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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2017

Gekonnte Fortsetzung - Leseempfehlung

Zitrönchen
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„...Sie lächelte Luis an und Luis lächelte zurück, woraufhin der Schmetterling auf Herzrhythmusstörung umstellte und Jo rasch ihren Blick von Luis abwendete...“

Es ist kalt. Auch Zitrönchen, Jos Pferd, ...

„...Sie lächelte Luis an und Luis lächelte zurück, woraufhin der Schmetterling auf Herzrhythmusstörung umstellte und Jo rasch ihren Blick von Luis abwendete...“

Es ist kalt. Auch Zitrönchen, Jos Pferd, scheint das Wetter nicht zu mögen. Er ist angespannt und wirft Jo ab. Erst Luis gelingt es, das Pferd zu beruhigen.
Am gleichen Tag wird Bents Pferd gebracht. Es hat weder Sattel noch Halfter und reagiert trotzdem auf jede Handbewegung von Bent.
Auch der vierte Band der Reihe zeichnet sich durch seine spannende und abwechslungsreicher Handlung aus.
Anfangs geht alles seinen gewohnten Gang. Doch dann bricht das Schneechaos aus. Die jungen Reiter freuen sich, denn damit fällt die Schule aus. In dem Moment wissen sie aber nicht, dann eine Menge Arbeit auf sie zukommt. Seba, Besitzer des Reiterhofs, stürzt beim Schnee schaufeln und bricht sich das Bein.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Gut wird dargestellt, welche zusätzlichen Anforderungen ein schneereicher Winter mit sich bringt. Gleichzeitig verschlechtert sich die Stimmung im Team, denn es kommt zu Eifersüchteleien. Natürlich hat die Gerüchteküche nicht unwesentlichen Anteil daran. Die Autorin versteht es, die Gefühlslage der jugendlichen Protagonisten gekonnt durch ihr Tun und Handeln wiederzugeben. Da braucht es nicht viel Worte. Allerdings gehören gut ausgearbeitet Dialoge mit zu den Highlights der Geschichte. Eine besondere Rolle spielt Mücke, Jos kleine Schwester. Die Probleme der Älteren beobachtet sie leicht amüsiert. Außerdem sagt sie, was sie denkt und kann nicht verstehen, das die Älteren manchmal schweigen oder nur drumherum reden.
Sehr humorvoll wird dargestellt, wie es Jos Oma uns Seba gelingt, den Verkauf von Bruschettino in die Ferne zu verhindern. Der kleine schwarze Hengst und Zitrönchen toben gern miteinander. Dadurch bekommt Zitrönchen die nötige Bewegung.
Trotz aller Probleme funktioniert die Zusammenarbeit bei der Hilfe auf den Hof. Doch wie lassen sich bei den Schneemengen die nötigen Transportaufgaben lösen? Luis entdeckt im Schuppen einen alten Pferdeschlitten. Wird er die Rettung bringen?
Das Cover hat hohen Wiedererkennungswert und weckt Interesse.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeigt, was bei gedeihlicher Zusammenarbeit alles möglich ist und wie sich Probleme lösen lassen, wenn man auf Freundschaft statt auf Konfrontation setzt.

Veröffentlicht am 20.05.2017

Ein fesselndes Stück Geschichte

Ötzi und die endende Steinzeit, Kupferzeit, Kupferbeil, Tote vom... / Die Verschwörung von Breitental - das Kupferbeil des Ötzi
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„...Wenn man sieht, dass der Weg zu steil ist, muss man zurück und sich einen flacheren suchen. Oder man holt Auskunft ein...“

Narado gelingt es, von der Burg seines Vaters zu fliehen. Nach dessen Tod ...

„...Wenn man sieht, dass der Weg zu steil ist, muss man zurück und sich einen flacheren suchen. Oder man holt Auskunft ein...“

