…ein nachdenkliches und höchst nützliches Buch!
Bücher sind mir sehr, sehr wichtig. Sie sind Kommunikation. Autoren kommunizieren durch sie mit ihrer Leserschaft. Ein Buch begegnet mir und spricht mich an. Wenn es mich wirklich trifft, bleibe ich dabei ...
Bücher sind mir sehr, sehr wichtig. Sie sind Kommunikation. Autoren kommunizieren durch sie mit ihrer Leserschaft. Ein Buch begegnet mir und spricht mich an. Wenn es mich wirklich trifft, bleibe ich dabei und lese weiter. Es gibt solche Begegnungen, die nur kurz sind. Dann habe ich mich getäuscht. Titel und Cover waren verlockend, doch es stellte sich schnell, spätestens bis Seite 50 heraus, dass nicht in den Buchseiten steckte, was ich erwartet oder erhofft hatte. Der Autor merkt es nicht, dass ich nicht weiterlese. Es tut ihm nicht weh. Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich mich leider zu oft täuschen lasse. Doch das ist Ausdruck meiner Hoffnungen, deshalb nehme ich es in Kauf.
Dann gibt es die Bücher, die ich in einem Rutsch durchlese, weil ich sie nicht wieder aus der Hand legen kann. Der Inhalt fesselt mich. Das kommt bei mir eher selten vor.
Bei manchen Büchern brauche ich Zeit. Ich lese in Etappen, nehme das Werk immer wieder zur Hand. Lese Seiten ein zweites Mal und mache mir zwischendurch Gedanken. Diese Bücher lösen etwas in mir aus. Die vom Autor begonnene Kommunikation führt zur Gegenreaktion in mir. Und das sind mir die liebsten!
Bonjour, Saint-Ex von Jörg H. Trauboth
ist ein solches Buch.
Titel und Cover wecken Interesse. Ungewöhnliches fängt mich ein, zumal die Erinnerung an den Kleinen Prinzen, eine jener nachhaltigen Begegnungen, geweckt ist.
Jörg H. Trauboth nimmt uns mit ins Cockpit.
Mit großer Sach- und Fachkenntnis werden wir in die Vorgeschichte und Faktenlage von Antoine de Saint-Exupéry eingeführt. Die hohe fliegerische Kompetenz des Autor-Piloten Trauboth vermittelt ein Gefühl der Sicherheit. Dieses hält bis etwa zur Hälfte des Buches an. Da gerät die Welt auf dramatische Weise ins Wanken, als plötzlich aus dem geplanten Exupéry-Gedächtnisflug ein Formationsflug wird. Wir treffen „wie in einer Fata Morgana“ Antoine de Saint-Exupery am Flughimmel und mit ihm auch den Kleinen Prinzen. Der Weiterflug wird zu einem surrealen Gespräch des Autors Trauboth mit dem Dichter Saint-Ex.
Dann kommt die Stelle, wo ich Zeit brauche. Allzu surreal wird die Begegnung! Was hat er sich da ausgedacht und wohin soll das führen? Ist es nur wieder eine Masche wie so viele, die uns notorischen Lesern ständig begegnen, geschaffen, um den Buchmarkt und die Eitelkeit des Autors zu bedienen?
Der Verdacht ist da, aber er führt nicht dazu, dass ich das Buch auf den großen Stapel lege. Seine Idee ist verlockend genug, um mich immer wieder von der Seite her anzusprechen. Es liegt noch auf dem Nachttisch und ruft mir zu. So lese ich immer wieder ein paar Seiten und spüre schließlich, dass der Autor mich mitnimmt zu seiner eigenen Begegnung mit Antoine de Saint-Exupéry. Und so gelingt es, dass ich, der Leser, sie, die Legende, selbst treffen kann. Trauboth führt auf geniale Weise das Gespräch, welches meines ist. Und es gelingt schließlich, dass ich mir aus den Antworten diejenigen heraussuchen kann, die mir ein Stück weiter helfen.
Wer den legendären „Kleinen Prinzen“ mag, wird auch dieses Buch mögen, denn es ist an vielen Stellen ebenso fundamental und sprachgewaltig in der Einfachheit seiner Weisheiten wie sein großes Vorbild:
„…das, worauf es ankommt, können wir nicht vorausberechnen. Die schönste Freude erlebt man immer da, wo man sie am wenigsten erwartet.“
Oder:
„Sind wir nicht ständig auf der Suche nach der Wahrheit? Doch bringt uns das weiter, wenn wir die Wahrheit gefunden haben?“
Jörg H. Trauboth wird für mich in seinem Protagonisten Fabian zu einem legitimen Nachfolger des legendären Schriftsteller-Piloten Antoine de Saint-Exupéry. Seine erfahrungsgeleitete Expertise als Pilot gibt uns einen brauchbaren Kompass für unsere heute oft so schmerzhaft empfundene Orientierungslosigkeit:
„Es kommt darauf an, dass wir auf etwas zugehen, nicht auf das Ankommen. Das Tätigwerden ist das Entscheidende, nicht das Ergebnis.“
Dramatisch real wird die Situation schließlich durch die Parallelen zum aktuellen Krieg in der Ukraine. Denn wir müssen feststellen, dass sich der zeitlose Saint-Ex noch immer im Krieg gegen die „deutschen Väter“, die sein Land überfallen haben(!), befindet: „Ein Krieg (…) zeigt die schlimmste Fratze des Menschen sowohl auf der Seite der Täter als auch der Marionetten. Der Mensch hat im Krieg aufgegeben Ich zu sein. (…) Ich fliege für die Sinnlosigkeit.“
Trauboth führt Saint-Exupéry’s Philosophie im Dialog mit ihm weiter und greift zentrale Themen aus dessen Werk auf: „Die Pflege der Rose kann man sich nicht einfach vornehmen, sie erfordert zunächst Selbstliebe. Niemand kann Liebe schenken, ohne sich selbst zu lieben. Erst wenn diese Voraussetzung geschaffen ist, ist auch die vertraute Beziehung im Sinne dessen, was Sie als Zähmung bezeichnen, möglich.“
Oder: „Es gibt Dinge im Leben, die wir nicht erklären können. Sie geschehen einfach, (…). Wir leben von Beziehungen, auch von solchen, die wir nicht gelebt haben.“ (128)
Für mich ist BONJOUR, SAINT-EX ein nachdenkliches und höchst nützliches Buch. Es trifft auf metaphorische Weise den melancholischen Geist unserer „Zeitenwende“, indem es die zeitlosen Wahrheiten des legendären Dichters Saint-Ex wieder in unser Bewusstsein rückt. Sein Plädoyer für Freundschaft und Menschlichkeit, seine Kritik an der Erwachsenenwelt und am Konsumismus sind angesichts der sich verschärfenden Weltlage aktueller denn je. Trauboth schafft es auf fantastische Weise, den Dichter als Mahner an den Himmel zu holen. Ganz nebenbei kann man in dem Buch viel darüber lernen, wie sich das Fliegen von Kriegsgerät für Kampfpiloten anfühlen könnte…
Mein Fazit: Das Buch ist, was ich „Serendipity“ nenne, ein glücklicher Zufall, ein Jahrhundertwerk. Es wird, das sehe ich schon, nicht auf dem großen Stapel landen, sondern in jenem Buchregal derer, die immer mal wieder im Vorübergehen nach mir rufen.