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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.04.2022

Malerisch, sinnlich, stimmungsvoll

Ein französischer Sommer
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Leah wird auf eine Anzeige im Stadtmagazin aufmerksam, in welcher der Schriftsteller Michael eine Assistentin sucht. Es geht darum, Michaels Tagebücher aus zwei Jahrzehnten zu sichten und zu übertragen. ...

Leah wird auf eine Anzeige im Stadtmagazin aufmerksam, in welcher der Schriftsteller Michael eine Assistentin sucht. Es geht darum, Michaels Tagebücher aus zwei Jahrzehnten zu sichten und zu übertragen. Sie hat gerade erst ihren Abschluss gemacht, ohne genau zu wissen, wie es weitergeht, aber die Anzeige macht sie neugierig. Doch erst über Umwege kommt es zu einem Treffen und die Dinge nehmen ihren Lauf.

Francesca Reece erzählt ihr Debüt aus zwei Ich-Perspektiven: mit Michael taucht man in seine 70er Jahre ein, während Leah im Hier und Jetzt bliebt. Michael wird ungeschönt als rücksichtslose Persönlichkeit dargestellt und seine Vergangenheit gibt interessante Rückschlüsse über sein Verhalten. Leah hingegen hat ein angenehmes Naturell. Mit ihrer Schwäche, den Bewertungen anderer hohe Bedeutung beizumessen, bildet sie einen starken Kontrast zu Michael, der es nicht darauf anlegt, sympathisch zu wirken. Der ausgeglichene Schreibstil verleiht dem Roman einen Flair von Sinnlichkeit und einen spürbaren französischen Esprit voller Klugheit und Charme. Das passt ausgesprochen gut zu der Vorstellung warmer Sommertage und bietet bildhafte Eindrücke französischer Kultur und Landschaftsbilder. Den auch sprachlich spürbaren Wechseln zwischen den Perspektiven, fand ich gelungen. Jugendliche Moderne trifft auf gekünstelte Stabilität. Mit Eingewöhnungszeit wurde der Roman nach zweihundert Seiten deutlich interessanter und ich durchlebte mit Leah aufregende Zeiten. In Hinblick auf das Ende, fehlte es mir an Nachvollziehbarkeit. Dadurch konnte mich die Handlung insgesamt weniger überzeugen, aber die sommerliche Stimmung, der französische Stil und Leah werden mir in guter Erinnerung bleiben. Eine gute Mischung aus anspruchsvollem Stil und federleichtem Sommer.

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Veröffentlicht am 04.03.2022

Freundliches Seemonster und alte Legenden

Sea Monsters – Ungeheuer weckt man nicht (Sea Monsters 1)
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Hauptfiguren der Geschichte sind der zehnjährige Finn und die gleichaltrige Poppy, die gerade erst aus Glasgow auf die schottische Insel gezogen ist. Durch einen Zufall entdecken sie ein Seemonster, das ...

Hauptfiguren der Geschichte sind der zehnjährige Finn und die gleichaltrige Poppy, die gerade erst aus Glasgow auf die schottische Insel gezogen ist. Durch einen Zufall entdecken sie ein Seemonster, das für ziemliches Chaos auf der Insel sorgt und ein Geheimnis aus der Vergangenheit aufdeckt.