Narado gelingt es, von der Burg seines Vaters zu fliehen. Nach dessen Tod hat ihn Arane, die Stiefmutter, eine Falle gestellt. Sie beansprucht die Burg für sich und ihren Sohn Timor. Diese Szene schließt punktgenau an den ersten Teil des Romans über Narado an.
Der Autor erzählt ein Stück fesselnder Geschichte über den Beginn der Kupferzeit. Das Buch lässt sich gut lesen und hat mich erneut schnell in seinen Bann gezogen.
Zu Beginn gibt es eine kurze Zusammenfassung des ersten Teils. Mit Narado hat der Autor einen Protagonisten wiederbelebt, den wir als Ötzi, den Toten aus dem Eis kennen. Der Autor versucht, das Leben des Mannes anhand von bisherigen Erkenntnissen und archäologischen Forschungen zu rekonstruieren. Dies geschieht in Form einer spannenden Romanhandlung.
Der zweite Teil zeigt, dass die Zeit im Umbruch ist. Neben der Landwirtschaft kommt zunehmend der Handeln in Schwung. Vor allem die Bearbeitung von Kupfer und die Herstellung von Werkzeugen und Schmuck daraus, verändert das Leben.
Als Narado seine Heimat verlässt, lernt er auf der Wanderung Menschen kennen, die über Erfahrung in der Kupferschmelze verfügen. Er selbst geht durch eine harte Schule. Fortgegangen ist er als unreifer junger Mann, der keinen Blick für die Not der anderen hat. Die Jahre in der Ferne haben ihn nicht nur reifen lassen, sondern ihn ein eine Spur Besonnenheit gelehrt. Er weiß nun, was er will und kann sich durchsetzen. Hinzu kommt, dass er seinen Großvater mütterlicherseits kennenlernt. Zwar nimmt er anfangs dessen Ratschläge nicht ernst, doch später wird er sich an ihn wenden, als er Hilfe braucht.
Der Schriftstil des Buches ist über weite Teile sehr sachlich. Das tut aber der Spannung keinerlei Abbruch. Ausführlich werden Narados Reisen beschrieben. So lerne ich die Routen der damaligen Zeit, erste Städte, die Arbeit im Steinbruch und in der Goldwäsche und die Pfahldörfer am Bodensee kennen. Dabei erlebe ich nach und nach die Wandlung von Narado zu einem Mann, der sich auf Handel versteht und bereit ist, neue Wege zu gehen. Zwischen Arane und ihm allerdings herrscht eher Waffenstillstand als Frieden. Arane trägt ihren Hass und ihre Herrschsucht weiter in die Enkel.
Natürlich gibt es auch emotional bewegende Momente. So braucht Narado lange, bis er den Tod seines ersten Sohnes innerlich verarbeitet hat. Die tiefe Bindung zu seiner Frau Ibora hat er nie verloren.
Das Buch zeugt von umfangreicher und exakter Recherche. Das zeigt sich in der ausführlichen Beschreibung der Techniken der Metallherstellung der damaligen Zeit. Dabei werden auch soziale und gesellschaftliche Fragen beleuchtet. So sorgt der Verkauf der Kupfererzeugnisse für Reichtum. Die Landwirtschaft wird nicht mehr als so wichtig betrachtet, da man sich Korn leisten kann. Was aber, wenn die Mine erschöpft ist? Noch begreifen sie nicht, dass Getreide zwar nachwächst, Kupfer aber nicht. Schöne Sprachbilder und Metapher werden für die Wiedergabe landschaftlicher Besonderheiten verwendet. Ein besonders inhaltliches Stilmittel besteht darin, dass Narado die Reise seiner Jugend später mit seinem Sohn Michali wiederholt. Hier wird deutlich, wie sich manche Dinge weiterentwickelt haben. So ist die Goldwäsche am Fluss nun in einer Hand und die Arbeiter haben keine Chance mehr, für sich Gold zu schürfen, wie es Narado viele Jahre früher noch konnte.
Ein ausführliches Nachwort geht auf die Erkenntnisse über Ötzi ein und belegt, was davon ihm Roman verwendet wurde und was Fiktion ist.
Zwei ausführliche Karten zu Beginn des Buches zeigen zum einen Narados Heimat, zum anderen seine Reiseroute. Dabei wurden damalige und heutige Bezeichnungen gegenübergestellt.
Ein Register und eine Auswahl von Literaturvorschlägen ergänzen das Buch.
Das Cover zeigt Narado in späteren Jahren. Anfangs hatte er als Burgherr den Kopf geschoren getragen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt, wie vielschichtig die Entwicklung des Lebens schon zu Zeiten des Ötzi war.

Veröffentlicht am 19.05.2017

Schatten der Nachkriegsjahre

Die Unschuld der Kastanienblüten
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„...Im Halbschlaf lösten sich Schatten aus der Dunkelheit. Meine Mutter winkte mir zu. Komm, schien sie zu sagen, ich nehme dich an die Hand und wir gehen noch einmal den Weg, den wir damals gegangen sind...“
Eine ...

