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Veröffentlicht am 08.03.2022

Gut Ding will Weile haben

Ein unverschämt gutes Kochbuch
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Joshua Weissman ist überzeugt von dem, was er mit Leidenschaft tut und was er am besten kann. Kochen. Hierzulande kaum bekannt, ist er in den Vereinigten Staaten ein Star am Herd, vertreten auf sämtlichen ...

Joshua Weissman ist überzeugt von dem, was er mit Leidenschaft tut und was er am besten kann. Kochen. Hierzulande kaum bekannt, ist er in den Vereinigten Staaten ein Star am Herd, vertreten auf sämtlichen Social Media Plattformen. 5,8 Millionen Follower auf TikTok und 5,3 Millionen Abonnenten auf YouTube, Zahlen, die für sich sprechen. Und wer wollte nicht schon immer einmal „Ein unverschämt gutes Kochbuch“ im Regal stehen haben? So der Titel, der nicht nur Interesse weckt, sondern auch suggeriert, dass hier ein Koch am Werk ist, dem es nicht an Selbstvertrauen mangelt. Stellt sich nur noch die Frage, ob die Rezepte diese Erwartungen einlösen.

Gut Ding will Weile haben, so könnte man die Gerichte überschreiben, für die sich Weissman stark macht. Das liegt in erster Linie daran, dass er es vermeidet auf fertige Zutaten zurückzugreifen. Und damit meint er nicht Convenience Food, sondern auch so simple Dinge wie Butter aus der Packung, was ich reichlich übertrieben finde.

Ungefähr ein Drittel des Kochbuchs bietet Anleitungen für selbstgemachte Basics: diverse Brühen, Butter, Käse, Soßen, Dips, Pickles, Marmelade, Backwaren und Pasta. Das ist alles recht zeitintensiv und somit im Alltag kaum zu realisieren. Kann man machen, muss man aber nicht. Manche dieser Rezepte sind interessant, andere wiederum, und hier schreibe ich aus Erfahrung, wohl in erster Linie für amerikanische Ernährungsgewohnheiten gedacht. Deutlich wird das an Weissmans Ketchup: Tomatenmark, Wasser, Essig und jede Menge Maissirup. Das geht auch anders, nämlich mit frischen Tomaten und sparsam dosiertem Rohrohrzucker. Das Ergebnis spricht für sich und ist mit Sicherheit gesünder.

Diese Grundzutaten sind ein elementarer Bestandteil seiner durchaus kreativen Rezepte (knapp 170 Seiten), die von amerikanischen und europäischen Einflüssen sowie von der asiatischen Küche inspiriert sind. Kein Wunder, hat er doch lange in einem japanischen Restaurant gekocht.

Die Einteilung ist nicht weiter überraschend: Frühstück (btw. wer braucht ein Rezept für „Perfekt gekochte weiche Eier“?), Appetizer/Snacks, Fisch, Fleisch, Pasta, Sandwiches & Co., Gemüse und Salate, Suppen, Desserts. Die Rezepte sind detailliert, die Angaben zum zeitlichen Aufwand passen, die Zutaten (fast alle in jedem Supermarkt erhältlich) aufgelistet, die Zubereitung in Einzelschritten ausführlich beschrieben, jedes einzelne Rezept mit qualitativ hochwertigen Fotos garniert. Was ich allerdings vermisse, sind die Nährwertangaben.

Für passionierte Hobbyköche, die weder Zeit noch Mühe scheuen und Spaß am stundenlangen Werkeln am Herd haben, kann ich dieses Kochbuch absolut empfehlen, für die Alltagsküche hingegen ist es allerdings aus genannten Gründen nur bedingt tauglich.

Veröffentlicht am 18.02.2022

Wirklichkeit, Wahn oder Schuld?

Der geheimnisvolle Mr. Hyde
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Edinburgh und Robert Louis Stevenson (1850–1894) gehören untrennbar zusammen. Das kann jede/r bestätigen, der schon einmal die Hauptstadt Schottlands besucht bzw. sich mit deren kulturellem Erbe auseinandergesetzt ...