Besonders toll sind die zahlreichen s/w-lllustrationen und die farbig gestaltete Karte. Mit den kurzen Kapitel und der großen Schift eigenen sich das Buch gut für Selbstleser ab 9 Jahren. Tatsächlich würde ich das Buch bis ca. 12 Jahren begrenzen, weil die einfach gestrickte Erzählweise, das schnelle Tempo und die oberflächlichen Charaktere sich eher an Jüngere richten. Vorlesende Erwachsene hätten möglicherweise nicht so viel Spaß mit dem Buch. Das spannende Handlungsgeschehen dürfte, neben den mystischen Monstern aus dem Meer, der größte Pluspunkt der Geschichte sein. Außerdem werden unterhaltsam wichtige Werte wie Mut und Freundschaft vermittelt und die Charaktere sind sympathisch. Die Hauptfiguren gerate sowohl mit sich selbst (Ängste überwinden) in Konflikt, als auch bei der Auseinandersetzung mit den Erwachsenen, was die richtige Entscheidung betrifft. Denn auch Erwachsene wissen nicht immer eine Antwort oder treffen die richtige Wahl. Mehr Informationen über die Insel, die Leute und die Hauptfiguren wären interessant gewesen und hätten der Geschichte mehr Würze verliehen. Der Fokus liegt aber auf einer flott erzählten Abfolge der Ereignisse, die Spannung erzeugt und zum Dranbleiben motiviert.

Fazit: Ein kurzweiliges Kinderbuch und maritimes Abenteuer mit Seemonstern und einem spannendem Finale für Kinder von 9-12 Jahren. Wir vergeben 3,5 Sterne für den ersten Band von Sea Monsters.

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Veröffentlicht am 18.02.2022

Literarischer Foodporn?

Butter
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In dem Roman „Butter“ geht es um die Journalistin Rika aus Tokio, die Manako Kajii im Gefängnis besucht, um einen Artikel über sie zu schreiben. Manako Kajii steht in Verdacht, ihre zahlreichen Liebhaber ...

In dem Roman „Butter“ geht es um die Journalistin Rika aus Tokio, die Manako Kajii im Gefängnis besucht, um einen Artikel über sie zu schreiben. Manako Kajii steht in Verdacht, ihre zahlreichen Liebhaber nicht nur mit köstlichen Speisen verwöhnt, sondern auch umgebracht zu haben.

„Diese Frau nutzte die Lücke im Herzen ihrer Opfer, die alle ein sehr einsames Leben führten.“

Rika möchte nicht nur dem ungewöhnlichen Fall und seiner Popularität auf den Grund gehen, sondern erhofft sich auch Wandlung für ihr festgefahrenes Leben. Über die Anschuldigungen will Manako Kajii in der Interviews allerdings nicht reden, sondern über ihre Kochkunst. Rika lässt sich darauf ein, obwohl sie sich nicht für Rezepte interessiert. Bei den Treffen im Gefängnis gibt die Inhaftierte den Ton an; sie hasse nichts mehr als Margarine und Diäten, was Rika verunsichert. Butter ist für Manako Kajii der Inbegriff der Köstlichkeit. Für die Recherche kauft sich Rika daraufhin Butter, beginnt für ihre Interviewpartnerin das zu tun, was sie nicht mehr kann, um ihre Beweggründe zu verstehen. Sie isst wie sie, und gerät immer mehr in den manipulativen Strudel der Anziehungskraft von Manako Kajii.

„Es gibt etwas, das jede Frau von Manako Kajii lernen kann. Solange sie sanftmütig ist und gut kochen kann, wird sich jeder in sie verlieben."

Immer wieder eine Rolle spielt die Bilderbuchgeschichte „Der kleine schwarze Sambo“, die 1928 von der schottischen Autorin Helene Bannerman veröffentlicht wurde. In diesem skurrilen Buch geht es um einen indischen Jungen und vier hungrige Tiger, die sich in Butter verwandeln und zu Pfannkuchen verarbeitet werden.

In dem Roman gibt es um den Verfall traditioneller Esskultur, die Leidenschaft für Milchprodukte, Frauenfeindlichkeit, die Verarbeitung von Traumata, Freundschaft und Selbstfindung. Die wichtigste Botschaft lautet jedoch: Frauen sollen sich selbst akzeptieren können, wie sie sind und Wertschätzung dafür erhalten. An Gewicht zuzunehmen, ist in Japan ein Indiz dafür, dass man sich gehen lässt. Auch Rika muss sich einige Bosheiten gefallen lassen, obwohl sie vorher ungesund dünn war und sich mit ihrem neuen Gewicht wohlfühlt.