„...Im Halbschlaf lösten sich Schatten aus der Dunkelheit. Meine Mutter winkte mir zu. Komm, schien sie zu sagen, ich nehme dich an die Hand und wir gehen noch einmal den Weg, den wir damals gegangen sind...“
Eine junge Frau reist 1972 beruflich nach Paris. Doch innerlich hofft sie, dort Hanno wiederzusehen, den Freund ihrer Jugend. Sie sieht ihn zwar, aber zu einer Begegnung kommt es nicht. Am Abend fallen die Sätze, die ich zu Beginn zitiert habe.
Dann wechselt die Geschichte ins Jahr 1945. Sophie ist drei Jahre und erlebt das Kriegsende in einem Dorf bei Görlitz. 1948 holt sie die Mutter an den Niederrhein, wo der Vater auf die Familie wartet. Dort verlebt sie ihre Kindheit. Dann aber zieht eine neue Familie in den Ort.
Die Autorin hat in ihrem Buch zwei unterschiedliche Lebensbilder miteinander verknüpft. Sie zeichnet gleichzeitig ein vielschichtiges Bild der Nachkriegszeit. Die Geschichte lässt sich gut lesen und regt zum Nachdenken an.
Das Geschehen wird von Sophie erzählt. Die Begegnung mit Hanno wird ihr ganzes Leben prägen. Sie will nicht ohne ihn sein. Aber die Gräben, die sie trennen, sind tief. Hanno ist Jude. Seine Eltern haben die Hölle von Auschwitz überlebt. Doch diese Zeit überschattet ihr zukünftiges Leben. Hanno selbst hat diese Jahre in England bei einer Tante verbracht.
Der Schriftstil des Buches ist ausgefeilt. Das braucht es bei dem Thema auch. In der Schule trifft Hanno auf eine Lehrerin, die noch nicht in der neuen Zeit angekommen ist. Anfangs verletzt sie den Jungen mit brutalen Worten, später sind es subtile Stiche, die Wunden hinterlassen. Für mich unverständlich war das lange Schweigen der Erwachsenen. Schuldgefühle werden verdrängt. Währenddessen wächst eine sanfte Zuneigung zwischen Sophie und Hanno. Aber die Vergangenheit stellt sich immer wieder zwischen sie. Einige Bewohner lassen Hannos Familie ihre Abneigung spüren, andererseits macht der Hass von Hannos Vater auch vor den Kindern nicht Halt. Einer der stilistischen und inhaltlichen Höhepunkte ist der Brief von Ursel. Sie war in Berlin die Freundin von Sophies Mutter – und Jüdin. Ihren Eltern war es gelungen, mit dem Kind nach Chile auszuwandern. Als Arzt konnte sich ihr Vater dort ein neues Leben aufbauen. Der Brief ist vielschichtig. Hier wird in wenigen Zeilen wiedergegeben, wie es sich anfühlt, wenn man die Heimat unfreiwillig verlassen muss und immer wieder Todesnachrichten von Angehörigen bekommt.
Hanno und Sophie kommen mir im Verlaufe der Geschichte immer mehr als Getriebene vor. In Hanno steckt eine Rastlosigkeit, die ihn keine Ruhe finden lässt. Selbst bei seiner Arbeit als Arzt fragt er sich, ob er die Entscheidungen, die er fällen muss, fällen kann. Das Bild des KZ-Arztes wird ihn sein Leben lang begleiten. Er kennt ihn aus den Gesprächen der Eltern, die eigentlich nicht für ihn bestimmt waren. Bei Sophie sieht die Situation anders aus. Sie hat in Berlin Arbeit und Heimat gefunden. Allerdings ist sie nicht bindungsfähig. Für sie gibt es nur Hanno. Sie kann sich nicht von ihm lösen, auch wenn sie tausende Kilometer trennen.
Was mich betroffen gemacht hat, sind die Widersprüche, die in der Nachkriegszeit offen zutage treten. Sophies Oma öffnet den Flüchtlingen aus dem Osten Haus und Keller. Am Niederrhein erlebt Sophie, dass die Hausbesitzerin mit kleinen Schikanen die Familie ihre Abneigung spüren lässt. Die offene Feindseligkeit der katholischen Bevölkerung gegenüber den evangelischen Ankömmlingen ist für mich nicht nachvollziehbar. Sie überschattet Sophies Kindheit, denn oft spürt sie, dass sie nicht dazu gehört. Das Kriegsende hat in den Köpfen nur wenig geändert. Man ist zwar entnazifiziert, doch in vielen regiert noch der alte Geist.
Das gelbe Cover mit der einzelnen Kastanienblüte weckt Interesse. Diese Kastanienblüte zieht sich an vielen Stellen als Bild der Beständigkeit, aber auch der Veränderung – je nach Sichtweise – durch die Handlung.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin versteht es, darzustellen, wie sehr erlebte Verletzungen nicht nur das Leben des Verletzten, sondern unter Umständen auch das der folgenden Generation prägen.

