit von drei Mädchen beschreibt, die in einem Umfeld in den 1970er und 1980er Jahren aufwachsen, das geprägt ist von Seilschaften, die im Rahmen des Goodwill für Umweltzerstörung, Tierleid und menschenverachtendes Verhalten sorgen. Gleichzeitig stellt sie das wachsende Aufbegehren in der Bevölkerung gegen die Mangelzustände mit Zusammenschlüssen in Aktionsgruppen und entsprechenden Handlungen dar. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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