Bildhaft und einnehmend schreibt die Japanerin Asako Yuzuki über Essen. Vom Einkaufen, über die Zubereitung bis zur Nahrungsaufnahme, ziehen einen ihre Beschreibungen über Geschmack, Konsistenz, Aussehen und Geruch in den Bann. Sie stellt die Sinnesfreunden und den Genuss in den Vordergrund und setzt die Entscheidung, nur zu essen, was einem schmeckt, mit Freiheit und Selbstbewusstsein gleich. Der Drang nach neuen Geschmackserlebnissen steht weit über ausgewogener Ernährung. Kochen ist keine Frage der eigenen Fähigkeiten, sondern der Prioritätssetzung und Sinnhaftigkeit. Auch der Austausch über Rezepte und Geschmackserlebnisse ist für die Autorin ein freudvoller Aspekt der Esskultur.

„Ihre liebevolle Zubereitung und ihr Duft waren wie eine zärtliche Umarmung (…) und die saisonalen Zutaten hatten ihr Kraft für den nächsten Tag gegeben.“

Streckenweise fiel es mir schwer, am Ball zu bleiben. Die Handlung dümpelt dialogreich vor sich hin. Es gibt nur kleine Momente der Spannung, die sich wieder verflüchtigen. Ins Essen fließt die ganze Leidenschaft der Autorin - und hier liegt die Stärke des Romans. Die Einblicke in die japanische Kultur sind bereichernd gewesen und einige Abschnitte waren besonders unterhaltsam. Die Entwicklung von Rika ist bemerkenswert. Sie gewinnt an Selbstbewusstsein und beginnt, ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Mir hat auch das Ende gut gefallen, die verhaltenen Beziehungen der Figuren, der kluge Schreibstil und der tiefsinnige Kontext, der das Buch lesenswert macht.

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Veröffentlicht am 19.01.2022

Übernatürlicher Horrorthriller beschert Gänsehaut

Red Hands – Tödliche Berührung
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Der Thriller beginnt mit einem dramatischen Ereignis: am 4. Juli rast ein Mann in eine Parade, steigt aus und tötet weitere Menschen durch die bloße Berührung seiner Hände. Die junge Maeve ist mit ihrer ...

Der Thriller beginnt mit einem dramatischen Ereignis: am 4. Juli rast ein Mann in eine Parade, steigt aus und tötet weitere Menschen durch die bloße Berührung seiner Hände. Die junge Maeve ist mit ihrer Familie bei der Parade und kann dem Tod zwar entkommen, aber in ihr breitet sich die Infektion aus. Völlig traumatisiert flüchtet die junge Frau in den Wald. Einen Wald, den sie seit ihrer Kindheit bestens kennt. Videos der Tragödie gehen viral und bald wird aus ganz unterschiedlichen Motiven jagt auf Maeve gemacht. Ein spannendes Ausgangszenario, das fortan aus mehreren Blickwinkeln die dramatische Flucht und die erbarmungslose Jagt schildert. „Projekt Red Hands“ wird ins Leben gerufen und Dr. Walker soll Maeve finden und beschützen. Er ist die zentrale Figur, der Held - gezeichnet von Schuld, Wehmut und Tugenden, die ihn die richtigen Entscheidungen treffen lassen - bis zum packenden Showdown.

Als ich das Buch gelesen habe, wusste ich gar nicht, dass es sich um einen dritten Band einer Reihe handelt, was natürlich die Rolle von Dr. Walker und die Anspielungen auf seine Vergangenheit erklärt. Der Autor Rue Crooker gewährt emotionale Einblicke in die Welt der Figuren und Angehörigen, ihrer Trauer und Angst und die Frage: Wie kann es sein, dass ein Erreger einen Wirt in Sekundenschnelle tötet? Szenen, die Gänsehaut verursachen, immer skurriler und übernatürlicher werden, lassen einen fassungslos mitfiebern. Es gibt einige Parallelen zur aktuellen Pandemie, in der wir uns befinden. Das macht die Geschichte allerdings noch intensiver und zielt nicht auf einen Bezug zur Realität ab. Es ist vielmehr faszinierend, wie Rue Crooker auf kreative Weise eine aktuelle Idee nimmt, verzerrt und so schaurig umgesetzt, das viele Elemente vereint, einen fiktionalen Horrorthriller ergeben. Ein paar Schwachpunkte gibt es bei den Figuren: diese wirken mitunter wie Statisten und das Ende wird dramatisch auf wenigen Seite abgehandelt, indem wieder Walkers emotionale Seite zum Tragen kommt.