Veröffentlicht am 18.05.2017

spannend und politisch brisant

Flucht ins Viertel
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„...Wir sind nicht dem NATO-Krieg in Libyen entflohen, um hier zu sterben...“

Die Geschichte beginnt mit einem kursiven Abschnitt. Menschen steigen auf ein Boot. Vorher wurde ihnen jeglicher Besitz weggenommen.
Dann ...

„...Wir sind nicht dem NATO-Krieg in Libyen entflohen, um hier zu sterben...“

Die Geschichte beginnt mit einem kursiven Abschnitt. Menschen steigen auf ein Boot. Vorher wurde ihnen jeglicher Besitz weggenommen.
Dann wechselt die Handlung nach Hamburg. Die Journalistin Nele unterrichtet auf Bitte ihres Sohnes Cairo, der sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, den Afrikaner Ngana in Deutsch. In der darauffolgenden Nacht wird der junge Mann gefoltert und getötet.
Der Fall landet bei Hauptkommissar Werner Jensen und seiner Partnerin Wiebke Maurer.
Der Autor hat einen fesselnden und politisch brisanten Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen, auch weil der Autor an vielen Stellen Klartext spricht, wie das obige Zitat zeigt. Die Handlung spielt kurz nach dem Sturz Gaddafis in Libyen.Damals gelangte eine Gruppe von Flüchtlinge über Lampedusa nach Hamburg und kämpfte dort um ihr Bleiberecht.
In die Ermittlungen wird Moser vom Staatsschutz mit einbezogen. Seine Voreingenommenheit gegenüber den Flüchtlingen behindert die Suche nach dem Täter mehr, als dass er sie vorwärts bringt.
Im Gegensatz zu den Kriminalisten weiß ich als Leser ziemlich früh, wo das Tatmotiv liegt, ohne allerdings am Anfang die Hintergründe der Geschichte zu durchschauen. Für Jensen und seine Leute ist es wesentlich schwieriger, den Täter zu ermitteln. Natürlich gibt es die üblichen Verdächtigen, die zum einen unter den Flüchtlingen, zum anderen im rechtsradikalen Milieu vermutet werden. Doch nichts und niemand ist konkret greifbar.
Jedes Kapitel ist auf gleiche Art aufgebaut. Zu Beginn gibt es in kursiver Schrift eine Episode zur Flucht, bevor das Geschehen dann zur Mordermittlung wechselt. Besonders treffend wurden die Kapitelüberschriften gewählt.
Der Schriftstil sorgt neben der abwechslungsreichen Handlung für einen hohen Spannungsbogen. Er steigert sich noch, als Nele und Cairo Drohbriefe erhalten. Gleichzeitig kochen in Hamburg die Emotionen über. Geschickt werden die unterschiedlichen Handlungsstränge miteinander verwoben, ohne dass die Spannung leidet. Da ist zum einen die Suche nach dem Täter, zum anderen muss Nele die Probleme in ihrem Privatleben in den Griff bekommen. Auch die finanzielle Ausstattung der Zeitung gibt Anlass zur Sorge. Ab und an kommt der Täter zu Wort und lässt mich an seinen Gedanken teilhaben. Nicht zuletzt wird das Leben der Flüchtlinge beschrieben.
„...Er wird diesen Menschen nach dem Gottesdienst seine Kirche als Obdach anbieten. Jesu hätte nicht anders gehandelt. Und auch kein andersgläubiges Volk, in dem Gastfreundschaft ein Wert und nicht ein Schimpfwort ist...“
Das sind die Worte von Pastor Gunnar Völcker. Gut wird beschrieben, dass das Zusammenleben nicht einfach ist. Toleranz und guter Wille sind auf beiden Seiten gefragt. Klar und deutlich wird an mehreren Stellen herausgearbeitet, wie es zu dem Flüchtlingsstrom kam und wo die Ursachen liegen.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es für das Verständnis mancher Zusammenhänge günstig ist, den ersten Teil der Krimireihe zu kennen, da dort Neles Vergangenheit beleuchtet wird.
Das Cover mit dem Schiff am Strand zeigt eine Idylle, wo sich sonst Tragödien abspielen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Eine fesselnde Handlung ist gekonnt mit aktuellen Problemen verknüpft worden.