Edinburgh und Robert Louis Stevenson (1850–1894) gehören untrennbar zusammen. Das kann jede/r bestätigen, der schon einmal die Hauptstadt Schottlands besucht bzw. sich mit deren kulturellem Erbe auseinandergesetzt hat. Viele schottische Autoren nennen, nach ihren Vorbildern befragt, an erster Stelle den Autor der viktorischen Schauernovelle „Strange Case of Dr Jekyll und Mr Hyde“ (1886). Und auch Craig Russells Thriller „Der geheimnisvolle Mr. Hyde“, 2021 mit dem McIlvanney-Preis des Bloody Scotland Crime Writing Festival ausgezeichnet, ist, auch wenn die Story wenig mit der Vorlage gemeinsam hat, inspiriert von diesem Werk und eine Verbeugung vor dessen Schöpfer.

Wir sind in Edinburgh, das 19. Jahrhundert neigt sich dem Ende zu. Die Atmosphäre, speziell des Nachts, ist so, wie man es von einem viktorianischen Roman erwartet. Die Nebelschwaden wabern durch schlecht ausgeleuchtet Gassen, in denen Schatten auftauchen und unerkannt wieder verschwinden. Ideale Bedingungen für jemanden, der nichts Gutes im Sinn hat.

Im Zentrum des Romans steht Edward Hyde, ein Freund Stevensons, ehemals in Indien im Einsatz, mittlerweile angesehener Superintendent und Präsident der Edinburgher Polizei. Allerdings gibt es da etwas, von dem nur er und sein behandelnder Arzt Kenntnis hat. Er kämpft mit physischen und psychischen Problemen, leidet an einer Erkrankung, die ihn des Öfteren an seiner Wahrnehmung zweifeln lässt. Wirklichkeit, Wahn oder Schuld? Es kommt immer wieder vor, dass er diese Unterscheidung in bestimmten Situationen nicht zweifelsfrei treffen kann, sich nicht erinnern kann, wenn eine dieser Episoden vorbei ist. Als in der Stadt immer wieder Mordopfer aufgefunden werden, die offenbar nach uralten keltischen Riten getötet wurden, betraut man ihn mit den Untersuchungen. Aber ist er wirklich der richtige Mann für diesen Fall? Besteht nicht vielleicht sogar die Möglichkeit, dass er für die Taten verantwortlich ist?

Keltische Riten, heidnische Symbole und die Schreie der Banshee könnte die Vermutung aufkommen lassen, dass Russell einen astreinen Gothic-Thriller geschrieben hat. Allerdings ist das nur ein Aspekt, denn auch das historische Erbe der Stadt wird thematisiert (unter anderem galt Edinburgh lange Zeit als Zentrum der medizinischen Innovationen und wird hier durch einen kurzen Auftritt von Dr Joseph Bell repräsentiert, der die Vorlage für Sherlock Holmes lieferte). „Der geheimnisvolle Mr Hyde“ bietet nicht nur spannende Unterhaltung sondern weckt auch das Interesse an Edinburgh, regt an, sich eingehender mit der Historie dieser facettenreichen Metropole und ihrer Persönlichkeiten zu beschäftigen. Es lohnt sich!

Veröffentlicht am 08.02.2022

"Wenn du stirbst...

In die Arme der Flut
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…bist du vollkommen glücklich und deine Seele lebt irgendwo weiter. Ich habe keine Angst zu sterben. Vollkommener Frieden nach dem Tod, jemand anderes zu werden ist die beste Hoffnung, die ich habe.“ Mit ...

…bist du vollkommen glücklich und deine Seele lebt irgendwo weiter. Ich habe keine Angst zu sterben. Vollkommener Frieden nach dem Tod, jemand anderes zu werden ist die beste Hoffnung, die ich habe.“ Mit diesem Zitat von Kurt Cobain könnte man den Punkt beschreiben, an dem sich auch die Hauptfigur in Gerard Donovans „In die Arme der Flut“ befindet.