Fazit: Ein hoher Gruselfaktor, einfühlsame Darstellungen und ein absolut tödlicher Virus ergeben eine packende Handlung, die rasant an Spannung zunimmt, während auch übernatürliche Elemente für Nervenkitzel sorgen. Gute Unterhaltung für schnelle Horrorkost.

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Veröffentlicht am 09.01.2022

Leidenschaftliches Plädoyer einer Außenseiterin

Misfits
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„Ich merke, dass ich nur im Schmerz, in der Dunkelheit, ausharre. Wie lange, frage ich mich, bin ich es schon gewohnt, mit einem Lächeln im Gesicht vom Grauen zu berichten, im Licht zu stehen und Geschichten ...

„Ich merke, dass ich nur im Schmerz, in der Dunkelheit, ausharre. Wie lange, frage ich mich, bin ich es schon gewohnt, mit einem Lächeln im Gesicht vom Grauen zu berichten, im Licht zu stehen und Geschichten der Dunkelheit zu erzählen?“ (S. 32)

Mit ihrem Debüt als Autorin verschriftlichte Michaela Coel ihre Rede, die sie 2018 beim Edinburgh TV Festival gehalten hatte, eingebetet in eine Einleitung und einen Epilog, und veröffentlicht nun dieses aufrüttelnde Manifest für alle Außenseiter (engl. Misfits). Der Text fließt dahin und nimmt mit, auf eine kurzweilige Reise in das bisherige Leben der Autorin. Michaela Coel beschreibt auf wenigen Seiten chronologisch ihre Kindheit, ihre Jugend und ihre berufliche Laufbahn - alles geprägt von unzähligen Widrigkeiten: Mobbing, Rassismus, Sexismus - bis heute, wo Coel weltweit als ausgezeichnete Schauspielerin und Drehbuchautorin bekannt ist. Sie berichtet schonungslos von sehr persönlichen und traumatischen Erfahrungen in der Medienbranche, ohne sich als Opfer darzustellen oder in Details zu verlieren. Als Leserin war ich beeindruckt von ihrer radikalen Ehrlichkeit und Stärke, mutig ihre Erfahrungen so transparent zu teilen. Mir gefällt zudem die Idee des Buches und die elegant luftige Aufmachung: fett-gedruckte zitierfähige Sätze auf einer Seite, die sich schnell wiederfinden lassen, viele Absätze und die illustrierte Motte bzw. der Totenkopfschwärmer, als wiederkehrendes Symbol für Veränderung. Es bleibt auf den ersten Blick oberflächlich, liest sich dadurch aber schnell und trotzdem emotional und sprachlich originell. Wer sich Zeit nimmt, erkennt die tieferen Botschaften. Es fällt leicht, Coels Positionen nachzuempfinden und sich in ihren Anekdoten zu verlieren. Misfits kann daher als ermutigende Inspiration und heilende Kraft für das eigene Leben wirken und kann den Mut wecken, selbst Normen zu hinterfragen und das Wort zu ergreifen; und natürlich eigene Geschichten zu erzählen.

Perfekt für alle, die, statt einer langen Biographie, nach einer kurzweiligen persönlich, authentischen Inspiration mit kraftvollen Worten und aktuellen Themen suchen, ohne dabei zu sehr auf den Preis achten zu müssen. (Luftige 120 Seiten für 16,99 Euro)

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