Veröffentlicht am 17.05.2017

Abenteuerliche Klassenfahrt

Agenten ohne heiße Spur
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„...Ich hasse Klassenfahrten. Drei Tage und zwei Nächte mit einem Haufen Fünftklässlern in eine Jugendherberge fahren, in der es stinkt und die Betten quietschen...“

Benjamin Baumann ist Schüler der fünften ...

„...Ich hasse Klassenfahrten. Drei Tage und zwei Nächte mit einem Haufen Fünftklässlern in eine Jugendherberge fahren, in der es stinkt und die Betten quietschen...“

Benjamin Baumann ist Schüler der fünften Klasse. Mit obigen Zitat beginnt er seine Geschichte. Er ist überhaupt nicht begeistert, als die Lehrerin eine Klassenfahrt ankündigt. Die steht allerdings auf Messers Schneide, weil die zweite Betreuerin ausgefallen ist. Schließlich erklärt sich Bens Mutter bereit, an der Fahrt teilzunehmen. Natürlich ist damit auch Bens jüngerer Bruder Lasse dabei.
Der Autor hat ein spannendes und abwechslungsreiches Kinderbuch geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Der Schriftstil ist für die Zielgruppe angemessen. Einige Stellen haben hohen Wiedererkennungswert zum realen Leben. Ich denke dabei insbesondere an die Hektik vor Abfahrt des Busses und das Problem vertauschter Taschen und Gepäckstücke sowie die unruhigen Nächte.
Aktuelle Themen wie die Müllentsorgung und das Verhalten im Wald werden gekonnt ins Geschehen integriert. Deutlich wird auch, dass normalerweise harmlose Ereignisse auf die Kinder ganz anders wirken können. So macht sich Ben Sorgen um seine Familie, weil die Mutter am Abend mit dem Lehrer ein Glas Wein trinkt. Sehr passend finde ich die Einfügung des 104. Psalms nach dem Waldspaziergang.
Häufig werden gegenseitige Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme thematisiert. Als die Kinder in Gefahr geraten, öffnen sie sich ihrem Gegenüber. Plötzlich reden sie über familiäre Probleme, den sonst im häuslichen Bereich bleiben.
Eine besondere Stellung nimmt Lasse im Buch ein. Der Junge redet manchmal etwas viel. Natürlich ist das seinem Bruder Ben peinlich. Doch die gegenseitige Zuneigung der beiden ist trotzdem in jeder Zeile spürbar. Lasse kennt keine Scheu. Er geht sehr offen mit seinen Glauben um, hat kein Problem, in der Öffentlichkeit zu beten und redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Auch seine Danksagung für erhörte Gebete gibt ab und an zum Schmunzeln Anlass. Diese Offenheit und das unbedingte Vertrauen wirken beeindruckend.
Zu den stilistischen und inhaltlichen Höhepunkten gehören die Minuten im Lastkraftwagen. Hier tauschen sich die Kinder über ihre Erfahrungen beim Beten aus. Jeder darf seine Meinung sagen. Besonders Deborah und Mats treten als Gegenpole auf. Erstaunlich ist die Ernsthaftigkeit und die Tiefe der Gespräche. Später zeigt sich, dass sie nicht nur für Mats nachklingen.
Auch Fehlverhalten wird angesprochen, ohne belehrend zu wirken.
Das Cover mit dem LKW im Wald zeigt eine der entscheidenden Szenen der Handlung. Es weckt Interesse.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie ist lebensnah, zeichnet sich stellenweise durch feinen Humor aus, verfügt über eine fesselnde Handlung und zeigt, wie die Kinder durch das gemeinsame Erleben zusammenwachsen.
Nachdem ich mit den ersten Sätzen des Buches begonnen habe, möchte ich mit den letzten abschließen.
„...Ich will ja nicht übertreiben mit meinem Urteil, aber am Ende der Klassenfahrt könnte ich tatsächlich sagen: Ich hasse Klassenfahrten doch nicht so sehr...“