Luke Roy lebt in Ross Point, einem von Gott und der Welt verlassenen Kaff in Maine, arbeitet dort in einer Fabrik, tagaus, tagein die gleiche Monotonie. Sein Denken kreist seit frühester Jugend um den Tod, es ist ein diffuses Sehnen nach dem Ende. Versucht hat er es bereits, allerdings nicht in letzter Konsequenz durchgeführt. Aber jetzt ist es soweit. Schnell soll es gehen, und im wahrsten Sinn des Wortes todsicher sein. Der richtige Zeitpunkt scheint gekommen. Ein Sprung von der Brücke in den Moss River, 35 Meter in die Tiefe, der Körper zerschmettert, von der Strömung ins Meer gezogen. Oder doch nicht? Er zaudert, er zögert, entscheidet sich dagegen, dreht um und bemerkt im Weggehen ein Kind, das aus einem gekenterten Boot gefallen ist und auf einen Strudel zutreibt. Ohne Zögern wagt er den Sprung, bekommt es zu fassen und rettet es. Es scheint, als ob Paul, so der Name des Jungen, ein Seelenverwandter Lukes wäre, da er keinerlei Anstrengungen unternommen hat, den Fluten zu entkommen.

Passanten haben die Aktion beobachtet, stellen ihre Fotos davon ins Netz, die Anzahl der Klicks explodiert. Luke steht plötzlich im Zentrum des Interesses, wird zur Berühmtheit, erhält eine Tapferkeitsmedaille. Politiker lassen sich mit ihm ablichten, instrumentalisieren ihn für ihren Wahlkampf. Doch Ruhm ist vergänglich. Alles ändert sich, als ein Video auftaucht, das das Ereignis in einem anderen Licht erscheinen lässt, und plötzlich schlägt ihm blanker Hass entgegen. Diejenigen, die ihm gestern noch auf die Schulter geklopft haben, wenden sich von ihm ab. Steine fliegen, das Boot, auf dem er lebt, geht in Flammen auf. Doch dann wird der Zeitung ein weiterer Film zugespielt, der Lukes Version bestätigt, und schon ist der Außenseiter wieder der strahlende Held, der er nie sein wollte. Aber für die Brandstiftung, den Verlust seines Bootes, seines Heims, übernimmt niemand Verantwortung.

Wie bereits in dem erfolgreichen „Winter in Maine“ steht auch in dem diesem Roman ein Mensch im Mittelpunkt, dessen Leben von einem Gefühl der Isolation durchdrungen ist. Luke fühlt sich fremd unter Menschen, ist einsam und hat im Laufe seines Lebens eine ungesunde Faszination für den Tod entwickelt. Leidet er an Depressionen? Will er sterben? Eindeutig ist beides nicht, es bleibt in der Schwebe.

Aber der Roman ist mehr als das Psychogram eines Außenseiters, er ist gleichzeitig eine Abrechnung mit unserer medialen Welt, die sensationsgierig jede halbwegs interessante Information durch den Wolf dreht, jedoch das, was dieses Vorgehen mit den Menschen macht, völlig ignoriert. Hauptsache, die Anzahl der Klicks stimmt.

Veröffentlicht am 02.02.2022

Keep it simple

Weil's einfach gesünder ist
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Ausgewogen und gesund sollten wir uns ernähren, das ist klar, aber leider fehlt oft das Wissen über das, was unsere Lebensmittel an Nährstoffen zu bieten haben. Hier setzt Alexander Herrmann mit seinem ...

Ausgewogen und gesund sollten wir uns ernähren, das ist klar, aber leider fehlt oft das Wissen über das, was unsere Lebensmittel an Nährstoffen zu bieten haben. Hier setzt Alexander Herrmann mit seinem Kochbuch „Weil’s einfach gesünder ist“ an und vermittelt auf anschauliche und verständliche Weise Basiswissen anhand von diversen Top Ten Listen: Fette und Öle / Gewürze und Co. / Getreide und Hülsenfrüchte / Gemüse / Kräuter / Nüsse und Co. / Obst.

Aber keine Sorge, auch der Genuss wird nicht vernachlässigt. In über 70 Rezepten deckt er sämtliche Mahlzeiten von Frühstück bis Abendessen ab, die allesamt auf Zutaten basieren, die uns und unserem Körper Gutes tun: Start in den Tag, Hauptmahlzeiten, Kleine Gerichte…so die Einteilung. Und das bringt uns zu seinem nächsten Anliegen. Er plädiert nämlich für intermittierendes Fasten, heißt, man solle gewisse Zeitfenster bei der Nahrungsaufnahme einhalten, im Idealfall nach dem 16:8 Schlüssel. Ein unkompliziertes, flexibles System, das sich perfekt ins tägliche Leben integrieren lässt und Gesundheit und Wohlbefinden garantieren kann.

Die Rezepte sind unkompliziert zu realisieren, basieren im Wesentlichen auf Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse, letztere im Idealfall natürlich saisonal, ergänzt mit hoch- und vollwertigen Kohlenhydraten. Fleisch ist selbst bei den Hauptmahlzeiten selten zu finden, und wenn doch, so nimmt es eher eine Nebenrolle ein. Die Zutaten sind penibel aufgelistet und sollten überall erhältlich sein, die Zubereitungen bis ins Detail beschrieben, und selbst zum appetitlichen Anrichten gibt es hilfreiche Tipps inklusive einer professionellen Bebilderung. Ein ausführliches Register rundet dieses informative Kochbuch ab.

Einen Wermutstropfen gibt es dennoch. Vermisst habe ich die Nährwertangaben bei den jeweiligen Gerichten, im Speziellen die Werte für Kohlenhydrate und Kalorien. Diese Informationen wären bestimmt hilfreich für Nutzer, die sich nach dem Low Carb Prinzip ernähren bzw. auf die tägliche Kalorienzufuhr achten.

Veröffentlicht am 27.01.2022

Da muss doch noch Leben ins Leben...

Ende in Sicht
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Ronja von Rönne ist eine Autorin die polarisiert, was man auch in den Besprechungen zu ihrem neuen Roman „Ende in Sicht“ feststellen kann, in dem sie sich mit dem Thema Depression und Suizid beschäftigt. ...

Ronja von Rönne ist eine Autorin die polarisiert, was man auch in den Besprechungen zu ihrem neuen Roman „Ende in Sicht“ feststellen kann, in dem sie sich mit dem Thema Depression und Suizid beschäftigt. Für die einen ist der Roman die einfühlsame und gelungene Beschreibung der Innenwelt zweier Frauen, die an dieser Krankheit leiden, für die anderen eine oberflächliche, auf Knalleffekte ausgelegte Geschichte, die lediglich an der Oberfläche kratzt.

Das Leben ist doch schön, oder? Diese Frage würde sowohl Hella, die Schlagersängerin, die ihre besten Jahre längst hinter sich hat und in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist, als auch die fünfzehnjährige Juli, aufgewachsen mit ihrem alleinerziehenden Vater, die sich all die Jahre nach ihrer abwesenden Mutter gesehnt hat, wohl mit Nein beantworten. Beide sind an dem Punkt, an dem ein Weiterleben kaum mehr möglich scheint, sie des Lebens überdrüssig sind. Die eine ist auf dem Weg in die Schweiz, wo sie mit Hilfe einer gefakten Bescheinigung ihrem Leben ein Ende setzen will, die andere macht es kurz und schmerzlos und springt von einer Grünbrücke auf die Autobahn. Es ist Hellas Auto, vor dem Juli landet, die bei dem Sprung nicht gestorben sondern nur leicht verletzt ist. Nach einem kurzen Stopp im Krankenhaus setzen sie ihren Weg gemeinsam fort, und so entsteht aus diesem unerwarteten Zusammentreffen eine Allianz auf Zeit, in der sich die beiden scheibchenweise öffnen. Und obwohl ihr Umgang weniger von Verständnis und Mitgefühl als von Ruppigkeit geprägt ist, blitzt ab und an doch so etwas wie Einfühlungsvermögen und Interesse in den Dialogen auf.

Einfühlsam oder oberflächlich? Ganz so eindeutig kann ich die Frage für mich nicht beantworten, denn es ist beides. Einerseits tappt die Autorin nicht in die Sentimentalitätsfalle sondern konzentriert sich im Wesentlichen auf die Beschreibung der unterschiedlichen Lebens- und Gefühlswelten der Protagonistinnen, und das gelingt ihr gut. Andererseits arbeitet sie sich aber auch an den abgedroschenen Klischees der gestörten Mutterbeziehung und ab. Bei Hella ist es das Leiden an der Bevorzugung der Schwester, bei Juli das Sehnen nach der abwesenden Mutter. Gemeinsam ist ihnen die lähmende Gewöhnung, das Gefühl, fehl am Platz zu sein und von ihrem Umfeld nicht wahrgenommen zu werden. Depression und Suizid sind ernste Themen, aber hier bleibt mir von Rönne zu sehr an der Oberfläche, kratzt nur zaghaft, bevor es richtig wehtun kann. Aber das passt auch zum Ende der Geschichte.